I. Die Beklagte wird unter Abänderung ihres Bescheides vom 20. Januar 2006 in Fassung des Änderungsbescheides vom 31. Mai 2006 sowie Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2006 verurteilt, dem Kläger und seiner Ehefrau auch für die Zeit vom 1. Mai 2006 bis 31. Mai 2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von 969,71 EUR zu bewilligen.
II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum 01.05.2006 bis 31.05.2006 streitig (hier: Anrechnung von Einkommen in Höhe von 513,36 EUR).
Der am 1949 geborene Kläger bezieht seit dem 01.01.2005 von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltsnach dem SGB II. Ebenfalls Leistungen erhielt seine Ehefrau S. R., geboren am 1948. Mit Bescheid vom 20.01.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau für die Zeit vom 01.03.2006 bis 30.06.2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 860,21 EUR. Im März 2006 zog der Kläger und seine Ehefrau von der L.str. in die K.str. in A … Am 15.05.2006 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er die für seine Wohnung in der L.str. hinterlegte Mietkaution in Höhe von 1.227,99 EUR zurück erhalten habe. Mit Bescheid vom 31.05.2006 erhöhte die Beklagte die Leistungen an den Kläger und an seine Ehefrau für die Zeit vom 01.03.2006 bis 30.04.2006 auf 969,71 EUR und reduzierte das bewilligte Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.05.2006 auf 456,35 EUR. Für diese Zeit rechnete sie die zurückerhaltene Mietkaution als Einkommen in Höhe von 513,36 EUR an. Dagegen legte der Bevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten am 12.06.2006 Widerspruch ein. Zur Widerspruchsbegründung trug er vor, dass die Mietkaution Vermögen darstelle und unter der Freibetragsgrenze von 200,00 EUR pro Lebensjahr zuzüglich 750,00 EUR Pauschalbetrag liege. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widespruchsbescheid vom 12.12.2006 zurück. Mit Bescheid vom 07.03.2006 habe die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau eine Kaution in Höhe von 714,63 EUR für die Wohnung in der K.str. als Darlehen bewilligt. Dieses habe er aus der erhaltenen Kautionsrückzahlung in Höhe von 1.227,99 EUR zurückzuerstatten. Der verbliebene Differenzbetrag von 513,35 EUR sei dann als einmaliges Einkommen zu werten und stelle nicht Vermögen dar.
Dagegen hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 03.01.2007 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Die Klagebegründung war inhaltsgleich der Widerspruchsbegründung.
In der mündlichen Verhandlung vom 27.03.2007 beantragt der Bevollmächtigte des Klägers,
die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 20.01.2006 in Fassung des Änderungsbescheids vom 31.05.2006 und Widerspruchsbescheids vom 12.12.2006 zu verurteilen, dem Kläger für den Monat Mai Leistungen in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Verwaltungakte sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet.
Entgegen dem Klageantrag ist Gegenstand des Verfahrens nicht allein der Leistungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.05.2006, sondern auch der Leistungsanspruch der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehefrau S. R … Insoweit war der Klageantrag nach dem sog. "Meistbegünstigungsprinzip" unabhängig von seinem Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens auszulegen (siehe hierzu BSG-Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 8/06 R). Die Vertretungsbefugnis des Klägers für seine Ehefrau ergibt sich aus § 73 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Bescheid der Beklagten vom 20.01.2006 in Fassung des Änderungsbescheids vom 31.05.2006 sowie Widerspruchsbescheides vom 12.12.2006 war insoweit rechtlich zu beanstanden, als in diesem dem Kläger und seiner Ehefrau für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.05.2006 Arbeitslosengeld II lediglich in Höhe von 456,35 EUR bewilligt worden war. Der Bescheid war nicht bereits aus formellen Gründen rechtswidrig. Zwar hat die Beklagte den Kläger und seine Ehefrau nicht vor Absenkung der Leistungen für den Zeitraum vom 01.05.2006 bis 31.05.2006 wegen Anrechnung von Einkommen in Höhe von 513,36 EUR gemäß § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) angehört. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, da die Beklagte wegen Anrechnung von Einkommen den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 20.01.2006 gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit §§ 330 Abs. 3 SGB III und 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X teilweise aufgehoben hat. Dies stellt einen Eingriff in die Rechte des Klägers und seiner Ehefrau dar, da ihnen mit Bescheid vom 20.01.2006 für den streitgegenständlichen Zeitraum bereits 860,21 EUR bewilligt worden waren. Die fehlende Anhörung ist jedoch nach Ansicht des Gerichts durch das Widerspruchsverfahren gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X durch Nachholung geheilt worden. Der Widerspruchsbescheid vom 12.12.2006 hat in seinen Entscheidungsgründen erkennbar das Vorbringen des Klägers gegen die Herabsenkung der Leistungen für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.05.2006 berücksichtigt, so dass der Kläger die Möglichkeit hatte, die letzte Behördenentscheidung noch zu beeinflussen.
