I. Der Bescheid vom 23. August 2006 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2006 wird insoweit aufgehoben, als von der Klägerin nicht an sie bezahlte Leistungen zurückgefordert werden und insoweit als in dem sie betreffenden Rückforderungsbetrg 56 % ihrer Unterkunftskosten enthalten sind mit Ausnahme der Kosten für Heizung und Warmwasser. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Beklagte trägt 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
III. Die Berufung wird für die Klägerin nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.08.2006 sowie die damit verbundene Erstattung von in diesem Zeitraum bezogenen Leistungen in Höhe von 1.811,10 EUR streitig.
Die am 1981 geborene Klägerin stellte am 26.08.2005 erstmals bei der Beklagten für sich, ihren Ehemann A. W., geboren am 1981, und für den gemeinsamen Sohn P. W., geboren am 2004, einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Die Beklagte bewilligte daraufhin der Bedarfsgemeinschaft "W." Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit Bescheid vom 11.11.2005. Mit Weiterbewilligungsbescheid vom 23.02.2006 erhielt die Bedarfsgemeinschaft "W." von der Beklagten Leistungen für den Zeitraum 01.04.2006 bis 31.08.2006 in Höhe von monatlich 675,00 EUR. Am 24.04.2006 wurde der Ehemann der Klägerin als Helfer bei der Firma C. GmbH eingestellt. Hierzu hörte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 02.05.2006 an. Am 11.05.2006 legte die Klägerin der Beklagten eine Verdienstbescheinigung ihres Ehemanns für die Zeit vom 24.04.2006 bis 30.04.2006 vor. Mit Schreiben vom 18.05.2006 teilte die Klägerin weiter mit, dass ihr Ehemann die nächste Verdienstbescheinigung erst nach dem 15.05.2006 erhalten werde. Am 12.06.2006 gingen bei der Beklagten eine Einkommensbescheinigung für den Mai 2006 ein. Mit Schreiben vom 02.08.2006 mahnte sodann die Beklagte die Lohnabrechnungen des Ehemannes für die Monate Juni und Juli 2006 an. Diese gingen bei der Beklagten anschließend auch ein. Aus den vorgelegten Einkommensnachweisen errechnete die Beklagte zu Unrecht bezogene Leistungen für den Zeitraum vom 01.05.2006 bis 31.08.2006 in Höhe von 1.243,11 EUR. Hierzu hörte sie den Ehemann der Klägerin mit Schreiben vom 16.08.2006 gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) an.
Mit Bescheid vom 23.08.2006 hob die Beklagte sodann ihre Bewilligung für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.08.2006 teilweise auf und forderte von der Klägerin 1.811,10 EUR zurück. Dagegen legte die Klägerin am 29.08.2006 Widerspruch bei der Beklagten ein. Zur Begründung trug sie vor, dass sie hilfebedürftig sei und das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft unter der Bemessungsgrenze liege. Die Überbezahlung sei durch die Beklagte selbst verursacht worden. Sie habe sofort nach Arbeitsaufnahme ihres Mannes eine Bescheinigung des neuen Arbeitgebers vorgelegt. Da ihr Ehemann seinen Arbeitslohn immer erst nach dem 15. des jeweiligen Monats erhalte, habe sie auch die Lohnabrechnungen erst nach dem 15. des jeweiligen Monats vorlegen können. Aus diesem Grund sei aus Vertrauensschutzgesichtspunkten die überbezahlten Leistungen nach § 45 Abs. 2 SGB X nicht zurückzuzahlen. Sie habe auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut, da sie nachweislich alles fristgemäß vorgelegt habe.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2006 zurück. Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Bewilligung sei § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Hierbei handele es sich um einen verschuldensunabhängigen Aufhebungstatbestand, bei dem es nur darauf ankäme, dass erzieltes Einkommen oder Vermögen zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs führe. Es komme daher nicht darauf an, dass die Klägerin die Arbeitsaufnahme mitgeteilt habe. Für die Entscheidung sei auch nicht von Bedeutung, dass die Leistungen verbraucht seien. Ein Ermessen stehe der Beklagten bei Anwendung dieser Aufhebungsbestimmung nicht zu. Die Verpflichtung zur Erstattung der erbrachten Leistungen ergebe sich aus § 50 Abs. 1 SGB X.
Dagegen hat die Klägerin am 13.10.2006 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Sie habe der Beklagten zeitnah die Arbeitsaufnahme ihres Ehemannes mitgeteilt, sodass die Beklagte auf der Basis des vorgelegten Arbeitsvertrages die Leistung im Mai anteilig entsprechend dem zu erwartenden Lohn hätte mindern können. Aufgrund der vollständigen Vorlage aller Unterlagen und den trotzdem erfolgten Zahlungen habe sie darauf vertrauen dürfen, dass diese Zahlungen ordnungsgemäß seien. Sie habe insoweit auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut. Mit weiterem Schreiben vom 17.11.2006 hat die Klägerin ausgeführt, dass die Rückforderungssumme noch nicht nachvollziehbar nachgewiesen sei. Vielmehr werde pauschal eine unbegründete Summe zurückgefordert. Es seien nicht die Werbungskosten angerechnet worden; es sei keine kurzzeitige doppelte Haushaltsführung berücksichtigt worden; es werde kein Umzug aus Arbeitsaufnahmegründen in den Werbungskosten entsprechend Einkommenssteuergesetz berücksichtigt. Da die Werbungskosten monatlich über dem gesetzlichen Satz von 15,33 EUR lägen, seien die wirklichen Kosten zu berücksichtigen gewesen. Die Rückforderung sei rechtlich auch nicht möglich, da sie und ihre Familie am Existenzminimum lebten und das Einkommen unter der Pfändungsfreigrenze liege.
