I. Die Klage gegen den Bescheid vom 31. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2006 wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht die Klägerin als Hauptunternehmerin für rückständige Beiträge der Firma R. (im Folgenden Firma RUG genannt) in Anspruch genommen hat.
Die Klägerin ist wie die Firma RUG ein Unternehmen des Baugewerbes, für das die Rechtsvorgängerin der Beklagten bzw. jetzt die Beklagte zuständig ist.
Im Jahre 2004 war die Firma RUG im Rahmen von Nachunternehmerverträgen vom 27.01.2004 und 17.09.2004 bei zwei Bauvorhaben (Raiffeisenbank in Thannhausen, MAN-Museum in Augsburg) für die Klägerin tätig.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Ulm vom 01.12.2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma RUG eröffnet.
Mit Schreiben vom 03.03.2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass beabsichtigt sei, die Klägerin für die noch nicht vollständig entrichteten Beiträge der Firma RUG zur gesetzlichen Unfallversicherung für das Geschäftsjahr 2004 in Anspruch zu nehmen. Die Firma RUG sei im Jahr 2004 für die Klägerin als Auftragnehmerin tätig gewesen. Hierfür habe die Firma RUG der Klägerin insgesamt 52.847 EUR netto in Rechnung gestellt. Daraus ergebe sich eine beitragspflichtige Lohnsumme von insgesamt 35.228,00 EUR. Aus dieser beitragspflichtigen Lohnsumme wiederum errechne sich ein Haftungsbetrag der Klägerin in Höhe von 2.337,64 EUR.
Mit Schreiben vom 07.03.2006 äußerte sich die Klägerin dahingehend, dass sie eine Haftung für die rückständigen Unfallversicherungsbeiträge der Firma RUG für das Jahr 2004 auf gar keinen Fall anerkenne. Sie habe bei Abschluss beider Nachunternehmerverträge von der Firma RUG Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Krankenkassen und der zuständigen Berufsgenossenschaft verlangt und diese auch von der Firma RUG erhalten. Bezüglich des Vertragsschlusses im Januar 2004 sei eine bis zum 15.05.2004 gültige Unbedenklichkeitsbescheinigung der Rechtsvorgängerin der Beklagten, bezüglich des Vertragsschlusses vom September 2004 eine bis zum 16.05.2005 gültige Unbedenklichkeitsbescheinigung der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorgelegt worden. Die Klägerin sei damit allen Verpflichtungen nachgekommen, die ihr im Rahmen der Überprüfungspflicht innerhalb der Hauptunternehmerhaftung auferlegt worden seien. Aus den vorstehend ausgeführten Fakten und den beiliegenden Belegen ergebe sich ganz deutlich, wie restriktiv die Klägerin die Vorgaben des Gesetzgebers gegenüber ihren Nachunternehmern handhabe; es sei daher absolut unverständlich, weshalb die Beklagte die Klägerin als selbstschuldnerische Bürgin heranziehen wolle. Die Klägerin habe alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die ihr vertragstechnisch und im Rahmen von diversen Überprüfungsmöglichkeiten eröffnet seien; zudem habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit zwei Unbedenklichkeitsbescheinigungen letztendlich bestätigt, dass keine Beitragsrückstände seitens der Firma RUG bestünden. Was sonst als eine amtlich beglaubigte Unbedenklichkeitsbescheinigung der Rechtsvorgängerin der Beklagten und auch anderen Institutionen (z.B. Krankenkassen) sollte der Klägerin die Rechtssicherheit geben, die sie generell im Umgang mit ihren Subunternehmen benötige.
Mit Schreiben vom 15.03.2006 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die vorgelegte Unbedenklichkeitsbescheinigung die Beklagte nicht von einer möglichen Haftung im Rahmen der Hauptunternehmerhaftung befreie. Zudem werde mit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung lediglich bescheinigt, dass die zum Ausstellungszeitpunkt bekannten und erhobenen Beiträge bezahlt worden seien. Würden, wie vorliegend betreffend der Firma RUG, nachträglich Unregelmäßigkeiten bezüglich der gemeldeten sowie der tatsächlich angefallenen Lohnsummen festgestellt, habe dies eine Beitragsnacherhebung für zurückliegende Zeiträume zur Folge. Im Rahmen des Umfangs des jeweiligen Auftragsverhältnisses hafte der im betreffenden Zeitraum festgestellte Auftraggeber auch für diese nacherhobenen Beiträge.
Mit Haftungsbescheid vom 31.03.2006 nahm die Beklagte die Klägerin für rückständige Unfallversicherungsbeiträge der Firma RUG für das Jahr 2004 in Höhe von insgesamt 2.337,64 EUR in Anspruch. Die Firma RUG habe die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung für das Geschäftsjahr 2004 nicht vollständig entrichtet. Die Firma RUG sei im Jahr 2004 für die Klägerin als Auftragnehmerin tätig gewesen. Dafür seien durch die Firma RUG der Klägerin insgesamt 52.847 EUR netto in Rechnung gestellt worden. Der auf die Klägerin entfallende Haftungsbetrag entspreche grundsätzlich dem Unfallversicherungsbeitrag, welcher sich unter Zugrundelegung der im Rahmen des Auftragsverhältnisses angefallenen Arbeitsentgelte ergebe. Als Arbeitsentgelt würden der Berechnung des Haftungsbetrages 66,66 % des Nettorechnungsbetrages zu Grunde gelegt. Dies entspreche der einschlägigen Rechtsprechung. Vorliegend ergebe sich somit eine beitragspflichtige Lohnsumme von insgesamt 35.228,00 EUR. Aus dieser beitragspflichtigen Lohnsumme errechne sich der Haftungsbetrag in Höhe von 2.337,64 EUR. Rechtsgrundlage für die Haftung sei § 150 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) i.V.m. § 28e Abs. 3a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Der Gesetzgeber habe diese Haftung verschuldensunabhängig ausgestaltet.
