I. Die Klage gegen den Bescheid vom 25. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Mai 2004 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Parteien ist streitig, ob ein Ereignis vom 15.11.2002 als Arbeitsunfall und der danach festgestellte Achillessehnenriss als Unfallfolge anzuerkennen ist.
Der am 1957 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt als Lackierer beschäftigt. Am 05.11.2002 schob er einen Servicewagen (Gewicht mindestens eine bzw. mindestens zwei Tonnen – je nach Angaben) an. Dabei spürte er plötzlich einen Schmerz in der linken Wade.
Noch am Unfalltag begab sich der Kläger in ärztliche Behandlung ins Kreiskrankenhaus K … Dort wurde eine ursprungsnahe Achillessehnenteilruptur links festgestellt. Zum Unfallhergang ist im dortigen Durchgangsarztbericht vom 18.11.2002 festgehalten: "Der Verletzte hat einen schwer beladenen Wagen geschoben, musste sich dabei sehr anstrengen, plötzlich hat er einen Schlag in der li. Wade und ein knallendes Geräusch bemerkt. Anschließend sofort starke Schmerzen im Bereich der Wade und der Achillessehne."
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der behandelnde Chefarzt im Kreiskrankenhaus K. mit Schreiben vom 19.02.2003 mit, dass er grundsätzlich der Meinung sei, dass der Unfallmechanismus nicht geeignet sei, eine gesunde Achillessehne zur Zerreißung zu bringen. Er weise jedoch darauf hin, dass aufgrund des histologischen Befunds ein frisches Trauma nachvollzogen werden könne und Hinweise auf vorbestehende degenerative Veränderungen nicht bestünden.
Der dazu gehörte Beratungsarzt der Beklagten stellte am 26.02.2003 diesbezüglich fest, dass ein adäquates Trauma für die Annahme eines frischen traumatischen Sehnenrisses fehle.
Näher zum Unfallhergang befragt, teilte die Arbeitgeberin des Klägers mit Schreiben vom 22.04.2003 mit, dass der Kläger ein fahrbares Servicegerät (auch "Servicewagen" genannt) geschoben habe. Das Gerät habe sich an der Torschwelle verkantet und gestoppt. Bei der Kraftaufwendung zum Wiederanschieben habe der Kläger plötzlich einen Schlag oder Riss (= Schmerz) in der linken Wade verspürt.
Im Auftrag der Beklagten erstellte der Orthopäde Dr. G. am 24.06.2003 ein Gutachten zur Zusammenhangsfrage. Bei der Begutachtung ergänzte der Kläger seine bisherige Unfallschilderung nach den gutachtlichen Feststellungen wie folgt: "Er habe, wie üblich, das ca. 1130 kg schwere Service-Gerät auf ebenem Boden geschoben. Der Boden sei etwas schräg angestiegen. Beim Anschieben habe er einen Ruck verspürt. Er meint, dass etwas unter dem Servicegerät gelegen sei, das er überwinden musste. Er verspürte dann einen Schlag in der Ferse."
Der Gutachter ging von der Annahme aus, dass die Belastung als unphysiologisch anzusehen sei, da sie durch äußere Umstände aufgezwungen worden sei. Der Kläger habe eine zusätzliche Kraftanwendung zum Wiederanschieben aufgewendet, da das Gerät an der Türschwelle gestoppt habe. Der histologische Befund spreche für eine unfallbedingte Zusammenhangstrennung der Achillessehne. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) infolge des unfallbedingten Achillessehnenrisses betrage 10 v.H.
Am 20.09.2003 fertigte Dr. G. im Auftrag der Beklagten eine unfallchirurgische Stellungnahme nach Aktenlage. Es könne – so Dr. G. – nur von einer kontrollierten, also aktiven, willentlich gesteuerten Kraftanstrengung ausgegangen werden. Ein Unfallgeschehen könne daraus nicht abgeleitet werden. Ein von außen auf die Sehne einwirkendes unkontrolliertes Ereignis habe nicht vorgelegen. Der Riss sei nicht bei einem plötzlichen Abblocken, sondern beim Wiederanziehen (richtig: Wiederanschieben – Anmerkung des Gerichts) der Last erfolgt. Es habe auch kein Ausrutschen vorgelegen. Ein zur Verursachung einer traumatischen Achillessehnenruptur geeignetes Unfallereignis sei nicht gegeben, wobei von Dr. G. geeignete Mechanismen aufgezeigt wurden. Im Übrigen seien die Feststellungen des Dr. G. auch unter weiteren (in der Stellungnahme näher ausgeführten) Gesichtspunkten nicht überzeugend. Zusammenfassend sei festzustellen, dass ein adäquates Unfallereignis für eine traumatische Ruptur nicht anzunehmen sei.
Darauf gestützt lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 25.11.2003 ab, einen Entschädigungsanspruch als Anlass des Ereignisses vom 15.11.2002 zu gewähren. Rechtlich wesentliche Ursache für den Achillessehnenriss sei die vorbestehende Minderbelastbarkeit der Sehne gewesen. Ein von außen auf die Sehne einwirkendes unkontrolliertes Ereignis habe nicht vorgelegen.
Der dagegen mit Schreiben vom 04.12.2003 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2004 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 26.05.2004 erhoben die Bevollmächtigten des Klägers Klage. Mit Schreiben vom 24.08.2004 wurde die Klage begründet. Zum Unfallhergang wurde Folgendes vorgetragen: "Der Kläger hat ein fahrbares Servicegerät, das im Hause der Firma allgemein als "Servicewagen" bezeichnet wird, geschoben. Das Gerät verkantete an der Torschwelle und stoppte. Der Kläger wollte den Servicewagen anschieben, dies ist ihm beim ersten Anschieben nicht gelungen, beim zweiten Versuch des Anschiebens ist dem Kläger der Fuß weggerutscht, es kam zu blitzartigen Schmerzen."
Im Auftrag des Gerichts erstellte der Orthopäde Dr. P. am 17.03.2005 ein Gutachten. Als genaue Schilderung des Unfallherganges ist im Gutachten Folgendes enthalten: "Nach getaner Arbeit habe er das Gerät vom Lackierraum in die Schweißerei schieben müssen. Er brachte das Gerät zwar zum Rollen, dieses blieb aber plötzlich stehen. Mit äußerster Kraftanstrengung habe er es erneut anschieben wollen, rutschte dabei mit dem Fuß weg (er könne nicht sagen, ob es der rechte oder der linke Fuß gewesen sei) und habe dann ein lautes Krachen in der Wade verspürt." Das Gewicht des Geräts wurde vom Kläger mit 2400 kg angegeben.
Zur Frage des Unfallzusammenhangs wies der Gutachter auf Folgendes hin: Wenn die bei der gutachtlichen Untersuchung gemachten Angaben des Klägers, die von früheren Angaben abwichen, richtig seien, wenn es stimme, dass ein plötzliches Ausrutschen stattgefunden habe, und wenn das Ausrutschen den rechten Fuß betroffen habe, so sei es vorstellbar, dass das gleichzeitige kräftige Schieben des Wagens sowie die plötzliche passive Dehnung der linken Sehne aufgrund des Ausrutschens mit dem rechten Fuß ein adäquater Verletzungsmechanismus seien. Für den Unfallriss spreche auch die histologische Untersuchung, die keine degenerativen Veränderungen zeige. Ein bloßes Schieben des Wagens mit großer Kraftanstrengung wäre als Unfallhergang nicht adäquat gewesen. Erst die bei der gutachtlichen Untersuchung abgegebene Schilderung eines gleichzeitigen Ausrutschens (ähnlich erstmals bereits in der Klagebegründung vom 24.08.2004 angegeben – Anmerkung des Gerichts) mache einen möglichen Unfallriss wahrscheinlich.
Bei Zugrundelegung der Angaben des Klägers bei der gutachtlichen Untersuchung kam der Gutachter zu dem Ergebnis, dass die Ruptur der linken Achillessehne Unfallfolge sei; die dadurch begründete MdE betrage 10 v.H.
