I. Die Klage gegen den Bescheid vom 20. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2007 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten streitig ist die Höhe des festzustellenden Grades der Behinderung (GdB), insbesondere die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft.
Der am 1979 geborene Kläger leidet seit 1992 unter einem Diabetes mellitus Typ 1. Mit Bescheid vom 17.09.2001 war dem Kläger ein GdB von 40 wegen Zuckerkrankheit, mit Diät und Insulin einstellbar, zuerkannt worden. Am 21.05.2007 machte der Kläger eine Verschlimmerung seiner Diabeteserkrankung geltend und beantragte unter Verweis auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.03.2003 die Zuerkennung eines höheren GdB. Er müsse sich täglich fünf Insulininjektionen verabreichen, ohne dass hierdurch der Blutzucker optimal reguliert werden könne. Nach dem von der Deutschen Diabetesgesellschaft aufgestellten GdB-Katalog rechtfertige sich damit ein GdB von 60, auch nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit nach dem sozialen Entschädigungsrecht und dem Schwerbehindertenrecht (AHP) stünde zumindest ein GdB von 50 zu.
Nach Beiziehung eines Befundberichtes des behandelnden Internisten Prof. Dr. H. vom 23.05.2007 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.06.2007 die Feststellung eines höheren GdB ab. Der GdB sei wie bisher mit 40 zutreffend festgestellt.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit Verweis darauf, dass eine Befragung der behandelnden Ärzte sehr wohl eine Verschlechterung des Gesundheitszutandes ergeben würde.
Der Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht der behandelnden Hausärztin Dr. Sch. vom Juli 2007 bei. Darin führt diese aus, dass sich in den letzten Jahren seit 2004 eine abnehmende Compliance mit dadurch schlechterer Blutzuckereinstellung mit Gewichtszunahme und vermutlich fehlender Bewegung ergeben hätte. Arztkontakte seien bei noch fehlenden Beschwerden viel zu selten. Hypoglykämien und Spätfolgen seien bisher nicht bekannt geworden. Neben der mit intensivierter Insulintherapie behandeltem Diabetes liege eine Refluxkrankheit der Speiseröhre vor.
Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. B. vom 09.08.2007 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.08.2007 zurück. Als Gesundheitsstörungen sei zum einen die Zuckerkrankheit, mit Diät und Insulin einstellbar, mit einem Einzel-GdB von 40 zu berücksichtigen; daneben liege eine Refluxkrankheit der Speiseröhre mit einem Einzel-GdB von 10 vor. Eine GdB-Erhö-hung ergebe sich daraus nicht. Ein schwer einstellbarer Diabetes mellitus mit ausgeprägten, vom Betroffenen nicht zu beherrschenden Hypoglykämien liege im Fall des Klägers nicht vor.
Hiergegen erhob der Klägerbevollmächtigte Klage zum Sozialgericht Augsburg. Zur Klagebegründung wurde ausgeführt, dass die Diabeteserkrankung des Klägers mit einer permanent instabilen Stoffwechsellage einhergehe und eine intensive Insulintherapie erfordere. Es bestehe eine schwere Insulinresistenz und Verdacht auf Magenatonie. Insgesamt sei ein GdB von mindestens 50 gerechtfertigt. Der Klagebegründung beigefügt war der Arztbrief des Prof. Dr. H. vom 24.09.2007, in dem dieser eine permanent instabile Stoffwechsellage bei chronischer diabetischer Stoffwechselentgleisung und schwerer Insulinresistenz bei intensivierter Insulintherapie sowie Verdacht auf Magenatonie diagnostiziert. Der HbA-1-Wert habe zuletzt 8,7 % betragen. Die intensivierte Insulintherapie werde mit 156 Einheiten pro Tag durchgeführt.
Das Gericht holte daraufhin den Befundbericht der Frau Dr. Sch. vom 14.01.2008 ein. Es beauftragte dann den Internisten und Diabetologen Dr. H. mit der Erstellung des Gutachtens vom 21.02.2008. Dieser kommt darin zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ab Antragstellung vom 21.05.2007 ein GdB von 50 zu vergeben sei bei Einzelbehinderungen in Form einer Zuckerkrankheit (mit Diät und Insulin einstellbar), Polyneuropathie, Magenentleerungsstörung, Einzel-GdB 50, und einer Refluxkrankheit der Speiseröhre, Einzel-GdB 10. In der Anamnese des Gutachtens wurde dabei berichtet, dass die Blutzuckerwerte fast immer zu hoch seien und in einer Spanne von 164 bis 327 mg/dl lägen. Unterzuckerungen würden überhaupt nie auftreten. In der Befundung wurde ausgeführt, dass die Einstellbarkeit des Diabetes erschwert sei durch Insulinresistenz und Magenentleerungsstörung. Eine beginnende sensible Polyneuropathie sei bereits nachweisbar. Der HbA-1-Wert habe mit 8,9 wieder weit außerhalb des Zielbereiches gelegen. Damit müsse mit einem Fortschreiten der Spätkomplikationen gerechnet werden. Für die Zuckerkrankheit rechtfertige sich damit ein GdB von 50, die Refluxkrankheit der Speiseröhre sei dagegen ohne Auswirkungen auf den Gesamt-GdB.