Mit Schreiben vom 30.03.2006, per Telefax übersandt am 05.04.2006, äußerten sich die Bevollmächtigten der Klägerin zum Schreiben der Beklagten vom 03.03.2006. Eine Haftung der Klägerin für Beiträge der Firma RUG komme nicht in Betracht. Dies wurde zum einen mit Hinweis auf die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten ausgestellten Unbedenklichkeitsbescheinigung begründet. In der zweiten Bescheinigung sei mitgeteilt worden, dass diese am 16.05.2005 ungültig werde. Nachdem die Beklagte Beiträge nachfordere, die aus dem Geschäftsjahr 2004 herrühren würden, müsste angenommen worden, dass diese Bescheinigung möglicherweise ohne ernsthafte Überprüfungen ausgestellt worden sei. Dies würde bedeuten, dass die Beklagte ihren Untersuchungspflichten gegenüber denjenigen, die sich auf eine solche Unbedenklichkeitsbescheinigung verlassen, nicht nachgekommen sei. Zum anderen wiesen die Bevollmächtigten auf § 28e Abs. 3b SGB IV hin, woraus sich ergebe, dass eine Haftung nach § 28e Abs. 3a SGB IV entfalle, wenn der Unternehmer ohne eigentliches Verschulden davon ausgehen habe können, dass der Nachunternehmer seine Zahlungspflicht erfüllen werde.
Mit Schreiben vom 05.04.2006 legten die Bevollmächtigten der Klägerin Widerspruch ein; zur Begründung bezogen sie sich auf ihr Schreiben vom 30.03.2006.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2006 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 15.11.2006 Klage.
Die Klage wurde wie folgt begründet: Die Auffassung der Beklagten, dass eine Haftung der Klägerin für die nichtbezahlten Beiträge der Firma RUG deshalb infrage komme, weil in § 150 Abs. 3 SGB VII die Bestimmung des Abs. 3a des § 28e SGB IV erwähnt werde, der keine Haftungsbefreiung oder Exkulpationsmöglichkeit vorsehe, während der nicht erwähnte Abs. 3b des § 28e SGB IV eine solche Möglichkeit normiere, sei nicht haltbar. Es könne sich bei der fehlenden Verweisung auf § 28e Abs. 3b SGB IV – wenn überhaupt – nur um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers handeln. Denn es sei schlichtweg nicht vorstellbar, dass eine Firma, die Nachunternehmer beauftragt habe, für deren Probleme hafte, obwohl sie vorher einschlägige Unbedenklichkeitserklärungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten eingeholt habe. Mehr könne ein Auftraggeber nicht veranlassen. Wenn eine Rechtsauffassung, wie sie von der Beklagten vertreten werde, richtig wäre, würde dies bedeuten, dass jeder Hauptauftraggeber sich bezüglich der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung eine Bankbürgschaft in zunächst einmal theoretischer Höhe geben lassen müsste, die bei jeder Veränderung der Lohnsumme nach oben angepasst werden müsste, was zu einer nicht unerheblichen Kostenausweitung auf dem Bausektor führen würde, nachdem nahezu alle größeren Bauvorhaben mit etlichen Nachunternehmern durchgeführt würden. Es gebe auch keinen Grund, warum Abs. 3b des § 28e SGB IV auch ohne ausdrücklichen Hinweis nicht anwendbar sein solle, wenn er doch ausdrücklich auf Abs. 3a Bezug nehme. Es sei schließlich kein Grund ersichtlich, warum der Gesetzgeber im Gegensatz zu allen anderen Vorschriften (z.B. zur gesetzlichen Krankenversicherung) ausgerechnet Beitragschulden in der gesetzlichen Unfallversicherung von der Exkulpationsmöglichkeit ausgenommen habe.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 17.01.2007 wurden die Bevollmächtigten der Klägerin darauf hingewiesen, dass der Gesetzeswortlaut der entscheidenden Vorschrift des § 150 Abs. 3 SGB VII eindeutig sei. Danach finde nur die Regelung des Abs. 3a des § 28e SGB IV Anwendung, nicht aber die in weiteren Absätzen enthaltenen Vorschriften. Zu der Annahme der Bevollmächtigten der Klägerin, dass ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers vorliege, wurde auf eine Veröffentlichung in der juristischen Fachpresse hingewiesen, nach der von einem Redaktionsversehen nicht auszugehen sei. Die rechtspolitischen Bedenken der Bevollmächtigten der Klägerin gegen die im Raum stehende Vorschrift könnten keine Berücksichtigung finden. Eine Umsetzung derartiger Bedenken sei Sache des Gesetzgebers. Eine Rechtsfortbildung in dem von den Bevollmächtigten gewünschten Sinne könne wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung nicht durch die Gerichte erfolgen. Abschließend wurde die Rücknahme der Klage nahe gelegt.
Die Bevollmächtigten der Klägerin beantragten,
den Haftungsbescheid vom 31.03.2006 in Gestalt des Wider spruchsbescheides vom 27.10.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Akten des Gerichts und der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Das Gericht konnte gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die zu entscheidende Sache mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden und der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist. Die Beteiligten wurden zur Absicht des Gerichts, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden gehört.
Die Beklagte hat zu Recht die Klägerin als Hauptunternehmerin für die nicht bezahlten und bei der Nachunternehmerin nicht eintreibbaren Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung für das Jahr 2004 in Haftung genommen.
Die Klägerin haftet nach § 150 Abs. 3 SGB VII wie ein selbstschuldnerischer Bürge für die Beitragsschuld der Firma RUG zur gesetzlichen Unfallversicherung für das Jahr 2004 in Höhe von insgesamt 2.337,64 EUR.
1. Grundsätzliches zur Beitragshaftung im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung
1.1. Rechtsgrundlagen
Für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- und Werkvertrages im Baugewerbe gilt gemäß § 150 Abs. 3 SGB VII die Regelung des § 28e Abs. 3a SGB IV entsprechend. Ein Unternehmer des Baugewerbes, der andere Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 175 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) (bzw. des § 211 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31.03.2006 geltenden Fassung) beauftragt, also ein Haupt- oder Generalunternehmer, haftet nach § 28e Abs. 3a Satz 1 SGB IV für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmers (Nach- oder Subunternehmer) oder eines von diesem beauftragten Verleihers bezüglich des Gesamtsozialversicherungsbeitrags wie ein selbstschuldnerischer Bürge. § 150 Abs. 3 SGB VII gilt entsprechend für die Haftung einer rückständigen Insolvenzgeld-Umlage, da § 360 Abs. 2 Satz 2 SGB III die Geltung der Vorschriften über den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung für die Erhebung der Insolvenzgeld-Umlage anordnet.
