I. Die Klage gegen den Bescheid vom 23. Mai 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2001 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Versicherungspflicht der Klägerin.
Die am 1956 geborene Klägerin ist seit dem 13.04.1989 als Hebamme selbständig tätig. Mit Bescheid vom 02.02.1993 stellte die Beklagte erstmals die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) fest und setzte für die Zeit ab Tätigkeitsaufnahme die Beiträge fest. In der Folge bezahlte die Klägerin Beiträge für ihre selbständige Tätigkeit. Mit Bescheid vom 17.04.2001 stellte die Beklagte einen Beitragsrückstand für die Zeit ab 01.01.2000 in Höhe von insgesamt 10.274,82 DM zuzüglich Säumniszuschläge fest. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 03.05.2001 Widerspruch ein mit der Begründung, die Verfassungsmäßigkeit der Pflichtbeiträge für Hebammen sei nicht gegeben. Es liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor im Vergleich zu vielen anderen Gewerbetreibenden ohne Zwangsmitgliedschaft. Gleichzeitig beantragte sie die Befreiung von der Versicherungspflicht. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 23.05.2001 ab. Die Voraussetzungen des § 231 Abs. 6 Ziffer 1 SGB VI seien von ihr nicht erfüllt, da ihre Versicherungspflicht am 31.12.1998 bekannt war. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2001 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.04.2001 zurück. Am 28.06.2001 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.05.2001 ein. Sie sah einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, da für diejenigen Hebammen, die ihrer Zahlungsverpflichtung nachgekommen seien, keine Befreiungsmöglichkeit bestehe, während indessen selbständige Hebammen, die ihrer Zahlungspflicht wider besseren Wissens nicht nachgekommen seien, nun auch befreit würden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 10.10.2001 zurück.
Am 12.11.2001 ging bei der Beklagten ein weiterer "Widerspruch" gegen den Widerspruchsbescheid ein. Diesen übersandte die Beklagte an das Gericht. Nachdem der Klägerin bereits mit der Klageeingangsbestätigung vom 17.12.2001 ein Formblatt zur Erklärung von der Entbindung von der sozialrechtlichen Geheimhaltungspflicht übersandt worden war, wurde die Übersendung dieses Formblattes mit Schreiben vom 14.02.2002, 22.04.2002 und 06.06.2002 angemahnt. Im letzteren Schreiben wurde gleichzeitig eine Entscheidung mittels Gerichtsbescheid angekündigt mit Fristsetzung bis zum 01.07.2002. Das Formblatt ging nicht bei Gericht ein. Jedoch bestellte sich mit Telefax vom 01.07.2002 eine Rechtsanwaltskanzlei als Bevollmächtigte, die gleichzeitig Akteneinsicht beantragte. Eine Klagebegründung ging bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht ein, ebenso wenig das Formblatt.
Die Klägerbevollmächtigten beantragen sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.05.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2001 zu verurteilen, die Klägerin von der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung erfolgt gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
Das angerufene Gericht ist gemäß §§ 57 Abs. 1, 51 Abs. 1, 8 SGG zur Entscheidung des Rechtsstreits örtlich und sachlich zuständig. Die form- und fristgerecht erhobene Klage (§§ 87, 90, 92 SGG) ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als Hebamme.
Als selbständige Hebamme ist die Klägerin nach § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Gericht ist der Überzeugung, dass § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI auch nicht verfassungswidrig ist. Eine Vorlage gemäß Art. 100 Grundgesetz (GG) an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) war daher nicht erforderlich.
