I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 276,28 EUR zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Berufung wird zugelassen.
IV. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zuletzt noch die Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen in Höhe von 276,28 EUR anlässlich einer Rehabilitationsmaßnahme.
Der bei der Beklagten krankenversicherte und bei der Klägerin rentenversicherte B.(MB) beantragte mit Formblatt vom 28.09.2004 eine Maßnahme der stationären medizinischen Rehabilitation bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden-Württemberg (jetzt DRV Baden-Württemberg). Diese leitete am 06.10.2004 den Antrag an die Klägerin weiter gemäß § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Die Klägerin bewilligte am 07.10.2004 eine stationäre Anschlussheilbehandlung (AHB), die in der Zeit vom 14.10. bis 11.11.2004 durchgeführt wurde. Bereits am 10.09.2004 hatte MB bei der Stadt L. einen Altersrentenantrag gestellt. Ab 01.11.2004 erhielt der Versicherte Altersrente. Die Klägerin meldete am 05.01.2005 einen Erstattungsanspruch als zweitangegangene Leistungsträgerin bei der Beklagten an. Sie machte Pflegekosten, Fahrtkosten, Übergangsgeld (bis 31.10.2004) und Beiträge zur Renten-, Kranken-, Arbeitslosen-, Pflege- und Unfallversicherung für die Zeit vom 14.10. bis 31.10.2004 geltend. Die Beklagte erklärte sich am 21.02.2005 bereit, Übergangsgeld, Fahrtkosten und Pflegekosten zu tragen. Hinsichtlich der Erstattung der Beiträge wurde eine Zahlung zunächst verweigert.
Nach weiterem Schriftwechsel hat die Klägerin am 13.03.2006 Klage beim Sozialgericht Augsburg erhoben auf Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 606,36 EUR. Es bestehe Anspruch auf Ersatz in vollem Umfang, wie er für den vorleistenden Träger gelte. Da § 14 SGB IX eine reine Erstattungsregelung darstelle, seien Entgeltmeldungen nicht zu stornieren und Beiträge nicht zu verrechnen. Die Beklagte hat dann am 31.05.2006 ein Anerkenntnis hinsichtlich der Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung abgegeben, das die Klägerin mit Schreiben vom 16.06.2006 annahm. Hinsichtlich der Rentenversicherungsbeiträge vertritt die Beklagte die Auffassung, dass der Klägerin keine Aufwendungen entstanden seien, da Rentenversicherungsbeiträge während der Rehabilitation durch einen Träger der Rentenversicherung nach § 176 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – SGB VI – konkret nicht anfallen würden. Ansonsten erfolge eine Bereicherung des erstattungsbegehrenden Leistungsträgers. Der Gesetzgeber habe aber beabsichtigt, höchstens die tatsächlich erbrachten Aufwendungen auszugleichen. Am 30.11.2006 hat die Beklagte ein Anerkenntnis hinsichtlich der Unfallversicherungsbeiträge erklärt, das die Klägerin ebenfalls am 07.12.2006 angenommen hat. Die Klägerin stellt sich hinsichtlich der Rentenversicherungsbeiträge auf den Standpunkt, dass durch die fiktiven Beiträge Rentenanwartschaften für den Versicherten entstehen. Die Gutschrift von Entgeltpunkten für Beitragszeiten während des Bezuges von Übergangsgeld setze begriffsnotwendig einen Aufwand voraus, der dem Rentenversicherungsträger in seiner Eigenschaft als Rehabilitationsträger zuzurechnen sei. Gäbe es nicht die gesetzliche Fiktion des § 176 Abs. 3 SGB VI müsse der Rentenversicherungsträger an sich selbst, womöglich noch über eine Krankenkasse als Einzugsstelle, Beiträge überweisen. Die gesetzliche Fiktion des § 176 Abs. 3 SGB VI vermeide diesen überflüssigen Verwaltungsaufwand.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 276,28 EUR zu erstatten. Hilfsweise wird beantragt, Berufung und Sprungrevision zuzulassen.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung und Sprungrevision zuzulassen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Akten von Klägerin und Beklagter Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Augsburg erhobene Leistungsklage ist zulässig und auch begründet.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 276,28 EUR als Rentenversicherungsbeiträge während der Rehabilitationsmaßnahme des MB in der Zeit vom 14.10. bis 31.10.2004.
Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX. Die Klägerin war zweitangegangene Leistungsträgerin im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 – 4 SGB IX, da der ursprünglich bei der DRV Baden-Württemberg gestellte Antrag von dieser ausdrücklich nach § 14 SGB IX weitergeleitet wurde. Die Klägerin war auch an sich unzuständig für die AHB-Maßnahme, da aufgrund des Rentenantrages vom 10.09.2004 ein Leistungsausschließungsgrund gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI vorlag. Die Notwendigkeit einer stationären AHB im Sinne von § 40 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) wird von der Beklagten nicht bestritten, die der Klägerin auch sämtliche im Zusammenhang mit der Rehabilitation entstandenen Aufwendungen (Pflegekosten, Fahrtkosten, Übergangsgeld, Beiträge) ausgenommen die Rentenversicherungsbeiträge bereits erstattet hat.