Die angegriffenen Bescheide sind für den streitgegenständlichen Zeitraum jedoch materiell-rechtlich zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich nämlich bei der zurückerhaltenen Mietkaution in Höhe von 1.227,99 EUR nicht um Einkommen, sondern um Vermögen im Sinn von § 12 Abs. 1 SGB II. Nach der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Zuflusstheorie (Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.12.1999 – 5 C 35/97 – Steuerrückerstattung – 5 C 14/98 – Schadensersatz – 5 C 16/98 – geerbter Unterhaltsanspruch) ist Einkommen alles das, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält, dagegen Vermögen das, was er in der Bedarfszeit bereits hat. Hiervon differenzierend hat das Bundesverwaltungsgericht weiter dann die Auffassung vertreten, dass dann, wenn lediglich durch einen Zufluss die frühere Vermögenslage wiederhergestellt wird, der Zufluss von vornherein als Vermögen anzusehen ist, also auch im Monat des Eingangs nicht als Einkommen (Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung: 5 C 14/98). In diesem Sinn hat auch das BSG für die Arbeitslosenhilfe entschieden. So wurde die Realisierung einer Kaufpreisforderung (BSG 20.06.1978 – 7 RAr 47/77, BSGE 46, 271) und der aufgrund eines Anspruchs auf Zugewinnausgleich gezahlte Mittelzufluss (BSG 08.06.1989 – 7 RAr 34/96, SozR § 138 Nr. 25) als Vermögen gewertet. Unter Zugrundelegung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Unterscheidungskriterien zwischen Einkommen und Vermögen stellt die Rückzahlung der vom Kläger hinterlegten Mietkaution Vermögen dar, da hierdurch eine frühere Vermögenslage weder hergestellt wird. Der Kläger hat nämlich mit der Hinterlegung der Mietkaution eine Ausgabe aus eigenem Vermögen bestritten, die jetzt lediglich wieder an ihn zurückfließt (siehe hierzu auch VGH Baden-Württemberg vom 01.09.2005 – 12 S 844/04, FEVS 56, 128 und SG Aachen vom 09.06.2006 – S 8 AS 18/06). Somit erhält der Kläger nur etwas zurück, was bereits vorher in seinem Vermögen vorhanden war, so dass der Rückfluss nur mehr die frühere Vermögenslage wieder herstellt. Der Rückfluss der Mietkaution ist daher nicht als Einkommen, sondern als Vermögen zu wer- ten.
Da der Kläger und seine Ehefrau berechtigt sind hiervon gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II einen Grundfreibetrag in Höhe von 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr abzusetzen, ist die Mietkaution in Höhe von 1.227,99 EUR insgesamt nicht zu berücksichtigen. Der Kläger und seine Ehefrau hatten daher in der Zeit vom 01.05.2006 bis 31.05.2006 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II in Höhe von 969,71 EUR.
Insgesamt war somit der Bescheid der Beklagten vom 20.01.2006 in Fassung des Änderungsbescheids vom 31.05.2006 sowie Widerspruchsbescheid vom 12.12.2006 für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.05.2006 insoweit aufzuheben, als dem Kläger und seiner Ehefrau Einkommen von 513,36 EUR angerechnet wurde, und die Beklagte zu verurteilen, für diesen Zeitraum 969,71 EUR zu bewilligen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 24.04.2007
Zuletzt verändert am: 24.04.2007