In Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 29.11.2006 werden die von der Erinnerungsgegnerin an den Erinnerungsführer zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 863,62 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
In dem Verfahren S 14 R 592/04 stritten die Beteiligten über den Anspruch des Erinnerungsführers (Ef) auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in Form einer Dauerrente.
Die Erinnerungsgegnerin (Eg) hatte dem 1961 geborenen Ef bis zum Beginn des Klageverfahrens beginnend ab 01.01.2002 mehrfach weitergewährte Zeitrenten wegen voller Erwerbsminderung, zuletzt befristet bis 30.04.2005 bewilligt. Gegen die am 15.03.2004 und 25.06.2004 ergangenen Bescheide hatten die Bevollmächtgten des Ef insgesamt im Umfang von ca. 2 DIN-A-4-Seiten schriftsätzlich vorgetragen. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides folgte das Klageverfahren vor der 14. Kammer des Sozialgerichts Augsburg. Hier meldeten sich die Bevollmächtigten des Ef insgesamt 7 x schriftsätzlich zu Wort und übersandten die für die von Amts wegen durchzuführenden Ermittlungen überlassenen Formblätter. In dem Verfahren wurden schließlich zwei Befundberichte und ein orthopädisches Gutachten eingeholt. Mit Schriftsatz vom 28.11.2005 erklärte sich schließlich die Eg bereit, dem Ef ohne zeitliche Lücke Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren. In der zwischen den Beteiligten streitig gebliebenen Kostenfrage entschied schließlich das Bayer. Landessozialgericht mit Beschluss vom 01.06.2006 (L 1 B 305/06 R), dass die Eg dem Ef "die außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens insgesamt zu erstatten" habe. Mit ihren Kostennoten vom 28.06.2006 und 06.09.2006 bezifferten sie die außergerichtlichen Kosten des Ef für Verwaltungsverfahren, Widerspruchsverfahren, Klageverfahren Sozialgericht und Beschwerdeverfahren auf insgesamt 2.772,40 EUR. Die Eg beantragte daraufhin die Kostenfestsetzung.
Mit Beschluss vom 29.11.2006 setzte die Urkundsbeamtin die dem Ef zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 805,62 EUR fest. Die geltend gemachten Kosten des Verwaltungsverfahrens seien keine außergerichtlichen Kosten im Sinne von § 193 SGG und somit nicht erstattungsfähig. Für die Tätigkeit der Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren sei lediglich die Mittelgebühr angemessen. Gleiches gelte für die im Klageverfahren und Beschwerdeverfahren entstandenen Verfahrensgebühren. Die von den Bevollmächtigten berechneten Höchstgebühren seien nicht gerechtfertigt. Für die Terminsgebühr sei, da eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden habe lediglich ein Betrag von unterhalb der Mittelgebühr angemessen, die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Erledigungsgebühr seien nicht erfüllt.
Hiergegen wenden sich die Bevollmächtigten in ihrer als Beschwerde bezeichneten Erinnerung vom 11.12.2006. Sie vertreten weiterhin die Auffassung, dass auch die anwaltliche Tätigkeit im Verwaltungsverfahren von der Eg zu erstatten seien. Im Übrigen sei es inzwischen Standard, dass Rentenverfahren wegen ihrer Bedeutung gebührenrechtlich bei der Höchstbetragsgebühr anzusetzen seien, was auch für die Terminsgebühr gelte. Bereits im Verwaltungsverfahren habe man intensiv versucht auf eine baldige Erledigung der Angelegenheit hinzuwirken, weshalb die Erledigungsgebühr anzusetzen sei.
Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung nicht ab. Die Widerspruchsakte der Eg wurde beigezogen.
II.
Das Gericht ist zur Entscheidung befugt (§ 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Die rechtzeitig eingelegte Erinnerung ist zulässig und teilweise begründet. In Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses waren daher die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten mit 863,62 EUR festzusetzen.
Teilweise begründet war die Erinnerung bezüglich der Höhe der im Klageverfahren festzustellenden Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV und Terminsgebühr Nr. 3106 VV.
Die Höhe der dem Grunde nach gemäß § 193 SGG zu erstattenden außergerichtlichen Kosten richtet sich nach §§ 3, 14 RVG. Bei den hier maßgeblichen Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 RVG).
Das Vergütungsverzeichnis des RVG sieht als Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV, also dann, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, einen Gebührenrahmen von 20 EUR bis 320,00 EUR (Mittelgebühr: 170 EUR) vor. Diese Gebühr fällt an für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV). Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV, welche auch dann anfällt, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet, entsteht innerhalb eines Betragsrahmens von 20,00 bis 380,00 EUR (Mittelgebühr: 200,00 EUR).