Zur Überzeugung des Gerichts stellen die Rentenversicherungsbeiträge ebenfalls erstattungsfähige Aufwendungen im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX dar. Problematisch ist dies deshalb, weil nach § 176 Abs. 3 SGB VI eine Beitragszahlung tatsächlich nicht erfolgt ist, sondern die Beiträge lediglich "als gezahlt gelten". Was unter dem Begriff der "Aufwendungen" zu verstehen ist, die nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX erstattet werden, ist weder im Gesetzestext definiert noch hat der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung hierauf Bezug genommen. Festzuhalten ist jedenfalls, dass er nicht den Begriff einer Zahlung verwendet hat. Zieht man zur Definition den Begriff der Aufwendungen im Zivilrecht bei, beispielsweise nach § 256 BGB, so ergibt sich, dass mit Aufwendungen entweder ein aufgewendeter Betrag oder die Aufwendung von anderen Gegenständen als Geld gemeint sein kann.
Der Versicherte MB hatte einen Anspruch auf Zahlung von Beiträgen aus dem während der AHB-Maßnahme gezahlten Übergangsgeld. Diese Beitragsansprüche sind nicht nur "fiktiv" sondern konkret errechenbar und Beitragsschuldner ist die Klägerin. Die Beiträge errechnen sich nach dem Beitragssatz sowie den beitragspflichtigen Einnahmen, wobei bei einer Übergangsgeldzahlung gemäß § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI 80 v.H. des der Leistung zugrunde liegenden Arbeitsentgeltes oder Arbeitseinkommens zu berücksichtigen sind. Beitragsschuldner ist nach § 170 Abs. 1 Nr. 2b und § 173 Satz 1 SGB VI die Klägerin als Leistungsträgerin für das Übergangsgeld. Grundsätzlich besteht also eine Verpflichtung der Klägerin zur Beitragszahlung, die aber durch die Regelung des § 176 Abs. 3 SGB VI ersetzt wird. § 176 SGB VI enthält Sonderregelungen für die Beitragszahlung und Abrechnung bei Bezug von Sozialleistungen. Nach § 176 Abs. 3 SGB VI gelten die Rentenversicherungsbeiträge als gezahlt, wenn ein Träger der Rentenversicherung Träger der Rehabilitation war. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber eine Zahlung des Rentenversicherungsträgers "an sich selbst" verhindern, ebenso aber auch eine Zahlung eines für die Rehabilitation zuständigen Rentenversicherungsträgers an den kontoführenden Rentenversicherungsträger (KassKomm § 176 SGB VI Rdz 7).
§ 176 Abs. 3 SGB VI stellt allein eine Sonderregelung für die Zahlung der Beiträge dar. Hiervon unberührt bleibt der Anspruch des Versicherten auf Beitragszahlung aus dem Übergangsgeld durch den Rehabilitationsträger Rentenversicherung. Auch die Folgen aus der "fiktiven Beitragszahlung" sind für den Versicherten genau dieselben wie bei tatsächlich erfolgter Beitragszahlung. Denn die Beiträge werden seinem Versicherungskonto gutgeschrieben und wirken sich auch auf seine spätere Rentenzahlung aus, gerade so als ob die Klägerin die Beiträge aus dem Übergangsgeld an sich selbst gezahlt und erst dann dem Konto des Versicherten gutgeschrieben hätte. Durch die Regelung des § 176 Abs. 3 SGB VI entfällt lediglich der zusätzliche Verwaltungsaufwand für die interne Zahlung/Buchung.
Zur Überzeugung des Gerichts sind damit der Klägerin tatsächlich Aufwendungen im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX entstanden, und zwar in Form der Gutschrift der Beiträge auf dem Versicherungskonto in derselben Höhe wie bei vorheriger interner Beitragszahlung. Eine Zahlung wird vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht gefordert. Eine andere Betrachtungsweise würde letztlich auch die Beklagte begünstigen, die – wenn der Antrag sofort an sie weitergeleitet worden und die AHB von ihr getragen worden wäre – Rentenversicherungsbeiträge in der streitigen Höhe aus dem Übergangsgeld an die Klägerin hätte entrichten müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG.
Berufung und Sprungrevision waren zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 144 Abs. 2 Nr. 1, 161 Abs. 2 Satz 1, 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Eine Klärung der Rechtsfrage liegt im allgemeinen Interesse von Rentenversicherungsträgern und sonstigen Rehabilitationsträgern.
Erstellt am: 15.02.2007
Zuletzt verändert am: 15.02.2007