I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 14. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2005 verurteilt, vom 1. Februar 2005 bis 30. April 2005 monatlich 940,47 Euro als Leistungen (statt darlehensweise) zu gewähren.
II. Unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2005 wird die Beklagte verurteilt, ab 1. Mai 2005 bis 31. Oktober 2005 die Leistung weiter in gesetzlicher Höhe zu gewähren, wobei ab 1. Juli 2005 nur noch die Leistungen für eine angemessene Unterkunft zu erbringen sind.
III. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger hilfebedürftig ist.
Der Kläger, geboren 1950, hatte seit 2000 Arbeitslosenhilfe bezogen. Zum 01.01.2005 beantragte er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Auf den Kläger übertragen ist ein auf Erbbaugrund errichtetes Haus (Baujahr 1956 in N., J.-Straße 20) mit 74 qm Wohnfläche. Die Restlaufzeit des Erbbaurechts beträgt 50 Jahre. Das Haus ist belastet mit dem dinglichen Nießbrauch auf Lebzeiten zugunsten der Mutter des Klägers.
Der Kläger selbst bewohnt in D. eine Wohnung mit 75,14 qm (Gesamtkosten Miete, Heizung, Nebenkosten: 394,71 EUR).
Mit Bescheid vom 14.03.2005 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 01.02.2005 bis 30.04.2005 monatlich 940,47 EUR Leistungen (345,00 EUR Regelleistung, 394,71 EUR Leistung für Unterkunft/Heizung, 115,00 EUR Zuschuss Krankenversicherung). Die Leistung wurde nur darlehensweise bewilligt.
Dagegen legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 01.04.2005 Widerspruch mit der Begründung ein, dass das Grundstück in J.-Straße derzeit unveräußerlich sei. Der Kläger bemühe sich um ein Darlehen. Im Weiteren legte der Kläger Absagen bezüglich einer Kreditgewährung vor, und zwar der Sparkasse N. vom 02.05.2005, der Raiffeisen-Volksbank R. eG vom 03.06.2005 und der HypoVereinsbank vom 09.06.2005.
Im Weiteren wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2005 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Verwertung des Hausgrundstückes nicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich sei.
Dagegen legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 20.07.2005 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein.
Auf den Weiterzahlungsantrag des Klägers zum 01.05.2005 wurde eine Leistungsgewährung mit Bescheid vom 16.06.2005 nunmehr wegen fehlender Hilfebedürftigkeit im Hinblick auf das verwertbare Hausgrundstück völlig abgelehnt.
Dagegen legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 06.07.2005 Widerspruch ein unter Vorlage ärztlicher Atteste, dass die Mutter des Klägers (Nießbrauchberechtigte) nur noch ein stark eingeschränktes Sehvermögen habe (Visus rechts 0,6, links 0,05).
Im Weiteren wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2005 zurückgewiesen.
Dagegen legte der Kläger wiederum durch seinen Bevollmächtigten am 04.08.2005 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein. Die Klageverfahren wurden im Weiteren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Am 02.09.2005 wurde ein Beweistermin im Hausgrundstück J.-Straße 20, N., durchgeführt. Insoweit wird auf die Terminsniederschrift Bezug genommen.
Bezüglich der Verwertbarkeit wurde vom Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 16.09.2005 mitgeteilt, dass von Banken keine schriftlichen Erklärungen bezüglich eines Maklerauftrags zu erreichen seien. Vorgelegt wurde eine Erklärung einer privaten Immobilienmaklerin aus N. vom 09.09.2005, nach der, aus deren Sicht für das Objekt derzeit keine Verkaufbarkeit bestehe.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 04.10.2005 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 14.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.06.2005 zu verurteilen, monatlich 940,47 EUR für die Zeit vom 01.02. 2005 bis 30.04.2005 zu gewähren (nicht nur darlehensweise) und die gleiche Leistung monatlich unter Aufhebung des Be- scheides vom 16.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbe- scheids vom 21.07.2005 für die Folgezeit bis 31.10.2005.