Zu diesem Gutachten wies die Beklagte mit Schreiben vom 22.04.2005 darauf hin, dass Voraussetzung – auch nach den gutachtlichen Feststellungen des Dr. P. – für die Anerkennung eines unfallbedingten Achillessehnenrisses sei, dass nachgewiesen sei, dass der Kläger mit dem linken Fuß ausgerutscht sei. Nachdem der Kläger jedoch nicht mehr sagen könne, ob er mit dem rechten oder mit dem linken Fuß weggerutscht sei, sei diese entscheidungsrelevante Tatsache nicht bewiesen und der Kausalzusammenhang somit abzulehnen. Zudem sei zu bedenken, dass der Kläger erstmals bei der Untersuchung durch Dr. P. ein Wegrutschen angegeben habe, in den Erstangaben hingegen immer nur davon die Rede gewesen sei, dass der Kläger beim Verschieben eines Servicegerätes plötzlich einen Schmerz in der linken Wade verspürt habe. Ein Wegrutschen sei vom Kläger somit erstmals 2 ½ Jahre nach dem Ereignis angegeben worden, weshalb begründete Zweifel an dem Wahrheitsgehalt dieser Angabe bestünden.
Zu diesem Schreiben teilten die Bevollmächtigten des Klägers am 14.06.2005 mit, dass der Kläger die Angaben zum Ausrutschen erst deshalb so spät gemacht habe, da ihn vorher niemand nach dem genauen Unfallhergang befragt habe. Bei der durchgangsärztlichen Untersuchung am Unfalltag habe der Kläger sich primär nur an den Moment erinnert, an dem er einen Schlag in der linken Wade und ein knallendes Geräusch bemerkt habe, nicht jedoch, wie es dazu gekommen sei. Da ein Zwischenereignis zwischen dem streitgegenständlichen Unfall und der festgestellten Erkrankung nicht auszumachen sei, spreche schon der erste Anschein für eine Verursachung der Verletzung durch den Unfall. Das Ereignis sei daher als (versicherter) Unfall anzuerkennen.
In der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2005 beantragte die Bevollmächtigte des Klägers,
den Bescheid vom 25.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbe scheides vom 05.05.2004 aufzuheben, das Ereignis vom 15.11.2002 als Arbeitsunfall und den Achillessehnenriss links als Unfallfolge anzuerkennen.
Der Vertreter der Beklagten beantragte,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Akten des Gerichts und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, das Ereignis vom 15.11.2002 als Arbeitsunfall sowie den Achillessehnenriss als Folge eines Arbeitsunfalls anzuerkennen.
Ein Arbeitsunfall ist gemäß § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) ein Versicherungsfall. Dabei sind nach § 8 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Unfälle sind nach der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen, wobei der Unfall als schädigendes Ereignis im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen ist. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann (vgl. BSGE 58, 80, 83; 61, 127, 128). Dabei ist es nicht erforderlich, dass die entscheidungserheblichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit festgestellt werden, d.h. es wird keine Überzeugung des Gerichts vorausgesetzt, die jede nur denkbare andere Möglichkeit ausschließt (vgl. BSGE 45, 285, 287). Vielmehr ist ein der Gewissheit nahe kommender Grad der Wahrscheinlichkeit genügend, aber auch notwendig (vgl. BSGE 7, 103, 106; 32, 203, 207). Im juristischen Schrifttum wird auch formuliert, das Gericht müsse von den entscheidungserheblichen Tatsachen Gewissheit haben, müsse sich aber mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen (vgl. Meyer- Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Aufl., § 128, RdNr. 3 b m.w.N.).
Nicht erforderlich ist, um das Kriterium des von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses zu bejahen, ein besonderes oder ungewöhnliches Geschehnis. Auch alltägliche Vorgänge wie z.B. Stolpern sind ausreichend. Mit dem Kriterium der Einwirkung von außen soll die Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen (z.B. Herzinfarkt, Kreislaufkollaps) sichergestellt werden, wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12.04.2005, Az.: B 2 U 27/04 R).
"Mit Augen" sichtbar muss die äußere Einwirkung nicht sein. Auch radioaktive Strahlen oder elektromagnetische Wellen stellen eine äußere, wenngleich nicht sichtbare Einwirkung dar (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 56).
Neben körperlich-gegenständlichen Einwirkungen können auch geistig-seelische Einwirkungen in einem eng umgrenzten Zeitraum einen Unfall begründen (vgl. BSGE 18, 173, 175).
Problematisch wird die Frage, ob ein Unfall vorliegt, dann, wenn nicht klar abgrenzbar ist, ob die Einwirkung auf Körper oder Psyche ihren Ausgangspunkt im Körperinnern hat oder der Anlass in außerhalb von Körper oder Psyche des Versicherten liegenden Umständen zu suchen ist
Aufbauend auf die vorgenannten, unstrittigen Grundsätze zum Unfallbegriff haben Rechtsprechung und Literatur weitergehende Gesichtspunkte und Präzisierungen zur Beurteilung des Unfallbegriffs entwickelt, die nicht völlig deckungsgleich sind, wobei exemplarisch die folgenden wesentlichen Ansatzpunkte dargestellt werden:
1. Kasseler Kommentar
Ricke (vgl. Ricke, in: Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII, RdNr. 24) bezeichnet in seinen Kommentierungen, die in dieser Form bereits seit mehreren Jahren unverändert sind, körpereigene Bewegungen wie Heben, Schieben, Laufen usw. als äußere Vorgänge im Sinne eines von außen auf den Körper einwirkenden Vorgangs, selbst wenn sie gewohnt und üblich, besonders aber, wenn sie ungeplant und unkoordiniert seien. Unter Umständen ergäben sie jedoch keinen Unfall, weil das äußere Ereignis nur rechtlich unwesentliche Ursache sei.
2. Sozialgerichtliche Rechtsprechung, insbesondere des BSG:
2.1. Ältere Rechtsprechung
Die Entscheidungen sind vielfältig, wobei oft vorrangig auf die Frage der Kausalität zwischen versicherter Tätigkeit und Gesundheitsschaden abgestellt wird, ohne sich näher damit auseinander zu setzen, ob der Unfallbegriff an sich zu bejahen ist oder nicht. Aus Gründen der Praktikabilität ist dies insbesondere dann nahe liegend, wenn ein Kausalzusammenhang zwischen Ereignis und Gesundheitsschaden nicht zu beweisen ist, z.B. weil innere Ursachen auf der Hand liegen. Aber auch in Fällen, in denen vom Zusammenhang auszugehen war, stützen sich die Gerichte wesentlich auf die Zusammenhangsfrage, ohne den Unfallbegriff näher zu hinterfragen. So nahm das BSG z.B. im Urteil vom 18.03.1997, Az.: 2 RU 8/96, den bei einer Alarmübung eingetretenen Tod eines Feuerwehrmanns infolge eines Herzinfarkts als Unfallfolge an. Begründet wurde dies damit, dass die Belastungsgrenze des Verstorbenen so erheblich überschritten worden sei, dass den Einflüssen durch die versicherte Tätigkeit die Bedeutung einer wesentlichen Mitursache für den Tod zukomme.
Dass eine als außergewöhnliche Anstrengung in einer betriebsbezogenen Stresssituation zu bewertende Arbeit eine äußere Einwirkung im Sinne des Unfallbegriffs darstellen könne, stellte das BSG ebenso im Urteil vom 27.10.1987, Az.: 2 RU 35/87, fest (zugrunde liegender Sachverhalt: Die besondere Belastung bei einer Hausschlachtung führte zu erheblicher Atemnot, zum Zusammenbrechen und Tod).
Auch das LSG Nordrhein-Westfalen ging davon aus, dass ein Unfall dann gegeben sein könne, wenn es sich um eine außergewöhnliche (körperliche oder psychische) Überanstrengung handele (vgl. z.B. Urteile vom 18.11.1998, Az.: L 17 U 142/97, und vom 15.09.1999, Az.: L 17 U 63/97).
Dass, sofern bei der Entscheidungsfindung wesentlich nur auf die Frage der Kausalität, nicht des Unfallbegriffs an sich abgestellt wird, die Rechtsprechung teilweise eine Vermengung der Tatbestandsmerkmale Unfall und Kausalität vornimmt, wird dabei versucht, auf anderem Wege zu korrigieren. So forderte das LSG Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 18.11.1998, Az.: L 17 U 142/97, dass die körperliche Belastung als ungewöhnliche erscheinen, also für die Kraft des Betroffenen eine besondere außergewöhnliche Belastung mit ggf. ungünstigen Rahmenbedingungen darstellen müsse. Eine akute psychische Überforderung sei vor allem dann als wesentliche Mitursache anzusehen, wenn Angst, Not, Entsetzen oder Sorge als existenzielle Bedrohung – individuell, akut und überraschend – bedeutsam würden und in ihrer tatsächlichen Dramatik ein Ereignis "akzidentieller" Prägung darstellen würden, wobei dieses – so das LSG – "unfallartig" und vom Vorschaden abgrenzbar sein müsse. Aus den gewählten Formulierungen lässt sich damit der Rückschluss ziehen, dass das LSG auch über das gewöhnliche Maß hinausgehende Belastungen nicht in jeden Fall als Unfallereignis betrachtete, sondern darüber hinaus noch mehr, nämlich das ebenso unpräzise wie auch vielsagend als "Unfallartiges" Bezeichnete verlangte. Dabei ist aus dem Urteilskontext zu entnehmen, dass das LSG damit eine ungewollte oder unbeabsichtigte Belastung verstand.
