I. Die Bescheide vom 3. Mai 2004 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. August 2004 werden insoweit teilweise aufgehoben und abgeändert, als nur der betriebliche Anteil der Lebensversicherung von 58 % gemäß § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V in Verbindung mit § 57 Abs. 1 SGB XI der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung unterliegt.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die am 1943 geborene Klägerin wendet sich gegen die Höhe der Beitragsfestsetzung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung aus rentenvergleichbaren Einnahmen im Sinne von § 229 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in Verbindung mit § 57 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI).
Die Klägerin ist als Bezieherin von Arbeitslosenhilfe (Stand: August 2004) pflichtversichert. – Die B.-Versicherung hat entsprechend ihrer Nachricht vom 08.03.2004 zum 01.04.2004 die Auszahlung einer Lebensversicherung mit einem Gesamtbetrag von 50.429,00 EUR angekündigt. Bei dieser Versicherung handelt es sich um eine ehemalige Direktversicherung, die seit dem Ausscheiden der Klägerin am 30.04.1995 privat weitergeführt worden ist.
Die Beklagten haben mit den streitgegenständlichen Bescheiden vom 03.05.2004 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11.08.2004 ausgeführt, dass die Kapitalleistung als Versorgungsbezug zu bewerten sei, und diesen auf einen Zeitraum von 10 Jahren umgelegt (= monatlicher Versorgungsbezug von 420,22 EUR seit dem 01.05.2004). Der monatliche Beitrag in der Krankenversicherung ist entsprechend dem aktuellen Beitragssatz von 15,2 % mit 63,87 EUR festgesetzt worden; hinzu kommen 7,14 EUR monatlich für den Bereich der Pflegeversicherung.
Die hiergegen gerichteten Klageschriften vom 13.09.2004 gingen am selben Tag im Sozialgericht Augsburg ein. Zur Begründung hob die Bevollmächtigte der Klägerin hervor, dass die Lebensversicherung am 01.04.1984 durch den damaligen Arbeitgeber der Klägerin, Herrn L. H., abgeschlossen und von diesem als betriebliche Altersversorgung bis 01.06.1995 bezahlt worden sei. Mit dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis am 01.06.1995 sei der Versicherungsnehmer der Lebensversicherung geändert und die Versicherung zunächst in eine beitragsfreie Versicherung umgestellt worden. Ab dem 01.03.1996 habe dann die Klägerin diese Lebensversicherung als rein private Lebensversicherung weitergeführt und bezahlt. – Der nunmehr aus dieser Lebensversicherung ausgeschüttete Betrag könne damit nicht in voller Höhe der betrieblichen Altersversorgung zugerechnet werden, sondern sei vielmehr prozentual auf den betrieblichen und auf den privaten Teil aufzuteilen. Insgesamt seien 134 Monate als betriebliche Altersversorgung zu werten, 79 Monate als private Altersvorsorge. Der betriebliche Anteil betrage folglich 58 %. – Sinngemäß: Nur dieser Anteil unterliege der Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Von Seiten des Gerichts wurden die Akten der Beklagten beigezogen. Die Streitsachen S 10 KR 329/04 und S 10 P 62/04 wurden mit Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 28.10.2004 gemäß § 113 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden sowie unter dem Az. S 10 KR 329/04 fortgeführt.
In der mündlichen Verhandlung vom 26.01.2006 macht das Sozialgericht Augsburg die Beteiligten auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts mit Urteilen vom 30.03.1995 – 12 RK 10/94 und 26.03.1996 – 12 RK 21/95 aufmerksam. – Der Bevollmächtigte der Beklagten übergibt eine Abschrift des Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15.11.2005 – L 11 KR 3216/05. – Beide Beteiligte halten an ihren jeweiligen Auffassungen fest und heben den grundsätzlichen Charakter der hier zu klärenden Rechtsfrage hervor: Beitragspflicht der ausgeschütteten Kapitallebensversicherungssumme zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in vollem Umfang bzw. nur anteilig pro rata temporis.
