I. Die Bescheide vom 22. Dezember 2004, 1. März 2005 und 8. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2005 werden insoweit teilweise aufgehoben und abgeändert, als nur der betriebliche Anteil der Lebensversicherung in Höhe von 25.648,92 EUR gemäß § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V in Verbindung mit § 57 Abs. 1 SGB XI der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung unterliegt.
II. Die Beklagten tragen die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die am 1942 geborene Klägerin wendet sich gegen die Höhe der Beitragsfestsetzung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung aus rentenvergleichbaren Einnahmen im Sinne von § 229 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in Verbindung mit § 57 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI).
Die A. Lebensversicherungs-AG hat mit Nachricht vom 20.12.2004 mitgeteilt, dass das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) mit Wirkung zum 01.01.2004 in Kraft getreten sei. Seitdem seien auch einmalige Kapitalzahlungen aus der betrieblichen Altersvorsorge beitragspflichtig in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Entsprechendes gelte für die Pflegeversicherung der Rentner (PVdR). Das neue Gesetz beziehe sich auf Pflichtversicherte und freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenkasse. – Seitens der A. Lebensversicherungs-AG habe festgestellt werden können, dass bei dem Vertrag der Klägerin ein Teil der Kapitalzahlung als privat finanzierte Versicherungsleistung angesehen werden könne. Somit umfasse die beitragspflichtige Versorgungsleistung nicht die gesamte Kapitalzahlung. Aus der Versicherung ergäbe sich zum 01.12.2004 eine Kapitalzahlung über 48.290,86 EUR. Der beitragspflichtige Anteil, der der Beklagten mitgeteilt würde, belaufe sich dagegen nur auf 25.648,92 EUR.
Die Beklagten haben dagegen mit den streitgegenständlichen Bescheiden vom 22.12.2004, 01.03.2005 und 08.03.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2005 die Auffassung vertreten, dass die tatsächliche Kapitalleistung in voller Höhe (48.290,86 EUR) gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V in Verbindung mit § 57 Abs. 1 SGB XI zu berücksichtigen sei. Deshalb sei mit Bescheid vom 08.03.2005 die nunmehr endgültige Beitragseinstufung ab 01.01.2005 nach monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von 934,23 EUR (Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung) und in Höhe von 403,73 EUR (fiktiver monatlicher Versorgungsbezug) erfolgt. Denn die Kapitalzahlung stehe in Bezug zu einer früheren Erwerbstätigkeit. Es handele sich um eine Direktversicherung, die der betrieblichen Altersversorgung zuzuordnen sei. Entsprechend der seit dem 01.01.2004 geltenden Rechtslage sei diese Betriebsrente mit 1/120 des Zahlbetrages der Beitragspflicht unterworfen.
Die hiergegen gerichtete Klageschrift vom 18.07.2005 ging am 21.07.2005 im Sozialgericht Augsburg ein. Zur Begründung hob die Klägerin hervor, dass nur ein Teil der Leistung (25.658,92 EUR) aus einer betrieblichen Versorgungsleistung im Sinne einer Direktversicherung komme, der andere Teil aus einer privat finanzierten Lebensversicherung. Im Gegensatz zu der Direktversicherung seien die Beiträge zur Lebensversicherung nicht steuerbegünstigt gewesen. Außerdem sei die Kapitalertragssteuer fällig geworden, weil die Lebensversicherung weniger als 12 Jahre gelaufen sei, also die steuerliche Mindestrestlaufzeit nicht habe eingehalten werden können. Deshalb sei es auch nicht möglich gewesen, diese Beiträge als Sonderausgaben geltend zu machen. – Im einzelnen: Die Direktversicherung habe seit 1994 geruht; sie sei beitragsfrei gestellt worden. Im Jahr 1997 sei der Vertrag wieder auf eine Beitragszahlung geändert worden. Voraussetzung hierfür sei eine positive Prüfung der Gesundheitsverhältnisse gewesen. Die A. Lebensversicherungs-AG habe diesen Vertrag wie eine neue Versicherung behandelt.
Vonseiten des Gerichts wurden die Unterlagen der Beklagten beigezogen.