2.2. Urteil des BSG vom 12.04.2005, Az.: B 2 U 27/04 R:
In dieser aktuellen Entscheidung setzte sich das BSG eingehend mit der Frage des Unfallbegriffs auseinander und entwickelte – so die Ansicht Giesens (vgl. Giesen, jurisPR-SozR 24/2005 vom 06.10.2005, Anm. 6) – die bisherige Rechtsprechung weiter.
In diesem Urteil, dem der Versuch eines Versicherten zugrunde lag, einen etwa 70 kg schweren, festgefrorenen Stein anzuheben, und bei dem der Kläger eine Subarachnoidalblutung erlitt, kam das BSG zu dem Ergebnis, dass von einem versicherten Arbeitsunfall auszugehen sei. Die äußere Einwirkung habe in der (unsichtbaren) Kraft gelegen, die der schwere und festgefrorene Stein dem Versicherten entgegengesetzt habe (vgl. Drittes Newton sches Gesetz über die gleiche Größe der Gegenwirkung). Ein Versicherter, der im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit eine derartige Kraftanstrengung unternehme, stehe unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn der Gesundheitsschaden sei durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden und ihr zuzurechnen. Dementsprechend habe das beabsichtigte Anheben des Steines und die damit einhergehende Kraftanstrengung aufgrund der mit ihr verbundenen Gegenkräfte zu einer zeitlich begrenzten, äußeren Einwirkung auf bestimmte Teile bzw. Organe des Körpers des Klägers geführt.
Das BSG hob in dieser Entscheidung hervor, dass es für den Unfallbegriff genüge, wenn "durch eine der versicherten Tätigkeit zuzurechnende außergewöhnliche Kraftanstrengung ein Vorgang im Körperinneren ausgelöst wird, der die gesundheitliche Schädigung bewirkt" (so die plakative Aussage in der Presse-Mitteilung Nr. 18/05 vom 13.04.2005 zum Urteil vom 12.04.2005).
Weiter äußerte sich das BSG zum Gesichtspunkt der Freiwilligkeit differenzierend wie folgt, wobei hierin die von Giesen (vgl. a.a.O.) genannte Fortentwicklung zu sehen ist: Von den Fällen einer gewollten Einwirkung, die keinen Unfall darstellen würden, seien die Fälle eines gewollten Handelns mit einer ungewollten Einwirkung, bei denen von einer äußeren Einwirkung auszugehen sei, zu unterscheiden. Ob eine und welche äußere Einwirkung, wie sie für einen Arbeitsunfall erforderlich sei, vorgelegen habe, sei in solchen Fällen gegebenenfalls nicht ohne die eigentlich erst in einem weiteren Schritt zu prüfende Ursachenbeurteilung festzustellen.
3. Rechtsprechung insbesondere des Bayerischen Landessozialgerichts (Bay LSG):
Das Bay LSG geht regelmäßig davon aus, dass ein Unfallereignis nur dann gegeben sei, wenn es sich um "plötzliche und unerwartete äußere Krafteinwirkungen, die unkoordiniert sind", handele, ein Unfallereignis dagegen ausgeschlossen sei, wenn es sich zwar um eine "vermehrte Kraftanstrengung" handele, auf die der Versicherte aber "eingestellt" gewesen sei (vgl. z.B. Urteil vom 22.02.2005, Az.: L 17 U 370/03). Diese Abgrenzung entspricht der wiederholten Rechtsprechung zum sog. "Verhebetrauma". Beispielhaft sei nur auf die Urteile des Bay LSG vom 24.10.2002, Az.: L 3 U 319/02, und vom 15.02.2001, Az.: L 17 U 344/99, verwiesen, in denen jeweils bereits das Vorliegen eines Unfallereignisses abgelehnt und auch ausdrücklich (im erstgenannten Urteil) darauf hingewiesen worden ist, dass bereits die Wortverbindung "Verhebetrauma" unfallmedizinisch ein Widerspruch in sich sei, da schweres Heben allein kein Unfallereignis sein könne.
Ein Unfallereignis kann demgemäß nur angenommen werden, wenn eine unerwartete, nicht jedoch wenn eine willentliche Kraftanstrengung vorliegt, wobei diese Krafteinwirkung nach den allgemeinen Grundsätzen im Vollbeweis nachgewiesen sein muss.
Dem entspricht auch die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.09.2000, Az.: L 3 U 282/99, m.w.N.). Im genannten Urteil wurde darauf hingewiesen, dass wesentliches Tatbestandsmerkmal eines Unfalls die Unfreiwilligkeit des Ereignisses (also nicht des eingetretenen Schadens!) sei und ein planmäßiges und willentliches Herbeiführen des Ereignisses nach herrschender Meinung grundsätzlich keinen Arbeitsunfall darstellen könne. Dabei müsse als Ereignis das zum Schaden führende Geschehen betrachtet werden.
4. Begutachtungsliteratur:
Im maßgeblichen und in der täglichen Praxis von medizinischen Sachverständigen, Unfallversicherungsträgern und Gerichten wohl am weitesten verbreiteten Werk der Begutachtungsliteratur von Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, wird in der aktuellen 7. Auflage der Unfallbegriff weitestgehend identisch mit der dargestellten Rechtsprechung des Bayer. Landessozialgerichts verwendet. So weist Schönberger (vgl. a.a.O., S. 66) darauf hin, dass für einen Unfall die Unfreiwilligkeit des Ereignisses zu verlangen sei. Aufschlussreich sind die weitergehenden Ausführungen Schönbergers zu der Frage, ob beim "Verheben im Kreuz" ein Unfall gesehen werden könne (vgl. a.a.O., S. 532). Dabei kommt er überzeugend zu dem Ergebnis, dass ein willentlich eingeleiteter, eigentätiger Hebeakt, unabhängig davon, ob der Hebeakt von besonderer Schwere sei, kein Unfallereignis darstelle. Er begründet dies für den Fall des Verhebens damit, dass Muskulatur und Skelettsystem so aufeinander abgestimmt seien, dass ihr Zusammenwirken keine Schädigung eines der Teile bewirken könne.
5. Rechtsprechung anderer Gerichtsbarkeiten:
5.1. Zivilgerichtliche Rechtsprechung:
Die zivilgerichtliche Rechtsprechung zum Unfallbegriff in der (privaten) Unfallversicherung, wie er in § 2 Nr. 1 der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB) verwendet wird, kann vergleichend herangezogen werden. Weder aus den jeweils verwendeten Formulierungen noch aus den zugrunde liegenden Rechtsgedanken der Rechtsbereiche lassen sich Hinweis darauf entnehmen, dass unterschiedliche Auslegungen gerechtfertigt wären.
Der Bundesgerichtshof (BGH) äußerte sich diesbezüglich ausführlich in seinem grundlegenden und bis heute maßgeblichen Urteil vom 23.11.1988, Az.: IVa ZR 38/88. Zugrunde lag der Sachverhalt, dass der (privat) Unfallversicherte eine schwere Mörtelwanne angehoben und dabei einen starken Schmerz im Rücken verspürt hatte, als dessen Ursache in der Folge ein Bandscheibenvorfall festgestellt wurde. Der BGH kam hier zu dem Ergebnis, dass ein Unfall nicht gegeben sei. Er begründete dies wie folgt:
Zwar habe der BGH in der Vergangenheit (vgl. z.B. Urteil vom 12.12.1984, Az.: IVa ZR 88/83 = NJW 1985, 1398) wie schon das Reichsgericht (vgl. RGZ 55, 408) einen vollkommen im äußeren Ablauf gesteuerten Bewegungsvorgang als Unfall im Sinne der privaten Unfallversicherung gelten lassen. Ein solcher allgemeiner Grundsatz könne aber jedenfalls nicht auf die Fälle angewendet werden, in welchen die im äußeren Ablauf kontrollierte Handlung lediglich eine Kraftanstrengung im Sinne des § 2 Nr. 2 Buchst. a AUB darstelle, also nichts Unvorhergesehenes im Ablauf, keine Störung von außen eintrete. Die mit § 2 Nr. 2 Buchst. a AUB anerkanntermaßen gegebene Ausdehnung des Versicherungsschutzes (auf durch Kraftanstrengung des Versicherten hervorgerufene Verrenkungen, Zerrungen und Zerreißungen an Gliedmaßen und Wirbelsäule) setze logisch voraus, dass bloße kontrollierte Kraftanstrengungen und ihre Folgen nicht bereits den Unfallbegriff des § 2 Nr. 1 AUB erfüllten.