Die Bevollmächtigte der Klägerin stellt die Anträge aus den Schriftsätzen vom 13.09.2004: 1. Der Bescheid vom 03.05.2004 sowie der Widerspruchsbescheid vom 11.08.2004 sind aufzuheben, soweit ein über 37,05 EUR hinausgehender monatlicher Beitrag festgesetzt wird. 2. Der Bescheid vom 03.05.2004 sowie der Widerspruchsbescheid vom 11.08.2004 sind aufzuheben, soweit ein über 4,14 EUR hinausgehender monatlicher Beitrag festgesetzt wird.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt, die verbundenen Klagen abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten und den der beigezogenen Unterlagen der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Augsburg form- und fristgerecht erhobenen Klagen sind gemäß §§ 51 ff. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig.
Die zwischenzeitlich entsprechend § 113 Abs. 1 SGG verbundenen Klagen erweisen sich auch als begründet: Nur der betriebliche Anteil der ausgezahlten Kapitallebensversicherungssumme (hier: 58 %) unterliegt gemäß § 229 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in Verbindung mit § 57 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) der Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, auch Renten der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hüttenknappschaftlichen Zusatzversorgung (§ 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V). Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalles vereinbart oder zugesagt worden, gilt 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate (§ 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V). – Bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, gelten für die Beitragsbemessung die §§ 226 und 228 bis 238 und § 244 SGB V sowie die §§ 23 a und 23 b Abs. 2 bis 4 SGB IV (§ 57 Abs. 1 SGB XI).
Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits mit Urteil vom 30.03.1995 – 12 RK 10/94 grundlegend ausgeführt: Ist ein Versicherungsvertrag, der ursprünglich auf die Zahlung einer laufenden Rente gerichtet war, vor Eintritt des Versicherungsfalles dahingehend geändert worden, dass eine Kapitalleistung erbracht wird, so ist diese nach ihrer Auszahlung nicht beitragspflichtig. – Das BSG hat mit weiterem Urteil vom 26.03.1996 – 12 RK 21/95 ausgesprochen: Renten der betrieblichen Altersversorgung sind auch Bezüge aus einer Lebensversicherung, die als Direktversicherung (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG) abgeschlossen und von dem Arbeitnehmer durch Verzicht auf einen Teil seiner Abfindung wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses finanziert worden ist.
In Randziff. 23 seines Urteils vom 26.03.1996 – 12 RK 21/95 hat das BSG näher ausgeführt: Die Leistungen aus der Lebensversicherung verloren ihren Charakter als Versorgungsbezüge daher auch nicht deshalb, weil sie durch eine Eigenleistung des (dortigen) Klägers, nämlich den teilweisen Verzicht auf die Abfindung finanziert worden sind. Wird ein Versorgungsbezug aus einer Direktversicherung im Sinne des § 1 Abs. 2 BetrAVG gezahlt, ist es unerheblich, ob er im Einzelfall ganz oder zum Teil auf Leistungen des Arbeitgebers beruht oder allein auf Leistungen des Arbeitnehmers bzw. des Bezugsberechtigten.
Die hier vorliegende und bislang höchstrichterlich nicht geklärte Fallkonstellation unterscheidet sich von denen der vorstehend bezeichneten Entscheidungen des BSG dahingehend, dass hier eine Direktversicherung bis zu dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis zum 01.06.1995 durchgeführt, anschließend die Versicherung zunächst in eine beitragsfreie Versicherung umgestellt und anschließend ab 01.03.1996 diese Lebensversicherung als rein private Lebensversicherung weitergeführt und weiterbezahlt worden ist.
§ 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V in Verbindung mit § 57 Abs. 1 SGB XI hat zum Ziel, alle Versorgungsbezüge einer Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu unterwerfen, soweit diese Versorgungsbezüge in Zusammenhang mit einer (früheren) Erwerbstätigkeit stehen. Dies gilt gemäß § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V auch für Direktversicherungen, die in Form einer Kapitallebensversicherung einmalig ausbezahlt werden (hier: 01.04.2004).
Im Kern ist zwischen den Beteiligten streitig, ob die gesamte Kapitallebensversicherungssumme der ehemaligen beruflichen Tätigkeit der Klägerin zuzurechnen ist oder nur anteilig pro rata temporis.