Die Klägerin führte mit Schriftsatz vom 23.08.2005 ergänzend aus, dass es sich hinsichtlich des streitigen Teilbetrages nicht um einen beitragspflichtigen Versorgungsbezug handele. Es sei auch keine Rente aus einer betrieblichen Altersversorgung gewesen. Es habe auch keinen Arbeitgeber gegeben, der bis zum Eintritt des Versicherungsfalles das Versicherungsverhältnis aufrechterhalten hätte. Dieser Teil der Versicherung habe auch keine Lohnersatzfunktion gehabt.
In der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2006 ist die Klägerin entsprechend ihrer Nachricht vom 24.02.2006 nicht erschienen. Ihr Klagebegehren ergibt sich aus der Klageschrift vom 18.07.2005: Nur der betriebliche Anteil der Lebensversicherung in Höhe von 25.648,92 EUR unterliegt gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V in Verbindung mit § 57 Abs. 1 SGB XI der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten und den der beigezogenen Unterlagen der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Augsburg form- und fristgerecht erhobene Klage ist gemäß §§ 51 ff des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig.
Die Klage erweist sich auch als begründet: Nur der betriebliche Anteil der ausgezahlten Kapitallebensversicherungssumme (hier: 25.648,92 EUR) unterliegt gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in Verbindung mit § 57 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) der Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, auch Renten der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hüttenknappschaftlichen Zusatzversorgung (§ 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V). Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalles vereinbart oder zugesagt worden, gilt 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate (§ 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V). – Bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, gelten für die Beitragsbemessung die §§ 226 und 228 bis 238 und § 244 SGB V sowie die §§ 23 a und 23 b Abs. 2 bis 4 SGB IV (§ 57 Abs. 1 SGB XI).
Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits mit Urteil vom 30.03.1995 – 12 RK 10/94 grundlegend ausgeführt: Ist ein Versicherungsvertrag, der ursprünglich auf die Zahlung einer laufenden Rente gerichtet war, vor Eintritt des Versicherungsfalles dahingehend geändert worden, dass eine Kapitalleistung erbracht wird, so ist diese nach ihrer Auszahlung nicht beitragspflichtig. – Das BSG hat mit weiterem Urteil vom 26.03.1996 – 12 RK 21/95 ausgesprochen: Renten der betrieblichen Altersversorgung sind auch Bezüge aus einer Lebensversicherung, die als Direktversicherung (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG) abgeschlossen und von dem Arbeitnehmer durch Verzicht auf einen Teil seiner Abfindung wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses finanziert worden ist.
In Randziffer 23 seines Urteils vom 26.03.1996 – 12 RK 21/95 hat das BSG näher ausgeführt: Die Leistungen aus der Lebensversicherung verloren ihren Charakter als Versorgungsbezüge daher auch nicht deshalb, weil sie durch eine Eigenleistung des (dortigen) Klägers, nämlich dem teilweisen Verzicht auf die Abfindung finanziert worden sind. Wird ein Versorgungsbezug aus einer Direktversicherung im Sinne des § 1 Abs. 2 BetrAVG gezahlt, ist es unerheblich, ob er im Einzelfall ganz oder zum Teil auf Leistungen des Arbeitgebers beruht oder allein auf Leistungen des Arbeitnehmers bzw. des Bezugsberechtigten.
Die hier vorliegende und bislang höchstrichterlich nicht geklärte Fallkonstellation unterscheidet sich von denen der vorstehend bezeichneten Entscheidungen des BSG dahingehend, dass hier eine Direktversicherung bis 1994 durchgeführt worden ist. Die Direktversicherung ist anschließend beitragsfrei gestellt worden. 1997 ist die Versicherung wie eine neue Lebensversicherung nach durchgeführter Prüfung der Gesundheitsverhältnisse wieder aufgenommen worden. Hierbei ist es der Klägerin nicht möglich gewesen, die besondere steuerliche Förderung in Anspruch zu nehmen, weil die Restlaufzeit (1997 bis 2004) weniger als 12 Jahre betragen hat.
§ 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V in Verbindung mit § 57 Abs. 1 SGB XI hat zum Ziel, alle Versorgungsbezüge einer Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu unterwerfen, soweit diese Versorgungsbezüge in Zusammenhang mit einer (früheren) Erwerbstätigkeit stehen. Dies gilt gemäß § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V auch für Direktversicherungen, die in Form einer Kapitallebensversicherung einmalig ausbezahlt werden (hier: 01.12.2004).
