I. Die Klage gegen den Bescheid vom 20. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2005 wird abgewiesen.
II. Gerichtskosten fallen nicht an.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist eine Auskunftspflicht der Klägerin nach § 60 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II).
Die Beklagte erbringt mit Bescheid vom 23.09.2005 seit 01.10.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II an den geschiedenen Ehemann der Klägerin (J., geboren 1948).
Die am 28.05.1969 geschlossene Ehe war mit Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 21.11.2002 geschieden worden. Nach Bescheid der (damaligen) Landesversicherungsanstalt Schwaben vom 04.03.2002 war bei Herrn J. am 10.10.2000 der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit eingetreten. Als Rentenbeginn für die Rente wegen Berufsunfähigkeit wurde der 01.11.2000 festgestellt. Herr J. hatte vor dem Eintritt der Berufsunfähigkeit als Elektriker gearbeitet und konnte offensichtlich gesundheitsbedingt diese Arbeiten und Verweisungstätigkeiten nicht mehr leisten.
Auch nach Scheidung lebte das geschiedene Ehepaar weiter in einer gemeinsamen Wohnung (S.allee , I.). In den Arbeitslosenhilfeanträgen gab Herr J. eine eheähnliche Gemeinschaft mit der Klägerin an, so dass deren Einkommen aus einem Beschäftigungsverhältnis angerechnet wurde. Der Antrag auf Arbeitslosenhilfe vom 07.10.2004 war wegen Anrechnung des Einkommens von Frau W. dann insgesamt abgelehnt worden (bestandskräftig). Die Klägerin zog dann erst im Herbst 2005 aus der gemeinsamen Wohnung aus, hatte bis dahin noch die Mietzahlung für die Wohnung getragen.
Mit Bescheid vom 20.10.2005 forderte die Beklagte wegen der zwischenzeitlich erfolgten Leistungsgewährung an Herrn J. die Klägerin zur Auskunft nach § 60 Abs. 2 SGB II auf.
Dagegen legte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten am 27.10.2005 Widerspruch ein mit der Begründung, dass die Klägerin dem früheren Ehemann nicht unterhaltspflichtig sei. Es liege kein zeitlicher Zusammenhang mit der Scheidung mehr vor. Die Scheidung liege 3 Jahre zurück.
Im Weiteren wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2005 zurückgewiesen. Die tatsächliche Unterhaltspflichtigkeit der Klägerin sei nicht Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Auskunftsaufforderung.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.09.2006 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin die Aufhebung des Bescheides vom 20.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2005.
Die Vertreterin der Beklagten beantragte im Termin die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Wer jemandem, der eine Leistung nach SGB II bezieht, zu Leistungen verpflichtet ist, die geeignet sind, Leistungen nach diesem Buch auszuschließen oder zu mindern, hat dem Leistungsträger auf Verlangen über damit im Zusammenhang stehendes Einkommen Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach SGB II erforderlich ist. Bei zivilrechtlichen Unterhaltspflichten kann nach § 33 SGB II (in der bis 01.08.2006 geltenden Fassung) der Übergang von zivilrechtlichen Unterhaltsansprüchen bewirkt werden. Das Auskunftsverlangen dient somit zur Prüfung, ob ein solcher Übergang zu bewirken ist, ist für die Erfüllung von Aufgaben nach SGB II erforderlich.
Bezüglich der Voraussetzungen für den Auskunftsanspruch kann auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zum gleichgelagerten Auskunftsanspruch nach BSHG zurückgegriffen werden.
Die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens setzt nicht voraus, dass dem früheren Ehemann der Klägerin der zur Überleitung vorgesehene nacheheliche Unterhaltsanspruch auch zusteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ist eine Überleitung nicht schon dann rechtswidrig, wenn der übergeleitete Anspruch nicht besteht, es sei denn, er bestünde offensichtlich nicht (sog. negative Evidenz). Für die Auskunftspflicht gelten keine strengeren Anforderungen. Denn ihr Zweck ist es, dem Leistungsträger erst die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welchem Umfang der Nachrang des Alg II (§ 5 Abs. 1 Satz 1 – auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen Anderer – SGB II) durch Inanspruchnahme Dritter hergestellt werden kann. Dieser Zweck gebietet es, als "unterhaltspflichtig" im Sinne des SGB II andere Personen anzusehen, die als Unterhaltsschuldner in Betracht kommen, d.h. nicht offensichtlich ausscheiden (Urteil BVerwG vom 21.01.1993, Az. 5 C 22/90).
Für die Wirksamkeit der Überleitung genügt es, dass nach dem objektiven Recht abstrakt-begrifflich das Vorhandensein eines bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruches in Betracht kommt. Ein Unterhaltsanspruch darf nach objektivem (materiellem) Recht nicht offensichtlich ausgeschlossen sein. Es ist insoweit eine auf den Einzelfall bezogene Evidenzprüfung durchzuführen, der bloße abstrakte Verweis auf die Tatsache, dass das Bürgerliche Gesetzbuch Geschiedenenunterhalt regelt, genügt nicht. Ziel der Evidenzprüfung ist es, den Adressaten des Auskunftverlangens von einer unvertretbaren Behelligung zu verschonen. Erkennbar sinnlose Überleitungen widersprechen dem rechtsstaatlichen Verwaltungshandeln und sind als rechtswidrig aufzuheben (Urteil BVerwG vom 06.11.1975, Az. V C 28/75).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sind im vorliegenden Fall zivilrechtliche Unterhaltsansprüche nach §§ 1569 ff. BGB nicht ganz offensichtlich ausgeschlossen. Nachdem Herr J. im Zeitpunkt der Scheidung erkrankt war (Berufsunfähigkeit) wäre z.B. ein Anspruch nach § 1572 BGB nicht völlig ausgeschlossen, nachdem z.B. weitere krankheitsbedingte Erwerbsminderungen durch Verschlechterung des Gesundheitszustandes nach der Scheidung evtl. noch dem Einsatzpunkt der Ehescheidung zugerechnet werden können (z.B. BGH Urteil vom 25.03.1987, Az. IVb ZR 32/86). Es könnte auch an eine Billigkeitsregelung nach § 1576 BGB gedacht werden. Allein der zivilrechtlichen – nicht in die Kompetenz des Sozialgerichts fallenden – Beurteilung obliegt auch die Bewertung der offensichtlich nach Scheidung anhaltenden Unterhaltsleistungen der Klägerin an den hilfebedürftigen J … Damit war die Feststellung der Auskunftspflicht rechtlich im Rahmen der Prüfungskompetenz des Sozialgerichts nicht zu beanstanden. Die Klage war abzuweisen.
Damit ist keine Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme außergerichtlicher Kosten entstanden. Wegen der Sachnähe zu SGB II, bei dem als Regel Gerichtskosten nicht anfallen (§ 183 SGG), und bei der an völlig andere Zielgruppen gerichteten Regelung des § 197a SGG und der Gerichtskostenbefreiung der Beklagten waren Gerichtskosten nicht festzustellen.
Erstellt am: 08.11.2006
Zuletzt verändert am: 08.11.2006