1.2. Gesetzgeberische Erwägungen für die Einführung einer Beitragshaftung
Hintergrund dieser Beitragshaftung ist, dass das Sozialversicherungsrecht für Zwecke der Abwehr illegaler Beschäftigung in Anspruch genommen wird. So hat das am 01.08.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 23.07.2002 (siehe BGBl. I S. 2787 ff) zu diversen Änderungen auch des Sozialversicherungsrechts geführt, wobei es in erster Linie um Vorschriften geht, die den Normenkomplex über die Haftung bei der Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags ergänzen. Der auf einen Vorschlag des Vermittlungsausschusses zurückgehende § 28e Abs. 3a bis f SGB IV, der auf die Haftung für den Unfallversicherungsbeitrag teilweise entsprechende Anwendung findet (§ 150 Abs. 3 SGB VII), schafft – begrenzt auf das Baugewerbe – eine komplex ausgestaltete Haftung des Hauptunternehmers für nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge des Nachunternehmers (vgl. Rixen, Die Hauptunternehmerhaftung für Sozialversicherungsbeiträge, SGb 2002, S. 536; Ricke, in: Kasseler Kommentar, § 150 SGB VII, Rdnr. 5).
1.3. Keine Exkulpationsmöglichkeit und keine gegenständliche Haftungsbegrenzung
1.3.1. Wortlaut der gesetzlichen Regelungen
Eine Exkulpationsmöglichkeit für den (Haupt-)Unternehmer gibt es ebenso wie eine gegenständliche Haftungsbegrenzung in diesem Zusammenhang nicht. Die Bestimmungen des § 28e Abs. 3b und Abs. 3d SGB IV, die eine Exkulpationsmöglichkeit des (Haupt-)Unternehmers im Falle des Eintritts der Haftung für rückständige Gesamtsozialversicherungsbeiträge des Nachunternehmers als selbstschuldnerischer Bürge und eine gegenständliche Haftungsbegrenzung vorsehen, sind nicht entsprechend für die Haftung eines (Haupt-)Unternehmers im Baugewerbe für die rückständigen Beiträge und Umlagen seines Nachunternehmers zur gesetzlichen Unfallversicherung bzw. für die rückständige Insolvenzgeld-Umlage anzuwenden. Die Vorschrift des § 150 Abs. 3 SGB VII verweist nach ihrem eindeutigen Wortlaut ausschließlich auf die Vorschrift des § 28e Abs. 3a SGB IV. Eine entsprechende Anwendung der Absätze 3b bis 3f des § 28e SGB IV ordnet § 150 Abs. 3 SGB VII nicht an.
1.3.2. Keine entsprechende Anwendung des § 28e Absätze 3b bis 3f SGB IV entgegen dem Wortlaut des § 150 Abs. 3 SGB VII
Eine entsprechende Anwendung der Absätze 3b bis 3f des § 28e SGB IV, die mit Absatz 3b eine Exkulpationsmöglichkeit für den (Haupt-)Unternehmer und mit Absatz 3d eine gegenständliche Haftungsbegrenzung, d.h. einen Ausschluss der in Absatz 3a konstituierten Haftung bei einem Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen von unter 500.000 EUR enthalten, käme im Rahmen der teleologischen Auslegung nur dann in Betracht, wenn eine ausfüllungsbedürftige Lücke im Gesetz vorhanden wäre.
1.3.2.1. Auslegungsgrundsätze
Ob dazu ein Redaktionsversehen des Gesetzgeber ausreicht, ist in der Rechtsmethodik umstritten und in der Rechtsprechung vergleichsweise selten zum Gegenstand geworden. So hat beispielsweise der Bundesgerichtshof (BGH) ein Redaktionsversehen dann abgelehnt, wenn die gesetzliche Regelung "unzweideutig, klar und letztlich auch billig" ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.1980, Az.: VII ZR 228/79).
Auch die sozialgerichtliche Rechtsprechung folgt dieser Sichtweise, die zu einem engen Anwendungsbereich der teleologischen Auslegung führt.
Danach kann Berücksichtigung nur das finden, was im Gesetzestext einen Niederschlag gefunden hat. Wenn sich im Gesetz kein Anhaltspunkt dafür findet, dass der Gesetzgeber tatsächlich eine vom eindeutigen Wortsinn des Gesetzes abweichende Vorstellung gehabt hat, ist für eine Auslegung anhand der Entstehungsgeschichte des Gesetzes kein Raum. Die bloßen Normvorstellungen der an der Vorbereitung und Abfassung des Gesetzes beteiligten Personen und Organe können eine vom eindeutigen Gesetzeswortlaut abweichende Auslegung nicht rechtfertigen. Auch eine über den Bereich der reinen Auslegung hinausgehende Korrektur des Wortlautes im Wege einer teleologischen Reduktion kommt nur in Betracht, wenn sich eine vom unmissverständlichen Wortsinn abweichende Regelungsabsicht des Gesetzgebers ermitteln ließe und die Formulierung im Gesetzestext ein bloßes Redaktionsversehen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 24.11.1993, Az.: 6 RKa 36/92). Dabei dürfen aber keinerlei Zweifel an dem Vorliegen des Redaktionsversehens gegeben sein, da eine Rechtsfortbildung durch Richterrecht auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ausgeschlossen ist (vgl. Landessozialgericht – LSG – Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.08.2007, Az.: L 2 B 13/06 KN).
1.3.2.2. Zur Frage der Auslegung des § 150 Abs. 3 SGB VII
1.3.2.2.1. Auslegung des § 150 Abs. 3 SGB VII durch das LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 18.06.2007, Az.: L 1 U 6465/06
Das LSG Baden-Württemberg geht im vorgenannten Urteil von einer entsprechenden Anwendbarkeit der Absätze 3b bis 3f des § 28e SGB IV entgegen dem Wortlaut des § 150 Abs. 3 SGB VII aus.
Es begründet dies im Wesentlichen damit, dass nach seiner Überzeugung ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers vorliege, so dass von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen sei, die in teleologischer Extension mit der Einbeziehung der Absätze 3b bis 3f des § 28e SGB IV in die Verweisungsvorschrift des § 150 Abs. 3 SGB VII zu schließen sei. Bei dieser Annahme stützt sich das LSG Baden-Württemberg auf die Gesetzesmaterialien, insbesondere auch die stenographischen Protokolle des Vermittlungsausschusses des Deutschen Bundestags und Bundesrats zum Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit aus dem Jahr 2002. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass ursprünglich nach § 28e Abs. 3 SGB IV ein einziger Absatz, nämlich § 28e Abs. 3a SGB IV eingefügt werden sollte, wobei dieser Absatz nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung auch eine Regelung zur Exkulpation enthalten hätte. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens sei die ursprünglich in Abs. 3a vorgesehene Exkulpationsregelung zu Abs. 3b geworden und Abs. 3d habe den Anwendungsbereich des Abs. 3a auf einen geschätzten Auftragswert aller für ein Bauwerk in Anspruch gegebenen Bauleistungen auf mehr als 500.000 EUR beschränkt.