Im konkret zur Beurteilung anstehenden Verfahren sind (betreffend die Verfahrensgebühr und Terminsgebühr) etwas oberhalb der von der Urkundsbeamtin angesetzten Beträge zu erstattende Gebühren gerechtfertigt. Grundsätzlich rechtfertigen Streitverfahren wegen eines Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente die Festsetzung einer Mittelgebühr. Sie stellen in Kammern für Rentenangelegenheiten die überwiegende Anzahl von Streitverfahren dar und sind deshalb als Normalfall einer sozialgerichtlichen Streitigkeit zu bezeichnen. Die von dem Bevollmächtigten des Ef vertretene Auffassung, die Hilfsgebühr sei schon deshalb gerechtfertigt, weil es sich für den Ef um eine existenzsichernde Leistung handelt verkennt, dass die vom Gesetzgeber in Sozialgerichten zugewiesenen Rechtsstreitigkeiten ganz überwiegend Leistungen zum Gegenstand haben, die dem Adressaten im Rahmen der staatlichen Daseinsfürsorge und häufig auf eigener Beitragsleistung beruhend, eine hinreichende Existenzgrundlage bieten sollen. Streitigkeiten um existenzsichernde Leistungen wie z.B. Erwerbsminderungsrenten auf Altersrenten sind vor den Sozialgerichten somit der Normalfall. Die kostenrechtliche Konsequenz ist regelmäßig die Mittelgebühr.
Wie bereits in der BRAGO hat der Gesetzgeber in dem dem RVG angefügten Vergütungsverzeichnis im Hinblick auf den besonderen Personenkreis der vor den Sozialgerichten klagendem Bürger ein vom allgemeinen Kostenrecht abweichendes Regelungswerk geschaffen. Er ließ sich dabei von dem Gedanken leiten, dass die vom Bürger begehrten Leistungen der staatlichen Daseinsfürsorge auch und gerade, wenn sie existentieller Natur sind, kostengünstig zu erstreiten sein sollen. In den entsprechenden Gebührennummern hat er deshalb einen Rahmen geschaffen, ausgehend davon, dass es ganz einfache, leicht zu bearbeitende Verfahren ebenso gibt wie sehr schwierige und umfangreiche. Die Masse aller Streitverfahren liegt somit in der Mitte zwischen den beiden Extremen (vgl. auch LSG Schleswig-Holstein vom 16.06.2003, L 5 B 13/03 SFSK). Übersehen werden darf außerdem nicht, dass das sozialgerichtliche Verfahren vom Grundsatz der Amtsermittlung geprägt ist. Dies bedeutet, dass die anwaltliche Tätigkeit im Vergleich zu sonstigen anwaltlichen Streitverfahren deutlich erleichtert ist. Andererseits gehört die Auseinandersetzung mit medizinischen Äußerungen, namentlich Gutachten, für die vor den Sozialgerichten auftretendem Anwalt zum Berufsalltag. Es ist somit der vom Kostensenat des Bayer. Landessozialgerichts in seinem Beschluss vom 04.07.2006 (LK 15 B 44/03 R Ko) geäußerten Rechtsauffassung zuzustimmen, dass die Frage der Berwilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung zwar für die Versicherten von erheblicher Bedeutung ist, aber keineswegs im Regelfalle die Festsetzung der Höchstgebühr rechtfertigt. Vielmehr bestimmen sich die Rahmengebühren nach den Umständen des Einzelfalles.
So ist es auch vorliegend. Aus der Perspektive des Ef ist festzustellen, dass die begehrte Leistung für ihn existenzsichernde Bedeutung hatte. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht allerdings in der Dauer der angestrebten und schließlich bewilligten Leistung. Der bei Verfahrensende 44 Jahre alte Ef hat nach derzeitigem Rechtsstand Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Eintritt in die Altersrente, also über einen – verglichen mit den sonstigen Streitverfahren in Rentenangelegenheiten – außergewöhnlich langen Zeitraum. Als Lediger verfügt er über keine anderweitige soziale Absicherung, namentlich über einen Unterhaltsanspruch gegen einen Ehepartner. Diese besondere Bedeutung der Angelegenheit für den Ef wird auch unter Berücksichtigung der von ihm bezogenen Unfallrente nicht in vollem Umfang kompensiert durch seine zweifelsfrei unterdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnisse als ehemaliger Hilfsarbeiter und einem Rentenanspruch von netto ca. 690,00 EUR.
Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war vorliegend durchschnittlich, ihr Umfang ebenso. Es ist keine (gebührenrechtliche) Besonderheit, wenn ein Anwalt sich in sozialgerichtlichen Verfahren mit einem (wie vorliegend) oder gar mehreren Sachverständigengutachten auseinandersetzen muss. Im Verfahren des Ef war sogar eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Gutachten nicht vonnöten, weil dieses das Klagebegehren des Ef stützte. Bemerkenswert ist lediglich, dass die Bevollmächtigten sich in überdurchschnittlich vielen Schriftsätzen in dem Verfahren zu Wort meldeten, wobei andererseits nicht übersehen werden darf, dass eine mündliche Verhandlung – welche für die Bevollmächtigten mit einem geschätzten Zeitaufwand von wenigstens 2 – 3 Stunden verbunden gewesen wäre – nicht stattgefunden hat.
Aufgrund der vorstehenden Erläuterungen hält das Gericht es deshalb für angemessen als Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV 200,00 EUR und als Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV 160,00 EUR (jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer) festzusetzen.
Im Übrigen war der Erinnerung der Erfolg zu versagen, weil die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch des Ef (§ 193 Abs. 2 SGG) insoweit nicht erfüllt sind. Als erstattungsfähige Kosten werden dort definiert die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Es ist hierzu völlig einhellige Rechtsmeinung, dass die Kosten des Verwaltungsverfahrens nicht zu den nach § 193 SGG erstattungsfähigen Kosten gehören (vgl. statt Vieler: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar 8. Aufl. RdNr. 5). Anspruchgegner für anwaltliche Gebührenforderungen nach dem RVG aus Tätigwerden in einem Verwaltungsverfahren ist der Auftraggeber.
Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1005, 1006 VV hat die Eg nicht zu erstatten, weil eine solche nicht entstanden ist. Unstreitig hat sich das Verfahren nach Abänderung der angefochtenen Verwaltungsakte im Sinne des Ef erledigt. Das Entstehen der Erledigungsgebühr fordert darüber hinaus aber eine anwaltliche Mitwirkung. Dabei genügt eine Mitwirkung bei der formellen Beendigung des Verfahrens, z.B. durch Abgabe einer Erledigterklärung nicht (Peter Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. VV 1002 RdNr. 11). Vielmehr muss eine besondere, gerade auf die Beilegung der Sache ohne Entscheidung gerichtete Tätigkeit, die (kausal) zur Erledigung nicht nur ganz unwesentlich beigetragen hat, vorliegen. Mit dieser Gebühr soll ein besonderes Bemühen des Anwalts gerade um außergerichtliche Erledigung des Rechtsstreits bzw. Einigung honoriert werden. Ein solches ist dem dem Gericht zur Verfügung stehenden Unterlagen aus dem Verfahren S 14 R 592/04 nicht zu entnehmen. Die Gebühr ist nicht angefallen. Die Erledigung und der unstreitige Abschluss des Verfahrens ist dem Ergebnis der gerichtlichen Beweisaufnahme und nicht einem besonderen anwaltlichen Bemühen geschuldet.
Für das Beschwerdeverfahren (Gebühr Nr. 3501 VV), in dem es nur noch um eine andere Kostenverteilung dem Grunde nach ging sind Gründe für eine Gebühr oberhalb der Mittelgebühr nicht ersichtlich. Dieses Verfahren unterliegt einer eigenständigen gebührenrechtlichen Bewertung. Die Bedeutung der Hauptsache ist ohne Relevanz.
Zusammenfassend ergibt sich somit für den Ef gegenüber der Eg ein Erstattungsanspruch in Gesamthöhe von 863,62 EUR, welcher sich wie folgt zusammengesetzt:
Widerspruchsverfahren Gebühr analog § 116 BRAGO 237,00 EUR Auslagenpauschale gem. § 26 BRAGO 20,00 EUR Mehrwertsteuer gem. § 25 Abs. 2 BRAGO 41,12 EUR Klageverfahren Sozialgericht Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV 200,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV 160,00 EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV 20,00 EUR Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV 60,80 EUR
Beschwerdeverfahren Verfahrensgebühr 87,05 EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV 20,00 EUR Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV 17,20 EUR – insgesamt 863,62 EUR
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei. Er ist endgültig (§ 197 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 28.02.2007
Zuletzt verändert am: 28.02.2007