I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Beklagte trägt 1/4 der außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten eine medizinische Leistung für Abhängigkeitskranke.
Am 29.03.2005 beantragte der Kläger (geboren 1974) bei der Beklagten, ihm eine medizinische Leistung zur Rehabilitation zu gewähren. Am 01.04.2005 forderte diese ihn zur Übersendung weiterer Unterlagen zur Klärung der Zuständigkeit auf. Am 19.04.2005 leitete die Beklagte den Antrag des Klägers an den nach ihrer Auffassung zuständigen Bezirk Schwaben als Rehabilitationsträger weiter und teilte dies dem Kläger mit. In diesem Schreiben wurden außerdem die tatbestandlichen Rechtsvoraussetzungen für die begehrte Leistung dargestellt. Es folgt der Text: "Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil …"
Hiergegen wandte sich der Kläger über seinen Bevollmächtigten und erhob gegen das Schreiben vom 19.04.2005 "Widerspruch". Mit Bescheid vom 11.05.2005 wies die Beklagte diesen Widerspruch als unzulässig und mit der Begründung, dass die Mitteilung vom 19.04.2005 keinen Verwaltungsakt darstelle, zurück.
Mit der hiergegen am 17.06.2005 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er vertritt die Auffassung, dass das Schreiben der Beklagten vom 19.04.2005 ein Verwaltungsakt sei. Mit Schreiben vom 13.09.2005 hat das Gericht den Bevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass es hinsichtlich dieser Rechtsauffassung Zweifel hege. Unter dem 14.11.2005 informierte die Kammer die Beteiligten darüber, dass sie beabsichtige, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Ihnen wurde Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu äußern.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 19.04.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2005 zu ver- urteilen, dem Kläger medizinische Leistungen für Abhängig- keitskranke zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Beigezogen waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Sie waren ebenso wie die Gerichtsakte Gegenstand der Entscheidung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist unzulässig.
Zu den Prozessvoraussetzungen und damit zur Zulässigkeit der Klage gehört auch, dass die für die jeweilige Klageart notwendigen besonderen Voraussetzungen vorliegen. Der Kläger hat mit seinem Begehren auf Gewährung einer medizinischen Leistung für Abhängigkeitskranke eine sog. Verpflichtungsbescheidungsklage gemäß §§ 54 Abs. 2, 131 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben. Zu den besonderen Voraussetzungen dieser Klageart gehört, dass der Kläger durch einen Verwaltungsakt bzw. die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes (rechtswidrig) beschwert ist.
Diese Voraussetzung ist vorliegend deshalb nicht erfüllt, weil das Schreiben der Beklagten vom 19.04.2005, gegen das sich der Kläger primär wendet, kein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) darstellt. Dort ist der Verwaltungsakt als jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen definiert. Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 19.04.2005 lediglich eine Abgabenachricht erteilt. Hintergrund dafür ist § 13 SGB IX. Mit dieser Vorschrift verpflichtet der Gesetzgeber alle Rehabilitationsträger zu einer zügigen und abschließenden Prüfung ihrer Zuständigkeit im Vorfeld der Leistungserbringung. Die Vorschrift hat Leitungs- und Wegweiserfunktion. Mit ihrer Hilfe soll der Versicherte zeitnah an den zuständigen Leistungsträger vermittelt werden. Eine Sachentscheidung ist damit nicht verbunden.
In diesem Sinne ist auch das Schreiben der Beklagten vom 19.04.2005 zu verstehen. Es hat seine Rechtsgrundlage in § 2 Nr. 1 der auf § 13 SGB IX beruhenden gemeinsamen Empfehlung zur Zuständigkeitserklärung der Rehabilitationsträger. Danach wird die Weiterleitung des Antrags der Antragstellerin/dem Antragsteller schriftlich mitgeteilt. Eine solche Abgabenachricht ist gerechtfertigt und notwendig, weil der Versicherte seinen Antrag an eine bestimmte Behörde gerichtet hat und deshalb für das weitere Verfahren darüber Kenntnis haben muss, dass dieser nun bei einer anderen Dienststelle bearbeitet wird. Nachdem damit aber keine Entscheidung in der Sache verbunden ist, enthält die schriftliche Mitteilung auch keine Einzelfallregelung im Sinne von § 31 SGB X.
Wollte man in dieser Abgabenachricht, wie es der Kläger und sein Bevollmächtigter offenbar tun, einen Verwaltungsakt sehen, wäre dies kontraproduktiv zu der vom Gesetzgeber angestrebten Beschleunigung. Denn dieser Beschleunigungseffekt entfiele, wenn gegen die Abgabenachricht der Klageweg bestritten werden könnte. Der zweitangegangene Leistungsträger könnte sich veranlasst sehen, die gerichtliche Entscheidung abzuwarten; dies käme faktisch einem zwar nur vorübergehenden, aber gleichwohl nicht gesetzeskonformen Verfahrensstillstand gleich.
Das konkret zur Beurteilung dem Gericht vorliegende Schreiben der Beklagten vom 19.04.2005 erfüllt nun zweifelsohne die in § 2 der Gemeinsamen Empfehlung zur Zuständigkeitsklärung der Rehabilitationsträger aufgestellten Anforderungen der Abgabenachricht, wenn dem Kläger mitgeteilt wird, dass für die Entscheidung über seinen Antrag auf Leisstung zur medizinischen Rehabilitation die Zuständigkeit der Beklagten nicht gegeben sei und der Antrag an den Bezirk Schwaben weitergeleitet werde. Darüber hinaus hat die Beklagte aber in dem Schreiben die gesetzlichen Voraussetzungen für eine medizinische Rehabilitationsleistung nach § 10 SGB VI erläutert und diese mit der Formulierung "Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann" abgeschlossen. Mit diesem nach Sinn und Zweck einer Abgabenachricht nicht notwendigen Ausführungen, namentlich den vorstehend zitierten Satz hat die Beklagte im konkreten Einzelfall allerdings den Anschein einer Entscheidung im Einzelfall erweckt. Denn aus der Sicht des maßgeblichen Empfängerhorizonts kann bei objektiver Betrachtung die Formulierung "diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil …" nur gefolgert werden, dass die Beklagte in diesem Fall in eine Sachprüfung eingestiegen ist. Auch wenn gleichzeitig die Unzuständigkeit der Beklagten und die Weiterleitung an den für zuständig erkannten Rehabilitationsträger Bezirk Schwaben ausgeführt wird, ist nachvollziehbar, dass ein Versicherter durch diese unklare und widersprüchliche Ausdrucksweise der Beklagten irritiert ist und quasi vorsorglich hiergegen gerichtlichen Rechtsschutz sucht. Auch wenn die Klage im Ergebnis, wie vorstehend dargelegt, als unzulässig abzuweisen war, war dies für das Gericht Anlaß genug, der Beklagten in Anwendung des Verursachungsprinzipes ein Viertel der außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen (§ 193 SGG).
Erstellt am: 08.03.2006
Zuletzt verändert am: 08.03.2006