Aus den beigezogenen Beratungsprotokollen des Vermittlungsausschusses, dessen Beschlussvorschlag letztlich auch vom Bundestag beschlossen worden sei, sei zum einen zu entnehmen, dass die Mitglieder des Vermittlungsausschusses den Entwurf zu § 150 Abs. 3 SGB VII in dem zur Beratung stehenden Gesetz und dessen Verweisung auf § 28e Abs. 3a SGB IV nicht erörtert hätten. Zum anderen seien den protokollierten Wortmeldungen aber auch keine Argumente zu entnehmen, die den Schluss zulassen könnten, die Generalunternehmerhaftung für Beiträge aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung sollte anders behandelt werden als die für die übrigen Sozialversicherungsbeiträge. Somit könne aus den Protokollen ersehen werden, dass eine entsprechende Unterscheidung zwischen Gesamtsozialversicherungsbeitrag und Unternehmerumlage für Beitragserhebung, Beitragsabführung und Beitragshaftung ebenfalls nicht getroffen worden und daher auch nicht Gegenstand der Beratung gewesen sei. Es sei daher davon auszugehen, dass die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses nur versehentlich nicht auch für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung übernommen worden seien. Auch die Regelung des § 28e Abs. 3e SGB IV zur Vermeidung von Haftungsumgehungen sei in § 150 Abs. 3 SGB VII nicht in Bezug genommen worden. Auch im Hinblick auf diese Folgen würden sich keine Anhaltspunkte für ein entsprechendes Bewusstsein des Gesetzgebers finden. Es sei daher von einem redaktionellen Versehen des Gesetzgebers auszugehen und die planwidrige Regelungslücke in entsprechender Anwendung des § 28e Abs. 3b bis 3f SGB IV zu schließen. Dies entspreche dem vom Gesetzgeber gewollten Gleichlauf beider Systeme.
Dieser Rechtsansicht kann sich das entscheidende Gericht aus folgenden Gründen nicht anschließen:
– Das LSG Baden-Württemberg verstößt mit seiner Argumentation gegen die bei der Auslegung von Normen zu beachtenden Regeln. So kann Berücksichtigung nur das finden, was im Gesetzestext einen Niederschlag gefunden hat. Wenn sich in den klaren und eindeutigen gesetzlichen Regelungen kein Anhaltspunkt dafür findet, dass der Gesetzgeber tatsächlich eine vom eindeutigen Wortsinn des Gesetzes abweichende Vorstellung gehabt hat, ist für eine Auslegung anhand der Entstehungsgeschichte des Gesetzes kein Raum (vgl. Rixen, a.a.O., S. 536, 541, 542). Irgend ein eindeutiger Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber entgegen des Wortlautes des § 150 Abs. 3 SGB VII auch eine Einbeziehung der Regelungen des § 28e Abs. 3b bis 3f SGB IV gewollt hätte, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Vielmehr ist der Wortlaut des § 150 Abs. 3 SGB VII eindeutig, weil er eine exakte Benennung des von der Verweisung umfassten Absatzes in § 28e SGB IV enthält. Dafür, dass der Wortlaut des Gesetzes in § 150 Abs. 3 SGB VII keinen Raum für eine teleologische und extensive Auslegung bietet, spricht auch, dass in der ersten Alternative des § 150 Abs. 3 SGB VII, nämlich der Verweisung bezüglich der Beitragshaftung bei der Arbeitnehmerüberlassung, ebenfalls eine exakte und von der zweiten Alternative der Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrages abweichende Verweisung enthält. Insofern muss bereits vom Wortlaut des Gesetzes her davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber sich sehr wohl Gedanken dazu gemacht hat, auf welche Vorschriften er exakt verweisen will. Von einer Regelungslücke kann daher nicht ausgegangen werden.
– Dass möglicherweise die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe einen Regelungskomplex im Auge gehabt haben, wie ihn auch das LSG Baden-Württemberg annimmt, ist nicht ausreichend dafür, eine Auslegung des Gesetzes, wie vom LSG Baden-Württemberg vorgenommen, zu rechtfertigen. Ganz abgesehen davon, dass schon fraglich ist, ob auch bei positiv nachgewiesenen abweichenden Normvorstellungen der Gesetzgebungsorgane eine vom eindeutigen Wortlaut des Gesetzes abweichende teleologische Auslegung überhaupt möglich wäre, was wohl eher zu verneinen ist, ist im vorliegenden Fall eine möglicherweise abweichende Normvorstellung des Gesetzgebers nicht nachgewiesen. Anderes lässt sich auch nicht aus den Ausführungen des LSG Baden-Württemberg im genannten Urteil entnehmen. Vielmehr führt das LSG Baden-Württemberg nur aus, dass sich eindeutige Argumente, die dafür sprechen, dass der Gesetzeswortlaut tatsächlich auch so gewollt war, nicht finden lassen. Dies ist aber nicht ausreichend, den Gesetzeswortlaut in Frage zu stellen. Erforderlich wäre vielmehr, dass sich eindeutige Hinweise in den Gesetzesmaterialien finden lassen müssten, die ohne jeden Zweifel belegen, dass der Gesetzeswortlaut nicht mit dem tatsächlichen Willen des Gesetzgebers übereinstimmt. Derartiges lässt sich aber – auch nach den Ausführungen des LSG Baden-Württemberg – den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Bloße Zweifel an einer Übereinstimmung von Gesetzeswortlaut und Willen des Gesetzgebers reichen nicht aus, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt die vom LSG Baden-Württemberg getroffene Auslegung aus rechtsdogmatischen Gründen nicht haltbar ist.
– Weiter verkennt das LSG Baden-Württemberg, dass eine der Auslegung zugängliche und auf einem Redaktionsversehen beruhende Regelung dann ausscheidet, wenn die vorliegende gesetzliche Regelung unzweideutig, klar und letztlich auch billig ist. Davon ist vorliegend auszugehen (vgl. auch die Ausführungen weiter unten). Eine Auslegung entgegen dem Wortlaut des Gesetzes ist nicht schon dann möglich, wenn – aus Sicht der Rechtsprechung oder der Verwaltung – die vom Gesetzgeber festgeschriebene Regelung nicht die einzige denkbare Regelungsvariante ist, sondern auch andere Gesetzesvorschriften denkbar wären, die möglicherweise geeignet wären, eine im Einzelfall und gegebenenfalls auch über die gesamte Breite alle Anwendungsfälle betrachtet noch gerechtere Regelung zu treffen. Insofern steht einer Auslegung durch die Rechtsprechung der Ermessensspielraum des Gesetzgebers entgegen, in den einzugreifen der Rechtsprechung verwehrt ist. Eine Rechtsfortbildung, wie sie vom LSG Baden-Württemberg getroffen worden ist, verbietet sich, da sich damit die Rechtsprechung zum Quasi-Gesetzgeber aufschwingen würde, was ihr aufgrund des grundgesetzlich garantierten Gewaltenteilungsgrundsatzes verwehrt ist.