Bei einem Unfall müsse es sich um ein äußeres Ereignis handeln, das – nicht willensgesteuert – auch im Ablauf einer willentlich in Gang gesetzten Eigenbewegung des Versicherten auftreten könne und dann zumindest mitursächlich für die Gesundheitsbeschädigung werde. Ein solches Ereignis könne im Anheben der Mörtelwanne nicht gesehen werden. Die Kraftanstrengung, die der Kläger bei dem Anheben der Mörtelwanne unternommen habe, sei in ihrem ganzen Verlauf eine willensgesteuerte Eigenbewegung gewesen. Die Wanne sei ausschließlich Einwirkungsobjekt des Klägers geblieben, weil es allein von seinem Willen abgehangen habe, ob und wie stark er in Einwirkung auf sie seine Kräfte entfalte. Solange der Einwirkungsgegenstand nicht in unerwartete Bewegung gerate und solange der Einwirkende nicht in seiner gewollten Einwirkung und damit in seiner Eigenbewegung – etwa durch Straucheln oder Ausgleiten (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Schleswig, VersR 1970, 1048) – beeinträchtigt sei, wirke kein äußeres Ereignis auf seinen Körper ein. Vielmehr wirke der Betroffene ausschließlich seinerseits auf den Gegenstand ein. Erleide er bei dieser gezielten, von ihm in vollem Umfang gesteuerten Kraftanstrengung eine innere Verletzung, so liege kein Unfall im Sinne des § 2 Nr. 1 AUB vor (vgl. auch OLG Hamm, VersR 1988, 242, wobei die Revision gegen dieses Urteil durch Beschluss des BGH vom 07.10.1987, Az.: IVa ZR 20/87, nicht angenommen worden ist).
5.2. Verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung:
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum Dienstunfallrecht kann vergleichend herangezogen werden (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2005, Az.: B 2 U 27/04 R). Eine äußere Einwirkung schloss das BVerwG nur dann aus, wenn die Einwirkung auf Umständen beruhe, für die eine in körperlicher oder seelischer Hinsicht besondere Veranlagung des Betroffenen oder dessen willentliches Verhalten die wesentliche Ursache sei (vgl. BVerwGE 35, 133, 134). Dabei lag der genannten Entscheidung der Fall zugrunde, dass ein Bahnpolizeibeamter dienstlich in ein heftiges Streitgespräch verwickelt wurde und danach einen Herzinfarkt erlitt. Die äußere Einwirkung sei bei derartigen Fällen in herabsetzenden Reden, Beleidigungen und Beschimpfungen zu sehen. Derartige Geschehnisse könnten die seelische Verfassung des Betroffenen beeinflussen und die gestörte seelische Verfassung könnte zu körperlichen Beeinträchtigungen führen.
Wie aus weiteren obergerichtlichen Entscheidungen (z.B. Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 06.05.1999, Az.: 12 A 2983/96) deutlich wird, sieht die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ein äußeres Ereignis auch dann als gegeben an, wenn ein äußerer Vorgang zunächst etwa eine psychische Reaktion auslöst, die dann körperliche Folgen zeitigt. Dabei dürfe der Unfallbegriff nicht überspannt werden, was sich aus dem Charakter der Dienstunfallvorschriften sowie aus Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge ergebe (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26.11.1993, Az.: 3 L 99/93).
Im Rahmen des Dienstverhältnisses übliche Vorgänge seien nicht in der Lage, den Begriff eines Dienstunfalls zu erfüllen. Etwas anderes könne nur bei Hinzutreten weiterer Umstände gelten, soweit diese den Rahmen der normalen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses überstiegen. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Bay VGH) (vgl. Urteil vom 29.07.1987, Az.: 3 B 85 A. 2752) beispielsweise der Fall bei verletzenden Äußerungen im Verlauf einer verbalen Auseinandersetzung mit Dienstvorgesetzten.
Zusammenfassend gilt daher Folgendes: Zwar sind die veröffentlichten Entscheidungen zum Begriff des Dienstunfalls nicht so zahlreich wie die sozialgerichtlichen Entscheidungen. Aber aus den angeführten Urteilen ist durchwegs der Grundsatz zu entnehmen, dass zur Bejahung des Unfallbegriffs eine Einwirkung von außen erforderlich ist, wobei diese Einwirkung gegen den Willen des Betroffenen stattgefunden haben muss.
Die dargestellten Auslegungen zum Unfallbegriff können wie folgt zusammengefasst werden, wobei drei grundsätzliche Argumentationlinien zum Unfallbegriff zu erkennen sind:
– Auf der einen Seite (Kasseler Kommentar) wird der Unfallbegriff weitestgehend dahingestellt gelassen und bei der Prüfung der Entschädigungspflicht des Versicherungsträgers entscheidend auf die Kausalität zwischen Vorgang und Schaden abgestellt.
– Auf der anderen Seite (Bay LSG, BGH, Begutachtungsliteratur, auch, wenngleich etwas unpräziser die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung) wird eine äußere unvorhergesehene Einwirkung verlangt, auf die der Verletzte nicht eingestellt ist.
– Einen – dieser Eindruck liegt jedenfalls nahe – Mittelweg geht das BSG mit seiner Entscheidung vom 12.04.2005, wenn es einen Unfall bei einer "ungewollten Einwirkung" als gegeben erachtet.
Da die vorgenannten Auslegungslinien nicht unwesentlich voneinander abweichen, zudem in dem hier zu entscheidenden Fall offenkundig ist, dass je nach Auslegung der Unfallbegriff zu bejahen oder zu verneinen ist, ist zunächst zu klären, welcher Auslegung zu folgen ist:
Zum 1. Spiegelstrich – extensive Auslegung im Kasseler Kommentar:
Vorweg ist festzuhalten, dass die Rechtsprechung (wie auch Verwaltung) nicht selten die Frage des Unfallereignisses dahin gestellt lassen, wenn die Frage der Kausalität zwischen Geschehen und Schaden zweifelsfrei zu verneinen ist. Diese Praxis hat zweifellos ihre Berechtigung. Gleichwohl entbindet sie einerseits nicht von der Möglichkeit, entsprechend der Systematik bereits zuvor die Frage des Unfallbegriffs zu prüfen, bzw. andererseits nicht von der Verpflichtung zur Prüfung, wenn der Unfallbegriff fraglich sein könnte.
Beispielhaft für diese Praxis seien nur die Urteile des BSG vom 27.10.1987, Az.: 2 RU 35/87, und vom 18.03.1997, Az.: 2 RU 8/96, erwähnt, in denen nur auf die Frage der haftungsausfüllenden Kausalität abgestellt und die Frage des Unfallbegriffs nur am Rande erörtert worden ist.
Diese Vorgehensweise, sei sie auch in vielen Fällen praxisgerecht, entbindet aber nicht in jedem Fall von der Verpflichtung, zu prüfen, ob ein Unfall gegeben ist.
Zu den Kommentierungen im Kasseler Kommentar zum Unfallbegriff ist daher aus Sicht des Gerichts Folgendes festzustellen:
Die Kommentierungen können nur so gelesen werden, dass umso eher von einem Unfall auszugehen ist, umso weniger gewohnt oder üblich die Einwirkungen sind. Diese Auslegung ist so unpräzise, dass damit der Unfallbegriff nicht fassbar wird; Abgrenzungskriterien für den Unfallbegriff werden nicht aufgezeigt. Der Unfallbegriff wird damit letztlich völlig konturlos, zur Makulatur und – entgegen den Vorgaben des Gesetzgebers – entbehrlich, da der Ausschluss innerer Ursachen im Rahmen der Kausalitätsprüfung erfolgen kann.
Auch findet die im Kasseler Kommentar vertretene Meinung, was die Breite des Unfallbegriffs betrifft, keine Stütze in der ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Denn dort wurde regelmäßig die Forderung aufgestellt, dass ein Unfall erst dann gegeben sein könne, wenn es sich um eine zumindest außergewöhnliche (körperliche oder psychische) (Über-)Anstrengung handele. Dieses einschränkende Kriterium sieht Ricke offenbar als nicht erforderlich an.
