In Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 25.08.2008 werden die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 647,36 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Streitig ist der Anfall einer Einigungsgebühr (Nummer 1006/1005 VV RVG).
Der Erinnerungsgegner (Eg) hatte über seinen Bevollmächtigten am 11.10.2006 Klage gegen die Erinnerungsführerin (Ef) erhoben, weil er der Auffassung war, dass ihm für längere Zeit (nämlich 755 Tage), als von der Ef angenommen (nämlich 575 Tage), Arbeitslosengeld zu zahlen sei. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 30.04.2008 erließ die Eg den Änderungsbescheid vom 14.05.2008 und verlängerte darin die Bezugszeit auf 720 Tage. Der Eg erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, die Ef übernahm die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits.
In der Kostennote vom 04.06.2008 bezifferte der Bevollmächtigte des Ef die außergerichtlichen Kosten auf 1.182,86 EUR und machte dabei auch eine (Netto-) Einigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005 VV RVG in Höhe von 190 EUR geltend. Die Eg hielt dem entgegen, dass das Verfahren mit einem vollen Anerkenntnis geendet habe, nachdem sich durch Inkrafttreten der Übergangsregelung des § 434r SGB III zum 01.01.2008 eine Erhöhung der Anspruchsdauer errechnet habe.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25.08.2008 bestimmte der Urkundsbeamte die außergerichtlichen Kosten auf 873,46 EUR und berücksichtigte dabei auch eine (Netto -) Einigungsgebühr nach Nummer 1006/1005 VV RVG in Höhe von 190 EUR.
Im Erinnerungsverfahren bestreitet nun die Ef, dass eine Einigungs-/Erledigungsgebühr verdient worden sei. Das Verfahren habe durch ein voll umfängliches Anerkenntnis geendet. Der Bevollmächtigte des Eg erwiderte, dass ein voll umfängliches Anerkenntnis schon deshalb nicht vorliege, da die Anspruchsdauer durch die Eg nicht wie vom Ef eingeklagt auf 755 Tage, sondern lediglich auf 720 Tage festgesetzt wurde.
Die Vorsitzende der 7. Kammer hat dem Gericht auf Anfrage mitgeteilt, dass die Klage ohne die ab 01.01.2008 geltende Übergangsregelung in § 434 Abs. 1 SGB III keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.
II.
Das Gericht ist zur Entscheidung befugt (§ 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Die rechtzeitig eingelegte Erinnerung ist zulässig, und begründet. Nach Nr. 1005/1006 des dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz als der Anlage Nr. 1 zu § 2 RVG beigefügten Vergütungsverzeichnis (VV) erhält der Anwalt in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), wenn über den Gegenstand ein gerichtliches Verfahren anhängig ist Gebühren nach Nr. 1000/1002 VV von 30 bis 350 EUR. Diese Voraussetzungen sind dem Grunde nach nicht erfüllt.
Eine Erledigungsgebühr ist nicht entstanden. Sinn und Zweck dieser Gebühr ist die Honorierung der besonderen anwaltlichen Tätigkeit mit dem Ziel einer Erledigung der Sache ohne gerichtliche Entscheidung (Gerold/Schmidt/von Eicken u.a. RVG-Kommentar, 17. Auflage, S. 842). Dafür genügt weder zum Beispiel die Erhebung einer Untätigkeitsklage noch die bloße Anzeige der Verfahrenserledigung. Mit dieser (ständigen) Rechtsauffassung sieht sich die entscheidende Kammer in Einklang mit dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07.11.2006 (B 1 KR 13/06 R). Dort war streitig zu entscheiden, ob die anwaltliche Einlegung und kurze (achtzeilige) Begründung eines Widerspruchs unter Hinweis auf die Gesetzeslage eine Erledigungsgebühr auslöst. Das BSG hat dies verneint und herausgearbeitet, dass für eine Gebühr nach Nr. 1005 VV RVG die anwaltliche Mitwirkung gerade kausal für die Erledigung der Rechtssache gewesen sein muss. Auf den konkreten Fall bezogen hat es ausgeführt: "Bereits das Wort "Mitwirkung" bedeutet nach dem Sprachgebrauch in diesem Zusammenhang mehr als die bloße "Anwesenheit", "Einschaltung" oder "Hinzuziehung" eines Rechtsanwalts und erfordert deshalb ein auf die Erledigung der Rechtssache gerichtetes Tätigwerden, das über die reine Widerspruchseinlegung und -begründung hinausgeht … Von einer solchen Form der Erledigung kann indessen nicht stets schon dann die Rede sein, wenn die Abhilfeentscheidung in erster Linie auf einen als baldigen Erkenntnisgewinn der Behörde im Rahmen ihrer gesetzlichen Pflicht zur Überprüfung der Sach- und Rechtslage … zurückzuführen ist." Übertragen auf die hier zugrunde liegende Situation bedeutet dies, dass der Erlass des Änderungsbescheides vom 14.05.2008 und der dadurch eingetretene Klageerfolg beim Ef keine Konstellation ergeben, welche eine Erledigungsgebühr rechtfertigen. Der Erfolgseintritt beruhte nämlich nicht auf einer Mitwirkung des Bevollmächtigten des Ef, sondern lediglich auf einer zum 01.01.2008 in Kraft getretenen Gesetzesänderung und deren zwingende Umsetzung durch die Eg als Exekutive.