– Schließlich muss dem LSG Baden-Württemberg auch entgegengehalten werden, dass es nicht zweifelsfrei belegt ist, dass der Gesetzgeber einen exakten Gleichlauf beider Systeme (damit meint das LSG Baden-Württemberg die Anwendung der Vorschriften des § 28e Abs. 3b bis 3f SGB IV auch im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung im Verhältnis eins zu eins) beabsichtigt hat. Weder lässt sich dies in dieser Exaktheit den Gesetzesmaterialien entnehmen, noch lässt sich dies aus einem Gesamtvergleich des Systems der Sozialversicherung und früher geltenden Regelungen ableiten. So galten im Beitragsrecht der gesetzlichen Unfallversicherung bereits früher weitergehende Haftungsvorschriften als in den anderen Zweigen der Sozialversicherung, z.B. hinsichtlich der Haftung des Bauherrn als Dritter für die Unfallversicherungsbeiträge der bei bauausführenden Firmen beschäftigten Arbeitnehmer (vgl. § 729 Reichsversicherungsordnung – RVO -). Dieser Gesichtspunkt einer erhöhten Haftung im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung steht der Annahme eines Gleichlaufs aller Systeme eindeutig entgegen, wobei daraus sogar der Rückschluss gezogen werden kann, dass ein derartiger Gleichlauf für die im vorliegenden Fall zu beurteilenden Rechtsvorschriften gerade nicht gewollt war, so dass davon auszugehen ist, dass die vom erkennenden Gericht (vgl. unten), nicht vom LSG Baden-Württemberg getroffene Auslegung systemkonform ist.
1.3.2.2.2. Auslegung des § 150 Abs. 3 SGB VII durch das erkennende Gericht
Mit der überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung (zur Literatur: vgl. Ricke, a.a.O., § 150 SGB VII, Rdnr. 5; Bereiter-Hahn, Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 150 SGB VII, Rdnr. 15; Bigge, in: Wannagat/Eichenhofer/Wenner, SGB, § 150 SGB VII Rdnr. 9; Rixen, a.a.O., S. 536, 542, 543; Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Schreiben vom 18.09.2002, Az.: IIb5-21050/28; a. A.: vgl. Freischmidt, in: Kel- ler/Benz/Freischmidt/Graeff/Kranig/Nehls/Riebel/Rö- mer/Waldeck, SGB VII, K § 150 Rdnr. 20a; zur Rechtsprechung: vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.04.2006, Az.: L 3 B 1138/05 ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.01.2007, Az.: L 4 U 57/06) kann das Gericht ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers nicht erkennen. Vielmehr ist die Verweisung mit Beschränkung auf § 28e Abs. 3a SGB IV – anders als in anderen Versicherungszweigen – gewollt. Dies wird damit begründet, dass die Einführung einer verschuldensunabhängigen und damit verschärften Haftung des (Haupt-)Unternehmers im Baugewerbe für die Beitrags- und Umlageschulden, für deren Erhebung die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zuständig sind, eine sinnvolle und nicht lückenhafte Regelung darstellt. Es ist nicht erkennbar, dass die unterschiedlichen Regelungen des Umfangs der Bürgenhaftung eines (Haupt-)Unternehmers im Baugewerbe für Beitrags- und Umlageschulden zur gesetzlichen Unfallversicherung einerseits und Beitragsschulden zu anderen Zweigen der Sozialversicherung andererseits dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers widersprechen. Schon in der Vergangenheit galten im Beitragsrecht der gesetzlichen Unfallversicherung weitergehende Haftungsvorschriften als in den anderen Zweigen der Sozialversicherung (vgl. § 729 RVO hinsichtlich der Haftung des Bauherrn für die Unfallversicherungsbeiträge der bei bauausführenden Firmen beschäftigten Arbeitnehmer). Des Weiteren ist die selbstschuldnerische Bürgenhaftung eines (Haupt-)Unternehmers des Baugewerbes hinsichtlich der Zahlung der Mindestentgelte und der Abgaben zu den gemeinsamen Sozialkassen durch seinen Nachunternehmer nach § 1a Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz – AEntG -) ebenfalls verschuldensunabhängig ausgestaltet. Auch aus der Gesetzesbegründung (vgl. BTags-Drs. 14/8221, S. 15 – 17) ergibt sich kein entgegenstehender Wille des Gesetzgebers.
1.3.2.2.3. Ergebnis der Abwägung bezüglich Auslegung des § 150 Abs. 3 SGB VII
Es ist mit dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut des § 150 Abs. 3 SGB VII davon auszugehen, dass die Absätze 3b bis 3f des § 28e SGB IV und damit die in Absatz 3b enthaltene Exkulpationsmöglichkeit für den (Haupt-)Unternehmer und die in Absatz 3d festgeschriebene gegenständliche Haftungsbegrenzung bei der Beitragshaftung im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zum Tragen kommen.
1.4. Verfassungsrechtliche Gesichtspunkte der fehlenden Exkulpationsmöglichkeit und fehlenden gegenständlichen Haftungsbegrenzung
Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die verschuldensunabhängige Haftung eines (Haupt-)Unternehmers des Baugewerbes für die Beitrags- und Umlageschulden seines Nachunternehmers, für deren Erhebung die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zuständig sind, bestehen nicht.
1.4.1. Prüfung von Art. 12 Grundgesetz – GG –
Ein Verstoß gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit des Hauptunternehmers kann in § 150 Abs. 3 SGB VII nicht gesehen werden.
Zwar greift die in § 150 Abs. 3 SGB VII statuierte Haftung des (Haupt-)Unternehmers im Baugewerbe für Beitragsschulden eines Nachunternehmers in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein, auf den sich auch eine juristische Person berufen kann, da die Berufsfreiheit nach Art 12 Abs. 1 GG auch dann berührt ist, wenn sich die Maßnahmen zwar nicht auf die Berufstätigkeit selbst beziehen, aber die Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern und infolge ihrer Gestaltung in einem so engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen, dass sie objektiv eine berufsregelnde Tendenz haben. Dies ist beispielsweise bejaht worden, wenn eine enge Verbindung zwischen einer beruflichen Tätigkeit und der Erhebung von Steuern oder Abgaben besteht (vgl. Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, Beschluss vom 13.07.2004, Az.: 1 BvR 1298/94).