Den Auslegungshinweisen im Kasseler Kommentar kann das Gericht daher nicht folgen.
Zum 3. Spiegelstrich – Mittelweg des BSG in seiner Entscheidung vom 12.04.2005, Az.: B 2 U 27/04 R:
In seiner Entscheidung vom 12.04.2005 hat es das BSG als maßgeblich für die Bejahung einer für den Unfallbegriff erforderlichen äußeren Einwirkung gesehen, dass – bei Fällen eines gewollten Handelns – eine ungewollte Einwirkung gegeben sein müsse, wobei das BSG den Begriff der Einwirkung mit dem Begriff des Schadens gleichzusetzen scheint. Bei unklaren Fällen sei erst im Rahmen der Einwirkung, gegeben sei.
Dem kann sich das Gericht aus folgenden Gründen nicht anschließen:
Der vom BSG vertretenen Meinung, wonach die Frage des Vorliegens eines Unfallereignisses – zumindest in unklaren Fällen – anhand der haftungsausfüllenden Kausalität zu beantworten sei, ist entgegenzuhalten, dass dies zu einer Vermischung der strikt getrennt zu prüfenden Gesichtspunkte, nämlich einerseits, ob ein (schädigendes) Ereignis vorliegt, andererseits ob eine Kausalität zwischen schädigendem Ereignis und Schaden gegeben ist, führen würde. Diese nicht der Rechtsklarheit dienende Vermischung wird im Übrigen vom BSG im Urteil vom 12.04.2005 selbst eingestanden, wenn das BSG auf Folgendes hinweist: "Ob eine und welche äußere Einwirkung vorlag, ist in solchen Fällen ggf. nicht ohne die eigentlich erst in einem weiteren Schritt zu prüfende Ursachenbeurteilung festzustellen."
Diese Vermengung würde bedeuten, dass die Beurteilung eines Tatbestandsmerkmals (Unfall) davon abhängig gemacht würde, wie die Feststellung zu einem anderen Tatbestandsmerkmal (Kausalität) ausfällt. Dies ist rechtsdogmatisch bedenklich und aus Sicht des Gerichts kaum vertretbar. Denn es würde damit bei der Prüfung der Kausalität zunächst, d.h. vorläufig, ohne dass der erforderliche Beweis geführt wäre, angenommen, dass das schädigende Ereignis gegeben ist. Erst nach dem Vorliegen des Ergebnisses der Kausalitätsprüfung würde dann endgültig die Feststellung oder Ablehnung eines Unfallereignisses ausgesprochen. Eine derartige Vorgehensweise ist bereits unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Logik schwerlich haltbar, da für die Zusammenhangsfrage zunächst das ggf. ursächlich seiende Ereignis (im Vollbeweis!) nachgewiesen sein muss. I.Ü. – auch darauf sei hingewiesen – hat das BSG selbst in diversen Entscheidungen klar und zweifelsfrei festgestellt, dass die rechtliche Prüfung, ob ein Arbeitsunfall vorliege, das Durchlaufen klar getrennter Prüfungsschritte erfordere, wobei erst dann, wenn ein Arbeitsunfall erwiesen sei, in einem weiteren Prüfungsschritt zu untersuchen sei, ob und welche Folgen der Unfall wesentlich (mit)ursächlich hervorgerufen habe (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005, Az.: B 2 U 1/04 R). Von dieser vom BSG selbst vorgegebenen und rechtlich stringenten Prüfungsweise hat sich das BSG im Urteil vom 12.04.2005 entfernt, ohne dies schlüssig zu begründen.
Eine derartige Vermischung ist auch aus dem Grund abzulehnen, da sie der Rechtsklarheit kontraproduktiv ist und zudem unter Gesichtspunkten der Beweisanforderungen zu unabwägbaren Unklarheiten führt. Denn es ist zu berücksichtigen, dass das schädigende Ereignis im Sinne des Vollbeweises nachzuweisen ist, die haftungsausfüllende Kausalität dagegen nur mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt sein muss und die geltenden Beweisanforderungen sich nicht unerheblich unterscheiden.
Würde man dem BSG in der Argumentation seines Urteils vom 12.04.2005 uneingeschränkt folgen, würde dies Folgendes bedeuten: Wäre ein Zusammenhang zwischen einem Schaden und einer zunächst nur fiktiv angenommenen Einwirkung von außen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben, so müsste man die fiktiv angenommene Einwirkung als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zugrunde legen. Mit anderen Worten und überspitzt gesagt bedeutet die Entscheidung des BSG Folgendes: Ist man nicht sicher, ob eine äußere Einwirkung vorliegt, so nimmt man diese zunächst einmal als gegeben an. Lässt sich unter dieser Annahme ein hinreichend wahrscheinlicher Zusammenhang mit einem Schaden herstellen, so ist auch davon auszugehen, dass das Ereignis, von dessen Existenz man zunächst nicht überzeugt war, als gegeben anzunehmen ist. Über einen hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhang mit einem nicht nachgewiesenen, aber fiktiv als gegeben angenommenen Ereignis würde man damit zum Vollbeweis des zunächst nur fiktiv angenommenen, also gerade nicht nachgewiesenen Ereignisses kommen. Abgesehen von der denklogischen Fraglichkeit dieser Argumentation würde dies letztlich auch dazu führen, dass die Beweisanforderungen für das Unfallereignis herabgesetzt würden und damit in derartigen Fällen die allgemein gültigen Beweisgrundsätze aufgeweicht würden. Aus Sicht des Gerichts sind daher die sich aus den Beweisanforderungen ergebenden Beweisschwierigkeiten im Sinne der Rechtsklarheit, auch wenn dies – wie in gleicher Weise in anderen Fällen – zu Lasten des Versicherten gehen wird, hinzunehmen.
Unter dem Gesichtspunkt der Nachweisbarkeit – dies ist dem Gericht bewusst – stehen die Beteiligten in den Fällen, in denen die äußere Einwirkung nicht sichtbar ist, vereinzelt vor dem Problem, wie eine derartige Einwirkung nachweisbar ist. Insofern wäre es denkbar, in derartigen Fällen über Beweiserleichterungen, beispielsweise den Anscheinsbeweis, nachzudenken. Diesen Weg hat aber das BSG in der genannten Entscheidung – wohl aus guten Gründen – gerade nicht gewählt, da es rechtsdogmatisch und rechtspolitisch fraglich erscheinen würde, das Prinzip der Beweiserleichterungen extensiv anzuwenden. Denn die Forderung nach einer derartigen Ausweitung würde dann auch in anderen Konstellationen erhoben werden, in denen dies nicht vertretbar wäre.
Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass die Argumentation des BSG im Urteil vom 12.04.2005, dass beim Heben die äußere Einwirkung aufgrund des physikalischen Gesetzes von Kraft und Gegenkraft belegt sei, fraglich erscheint. Denn auch wenn nach physikalischen Gesetzmäßigkeiten jede Kraft eine Gegenkraft erzeugt, so bleibt doch der angehobene Gegenstand ausschließlich Einwirkungsobjekt des Anhebenden und übt keine eigenständige, d.h. vom Anhebenden nicht beeinflusste und gewollte Einwirkung auf diesen aus. Auf die schlüssigen Ausführungen des BGH im Urteil vom 23.11.1988, Az.: IVa ZR 38/88, kann in diesem Zusammenhang verwiesen werden.
Das Gericht ist auch nicht mit Giesen (vgl. a.a.O.) einer Meinung, wenn dieser das Urteil des BSG vom 12.04.2005 als stringente und überzeugende Weiterentwicklung der Rechtsprechung zum Begriff des Arbeitsunfalls und zur haftungsbegründenden Kausalität ansieht. Denn das Gericht vermag gerade nicht nachzuvollziehen, worin in der genannten Entscheidung besonders deutlich gemacht werden sollte, dass zwischen dem Begriff des Arbeitsunfalls einerseits und der Kausalität andererseits unterschieden werden müsse. Vielmehr ist aus den dargelegten und noch weiter auszuführenden Gründen an der Entscheidung des BSG zu bemängeln, dass die gebotene Unterscheidung zwischen Unfall und Kausalität gerade nicht erfolgt ist. Dessen ist sich offenbar auch Giesen bewusst, wenn er am Ende seiner Anmerkungen die Befürchtung erkennen lässt, dass "diese großzügige Haltung des BSG … in der Praxis zu einer vermehrten, nicht gerechtfertigten Inanspruchnahme der Unfallversicherung führen" könne.