Denkbar wäre, dass durch § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht der Klägerin auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit verletzt werden könnte. Der Schutzbereich dieser Vorschrift ist berührt, wenn der Gesetzgeber durch die Anordnung einer Zwangsmitgliedschaft und von Beitragspflichten in einem öffentlich-rechtlichen Verband die allgemeine Handlungsfreiheit des Einzelnen durch Einschränkung ihrer wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht unerheblich einengt (BVerfGE 97, 271, 286), wobei das Grundrecht nur in den Schranken der allgemeinen Handlungsfähigkeit des Art. 2 Abs. 1 Halbsatz 2 GG gewährleistet ist. Das Grundrecht ist nicht verletzt, wenn die Eingriffsnormen formell und materiell verfassungsgemäß sind, insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den rechtsstaatlichen Anforderungen des Vertrauensschutzes entsprechen (BSG vom 12.10.2000 – B 12 RA 2/99 R in SozR 3-2600 § 2 Nr. 5 zu Versicherungspflicht von selbständig tätigen Lehrern). Zur Regelung der widersprüchlichen Interessen, einerseits des Schutzes der wirtschaftlichen Freiheit des Einzelnen, andererseits den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung, hat der Gesetzgeber eine weite Gestaltungsfreiheit, von der er bei Anordnung der Rentenversicherungspflicht für Selbständige unter Berücksichtigung eines den Arbeitnehmern vergleichbaren Schutzbedürfnisses zulässig Gebrauch gemacht hat. Das Gesetz geht bei der Anordnung der Versicherungspflicht davon aus, bei selbständigen Hebammen bestehe ebenso wie bei anderen rentenversicherungspflichtigen Selbständigen ein den Arbeitnehmern vergleichbares Schutzbedürfnis, das ihre Einbeziehung rechtfertige. Bei typisierender Betrachtung sind selbständige Hebammen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes ebenso wie Arbeitnehmer maßgeblich auf die Verwertung ihrer eigenen Arbeitskraft angewiesen. Darauf, ob der Einzelne bereits anderweitige Vorsorge getroffen hat oder er wegen seiner wirtschaftlichen Verhältnisse des sozialen Schutzes nicht bedarf, kommt es bei der generalisierenden und typisierenden Regelung des § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI nicht an (vgl. BSG SozR 3-2600 § 2 Nr. 2 zur Versicherungspflicht von Physiotherapeuten). Die Anordnung der Versicherungspflicht erscheint als ein geeignetes und bei der geltenden Ausgestaltung des Beitragsrechts auch verhältnismäßiges Mittel, selbständige Hebammen sozial zu sichern.
Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Dieser gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleichzubehandeln. Ein Verstoß hiergegen liegt dann vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 78, 232 f; BVerfGE 87, 1 f). Maßgeblicher Gesichtspunkt für die Prüfung eines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz ist also die Frage, ob eine Personengruppe gegenüber einer anderen ohne hinreichenden sachlichen Grund unterschiedlich behandelt wird. In die gesetzliche Rentenversicherungspflicht waren bis Ende 1998 Selbständige nur berufsgruppenspezifisch einbezogen. Es konnte daher Gruppen von Selbständigen geben, die bei typisierender Betrachtung nicht weniger schutzbedürftig als selbständige Hebammen waren, aber gleichwohl nicht in die Rentenversicherungspflicht nach § 2 SGB VI einbezogen waren. Hieraus ergibt sich jedoch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Bei selbständigen Hebammen handelt es sich um Personen, die eine persönliche Dienstleistung erbringen und ihre Einkünfte aus der Verwertung eigener Arbeitskraft erzielen. Ihre Stellung im Erwerbsleben ist damit derjenigen von Arbeitnehmern vergleichbar, weshalb es sachlich gerechtfertigt ist, wenn der Gesetzgeber speziell für diese Selbständigen die Versicherungspflicht angeordnet hat. Mit Einführung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI hat der Gesetzgeber inzwischen alle Selbständigen in die Rentenversicherungspflicht einbezogen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Die gesetzliche Entwicklung geht also dahin, den Kreis der versicherungspflichtigen Selbständigen zu erweitern. Unter diesen Umständen sind keine sachlichen Gründe dafür ersichtlich, gerade bei den seit langem in die Rentenversicherung einbezogenen selbständigen Hebammen die Versicherungspflicht zu beanstanden.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI. Ungeachtet der Tatsache, dass die Klägerin bereits vor 1998 von ihrer Versicherungspflicht Kenntnis hatte, ist auch nicht nachgewiesen, dass sie vor dem 10.12.1998 eine anderweitige ausreichende Vorsorge für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. Lebensjahres sowie im Todesfall für Hinterbliebene getroffen hat. Unterlagen für eine private Absicherung hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt vorgelegt. Ein Verstoß der Vorschrift des § 231 Abs. 6 SGB VI gegen Art. 3 GG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Klägerin, die eine anderweitige, private Vorsorge für den Fall der Erwerbsminderung und einer Altersrente nicht getroffen hat, unterscheidet sich wesentlich von der Gruppe derjenigen selbständigen Hebammen, die dies in Unkenntnis ihrer Versicherungspflicht getan hatten.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 27.07.2005
Zuletzt verändert am: 27.07.2005