Dieser Eingriff ist aber aus Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Bei der Auferlegung einer verschuldensunabhängigen Bürgenhaftung für die rückständigen Beiträge und Umlagen, für deren Erhebung die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zuständig sind, handelt es zwar nicht um eine unmittelbar berufsregelnde Vorschrift für Unternehmen des Baugewerbes. Sie gestaltet aber die Rahmenbedingungen der beruflichen Tätigkeit und hat damit eine objektive Tendenz zur Regelung unternehmerischer Tätigkeiten, da die Bestimmung des § 150 Abs. 3 SGB VII die eigenverantwortliche Tätigkeit der Unternehmer im Baugewerbe beschränkt. Im eigenen Interesse muss ein (Haupt-)Unternehmer des Baugewerbes darauf achten, dass sein Nachunternehmer die Beiträge und die Umlagen an den zuständigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung abführt. Über die Begründung von Haftungsfolgen wird damit die Auswahlentscheidung von Unternehmern des Baugewerbes beeinflusst. Eine objektive Tendenz zur Regelung unternehmerischen Handelns liegt daher vor (ähnlich vgl. Bundesarbeitsgericht – BAG -, Urteil vom 12.01.2005, Az.: 5 AZR 617/01 – zur verschuldensunabhängigen Haftung des Hauptunternehmers im Baugewerbe für das Nettomindestentgelt und die Sozialkassenbeiträge nach § 1a AEntG).
In die Berufsausübung darf gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung eingegriffen werden, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Dies ist der Fall, wenn die eingreifende Norm unter Beachtung der Kompetenzregelungen erlassen worden ist, durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Dabei ist die weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auf dem Gebiet der Sozialordnung zu beachten.
§ 150 Abs. 3 SGB VII ist vom zuständigen Gesetzgeber erlassen worden. Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG, der die Regelung der Finanzierung der Sozialversicherung mitumfasst.
Die mit der verschuldensunabhängigen Bürgenhaftung eines Unternehmers des Baugewerbes verfolgten Ziele, nämlich die Sicherung der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung und die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt (vgl. BTags-Drs. 14/8221 S. 16 zu § 28e SGB IV), sind durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Es ist sachgerecht, dass ein (Haupt-)Unternehmer des Baugewerbes, der durch die Inanspruchnahme eines Nachunternehmers wirtschaftliche Vorteile hat, für die Herstellung der Ordnung auf dem Arbeitsmarkt des Baugewerbes und die finanzielle Stabilität und Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger, insbesondere des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung (und der Arbeitsverwaltung im Bereich des Insolvenzgeldes), in Anspruch genommen wird.
Eine verschuldensunabhängige Bürgenhaftung, wie sie in §§ 150 Abs. 3 SGB VII, 28e Abs. 3a SGB IV festgelegt ist, ist zur Erreichung der vom Gesetzgeber verfolgten Ziele der Sicherung der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung und der Ordnung auf dem Arbeitsmarkt geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne (ähnlich vgl. BAG, Urteil vom 12.01.2005, Az.: 5 AZR 617/01 – zur verschuldensunabhängigen Haftung des Hauptunternehmers im Baugewerbe für das Nettomindestentgelt und die Sozialkassenbeiträge nach § 1a AEntG).
Eine verschuldensunabhängige Bürgenhaftung für rückständige Beiträge und Umlagen, die von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung erhoben werden, ist geeignet, einen (Haupt-)Unternehmer des Baugewerbes dazu zu veranlassen, dafür Sorge zu tragen, dass der Nachunternehmer seinen sozialversicherungsrechtlichen Zahlungspflichten nachkommt, sich also rechtmäßig verhält.
Eine solche Regelung ist auch erforderlich, da gerade im Baugewerbe in vielen Fällen die Möglichkeit zum Einsatz von Nachunternehmern genutzt wird und sich dadurch ein (Haupt-)Unternehmer des Baugewerbes von der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für eigene Arbeitnehmer befreien kann. Ein anderes gleich wirksames Mittel, das weniger einschränkend wäre, steht nach Auffassung des Gesetzgebers nicht zur Verfügung (vgl. BTags-Drs. 14/8221, S. 16 zu § 28e SGB IV).
Der damit verbundene Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung des (Haupt-)Unternehmers steht auch in angemessenem Verhältnis zu dem mit der verschuldensunabhängigen Bürgenhaftung verfolgten Zweck. Den Regelungen des §§ 150 Abs. 3 SGB VII, 28e Abs. 3a SGB IV liegt eine besondere Verantwortungsbeziehung zwischen dem Handeln eines Unternehmers des Baugewerbes und seiner Haftung zugrunde. Die Bürgenhaftung beruht darauf, dass der Nachunternehmer eine Verbindlichkeit des (Haupt-)Unternehmers erfüllt und damit für ihn tätig wird. Da dem (Haupt-)Unternehmer der wirtschaftliche Vorteil der Beauftragung eines Nachunternehmers zugute kommt, soll er für die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen für die beim Subunternehmer beschäftigten Arbeitnehmer einstehen. Erst die vom (Haupt-)Unternehmer selbst gewählte Vertragskonstruktion – Übernahme der Verpflichtung zur Erbringung von Bauleistungen und Beauftragung eines Nachunternehmers mit der Durchführung der Bauleistungen – lässt das Risiko der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen und von Umlagen durch den Nachunternehmer entstehen (vgl. BT-Drucks. 14/8221, S. 15, 16 zu § 28e SGB IV). Es ist daher gerechtfertigt, dass ein (Haupt-)Unternehmer dieses Risiko mitträgt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Risikotragung des (Haupt-)Unternehmers insoweit begrenzt ist, als es sich nicht um eine gesamtschuldnerische, sondern nur eine subsidiäre Haftung handelt, die Unternehmerhaftung also erst dann zum Tragen kommt, wenn der Nachunternehmer als Beitragszahler ausfällt. Weiter ist zu bedenken, dass es sich nicht um eine Bürgschaft für den Gesamtbeitrag handelt, sondern nur um eine Teilbürgschaft, da der (Haupt-)Unternehmer nur für die Beiträge und Umlagen haftet, die auf den Arbeitsentgelten beruhen, die für die in Auftrag gegebenen Bauleistungen zu zahlen sind. Die verschuldensunabhängige Bürgenhaftung eines Hauptunternehmers der §§ 150 Abs. 3 SGB VII, 28e Abs. 3a SGB IV beschränkt sich auch im Gegensatz zu den Regelungen der §§ 1a AEntG, 28e Abs. 3e SGB IV, die die Bürgenhaftung des (Haupt-)Unternehmers nicht nur auf den unmittelbaren Subunternehmer, sondern auch im Fall von Umgehungstatbeständen auf dessen Nachunternehmer erstreckt, nur auf den unmittelbar nachfolgenden Nachunternehmer. Zudem sind in die Bürgenhaftung nur Unternehmen einbezogen, die gewerbliche Bauleistungen im Sinne des § 211 Abs. 1 Satz 2 SGB III erbringen und damit über die erforderliche Professionalität und ausreichende Informationen über die Zuverlässigkeit und finanzielle Leistungsfähigkeit der in Betracht kommenden Nachunternehmer verfügen, um durch eine sachgerechte Auswahl des Nachunternehmers und entsprechende Vertragsgestaltung das Haftungsrisiko zu verringern.