Einen aus Sicht des BSG möglichen Ansatzpunkt zur Lösung der im Raum stehenden Fälle zeigt das BSG im Urteil vom 12.04.2005 auf, wenn es den Gesichtspunkt der Unfreiwilligkeit der Einwirkung als wesensimmanentes Merkmal des Unfallbegriffs nennt. Das BSG weist dabei darauf hin, dass die Unfreiwilligkeit einer Einwirkung bei dem, den das Geschehen betrifft, dem Begriff des Unfalls immanent sei, weil ein geplantes, willentliches Herbeiführen einer Einwirkung dem Begriff des Unfalls widerspreche (vgl. BSGE 61, 113, 115). Zwar lehnt sich das BSG bei dieser Argumentation begrifflich an das insbesondere in der Literatur aufgezeigte Kriterium der Unfreiwilligkeit (vgl. z.B. Schulin, a.a.O., § 28, RdNr. 7; Keller in: Hauck, Sozialgesetzbuch SGB VII, § 8 RdNr. 14) an; ob jedoch noch von einer inhaltlichen Übereinstimmung der Begrifflichkeiten ausgegangen werden darf, erscheint fraglich.
Zur Erläuterung seines Ansatzes verweist das BSG auf das Beispiel eines Sägewerkers, der (willentlich) ein Stück Holz absägt, dabei aber (unwillentlich) auch den Daumen abtrennt. Weitergehende und abstrahierende Erläuterungen sind im genannten Urteil nicht enthalten.
Zwar sind die Überlegungen des BSG zum Fall des Sägewerkers auf den ersten Blick überzeugend. Das Gericht sieht aber dennoch das Kriterium der "ungewollten Einwirkung" nur als bedingt hilfreich bei der Beantwortung der Frage, ob ein Unfall vorliegt, und damit bei der Rechtsfindung an. Denn so klar es beim Fall des Sägewerkers ist, dass er die äußere Einwirkung (Krafteinwirkung der Säge auf seinen Daumen) nicht wollte, so schwierig ist die Frage zu beantworten, wenn es sich um Einwirkungen handelt, die nicht sichtbar sind und ggf. nur im Körperinneren ablaufen.
Nicht zweifelsfrei ersichtlich ist, was das BSG unter der ungewollten Einwirkung" versteht. Denn das BSG hat seinen Ansatzpunkt nicht weiter entwickelt und nicht eingehend erläutert, was es unter den Begriff der "ungewollten Einwirkung" subsumiert. Denkbar sind folgende drei Deutungen: a. Abgrenzung von absichtlichen Selbstschädigungen
b. Ungewollter Schadenseintritt
c. Keine Einwirkung als Folge einer willensgesteuerten körperlichen Aktion
Zu a.:
Sollte mit dem Begriff der "ungewollten Einwirkung" – was anhand des Kontextes im genannten Urteil naheliegend erscheint – allein die Abgrenzung von (absichtlichen) Selbstschädigungen gemeint sein, wäre die Einführung der neuen Begrifflichkeit der "ungewollten Einwirkung" nicht erforderlich, da Selbstschädigungen ohne jeden Zweifel keinen versicherten Unfall darstellen und die Abgrenzung bereits nach den bisher zugrunde gelegten Kriterien ausreichend trennscharf ist. Es steht daher zu vermuten, dass das BSG mit dem Begriff der "ungewollten Einwirkung" weitergehende Abgrenzungen beabsichtigt hat. Welche weitergehende Bedeutung das BSG dem genannten Begriff zuweisen will, ist aber aus den Gründen des Urteils vom 12.04.2005 nicht zweifelsfrei ersichtlich.
Zu b.:
Sollte mit dem Begriff der "ungewollten Einwirkung" der ungewollte Eintritt eines Schadens gemeint sein, würde dies würde bedeuten, dass damit der eingetretene Schaden als Voraussetzung des Unfallbegriffs gesehen würde. Dieser Auslegung – wenngleich auch immer wieder vertreten (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 56) – kann aber aus zwei Erwägungen heraus nicht gefolgt werden: Zum einen ist der Unfall lediglich als potentiell "schädigendes Ereignis" zu definieren, wie dies beispielsweise das BSG selbst im Urteil vom 28.07.1977, Az.: 2 RU 15/76, getan hat. Ein eingetretener Schaden als Voraussetzung für die Bejahung des Unfallbegriffs ist nicht zu fordern, was wiederum begriffslogisch ist, da nicht jeder Unfall zu einem Schaden führen muss (vgl. Schulin, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 2, Unfallversicherungsrecht, § 28 RdNr. 3). Die Literatur (vgl. Schulin, a.a.O., § 28 RdNr. 3 a.E.) fordert daher zu Recht, den (unfallversicherungsrechtlichen) Unfallbegriff "strikt auf das Unfallereignis als solches zu beschränken"; bei der Frage des (Körper-)Schadens handelt es sich dagegen um eine weitere selbständige Tatbestandsvoraussetzung bei der Geltendmachung von Leistungsansprüchen.
Zum anderen würde bei der hier kritisierten Auslegung bereits beim Unfallbegriff der Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und Körperschaden geprüft werden, was – wie bereits ausgeführt – unsystematisch wäre. Zudem würden weitere Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen, wenn auf die Frage abzustellen wäre, ob und wenn ja welche Einwirkung gewünscht ist, wobei dem gleichzustellen wäre, wenn die Einwirkung willentlich in Kauf genommen wird. Wäre entscheidend, welche Einwirkung, d.h. welcher Schaden im Konkreten gewünscht war? Oder reicht es aus, dass abstrakt eine Schädigung ohne nähere Präzisierung gewollt war? Wie sind Schäden rechtlich zu behandeln, die in dieser Form nicht beabsichtigt waren? Antworten auf diese Fragen gibt das BSG nicht, zumal erhebliche Zweifel daran bestehen, dass überhaupt eine trennscharfe und rechtlich haltbare Abgrenzung möglich wäre.
Der vom BSG vorgenommenen weiten Auslegung des Unfallbegriffs kann auch deswegen nicht gefolgt werden, da diese faktisch dazu führen würde, dass letztlich jede Gesundheitsstörung, die während oder anlässlich der Arbeit aufgetreten ist, einen Arbeitsunfall begründen würde. Denn regelmäßig sind Schäden nicht erwünscht. Hätte der Gesetzgeber eine so weite Ausdehnung des Schutzbereichs der gesetzlichen Unfallversicherung gewollt, hätte er dies in entsprechenden Formulierungen zum Ausdruck bringen, auf die Verwendung des Begriffs des Unfalls verzichten und stattdessen den Versicherungsfall als das Auftreten eines Gesundheitsschadens während der Arbeit beschreiben müssen. Dies ist aber nicht der Fall.
Sollte das BSG im Urteil vom 12.04.2005 den Unfall durch den Eintritt eines ungewollten Schaden definieren wollen, würde diese Auslegung nicht nur über den unmittelbaren Wortlaut des § 8 Abs. 1 SGB VII, sondern auch über den im Rahmen der Gesetzesanwendung eröffneten Auslegungsspielraum hinaus gehen. Denn aus dem Zusammenhang der gesetzlichen Regelungen ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber eine derart weite Auslegung des Unfallbegriffs nicht ins Auge gefasst hat. Dies ergibt sich zum einen aus den Regelungen zur Berufskrankheit. Nach dem dort geltenden Listenprinzip sind nur solche Erkrankungen als Versicherungsfall anzuerkennen, die der Verordnungsgeber ausdrücklich als Berufskrankheit bezeichnet hat (§ 9 Abs. 1 SGB VII) oder für die aufgrund neuerer medizinwissenschaftlicher Erkenntnisse sog. Listenreife gem. § 9 Abs. 2 SGB VII gegeben ist (vgl. Ricke, a.a.O., § 9 SGB VII, RdNr. 21). Liegen die genannten Voraussetzungen nicht vor, sind eine Berufskrankheit und damit ein Versicherungsfall nicht gegeben. Dies gilt auch und gerade dann, wenn bei einer Krankheit der ursächliche Zusammenhang mit der Berufstätigkeit im Einzelfall nachgewiesen oder hinreichend wahrscheinlich ist (vgl. BSG SozR 2200 § 551 Nr. 18). Die gesetzliche Regelung des § 9 Abs. 2 SGB VII stellt einen Kompromiss zwischen dem in § 9 Abs. 1 SGB VII verankerten "Listensystem" und einer vereinzelt begehrten "Generalklausel" dar (vgl. zur Vorgängerregelung des § 551 Abs. 2 RVO: BSG, Urteil vom 30.01.1986, Az.: 2 RU 80/84). Dies macht deutlich, dass der Gesetzgeber eine zu weite Auslegung des Begriffs des Begriffs des Versicherungsfalls im Sinne der Berufskrankheit nicht gewünscht hat, was auf den Begriff des Arbeitsunfalls entsprechend übertragen werden muss.
