I. Die Klage gegen den Bescheid vom 23. Juli 2008 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2008 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rücknahme einer Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit vom 01.08.2008 bis 31.10.2008 streitig.
Der am 1955 geborene Kläger zu 1 und die am 1957 geborene Klägerin zu 2 sind verheiratet und nicht getrennt lebend. Sie stellten am 05.12.2007 erstmals bei der Beklagten einen Antrag auf Alg II. Hierbei gaben sie an, serbisch-kosovarische Staatsangehörige zu sein.
Mit Bescheid vom 27.05.2008 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 07.05.2008 bis 31.10.2008 mit einem monatlichen Bewilligungsbetrag für die Zeit vom 01.08.2008 bis 31.10.2008 in Höhe von 632,00 EUR. Mit Bescheid vom 23.07.2008 hob die Beklagte ihren Bewilligungsbescheid vom 27.05.2008 mit Wirkung zum 01.08.2008 auf. Die Kläger seien serbische Staatsangehörige und im Besitz einer durch das Landratsamt Augsburg erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Am 21.07.2008 sei die Beklagte durch ein Schreiben der Regierung von Schwaben darüber informiert worden, dass sich hinsichtlich der Leistungsgewährung an dem Personenkreis der Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG bereits seit August 2007 eine Rechtsänderung ergeben habe. Diese Rechtsänderung habe zur Folge, dass die Kläger gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II vom Leistungsbezug von Anfang an, somit ab 07.05.2008 ausgeschlossen gewesen wären bzw. für die Zukunft sein werden (§ 70 SGB II, Art. 5a Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG)). Die Rechtsänderung sei bereits zum 27.08.2007 in Kraft getreten, so dass der Bewilligungsbescheid vom 27.05.2008 von Anfang an rechtswidrig gewesen sei. Eine Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsaktes scheide zwar für die Vergangenheit wegen Vertrauensschutzes der Kläger aus. Jedoch könne der rechtswidrige Leistungsbescheid vom 27.05.2008 mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden. Das öffentliche Interesse am ordnungsgemäßen Vollzug der Sozialgesetze gehe dem Interesse der Kläger an einer weiteren rechtswidrigen Sozialleistungsgewährung vor. Die Kläger würden durch die Rücknahme der Entscheidung auch nicht unzumutbar hart in ihren eigenen Interessen beeinträchtigt, da sie mit Wirkung ab dem 01.08.2008 lebensunterhaltsichernde Ansprüche auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) hätten.
Gegen den Bescheid vom 23.07.2008 hat der Bevollmächtigte am 06.08.2008 Widerspruch eingelegt. Abgesehen davon, dass die Vorschrift des Art. 5a AGSG verfassungswidrig sei, da sie zu einer Ungleichbehandlung unter den in einem Bundesgesetz geregelten Anspruchsberechtigten führe, sei vorliegend zu berücksichtigen, dass die Einschränkung nur für den Personenkreis gelte, der am 01.03.2007 nach dem AsylbLG leistungsberechtigt war und Sachleistungen erhalten habe. Die Kläger seien zwar am 01.03.2007 nach § 1 Abs. 1 AsylbLG leistungsberechtigt gewesen, der stattgefundene Bezug von Sachleistungen sei jedoch damals nicht rechtmäßig gewesen. Bei den Klägern hätten bereits am 01.03.2007 die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG vorgelegen. Dies sei allerdings von dem damals zuständigen Leistungsträger nicht berücksichtigt worden.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2008 zurück. Ob die Hingabe von Sachleistungen, wie vom Bevollmächtigten behauptet, rechtswidrig gewesen sei, sei nicht Tatbestandsfrage. Vielmehr unterfielen Personen mit einer Duldung nach § 60a AufenthG immer dem nach dem AsylbLG leistungsberechtigten Personenkreis (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG). Des Weiteren stehe es der Beklagten als Organ der Exekutive nicht zu, die Verfassungsmäßigkeit von anzuwendenden Normen zu überprüfen. Unter Ausübung eines rechtmäßigen Ermessens sei der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 27.05.2008 sodann auch zurückzunehmen gewesen. Bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gehe es darum, eine gegenwärtige Notlage zu befriedigen. Damit sei es sachgerecht, für die Zukunft die Bewilligung zurückzunehmen, wenn die Sicherung des Lebensunterhalts durch andere Formen der Leistungsgewährung erfolgen könne. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Kläger ohnehin in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber untergebracht seien und ihnen so der Zugang zu einer entsprechenden Sicherung des Lebensunterhalts problemlos möglich sei. Insofern könnten die Kläger auch eine nicht mehr finanziell rückgängig machbare Disposition getroffen haben, da die Leistungen stets monatsbezogen zugestanden hätten. Der formelle Mangel der fehlenden Anhörung vor Erlass des Rücknahmebescheids sei durch das Widerspruchsverfahren geheilt worden (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 41 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X)).
