I. Die Klage gegen den Bescheid vom 13. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2006 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung und Geltendmachung eines Ersatzanspruchs (bezüglich im März und April 2006 gewährter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts) nach § 34 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II).
Der Kläger, geb. 1980, hatte am 23.01.2006 durch fristlose Kündigung seinen Arbeitsplatz als Kraftfahrer bei einer Firma in N. verloren. Auslöser der Kündigung war gewesen, dass der Kläger den von ihm zu führenden Lkw durch einen "Kumpel" hatte fahren lassen. Dies war bei einer Polizeikontrolle aufgeflogen, bei der beim Kläger darüber hinaus eine Blutalkoholkonzentration von 2,5 Promille festgestellt worden war.
Von der Agentur für Arbeit Donauwörth war wegen dieses Verlustes des Arbeitsplatzes ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 25.01.2006 bis 18.04.2006 (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe) festgestellt worden.
Wegen des fehlenden Arbeitslosengeldes "I" beantragte der Kläger am 08.03.2006 bei der Beklagten Arbeitslosengeld II. Er wurde vor Bewilligung darauf hingewiesen, dass wegen der besonderen Umstände dieser Hilfebedürftigkeit die Leistung nach § 34 SGB II zurückgefordert werden würde. Der Kläger machte aber dennoch den aktuellen Leistungsanspruch geltend.
Mit Bescheid vom 18.04.2006 bewilligte die Beklagte für März 2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von 253,92 EUR und für April 2006 183,84 EUR Arbeitslosengeld II.
Ab Ende der Sperrzeit erhielt der Kläger wieder Arbeitslosengeld "I", wodurch die Hilfebedürftigkeit wieder entfiel.
Mit Bescheid vom 13.09.2006 machte die Beklagte den Kostenersatz nach § 34 SGB II wegen schuldhafter Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit in Höhe von 738,15 EUR (einschließlich geleisteter Sozialversicherungsbeiträge) geltend.
Dagegen legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 21.09.2006 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2006 zurückgewiesen wurde.
Dagegen legte der Kläger wiederum durch seinen Bevollmächtigten am 13.11.2006 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass entweder Arbeitslosengeld I oder die Grundsicherungsleistung gewährt werden müsse. Außerdem sei wegen der Sperrzeit noch das Verfahren S 7 Al 255/06 anhängig.
Vom Termin zur mündlichen Verhandlung wurde der Bevollmächtigte des Klägers ordnungsgemäß benachrichtigt. Der Vertreter der Beklagten beantragte im Termin die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres grob fahrlässig die Voraussetzungen für seine Hilfebedürftigkeit ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet. Von der Geltendmachung des Ersatzanspruches ist abzusehen, soweit sie den Ersatzpflichtigen künftig von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II oder Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) abhängig machen würde (§ 34 Abs. 1 SGB II).
Die Regelung knüpft an den früheren § 92a Bundessozialhilfegesetz (BSHG) an. Zugrunde liegt der Begriff des "sozialwidrigen Verhaltens". Darunter ist ein Tun zu verstehen, das aus der Sicht der Gemeinschaft, die als Solidargemeinschaft die Mittel für die Sozialleistung aufbringen muss, zu missbilligen ist (zu BSHG Urteil Bundesverwaltungsgericht vom 14.01.1982 NDV 82, 283). Zwischen dem sozialwidrigen Verhalten und der Gewährung der Leistung muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Weiter müssen die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts grob fahrlässig herbeigeführt worden sein. Subjektiv genügt, wenn sich die grobe Fahrlässigkeit auf die Umstände erstreckt, die die Voraussetzungen der Gewährung der Sozialleistungen sind. Nicht erforderlich ist, dass der schuldhaft Handelnde die Folgen seines Verhaltens – die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts – vorhersieht. Dem Handelnden muss zuzumuten gewesen sein, von seinem Verhalten Abstand zu nehmen (vgl. Wolf in Fichtner/Wenzel Kommentar zur Grundsicherung 3. Aufl. § 34 SGB II Rdnr 7 ff).
Das Verhalten des Klägers (eigene erhebliche Alkoholisierung während der Arbeitszeit und Fahren-Lassen des Lkw durch einen Dritten) stellt einen ganz erheblichen Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten als Lkw-Fahrer dar. Die Arbeitsleistung aus dem Arbeitsvertrag ist grundsätzlich persönlich zu erbringen. Die Übertragung dieser höchstpersönlichen Arbeitspflicht auf einen Dritten wegen eigener Alkoholisierung stellt einen gravierenden Verstoß gegen vertragliche Pflichten dar, ist bei dem erheblichen Schadensrisiko (Lkw) für den Arbeitgeber ohne jeden Zweifel ein Grund für die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses. Der Kläger hat ganz eindeutig grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Es sind auch ganz zweifelsfrei die Sperrzeitvoraussetzungen nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch (SGB III) erfüllt (wegen der Sperrzeitentscheidung aus diesem Sachverhalt ist kein Klageverfahren beim Sozialgericht Augsburg anhängig. Das Verfahren S 7 AL 255/06 betrifft eine andere Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung).
Der Kläger hat insgesamt grob fahrlässig seine Hilfebedürftigkeit herbeigeführt, weil wegen der zwangsläufigen Sperrzeitentscheidung nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III der Anspruch auf Arbeitslosengeld "I" entfallen ist und damit die Hilfebedürftigkeit im März und April 2006 eingetreten ist. Diese Hilfebedürftigkeit wurde grob fahrlässig im Sinn von § 34 Abs. 1 SGB II herbeigeführt.
Die Beklagte war somit berechtigt, den Ersatzanspruch nach § 34 SGB II festzustellen und geltend zu machen. Nachdem der Kläger nach Ablauf des Leistungszeitraums durch die Beklagte wieder Anspruch auf Arbeitslosengeld "I" hatte, also Anspruch auf Leistungen nach SGB III, war die Geltendmachung des Ersatzanspruchs auch nicht nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB II ausgeschlossen. Für sein Fehlverhalten kann der Kläger keinerlei "wichtigen Grund" im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II geltend machen.
Damit war die Klage mit der sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergebenden Kostenfolge abzuweisen.
Erstellt am: 04.05.2007
Zuletzt verändert am: 04.05.2007