Im Kern ist zwischen den Beteiligten streitig, ob die gesamte Kapitallebensversicherungssumme der ehemaligen beruflichen Tätigkeit der Klägerin zuzurechnen ist oder nur anteilig pro rata temporis.
In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass die Zeiten einschließlich 1994 zweifelsfrei der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen sind. – Die sich anschließende Zeit der beitragsfreien Versicherung einschließlich 1997 ist außer Acht zu lassen. – Nach (einhelliger) Meinung des erkennenden Gericht unterliegen die Zeiten ab 1997 nicht mehr der (anteiligen) Beitragspflicht, da sie ausschließlich dem privaten Bereich zuzurechnen sind:
Die Klägerin hätte anstelle der Fortführung des bestehenden Lebensversicherungsvertrages auch die Möglichkeit gehabt, einen neuen Lebensversicherungsvertrag abzuschließen. Dies ist jedoch regelmäßig mit erheblichen Nachteilen verbunden: Das höhere Eintrittsalter hat entsprechend höhere monatliche Beiträge zur Folge; unter Umständen erhebt ein Versicherer Risikozuschläge; gelegentlich sind Versicherer nicht mehr bereit, bei einem höheren Eintrittsalter überhaupt einen Lebensversicherungsvertrag abzuschließen. – Anders in dem ähnlich gelagerten Rechtsstreit, den das Sozialgericht Augsburg mit Urteil vom 26.01.2005 – S 10 KR 329/04 entschieden hat, hat hier die A. Lebensversicherungs-AG eine Prüfung der Gesundheitsverhältnisse vorgenommen.
Diese Nachteile werden regelmäßig vermieden, wenn eine bestehende Lebensversicherung wie hier ab 1997 mit eignen Mitteln fortgeführt wird.
Wird zur Vermeidung der vorstehend aufgezeigten und gegebenenfalls weiterer vergleichbarer Nachteile anstelle des Abschlusses einer neuen eigenständigen Lebensversicherung ein bestehender Lebensversicherungsvertrag, der aus einer betrieblichen Altersversorgung herrührt, fortgeführt, ist diese Fortführung nicht mehr der ursprünglichen betrieblichen Altersversorgung in Form einer Direktversicherung zuzurechnen. Vielmehr entspricht es eigenverantwortlichem privatwirtschaftlichem Handeln, eine zusätzliche private Altersversorgung zu bestmöglichen Konditionen aufzubauen. – Dies gilt erst recht, wenn steuerliche Förderungsmöglichkeiten wegen Unterschreitens der Mindestrestlaufzeit nicht mehr in Anspruch genommen werden können. – Es besteht daher kein innerer Zusammenhang mehr mit der ursprünglichen betrieblichen Altersversorgung.
Wenn das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 15.11.2005 – L 11 KR 3216/05 unter dem Gesichtspunkt einer "fortbestehenden Gruppenversicherung" dort zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, gilt dies nicht für den hiesigen Rechtsstreit. Denn die Direktversicherung ist 1994 zum Ruhen gebracht und beitragsfrei gestellt worden. Erst 1997 ist der Vertrag wieder auf Beitragszahlung geändert worden. Voraussetzung hierfür ist eine positive Prüfung der Gesundheitsverhältnisse gewesen. Die A. Lebensversicherungs-AG hat diesen Vertrag wie eine neue Versicherung behandelt. – Dies ergibt sich auch aus den aktenkundigen Nachrichten der A. Lebensversicherungs- AG vom 09.04.1997, 10.07.1997 und 22.12.2004.
Zusammenfassend: Die Problematik der "fortbestehenden Gruppenversicherung" entsprechend dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15.11.2005 – L 11 KR 3216/05 stellt sich hier nicht. Vielmehr sind die Beitragszeiten ab 1997 ausschließlich dem privaten Bereich der Klägerin zuzuordnen. – Insoweit hat die A. Lebensversicherungs-AG den beitragspflichtigen Anteil mit Nachricht vom 20.12.2004 mit 25.648,92 EUR ausgewiesen.
Nach alledem ist der Klage stattzugeben gewesen. Die Anwesenheit der Klägerin in der mündlichen Verhandung vom 22.03.2006 in Immenstadt ist gemäß § 110 Abs. 1 SGG nicht erforderlich gewesen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Erstellt am: 06.04.2006
Zuletzt verändert am: 06.04.2006