In der mündlichen Verhandlung vom 13.02.2007 beantragt die Klägerin,
den Bescheid der Beklagten vom 23.08.2006 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29.09.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklaten sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig und teilweise begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 23.08.2006 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29.09.2006 ist insoweit rechtlich zu beanstanden, als von der Klägerin der Gesamtbetrag der zu Unrecht bezogenen Leistungen in dem Bewilligungszeitraum 01.05.2006 bis 31.08.2006 zurückgefordert worden sind.
Das SGB II sieht nämlich keinen Leistungsanspruch einer Bedarfsgemeinschaft als solcher vor. Vielmehr handelt es sich um Individualansprüche der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (siehe hierzu BSG-Urteil vom 07.11.2006, Az: B 7b AS 8/06 R mit weiteren Nachweisen). Da somit das SGB II nur einen individuellen Anspruch jedes einzelnen Bedürftigen kennt, müssen Bescheide über die Aufhebung von Leistungsbewilligung auch im Rahmen des SGB II gegenüber dem jeweiligen Leistungsempfänger ergehen. Hierbei müssen die Voraussetzungen der Aufhebung in seiner Person – allerdings gegebenenfalls unter Zurechnung eines Fehlverhaltens eines Vertreters, nicht jedoch des vermuteten Vertreters (§ 38 SGB II) – vorliegen. Da aus der Bedarfsgemeinschaft auch keine Gesamtgläubigerschaft (§ 428 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB -) abgeleitet werden kann (siehe BSG-Urteil vom 07.11.2006, a.a.O.) muss der Leistungsempfänger auch nur die an ihn erbrachten Leistungen erstatten (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 40 Rdz 108).
Soweit die Beklagte daher von der Klägerin Leistungen zurückfordert, die an ihren Ehemann und an ihren Sohn erbracht worden sind, war der Bescheid vom 23.08.2006 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29.09.2006 rechtlich zu beanstanden und aufzuheben. Diese Leistungen sind von den davon betroffenen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft W. eigenständig zurückzufordern.
Rechtlich nicht zu beanstanden ist dagegen die Rückforderung von Leistungen für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.08.2006, die an die Klägerin selbst geleistet wurden, ausgenommen jedoch 56 % der zu berücksichtigten Kosten für Unterkunft, mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung (§ 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Rechtsgrundlage für die Aufhebung der darüber hinausgehenden Leistungsbewilligung an die Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum ergibt sich sodann aus § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Nach diesen Bestimmungen ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Dieser Tatbestand ist vorliegend erfüllt, da nach Erlass des Bewilligungsbescheids vom 23.02.2006 der Ehemann der Klägerin ab Mai 2006 Einnahmen im Sinn von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II erzielt hat. Damit ist in den tatsächlichen Verhältnissen im Vergleich zu denen, die beim Erlass des Bewilligungsbescheids vorgelegen haben, insoweit eine wesentliche Änderung eingetreten, weil ab Mai 2006 eine geringere Hilfebedürftigkeit bei der Klägerin bestanden hat. Da es sich hierbei um eine Aufhebung der Bewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X handelt, und nicht wie von der Klägerin angenommen nach § 45 SGB X, kann sich die Klägerin nicht auf den gutgläubigen Verbrauch der Leistungen berufen. Zusätzliche subjektive Momente sind nämlich bei der Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X unerheblich. Es kommt hier also nicht darauf an, ob der Leistungsbezieher schuldhaft seine Mitteilungspflichten verletzt hat oder bezüglich der Höhe der Leistungen bösgläubig war. Das Vermögen muss auch nicht durch den Leistungsberechtigten selbst erzielt worden sein. Es reicht die Erzielung durch einen Dritten mit Auswirkung auf die Hilfebedürftigkeit der Klägerin (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 53, Seite 148; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 48 RdNr. 51).
Auch die von der Beklagten errechnete Höhe der zu Unrecht bezogenen Leistungen ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat die nach § 11 Abs. 2 SGB II abschließend abzusetzenden Beträge berücksichtigt. Höhere Werbungskosten sind von der Klägerin nicht nachgewiesen worden, sodass hier eine Berücksichtigung von weiteren Aufwendungen nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II nicht möglich ist.
Zu Recht hat die Beklagte auch darauf hingewiesen, dass die nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfolgte Aufhebung sowie die damit verbundene Rückforderung nach § 50 SGB X nicht in ihrem Ermessen stand. Dies ergibt sich aus § 330 Abs. 3 SGB III auf den § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II verweist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung war für die Klägerin nicht zuzulassen, da durch die Entscheidung des Sozialgerichts für sie der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG von 500,00 EUR nicht erreicht wird und auch Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.
Erstellt am: 21.02.2007
Zuletzt verändert am: 21.02.2007