Zum anderen muss der vom BSG im Urteil vom 12.04.2005 vorgenommenen weiten Auslegung des Unfallbegriffs entgegen gehalten werden, dass bei einem so weit verstandenen Unfallbegriff die zeitliche Begrenzung auf eine Arbeitsschicht als Merkmal des Unfallbegriffs (vgl. z.B. BSGE 24, 216, 219) kaum mehr haltbar wäre. Denn einerseits macht sich der eingetretene Schaden regelmäßig innerhalb des überschaubaren Zeitraums einer Arbeitsschicht bemerkbar (jedenfalls wird es, wenn sich die schädigende Einwirkung über mehrere Schichten hinweg entfaltet hat, kaum widerlegbar sein, wenn ein Geschädigter geltend macht, der Schaden sei innerhalb einer einzigen Schicht aufgetreten), was – wenn man der Argumentation des BSG im Urteil vom 12.04.2005 folgen würde – bereits ausreichen würde, um einen versicherten Unfall zu bejahen. Andererseits wäre es auch schwer nachvollziehbar, warum bei einer nicht sicher nachgewiesenen Einwirkung innerhalb einer Schicht vom Schaden auf das schädigende Ereignis zurück geschlossen werden dürfte, andererseits bei einer nachgewiesenen (kausalen) Einwirkung von einer die Dauer einer Schicht übersteigenden Zeit im Sinne eines Summationseffekts (vgl. z.B. Schwerdtfeger, in: Lauterbach, Unfallversicherung Sozialgesetzbuch VII, § 8, RdNr. 29) ein Versicherungsfall im Sinne eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ausgeschlossen sein sollte.
Insofern erscheint es dem Gericht auch unpräzise, wenn der Begriff des Unfalls lediglich auf die Funktion eines Abgrenzungsmerkmals gegenüber Schäden infolge innerer Ursache reduziert wird (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 550 Nr. 35). Denn mit dieser Auslegung würde wiederum – wie bereits oben dargestellt – eine Vermengung der Tatbestandsmerkmale Unfall einerseits und Kausalität andererseits erfolgen. Dabei ist dem Gericht sehr wohl bewusst, dass die von ihm kritisierte Vermengung im Regelfall nicht von Einfluss auf die Entscheidung sein wird. Denn in den Fällen, in denen nach Ansicht des Gerichts bereits ein Unfall nicht gegeben ist, wird bei der vermengenden Auslegung des Unfallbegriffs regelmäßig die Kausalität zu verneinen sein. Eine Ablehnung von Ansprüchen mit Hinweis auf die fehlende Kausalität ist selbstredend rechtlich nicht zu beanstanden, wobei aus Gründen der Rechtssystematik in derartigen Fällen deutlich werden sollte, dass die Frage des Arbeitsunfalls ungeprüft geblieben ist. Von Bedeutung wird die präzise Definition des Unfallbegriffs jedoch dann, wenn bei der Abwägung zur Kausalität ein Übergewicht zu Gunsten eines Unfallzusammenhangs entstehen würde.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Definition des Unfallbegriffs allein über die Unfreiwilligkeit des Schadens über den der Auslegung zugänglichen Interpretationsspielraum der anwendenden Gerichte hinausgehen würde. Eine derartige Korrektur könnte nur der Gesetzgeber selbst, nicht die Rechtsprechung vornehmen.
Zu c.:
Sollte der Begriff der "ungewollten Einwirkung" dahingehend verstanden werden, dass damit all die Einwirkungen vom Unfallbegriff ausgeschlossen werden sollen, die auf einer willensgesteuerten körperlichen Aktion mit (möglicherweise auch schädigenden) Einwirkungen auf Körper oder Psyche beruhen oder die mit einer derartigen Aktion zwingend verbunden sind, so würde damit der Rahmen des Unfallbegriffs im Sinne eines unerwarteten Ereignisses (wie es unten noch näher erläutert werden wird) eingehalten. Jedoch stellt sich auch bei dieser Auslegung die Frage, inwiefern das Kriterium einer "ungewollten Einwirkung" bei der Suche nach Rechtsklarheit hilfreich sein könnte. Denn die Abgrenzung zwischen einer noch gewollten (einen Unfall ausschließenden) und einer ungewollten (einen Unfall begründenden) Einwirkung wäre aus Sicht des Gerichts nicht präzise möglich. Dies sei anhand einer Fallkonstellation ähnlich wie der beim Urteil des BSG von 12.04.2005 deutlich gemacht: Hebt ein Mensch einen schweren Stein an, ist damit jedenfalls betreffend die Armmuskulatur eine gewollte Kraftanstrengung verbunden. Kommt es zum Riss der Bizepssehne oder des Bizeps, müsste von einer gewollten Krafteinwirkung ausgegangen werden, da dieser Muskel-Sehnen-Bereich gezielt zum Anheben des Steins eingesetzt worden ist. Fraglich wird die Bewertung aber dann, wenn die gewollte Krafteinwirkung im Sinne einer Muskelanspannung nicht mehr so augenfällig ist. Wie wäre z.B. der Fall zu bewerten, wenn es beim Anheben zum Bandscheibenschaden kommt? Eine einigermaßen klare Abgrenzung könnte sich das Gericht allenfalls darin vorstellen, wenn sämtliche Einwirkungen, die typischerweise bei einer gewillkürten Kraftanstrengung auf den Körper auftreten, als ungeeignet betrachtet würden, einen Unfall zu begründen. Dass eine derartige, systemgerechte Auslegung praktikabel wäre, muss aber bezweifelt werden. Denn es wären dann in Fällen wie dem vom BSG am 12.04.2005 entschiedenen regelmäßig höchst komplexe medizinische/physikalische Fragestellungen zu beantworten, wobei zudem wiederum die Gefahr bestünde, dass eine trennscharfe Abgrenzung von der eigentlich erst in einem weiteren Schritt zu prüfenden Kausalitätsfrage nicht eingehalten würde.
Zusammenfassend sieht das Gericht daher in dem Begriff der "ungewollten Einwirkung" kein Abgrenzungsmerkmal, das über die bereits bekannten Kriterien hinaus eine weiter klare Entscheidungshilfe geben könnte. Der Auslegung des BSG im Urteil vom 12.04.2005 kann das Gericht deshalb nicht folgen.
Zum 2. Spiegelstrich – übrige Rechtsprechung und Begutachtungsliteratur, die eine äußere unvorhergesehene Einwirkung verlangt, auf die der Verletzte nicht eingestellt ist:
Aus den oben unter den Ausführungen zu den dargestellten denkbaren Auslegungsmöglichkeiten dargelegten Gründen geht das Gericht mit der überzeugenden Rechtsprechung des Bay LSG (vgl. z.B. Urteil vom 22.02.2005, Az.: L 17 U 370/03) davon aus, dass ein Unfallereignis nur dann gegeben ist, wenn es sich um "plötzliche und unerwartete äußere Krafteinwirkungen, die unkoordiniert sind", handelt, ein Unfallereignis dagegen ausgeschlossen ist, wenn es sich zwar um "eine vermehrte Kraftanstrengung" handelt, auf die der Versicherte aber "eingestellt" war. Diese Abgrenzung entspricht der wiederholten obergerichtlichen Rechtsprechung zum sog. "Verhebetrauma". Beispielhaft sei nur auf die Urteile des Bay LSG vom 24.10.2002, Az.: L 3 U 319/02, und vom 15.02.2001, Az.: L 17 U 344/99, verwiesen, in denen jeweils bereits das Vorliegen eines Unfallereignisses abgelehnt und auch ausdrücklich (im erstgenannten Urteil) darauf hingewiesen worden ist, dass bereits die Wortverbindung "Verhebetrauma" unfallmedizinisch ein Widerspruch in sich ist, da schweres Heben allein kein Unfallereignis ist. Ein Unfallereignis kann daher in Übereinstimmung mit der aufgezeigten und stringenten Rechtsprechung des Bay LSG nur angenommen werden, wenn eine unerwartete, nicht jedoch wenn eine willentliche Kraftanstrengung vorliegt, wobei diese Krafteinwirkung nach den allgemeinen Grundsätzen im Vollbeweis nachgewiesen sein muss. Daran, dass die Rechtsprechung zum Verhebetrauma generalisiert werden kann und auch auf Fälle zu übertragen ist, bei denen der Schaden in anderen Körperbereichen eingetreten ist, bestehen für das Gericht keinerlei Zweifel.
