I. Die Klage gegen die Bescheide vom 22. November 2005 und 23. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2006 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Aufhebung der Leistungsbewilligung bezüglich Unterkunft/Heizung für die Zeit von Januar bis Oktober 2005 nach Kenntnis, dass tatsächlich in 2005 keine Miete (nach Angabe wegen Stundungsabrede) gezahlt wurde und die Geltendmachung einer Erstattung von 4.175,61 EUR.
Der Kläger, geboren 1967, hatte zum 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II beantragt. Er hatte seit 1996 mit Unterbrechungen Leistungen von der Agentur für Arbeit bezogen immer unter der Anschrift F.weg. Mit dem Antrag auf Alg II wurde eine vom Vater des Klägers ausgefüllte Mietbescheinigung vorgelegt, wonach ab 01.01.2005 ein Mietvertrag mit dem Sohn begründet worden sei. Weiter wurde eine Bestätigung des Vaters vorgelegt, dass diese Miete monatlich bar bezahlt werde.
Die Beklagte bewilligte antragsgemäß Alg II, dabei auch die angegebene Miete in Höhe von 417,98 EUR monatlich.
Im Rahmen des Antrags auf Fortzahlung ab 01.11.2005 wurden am 27.10.2005 von der Beklagten überprüfbare Unterlagen zum angegebenen Mietverhältnis zwischen Vater und Sohn angefordert. Nunmehr wurde angegeben, dass die Miete seit 01.01.2005 für das gesamte Jahr 2005 gestundet sei. Wegen der Arbeitslosigkeit der Mutter ab 15.01.2006 werde die Stundung nicht über 2005 hinaus verlängert. Vorgelegt wurde eine vom Kläger und seinem Vater unterschriebene auf den 28.01.2005 datierte Stundungsregelung für die Mietzahlung.
Daraufhin begrenzte die Beklagte mit Bescheiden vom 22.11.2005 die Leistungsbewilligung für den Zeitraum Januar bis Oktober 2005 auf die Regelleistung.
Mit weiterem Bescheid vom 23.11.2005 wurden entsprechend der Bewilligungsbescheide vom 30.11., 14.04., 29.09., 20.10.2005 bezüglich der Bewilligung von Leistungen für Unterkunft/Heizung aufgehoben und nach § 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eine Erstattung von 4.175,61 EUR geltend gemacht.
Dagegen wurde am 15.12.2005 Widerspruch eingelegt. Die gestundete Miete sei am 03.01.2006 an den Vater des Klägers überwiesen worden. Vorgelegt wurde ein Kontoauszug über eine Überweisung von 4.175,61 EUR. Das Geld stamme aus der Auflösung von Investmentfonds.
Im Weiteren wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2006 bezüglich des Zeitraums 01.01.2005 bis 30.10.2005 zurückgewiesen.
Dagegen legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 02.03.2006 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein. Aus dem mündlichen Mietvertrag habe eine Verpflichtung zur Mietzahlung in Höhe von 417,98 EUR bestanden. Wegen eines finanziellen Engpasses des Klägers sei 2005 eine Stundung geregelt worden. Zwischenzeitlich habe der Kläger im Januar 2006 den aufgelaufenen Mietzinsbetrag gezahlt. Dass die Zahlung erst nachträglich erfolgt sei, könne keine Rolle spielen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.06.2005 beantragte die Bevollmächtigte des Klägers
die Aufhebung der Bescheide vom 22.11.2005 und des Beschei- des vom 23.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.01.2006.
Die Vertreterin der Beklagten beantragte im Termin
die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 SGB II). Die Leistung ergibt sich aus der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe durch das SGB II. Es gelten somit die sozialhilferechtlichen Grundsätze der aktuellen Bedarfsdeckung. Durch die Leistungen nach SGB II soll ein aktueller tatsächlicher Bedarf gedeckt werden. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Beim Kläger sind nun für den streitigen Zeitraum aktuell, d. h. im jeweiligen Leistungsmonat, keine tatsächlichen Aufwendungen für Unter- kunft/Heizung angefallen.
Nachdem die Beklagte nur darauf abgehoben hat, ist bezüglich der Aufhebung der Leistungsbewilligung auf § 48 SGB X abzuheben. Ergänzend ist aber darauf hinzuweisen, dass erhebliche Zweifel am Vorliegen eines Mietvertrages bestehen. Der Kläger hat offensichtlich seit Jahren in der gleichen Wohnung kostenfrei gewohnt. Es ist dann zumindestens interessant, dass "zufällig" mit Einführung des SGB II, mit dem ein Anspruch auf Leistungen für Unterkunft geschaffen wurde, ein "mündlicher" Mietvertrag geregelt wurde. Der Mietvertrag wurde ausweislich der Mietbescheinigung des Vaters ab 01.01.2005 geregelt, bestand nicht bereits seit mehreren Jahren. Nach Angaben klägerseits wurde eine nicht überprüfbare Zahlungsweise für die Miete vereinbart. Eine überzeugende Begründung für eine Stundungsvereinbarung ist ebenso wenig zu erkennen. Die Nebenkostenrechnungen gingen insgesamt nur an den Vater des Klägers. Es wurde keine von einem Mieter überprüfbare Abrechnungsweise gewählt, was z. B. bezüglich der Stromkosten bei einer Nachtspeicherheizung – die offensichtlich vorlag – durchaus nicht üblich ist. Zur Vermeidung von Leistungsmissbräuchen wäre insoweit zu fordern, dass die Kriterien der steuerlichen Anerkennung eines Mietverhältnisses unter Familienangehörigen erfüllt wären.
Nach § 48 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X in Verbindung mit §§ 330 Abs. 3 SGB III, 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Kläger seiner Mitteilungspflicht zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen ist bzw. wissen musste, dass der aus dem Verwaltungsakt sich ergebende Anspruch ganz oder teilweise entfallen ist.
Wer Sozialleistungen erhält, hat Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind und Änderungen in den Verhältnissen, zu denen er im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben hat, unverzüglich mitzuteilen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 SGB I). Der Kläger hatte mit dem Antrag die Erklärung über die monatliche Barzahlung der Miete vorgelegt. Mit der Stundungsabrede vom 28.01.2005 ist es bezüglich dieser Erklärung zu einer maßgeblichen Änderung gekommen, die der Kläger unverzüglich der Beklagten hätte mitteilen müssen. Es muss darüber hinaus auch klar sein, dass sich zumindest Zweifel ergeben, ob man monatliche Leistungen für Unterkunft entgegennehmen/behalten darf, wenn man aktuell gar keine Mietzahlungen erbringt.
Eine grobe Fahrlässigkeit im Sinn von § 48 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X liegt vor, wenn naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsste (BSGE 62, 103, 107). Der Kläger hat bei Antragstellung am 18.11.2004 die Erklärung unterschrieben, dass ihm bekannt ist, dass er jede maßgebliche Änderung der Beklagten unverzüglich mitteilen muss. Dass Nichteinhalten der aus der eigenen Erklärung bekannten Verpflichtung stellt eine grobe Fahrlässigkeit dar.
Die Beklagte war somit verpflichtet, die Leistungsbewilligung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Die Erstattung beruht auf § 50 SGB X. § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II greift für diese Konstellation nicht.
Die Klage war mit der sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes ergebenden Kostenfolge abzuweisen.
Erstellt am: 29.06.2006
Zuletzt verändert am: 29.06.2006