Im Hinblick auf die weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auf dem Gebiet der Sozialrechts und die Tatsache, dass der Gesetzgeber Gefährdungs- oder Garantiehaftungstatbestände für Sachverhalte und Betätigungen, von denen besondere Risiken für schutzbedürftige Gemeinwohlinteressen ausgehen können, einführen kann (ähnlich vgl. BAG, Urteil vom 12.01.2005, Az.: 5 AZR 617/), ist die Regelung des § 150 Abs. 3 SGB VII vertretbar. Dass der (Haupt-)Unternehmer im Baugewerbe die verschuldensunabhängige Bürgenhaftung durch keine noch so sorgfältige Auswahl und Überwachung der Nachunternehmer ausschließen kann und daher über § 150 Abs. 3 SGB VII das Insolvenzrisiko des Nachunternehmers trägt, ist dabei hinzunehmen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.01.2007, Az.: L 4 U 57/06).
Eine verschuldensunabhängige, d.h. ohne die Möglichkeit zur Exkulpation verbundene Bürgenhaftung im Bereich des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung steht auch nicht im Widerspruch zu der Tatsache, dass der Gesetzgeber für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge im Sinne von § 28d SGB IV (Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung) eine verschuldensabhängige Bürgenhaftung des (Haupt-)Unternehmers eingeführt hat, indem er dem (Haupt-)Unternehmer mit § 28e Abs. 3b und 3d SGB IV die Möglichkeit zur Exkulpation eingeräumt hat. Denn zum einen unterscheidet sich die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nach § 28d SGB IV einerseits und des Beitrages und der Umlagen, die von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung erhoben werden, andererseits, zum anderen beruht die Erhebung der Beiträge und der Umlagen auf anderen Gesichtspunkten. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d SGB IV, der nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen ist, wird nach § 23 SGB IV im Monat, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt wird, fällig, so dass die Einzugsstelle sehr schnell geeignete Maßnahmen zur Beitreibung des rückständigen Beitrags ergreifen kann. Demgegenüber werden der Beitrag und die Umlagen durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung jährlich nachträglich erhoben. Sie werden nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitrags- und Umlageansprüche dem Grunde nach entstanden sind, im Wege der Umlage festgesetzt, wobei die Umlage den Bedarf des abgelaufenen Kalenderjahres einschließlich der zur Ansammlung der gesetzlich vorgeschriebenen Rücklage nötigen Beiträge decken muss (vgl. § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d SGB IV wird von Arbeitnehmer und Arbeitgeber je zur Hälfte getragen; Ansprüche des Arbeitnehmers gegen die Sozialleistungsträger hängen von der tatsächlichen Leistung der Beiträge ab. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der gesetzlichen Unfallversicherung (wie auch bei der Haftung der Arbeitgeber für das Insolvenzgeld) um eine Solidarhaftung aller einem Gewerbezweig angehörenden Unternehmer in einer Gefahrengemeinschaft (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2005, Az.: B 2 U 34/05 R). Die Unternehmer, die einem Gewerbezweig angehören, tragen als Folge der in §§ 104 ff SGB VII festgelegten Ablösung ihrer zivilrechtlichen Haftpflicht gegenüber den Arbeitnehmern den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung alleine. Ebenso wird das Insolvenzgeld ausschließlich von der Gesamtheit der Arbeitgeber getragen, wobei das Insolvenzgeld dem Ausgleich einer objektiven Verletzung der Lohnzahlungspflicht durch die Arbeitgeber dient (vgl. BSG, Urteil vom 21.10.1999, Az.: B 11/10 AL 8/98 R).
Die unterschiedliche Fälligkeit der Beiträge und Umlagen wie auch die Solidarhaftung der Arbeitgeber für Beiträge und Umlagen, die von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung erhoben werden, stellen einen sachlichen Grund dafür dar, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Beiträge und Umlagen, die von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung erhoben werden, abweichend von der Haftung für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d SGB IV eine verschuldensunabhängige selbstschuldnerische Bürgenhaftung eines (Haupt-)Unternehmers des Baugewerbes, der einen Nachunternehmer beauftragt hat, eingeführt hat. Unterschiedliche Haftungsregelungen für Beiträge und Umlagen zur gesetzlichen Unfallversicherung und für andere Zweige der Sozialversicherung hat es auch schon in der Vergangenheit gegeben (vgl. z.B. die Bauherrenhaftung nach § 729 RVO).
1.4.2. Prüfung von Art. 3 Abs. 1 GG
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, unter steter Orientierung am Gleichheitsgedanken wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365, 385). Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht schon dann verletzt, wenn der Gesetzgeber Unterscheidungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt (vgl. BVerfGE 4, 31 42; 90, 226 239). Es bleibt grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.05.2006, Az.:1 BvR 1484/99). Dabei darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfGE 105, 73,127).
Sofern eine gesetzliche Regelung auf einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz gerichtlich zu überprüfen ist, kann und darf die Rechtsprechung nicht prüfen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat. Dies bedeutet, dass eine Regelung unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG erst dann zu beanstanden ist, wenn für eine vom Gesetzgeber getroffene Differenzierung sachlich einleuchtende Gründe schlechterdings nicht mehr erkennbar sind, so dass die Aufrechterhaltung der Differenzierung als willkürlich beurteilt werden müsste (ständige Rspr., vgl. z.B. BVerfGE 46, 55, 62; 50, 142, 162; BVerfG, Urteil vom 06.10.1983, Az.: 2 BvL 22/80). Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz kommt nur daher dann in Betracht, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten.