Dass allein diese Auslegung des Unfallbegriffs zutreffend ist, ergibt sich für das Gericht auch aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung. Der Begriff der Einheit der Rechtsordnung versteht sich als Forderung eines in sich widerspruchsfreien Systems wertender Rechtssätze, d.h. als Freiheit von Wertungswidersprüchen im Recht, wobei die rechtliche Grundlage in dem in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verankerten Willkürverbot liegt. Wie ansatzweise aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Dienstunfallrecht erkennbar ist, ganz deutlich aber aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zum Recht der privaten Unfallversicherung wird, ist dort ein Unfall jeweils ausgeschlossen, wenn es sich um eine willentliche Kraftanstrengung handelt, ohne dass damit etwas Unvorhergesehenes im Ablauf, also eine Störung verbunden wäre. Unterschiede im Unfallbegriff der genannten Rechtsbereiche sind nach Gesetzeswortlaut bzw. Wortlaut der von der Rechtsprechung gebilligten einschlägigen Versicherungsbedingungen und Intention im Rahmen der Rechtsetzung nicht zu erkennen (ausdrücklich zum Dienstunfallrecht: vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2005, Az.: B 2 U 27/04 R). Es hat daher im Sinne der Einheit der Rechtsordnung eine gleichartige Auslegung zu erfolgen. Ansatzpunkte dafür, dass diese Einheit nicht im Sinne der Auslegung des vorgenannten 2. Spiegelstriches zu erfolgen hätte, sieht das Gericht nicht, da alle anderen Auslegungsweisen aus den oben dargelegten Gründen nicht haltbar oder überzeugend sind.
Auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen bedeutet dies Folgendes:
Für die Anerkennung des Ereignisses vom 15.11.2002 als versicherten Arbeitsunfall sowie die Anerkennung des Achillessehnenrisses als Folge eines derartigen Unfalls wäre es erforderlich, dass ein Unfallereignis im Rahmen des Vollbeweises nachgewiesen ist. Dieser Beweis ist nicht gelungen.
Von einem Unfallereignis könnte nur dann ausgegangen werden, wenn eine plötzliche und unerwartete Krafteinwirkung auf die Achillessehne erfolgt wäre.
Eine derartige Einwirkung wäre dann gegeben, wenn der Kläger beim (Wieder-)Anschieben ausgerutscht wäre oder er beim Schieben überraschend gestoppt worden wäre. Beides ist nicht im erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen:
– Ausrutschen beim (Wieder-)Anschieben:
Ein Ausrutschen des Klägers beim (Wieder-)Anschieben wurde erstmals mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 24.08.2004 vorgetragen, nachdem bis dahin von einem Wegrutschen nie die Rede war. Insofern hat das Gericht nicht unerhebliche Zweifel daran, ob der Kläger tatsächlich ausgerutscht ist. Diese Zweifel begründen sich wie folgt: Sowohl den behandelnden Ärzten als auch dem Gutachter im Verwaltungsverfahren gegenüber hat der Kläger immer angegeben, dass er beim Anschieben des Servicewagens einen plötzlichen Schmerz verspürt habe. Erst mit der Klagebegründung, also zu einem Zeitpunkt, zu dem dem Kläger bekannt war, dass ein Unfallereignis wegen des fehlenden Ausrutschens abgelehnt werde, rund 1¾ Jahre nach dem Unfall, machte er erstmals Angaben, wonach er ausgerutscht sei. Die von den Bevollmächtigten des Klägers dazu abgegebene Begründung, der Kläger sei nie genauer gefragt worden, ist diesbezüglich nicht geeignet, die Zweifel des Gerichts an der Richtigkeit der später erfolgten Angabe, er sei ausgerutscht, auszuräumen. Denn zumindest bei der gutachtlichen Untersuchung durch Dr. G. wurde der Kläger eingehend zum Unfallhergang befragt. Angesichts der damals gemachten, vergleichsweise detaillierten Angaben erscheint es dem Gericht kaum nachvollziehbar, dass ein Ausrutschen – sofern es denn tatsächlich gegeben gewesen wäre – damals nicht erwähnt worden wäre. Weitere Zweifel an der Richtigkeit der später gemachten Angaben begründen sich damit, dass diese erst zu einem Zeitpunkt gemacht worden sind, als auch dem Kläger klar gewesen sein muss, dass erst mit den später vorgetragenen Angaben zum Unfall, also mit der Angabe eines Ausrutschens, ein Unfallereignis begründet werden könnte. Schließlich ist zu beachten, dass den Erstangaben eines Verletzten nach ständiger Rechtsprechung ein erhöhter Beweiswert zukommt (vgl. z.B. Bay LSG, Urteil vom 09.05.2001, Az.: L 17 U 68/96) und hier in den Erstangaben (und auch in den danach über einen Zeitraum von rund 1¾ Jahren folgenden Auskünften des Klägers) ein Ausrutschen keine Erwähnung gefunden hat. Insofern bestehen weiterhin Zweifel daran, ob der Kläger tatsächlich ausgerutscht ist. Ein Ausrutschen und damit ein Unfallereignis sind damit im Vollbeweis nicht nachgewiesen.
– Überraschendes Stoppen beim Schieben:
Ein derartiges Stoppen (mit daraus resultierenden Sehnenverletzung), das einen Unfall begründen würde, da es eine plötzliche und unerwartete Krafteinwirkung darstellen würde, ist nach sämtlichen Angaben des Klägers zu allen Zeitpunkten des Verfahrens auszuschließen. Der Kläger hat einheitlich angegeben, dass er den Riss in der Wade und den Schmerz in der Wade beim (Wieder-)Anschieben verspürt hat. Das Abstoppen des Servicewagens durch die Schwelle mit der daraus ggf. resultierenden überraschenden Krafteinwirkung führte nach den eigenen Angaben des Klägers nicht zum Schmerz und Rissgefühl, sondern erst das Wiederanschieben. Ein Unfall im Sinne eines überraschenden Stoppens beim Schieben ist damit auszuschließen.
Ein bloßes Anschieben des Servicewagens ohne Ausrutschen, von dem nach den obigen Ausführungen auszugehen ist, stellt schließlich kein Unfallereignis im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII dar. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zum Begriff des Unfallereignisses ist das Anschieben als willentliche Kraftanstrengung zu betrachten. Der Kläger verspürte nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt beim Wiederanschieben den Schlag oder Riss in der Wade. Eine plötzliche und unerwartete Krafteinwirkung war damit nicht verbunden. Vielmehr lag eine, wenn auch erhebliche, so doch beabsichtigte Kraftanstrengung vor.
Nachdem ein Unfallereignis nicht im Vollbeweis nachgewiesen ist, ist die Klage abzuweisen.
Auf die Frage eines möglichen Zusammenhangs zwischen Geschehen und Gesundheitsschaden kommt es mangels Unfall nicht mehr an. Es kann dahin gestellt bleiben, dass gegen einen unfallbedingten Riss der Achillessehne neben dem Lebensalter des Klägers (vgl. z.B. Schönberger, a.a.O., S. 485) nur das Fehlen eines im Vollbeweis nachgewiesenen geeigneten Unfallereignisses im Sinne der Begutachtungsliteratur spricht (vgl. Schönberger, a.a.O., S. 488, 495: Eine willentliche Kraftanstrengung genügt nicht für die Zerreißung der Achillessehne, da in der Kette Knochen- Sehne-Muskulatur der Muskel und nicht die Sehne die schwächste Stelle darstellt. Bei einer willentlichen Kraftanstrengung reißt daher nicht die Sehne, sondern der Muskel. Reißt dagegen die Sehne, ist dies der Beleg dafür, dass die Sehen vorgeschädigt war und bei jeder anderen normalen Verrichtung des alltäglichen Lebens, die die verbliebene Zugfestigkeit überschritten hätte, gerissen wäre. Wegen der Austauschbarkeit des Unfallereignisses ist das Unfallereignis daher für den Sehnenriss rechtlich nicht wesentlich.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 23.03.2006
Zuletzt verändert am: 23.03.2006