Dagegen haben die Kläger am 12.09.2008 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Klagebegründung ist weiter vorgetragen worden, dass die Kläger seit vielen Jahren in der Bundesrepublik Deutschland geduldet worden seien. Im Mai 2008 hätten diese erstmals durch die Ausländerbehörde des Landratsamtes Augsburg eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG erhalten. Die Kläger seien bis zu diesem Zeitpunkt im Leistungsbezug nach dem AsylbLG durch das Landratsamt Augsburg gestanden. Aufgrund ihres geänderten Aufenthaltsstatuses hätten die Kläger bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB II beantragt, die ihnen zunächst mit Bescheid vom 27.05.2008 rückwirkend für die Zeit vom 07.05.2008 bewilligt worden seien. Später sei dieser Bescheid vom 23.07.2008 aufgehoben worden. Zur Begründung sei ausgeführt worden, dass aufgrund der gesetzlichen Sonderregelung die Kläger als Anspruchsberechtigte nach dem SGB II ausgeschlossen seien.
In der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2008 beantragt der Bevollmächtigte der Kläger,
den Bescheid vom 23.07.2008 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11.08.2008 aufzuheben.
Die Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die beigezogene Verwaltungsakte und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Zu Recht hat die Beklagte mit Bescheid vom 23.07.2008 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11.08.2008 die Bewilligung für die Zeit vom 01.08.2008 bis 31.10.2008 von SGB-II-Leistungen in Form von Geldleistungen zurückgenommen.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme ist hier § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X. Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), der rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, für die Zukunft unter der Einschränkung zurückgenommen werden, dass das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsaktes unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme nicht schutzwürdiger ist. Dabei ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Be-günstigte die erbrachten Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat. Diese Rücknahmevoraussetzungen sind vorliegend erfüllt. So stehen den Klägern gemäß § 70 Satz 2 SGB II in Verbindung mit Art. 5a AGSG keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß den §§ 20 ff. SGB II als Geld-leistung zu. Vielmehr haben sie nach § 70 Satz 1 SGB II in Verbindung mit Art. 5a AGSG zur Deckung ihres Bedarfs zum Lebensunterhalt und ihres Unterkunftsbedarf Anspruch auf Sachleistungen entsprechend den Vorschriften des AsylbLG. Nach Auffassung des Gerichts ist der Art. 5a AGSG nicht verfassungswidrig wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs.1 Grundgesetz (GG). Die Kläger erhalten zwar andersartige Leistungen als geduldete Ausländer in anderen Bundesländern, deren Landesgesetzgeber von der Öffnungsklausel des § 70 SGB II keinen Gebrauch gemacht hat. Allerdings entsprechen die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Asylbewerbergesetz praktisch in gleichwertiger Weise den Leistungen nach dem SGB II (vgl. BSG-Urteil vom 13.11.2008 – B 14 AS 24/07 R). Sowohl die Leistungen nach dem SGB II zum Lebensunterhalt und zur Deckung des Unterkunftsbedarfs wie auch die Leistungen nach dem AsylbLG dienen nämlich der Sicherung der diesbezüglich bestehenden existenziellen Bedürfnisse. In ihrem Interesse an einer Existenzsicherung werden die Kläger daher nicht schlechter gestellt. Zudem ist zu bedenken, dass gerade bei den Unterkunftskosten bei den Leistungsbeziehern von Geldleistungen je nach Bundesland oder auch innerhalb eines Bundeslandes erhebliche Unterschiede bestehen können, je nachdem wie sich der jeweilige Wohnungsmarkt darstellt. Ebenso können sich Unterschiede ergeben je nach Situation auf dem Wohnungsmarkt bezüglich der Ausstattung der dort auffindbaren einfachen Wohnungen. Innerhalb der geduldeten Ausländer unterscheiden sich sodann die Kläger von denen, die bereits durch eine eigenständige Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern können und deshalb über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 2 AufentG verfügen, gerade dadurch, dass sie lediglich eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufentG erhalten haben. Sie haben damit nicht den gleichen Integrationsgrad erreicht, wie diejenigen geduldeten Ausländer, die bereits in der Lage waren oder sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu sichern. Angesichts der bislang nicht vollständig erreichten Integration der Kläger erscheint es gerechtfertigt, diese Personengruppe von den anderen mit einer höheren Integrationsleistung zu unterscheiden. Art. 5a AGSG verstößt damit nicht gegen höherrangiges Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Da die Kläger hinsichtlich der Bewilligung vom 27.05.2008 gutgläubig waren und für die Vergangenheit Vertrauensschutz in Anspruch nehmen konnten, hat die Beklagte zu Recht eine Rücknahme für die Vergangenheit verneint. Möglich war jedoch im Rahmen einer sachgerechten Ermessensausübung die Rücknahme für die Zukunft, also ab 01.08.2008. Diesbezüglich wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und auf die zutreffenden Entscheidungen hinsichtlich des Wegfalls des Vertrauensschutzes für die Zukunft und der Ermessenserwägungen auf den Widerspruchsbescheid vom 11.08.2008 verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG). Ebenso wird auf die Entscheidungsgründe im Widerspruchsbescheid Bezug genommen, soweit vom Bevollmächtigten vorgetragen worden ist, die Kläger hätten zu Unrecht zum Stichtag 01.03.2007 nur Sachbezüge erhalten. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 70 SGB II kommt es nämlich nur darauf an, dass Sachleistungen erhalten wurden, was hier bei den Klägern unstreitig der Fall war.
Die Beklagte hat jedoch zu Unrecht mit Bescheid vom 23.07.2008 einen Leistungsausschluss der Kläger für Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II angenommen. Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II nicht Leistungsberechtigte nach § 1 des AsylbLG. Bei den Klägern handelt es sich jedoch nicht um Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG. Vielmehr verfügen sie über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Diese Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zu Leistungen nach dem AsylbLG nach § 1 des AsylbLG. Somit unterfallen die Kläger nicht dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II. Vielmehr handelt es sich bei Klägern um grundsätzlich Leistungsberechtigte für Leistungen nach dem SGB II. Die Leistungen werden jedoch für die Kläger entsprechend der Übergangsregelung des § 70 SGB II in einer anderen Form erbracht. So erklärt § 70 Satz 1 SGB II die Bestimmungen des AsylbLG für die Kläger nur als entsprechend anwendbar. Nach dem Wortlaut des Gesetzes werden sie dadurch nicht Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG. Hierfür liegen wie ausgeführt die Voraussetzungen nicht vor. Da zudem § 70 Satz 2 SGB II bestimmt, dass die Personen, die entsprechend dem AsylbLG Leistungen erhalten nur diesbezüglich von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen sind, folgt daraus, dass die Kläger durch den Bezug von entsprechenden Leistungen nach dem AsylbLG für ihren Lebensunterhalt nicht ausgeschlossen sind von den Eingliederungsleistungen in den Arbeitsmarkt. Der Leistungskatalog der §§ 14 ff SGB II bleibt daher den Klägern weiterhin erhalten (so auch Eicher in Eicher/Spellbrink, 2. Auflage, SGB II, § 70 Rdz. 4). Eine andere Behandlung der Kläger in den einzelnen Bundesländern bezieht sich daher tatsächlich allein auf die Form der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfs nach § 20 SGB II und der Unterkunft gemäß § 22 SGB II.
Nach allem hat die Beklagte zu Recht den Leistungsbezug von Geld für den Lebensunterhalt gemäß § 20 SGB II mit Bescheid vom 23.07.2008 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11.08.2008 für die Zukunft zurückgenommen. Die Klage war daher als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Erstellt am: 09.01.2009
Zuletzt verändert am: 09.01.2009