Der Eg vertritt nun die Auffassung, dass das Verfahren nicht durch ein Anerkenntnis, sondern durch eine vergleichsweise Regelung beendet wurde. Nach Abs. 1 des in Nr. 1005 in Bezug genommenen Gebührentatbestandes Nr.1000 VV RVG hat der Gesetzgeber ausgeführt, dass die Gebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages entsteht, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Eine solche vergleichsweise Regelung haben die Beteiligten im Ausgangsstreit (S 7 AL 419/06) nicht getroffen. Vielmehr war es so, dass der Erfolg des Eg allein auf einer im Verlauf des Verfahrens eingetretenen Gesetzesänderung beruht. Ohne diese hätte seine Klage keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Mit dem Änderungsbescheid vom 14.05.2008 ist die Ef dem Eg nicht im Sinne eines Nachgebens zur gütlichen Beendigung eines Rechtsstreits entgegengekommen. Vielmehr hat sie ihrer Bindung an Gesetz und Recht folgend (Art. 2 Grundgesetz-GG -) eine im Verfahrensverlauf in Kraft getretene, den Kläger begünstigende Vorschrift umgesetzt. Wer als Ergebnis eines sozialgerichtlichen Rechtsstreits das bekommt, was ihm nach dem Gesetz und gegebenenfalls der Beweislage im Zeitpunkt der (unstreitigen) Beendigung des Verfahrens zusteht schließt keinen, die Einigungsgebühr auslösenden Vergleich, wenn er damit das ursprünglich Geforderte nicht in vollem Umfang erhält. Weil er die ihm gesetzlich zustehenden Leistungen erhält kommt er der Behörde nicht entgegen, wenn er auf darüber hinausgehende, sich als "irreal", weil mit dem Gesetz nicht übereinstimmend herausstellende Ansprüche "verzichtet". Es ist aber gerade der vergleichsweisen Erledigung wesensimmanent, dass beide Seiten im Hinblick auf rechtliche Ungewissheiten von ihren jeweiligen Rechtspositionen abrücken und sich ergebnisorientiert aufeinander zu bewegen. Wenn – wie vorliegend – nur klare gesetzgeberische Vorgaben umgesetzt werden, wird folglich kein Vergleich geschlossen. Mit Erlass des Bescheides vom 14.05.2008 hat die Ef somit den Rechtsanspruch des Eg im Wege eines Anerkenntnisses umgesetzt. Eine Einigungsgebühr konnte so nicht entstehen.
Die Ef hat somit folgende außergerichtlichen Kosten zu erstatten:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG 250 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 200 EUR
Telekommunikationspauschale, Nr. 7002 VV RVG 20 EUR
Fahrtkosten, Nr. 7003 VV RVG 39 EUR
Tagegeld, , Nr. 7005 VV RVG 35 EUR
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 103,36 EUR
insgesamt 647,36 EUR
Der Beschluss ergeht kostenfrei. Er ist endgültig (§ 197 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 24.11.2008
Zuletzt verändert am: 24.11.2008