Der Vertreter der Beklagten beantragte im Termin
die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage war im entschiedenen Umfang begründet.
Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II -). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II).
Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde; in diesem Fall sind die Leistungen als Darlehen zu erbringen (§ 9 Abs. 4 SGB II). Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II).
Das im Eigentum des Klägers stehende Hausgrundstück auf Erbbaugrund in J.-Straße 20 in N. ist als solches (abstrakt) verwertbar. Der Begriff der Verwertbarkeit ist ein rein wirtschaftlicher. Die Verwertung kann durch Veräußerung des Vermögensgegenstandes, aber auch durch Belastung erfolgen. Die Verwertbarkeit kann sowohl aus tatsächlichen als auch aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen sein. Tatsächlich nicht verwertbar sind Vermögensbestandteile, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird (Mecke in Eicher-Spellbrink Kommentar SGB II § 12 RdNr. 31, 32).
Solange die Verwertung nur aus abwicklungstechnischen Gründen eine bestimmte Zeit in Anspruch nimmt, ist die Darlehensgewährung nach § 9 Abs. 4 SGB II vorgesehen.
Die Leistungen nach SGB II sollen vom Gesetzeskonzept her nur die (möglichst kurzen) Zeiten von Arbeitslosigkeit überbrücken. Entsprechend sind die Leistungen nach SGB II auf die Zeit des Berufslebens begrenzt. Das 65. Lebensjahr darf noch nicht vollendet sein (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB II). Damit sind für die Interpretation von § 12 SGB II vornehmlich die Kriterien des bisherigen Arbeitslosenhilferechtes heranzuziehen. Das Verwertbarkeitshindernis darf nicht nur vorübergehend sein. Eine von der Zeitdauer her absehbare und damit nur vorübergehende Beschränkung schließt die Verwertbarkeit nicht aus. Wenn aber für den Bewilligungszeitraum und eventuell noch für den anschließenden Bewilligungszeitraum eine realistische Verwertung nicht erreicht werden kann, fehlt es an der Verwertbarkeit des Vermögensgegenstandes im Sinn von § 12 Abs. 1 SGB II.
Für den streitigen Zeitraum liegt nach Beurteilung der Kammer eine Nichtverwertbarkeit des Grundstücks in J.-Straße 20 vor. Aus den vorgelegten Absagen der regionalen Kreditinstitute war für die Kammer glaubhaft, dass das Hausgrundstück nicht für eine Darlehensgewährung eingesetzt werden kann. Auch ein Verkauf ist aktuell und für die nächste Zukunft nicht vorstellbar, solange der Nießbrauch genutzt wird. Das Hausgrundstück ist als Immobilienkapitalanlage auch für nicht nur kurzfristig orientierte Kapitalanleger ungeeignet, weil das Haus auf Erbbaugrund erbaut ist und das Erbbaurecht schon zur Hälfte ausgeschöpft ist. Wegen des dinglichen Nießbrauchs auf Lebenszeit könnte das Hausgrundstück von einem Käufer aktuell nicht genutzt werden weder für den Selbstbezug noch für eine Vermietung. Es war für die Kammer die Aussage der Immobilienmaklerin R. vom 09.09.2005 überzeugend, dass derzeit für das Objekt in J.-Straße 20 keine realistische Verkaufsaussicht besteht.
Damit ist für den streitigen Zeitraum die Anspruchsvoraussetzung der Hilfebedürftigkeit erfüllt. Wegen fehlender Verwertbarkeit des Hausgrundstückes konnte sich die Beklagte für die Zeit von Februar bis April 2005 nicht nur auf eine bloß darlehensweise Gewährung beschränken. Ab 01.05.2005 bis 31.10.2005 besteht weiter Anspruch auf Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe, wobei die Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II nur für die ersten sechs Monate, d. h. bis 30.06.2005 in tatsächlicher Höhe von der Beklagten zu tragen sind, danach nur noch in angemessener Höhe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes. Es war der Erfolg der Klage zu berücksichtigen.
Erstellt am: 01.09.2009
Zuletzt verändert am: 01.09.2009