In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass die Zeiten einschließlich dem 31.05.1995 zweifelsfrei der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen sind. – Die sich anschließende Zeit der beitragsfreien Versicherung einschließlich 29.02.1996 ist außer Acht zu lassen. – Nach (einhelliger) Meinung des erkennenden Gerichts unterliegen die Zeiten ab dem 01.03.1996 nicht mehr der (anteiligen) Beitragspflicht, da sie ausschließlich dem privaten Bereich zuzurechnen sind:
Die Klägerin hätte anstelle der Fortführung des bestehenden Lebensversicherungsvertrages auch die Möglichkeit gehabt, einen neuen Lebensversicherungsvertrag abzuschließen. Dies ist jedoch regelmäßig mit erheblichen Nachteilen verbunden: Das höhere Eintrittsalter hat entsprechend höhere monatliche Beiträge zur Folge; es wird regelmäßig eine erneute gesundheitliche Prüfung erforderlich; unter Umständen erhebt ein Versicherer Risikozuschläge; gelegentlich sind Versicherer nicht mehr bereit bei einem höheren Eintrittsalter überhaupt einen Lebensversicherungsvertrag abzuschließen. – Diese Nachteile werden vermieden, wenn eine bestehende Lebensversicherung wie hier ab 01.03.1996 mit eigenen Mitteln fortgeführt wird.
Wird zur Vermeidung der vorstehend aufgezeigten und gegebenenfalls weiterer vergleichbarer Nachteile anstelle des Abschlusses einer neuen eigenständigen Lebensversicherung ein bestehender Lebensversicherungsvertrag, der aus einer betrieblichen Altersversorgung herrührt, fortgeführt, ist diese Fortführung nicht mehr der ursprünglichen betrieblichen Altersversorgung in Form einer Direktversicherung zuzurechnen. Vielmehr entspricht es eigenverantwortlichem privatwirtschaftlichem Handeln, eine zusätzliche private Altersversorgung zu bestmöglichen Konditionen aufzubauen. Es besteht daher kein innerer Zusammenhang mehr mit der ursprünglichen betrieblichen Altersversorgung.
Wenn das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 15.11.2005 – L 11 KR 3216/05 unter dem Gesichtspunkt einer "fortbestehenden Gruppenversicherung" dort zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, gilt dies nicht für den hiesigen Rechtsstreit. Denn die Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Klagebegründung vom 13.09.2004 darauf hingewiesen, dass die Lebensversicherung am 01.04.1984 durch den damaligen Arbeitgeber der Klägerin Herrn L. H. abgeschlossen worden ist. Dies geht auch aus der Anerkennungsurkunde der B.-Versicherung vom 29.05.1984 hervor. – Mit dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis zum 01.06.1995 ist auch der Versicherungsnehmer der Lebensversicherung geändert und die Versicherung zunächst in eine beitragsfreie Versicherung umgestellt worden. Die entsprechende Nachricht der B.-Versicherung vom 01.06.1995 ist ebenfalls aktenkundig (vgl. Aktenbl. 4 und 5 der SG-Akten).
Zusammenfassend: Die Problematik der "fortbestehenden Gruppenversicherung" entsprechend dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15.11.2005 – L 11 KR 3216/05 stellt sich hier nicht. Vielmehr sind die Beitragszeiten ab dem 01.03.1996 ausschließlich dem privaten Bereich der Klägerin zuzuordnen.
Es erscheint auch aus Sicht des erkennenden Gerichts sachgerecht, auf die jeweiligen Beitragsmonate abzustellen und somit lediglich 134 Monate der betrieblichen Altersversorgung im Sinne von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V in Verbindung mit § 57 Abs. 1 SGB XI zuzurechnen (= 58 %).
Nach alledem ist der Klage stattzugeben gewesen. Nachdem der zugrunde gelegte Beitragssatz von 15,12 % regelmäßig Änderungen unterliegt, hat das Gericht nicht auf den entsprechenden Zahlbetrag abgestellt, sondern in Berücksichtigung von § 130 Abs. 1 SGG dem Grunde nach ausgesprochen, dass nur 58 % der ausgeschütteten Kapitallebensversicherungssumme der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen sind.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Erstellt am: 15.10.2007
Zuletzt verändert am: 15.10.2007