Die Beschränkung der verschuldensunabhängigen Bürgenhaftung nach § 150 Abs. 3 SGB VII auf (Haupt-)Unternehmer, die gewerbliche Bauleistungen im Sinne von § 211 Abs. 1 Satz 2 SGB III erbringen und Nachunternehmer mit der Ausführung von Bauleistungen beauftragt haben, ist sachlich gerechtfertigt. Nach den Erkenntnissen des Gesetzgebers ist für das Baugewerbe der Einsatz von Nachunternehmern typisch und die illegale Beschäftigung im Baugewerbe ausgeprägt (vgl. BTags-Drs. 14/8221, S. 16 ). Dies rechtfertigt die Beschränkung der Bürgenhaftung auf (General-)Un- ternehmer des Baugewerbes und verlangt nicht die Einbeziehung weiterer Branchen in die verschuldensunabhängige Bürgenhaftung. Da Haftungsgrund die Übernahme der Verpflichtung zur Erbringung von Bauleistungen und die Beauftragung eines Nachunternehmers mit der Durchführung der Bauleistungen ist, ist es nicht willkürlich, die Haftung nach § 150 Abs. 3 SGB VII auf gewerbliche Bauunternehmen zu beschränken und andere Unternehmen, die als Bauherr auftreten, von der Haftung auszunehmen.
Es ist daher nicht geboten, eine verfassungskonforme Einschränkung des Umfangs der Bürgenhaftung nach § 150 Abs. 3 SGB VII vorzunehmen. Soweit im Schrifttum teilweise eine Begrenzung der Haftung auf zumutbare Erkennungs- und Abwehrmaßnahmen vertreten wird (vgl. Rixen, a.a.O. S. 536, 542, 543), liegen die Voraussetzungen für eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 150 Abs. 3 SGB VII durch eine verfassungskonforme Auslegung nicht vor. Eine verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen dort, wo sie dem Wortlaut und klar erkennbaren Willen des Gesetzes widerspricht. Das Abwenden der verschuldensunabhängigen Bürgenhaftung nach § 150 Abs. 3 SGB VII durch zumutbare Erkennungs- und Abwehrmaßnahmen, also die Einräumung einer Exkulpationsmöglichkeit, widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes.
1.5. Form der Geltendmachung der Beitragsforderung gegen den (Haupt-)Unternehmer
§ 150 Abs. 3 SGB VII i.V.m. § 28e Abs. 3a SGB IV stellt eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Geltendmachung der Beitragsforderung im Rahmen der Beitragshaftung dar. Der anders lautenden Rechtsansicht des 17. Senats des LSG Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 21.02.2007, Aktenzeichen: L 17 U 46/06, kann nicht gefolgt werden. Irgendwelche überzeugenden Gründe dafür, dass eine Geltendmachung durch Verwaltungsakt nicht möglich sein sollte, sieht das erkennende Gericht nicht und geht mit der übrigen Rechtsprechung (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.04.2006, Az.: L 3 B 1138/05 ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.01.2007, Az.: L 4 U 57/06; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.06.2007, Az.: L 1 U 6465/06) davon aus, dass die Geltendmachung mit Verwaltungsakt sehr wohl möglich ist.
2. Übertragung der Grundsätze auf den hier zu entscheidenden Fall
Für den hier zu entscheidenden Fall bedeutet dies Folgendes:
Die Klägerin ist wie die Firma RUG ein Unternehmen des Baugewerbes. Sie hat im Jahr 2004 für zwei Projekte die Firma RUG als Nachunternehmer mit der Erbringung von Leistungen beauftragt.
Wegen Insolvenz der Firma RUG war es der Beklagten nicht mehr möglich, bei dieser Firma die noch ausstehenden Beitragschulden für das Jahr 2004 einzutreiben.
Die Beklagte war daher gemäß § 150 Abs. 3 SGB VII i.V.m. § 28e Abs. 3a SGB IV berechtigt, die Klägerin wie einen selbstschuldnerischen Bürgen für die Beitragsschuld der Firma RUG zur gesetzlichen Unfallversicherung für das Jahr 2004 insofern in Anspruch zu nehmen, als sie die Firma RUG mit der Erbringung von Bauleistungen für zwei Projekte beauftragt hatte.
Die von der Beklagten aus der Auftragssumme errechnete beitragspflichtige Lohnsumme und der daraus errechnete Haftungsbetrag in Höhe von insgesamt 2.337,64 EUR sind der Höhe nach nicht zu beanstanden. Das Gericht bezieht sich insofern gemäß § 136 Abs. 3 SGG auf den Bescheid vom 31.03.2006, dort insbesondere die in der Anlage beigefügte Beitragsberechnung, sowie den Widerspruchsbescheid vom 27.10.2006. Das Gericht folgte der dort gegebenen Begründung. Die Zugrundelegung von zwei Dritteln des Gesamtumsatzes für die Ermittlung der beitragspflichtigen Bruttolohnsummen steht im Einklang mit der Rechtsprechung (vgl. SG Dortmund, Urteil vom 19.01.2006, Az.: S 36 U 324/04 m.w.N.).
Wegen des eindeutigen Wortlautes des § 150 Abs. 3 SGB VII kommen Absatz 3b (Exkulpationsmöglichkeit) und Absatz 3d (gegenständliche Haftungsbegrenzung) des § 28e SGB IV nicht zur Anwendung.
Die Beitragshaftung der Klägerin ist insbesondere nach der Entscheidung des Gesetzgebers nicht davon abhängig, ob sie sämtliche Vorkehrungen getroffen hat, dass sich die Firma RUG als Nachunternehmer gesetzeskonform verhält. Es ist auch ohne Entscheidungsrelevanz, dass sich die Klägerin – nach eigenen Angaben – auf die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten ausgestellten Unbedenklichkeitsbescheinigungen über die Firma RUG verlassen hat und auch sonst alles durch die vertragliche Gestaltung dafür getan hat, dass sich die Firma RUG gesetzeskonform verhält. Irgendwelche Rechtswirkungen derartiger Unbedenklichkeitsbescheinigungen zu Gunsten des (Haupt-) Unternehmers sieht das Gesetz nicht vor. Ein schützenswerter Vertrauenstatbestand, der zum Entfallen der Beitragshaftung führen könnte, würde im Widerspruch zu einer verschuldensunabhängigen Beitragshaftung stehen, wie sie sich aus den oben dargestellten gesetzlichen Normen ergibt.
Die Klage ist daher als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a SGG, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Erstellt am: 14.11.2007
Zuletzt verändert am: 14.11.2007