Mit Schriftsatz vom 19.03.2008 schloss sich der Beklagte unter Verweis auf die versorgungsärztliche Stellungnahme der Frau Dr. L. vom 19.03.2008 dem Ergebnis der Begutachtung nicht an. Es liege zwar eine unbefriedigende Einstellung des Zuckerstoffwechsels vor, eine primär ursächlich schlechte Einstellbarkeit sei jedoch nicht ersichtlich. Auch sei eine Magenentleerungsstörung als Ursache eines besonderen Schwankens der Blutzuckerwerte nicht nachgewiesen. Die Blutzuckerwerte seien zwar unbefriedigend hoch, ungewöhnlich ausgeprägte Schwankungen würden dadurch jedoch nicht belegt, zumal keine Unterzuckerungszustände aufträten. Die sensible diabetische Polyneuropathie sei nur grenzwertig erkennbar und wirke sich nicht erhöhend auf den GdB aus.
Daraufhin holte das Gericht die Stellungnahme des behandelnden Diabetologen Prof. Dr. H. vom 06.06.2008 zum Verlauf der Erkrankung und zur Einstellbarkeit des Blutzuckers ein. Dieser führte darin aus, dass der Diabetes mellitus Typ 1 seit 1992 bestehe und abgesehen von einer leichtgradigen diabetischen Polyneuropathie noch keine Spätfolgen nach sich gezogen habe. Der Diabetes mellitus sei schwer einstellbar durch die wahrscheinlich vorliegende Magenatonie mit unterschiedlicher Verweildauer der Nahrung im Magen und damit der Erschwernis der Berechenbarkeit des Verhältnisses zwischen Kohlenhydrateinheiten zur Insulindosis. Auch bestehe eine schwere Insulinresistenz, so dass der Diabetes mellitus schwer einstellbar sei. Insgesamt sei für Diabetes Typ 1 mit permanent instabiler Stoffwechsellage eine MdE von 40 bis 60 anzusetzen. Dem Befund beigefügt waren Arztbriefe des Neurologen Dr. W. und des Augenarztes Dr. E. sowie Kopien der Messtabellen der Blutzuckerwerte vom 06.09.2004 bis 25.10.2004 und vom 02.06.2007 bis zum 03.10.207.
Mit erneuter versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 15.07.2008 führte Frau Dr. L. aus, dass die Blutzuckereinstellung hinsichtlich der Langzeitprognose unbefriedigend sei mit so gut wie konstant erhöhten Blutzuckerwerten zwischen unter 135 bis 270 mg/dl. Nur selten sei ein Messwert von 80 mg/dl oder darunter festgestellt worden, ein Wert von 65 mg/dl sei nie unterschritten worden. Diese Blutzuckerwerte würden im Gegensatz zu schweren Hypoglykämien mit Folgen bis hin zu komatösen Zuständen keine stärkere Beeinträchtigung im Alltag darstellen, etwaige in Zukunft zu erwartende diabetische Spätkomplikationen könnten nicht vorweg zu höheren Bewertungen führen. Insofern sei es nicht gerechtfertigt, eine unbefriedigend konstant zu hohe Blutzuckereinstellung, z.B. bei Insulinresistenz, noch vor Auftreten von diabetischen Spätkomplikationen in gleicher Weise zu werten, wie eine schwere Einstellbarkeit mit auftretenden schweren Hypoglykämien. Eine Magenentleerungsstörung sei ein die Einstellung erschwerender Faktor, sie sei jedoch nicht nachgewiesen.
Auf entsprechenden Auftrag des Gerichts nahm der Sachverständige Dr. H. nach nuklearmedizinischer Abklärung einer fraglichen Magenentleerungsstörung ergänzend Stellung. Zwar sei eine Magenentleerungsstörung nach dem nuklearmedizinischen Befund der Universitätsklinik U. vom 15.07.2008 ausgeschlossen, dennoch sei ein Diabetes Typ 1 stets mit einer instabilen Stoffwechsellage und hohem Therapieaufwand verbunden und deshalb mit einem GdB von 50 zu bewerten. Aufgrund der fehlenden Insulineigensekretion und der zahlreichen Einflüsse auf den Glukosestoffwechsel sei eine optimale Dosierung unmöglich, weshalb leichte Unterzuckerungen und Werte über 200 bei 10 % aller Messungen als unvermeidbar angesehen werden müssen. Diese Erschwernis und Minderung der Lebensqualität müsse ihren Niederschlag in einem höheren Einzel-GdB finden. Dies ergebe sich auch aus dem Rundschreiben des Landesversorgungsamtes Bayreuth vom 12.09.2008, in welchem dem aktuellen Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24.04.2008 Rechnung getragen werde.
Mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 20.11.2008 führte Dr. S. aus, dass der Gerichtsgutachter den Wortlaut des Rundschreibens missverstehe. Für einen insulinbehandelten Diabetes mellitus mit stabiler oder mäßig schwankender Stoffwechsellage würde aufgrund neuer medizinischer Erkenntnisse ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 als angemessen erachtet, unabhängig davon, ob ein Diabetes Typ 1 oder 2 vorliege. Der GdB von 50 sei weiterhin für eine mit Insulin behandelte Zuckerkrankheit mit instabiler Stoffwechsellage und gelegentlichen schweren Hypoglykämien vorbehalten. Die Blutzuckereinstellung sei im Durchschnitt verbesserungswürdig, weil die gemessenen Blutzuckerwerte tendenziell zu hoch seien. Schwere Hypoglykämien würden beim Kläger jedoch nicht auftreten, so dass der Einzel-GdB von 40 weiterhin angemessen sei.
In der mündlichen Verhandlung befragte das Gericht den Sachverständigen Dr. H. ergänzend zu seinen gutachterlichen Ausführungen. Auch der Kläger wurde ergänzend zum Krankheitsverlauf und zum Therapieaufwand befragt. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Die Bevollmächtigte des Beklagten verwies in der mündlichen Verhandlung auf die am 01.01.2009 in Kraft getretene Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), mit der dort unter Ziffer 15.1 vorgeschlagenen Bewertung von Diabeteserkrankungen.
Der Klägerbevollmächtigte beantragte sinngemäß,
den Beklagten in Abänderung des Bescheides vom 20.06.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2007 zu verurteilen, beim Kläger einen GdB von mindestens 50 festzustellen.
Die Bevollmächtigte des Beklagten beantragt
die Abweisung der Klage.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässig erhobene Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
Die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden stellen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er GdB allgemein Graden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch – SGB IX -). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). In welchem Grad sich die einzelnen Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit auswirken, ist durch eine natürliche wirklichkeitsorientierte funktionelle Betrachtungsweise festzustellen, die auf medizinischen Erkenntnissen beruht (Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 15.03.1979, SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 4). Bei der Bewertung des GdB kommt den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AP) die Qualität antizipierter Sachverständigengutachten zu (BSG, SGb 1993, 579).
Ist bereits in der Vergangenheit bindend über den GdB entschieden worden, ist nach § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) der entsprechende Verwaltungsakt aufzuheben bzw. abzuändern, wenn eine wesentliche Änderung in den Änderungen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eingetreten ist. Eine solche Änderung im Ausmaß der Behinderung ist gegeben, wenn der Vergleich des gegenwärtigen mit einem verbindlich festgestellten Gesundheitszustand des Klägers eine GdB-Differenz von mindestens 10 ergibt. Dabei ist auf den Gesundheitszustand des Klägers und die dadurch bedingten Funktionsbehinderungen zum Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung, hier des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2007, abzustellen. Dieser Gesundheitszustand ist mit dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Vergleichsbescheides, hier des Bescheides vom 20.06.2007, zu vergleichen (BSG, Urteil vom 23.06.1993, 9/9a RVs 1/92).
Zur Bildung des Gesamt-GdB ist festzuhalten, dass dazu regelmäßig von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen ist, die den höchsten Einzel-GdB bedingt. Dann ist im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Dabei führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (APH 2008, S. 25, 26).
Mit der VersMedV vom 10.12.2008, in Kraft getreten zum 01.01.2009, wurde die bisherige höchstrichterlich anerkannte Verfahrensweise der Ausrichtung der GdB-Beurteilung nach den Richtlinien der AHP auf eine verordnungsrechtliche Grundlage gestellt. In der Anlage zu § 2 der VersMedV vom 10.12.2008 werden die bisherigen Richtlinien nach den AHP bis auf einige Aktualisierungen und Ergänzungen im Wesentlichen inhaltsgleich zu den bisherigen Anhaltspunkten übernommen. In Abänderung zu den AHP 2008, Ziffer 26.15, wurde unter Berücksichtigung der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung und aktuellen medizinischen Erkenntnissen zur Beurteilung des Diabetes mellitus unter Ziffer 15.1 eine geänderte Bewertung der Zuckerkrankheit aufgenommen. Demnach ist eine Zuckerkrankheit unter Insulintherapie, auch in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Medikamenten, je nach Stabilität der Stoffwechsellage (stabil oder mäßig schwan-kend) mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten. Mit einem GdB von 50 zu bewerten ist danach eine Zuckerkrankheit mit unter Insulintherapie instabiler Stoffwechsellage einschließlich gelegentlicher schwerer Hypoglykämien. Häufige ausgeprägte oder schwere Hypoglykämien sind danach zusätzlich zu bewerten.
Unter Berücksichtigung der neueren medizinischen Erkenntnisse zur Beurteilung von Diabeteserkrankungen, welche im Urteil des BSG vom 24.04.2008, Az: B 9/9a SB 10/06 R, sowie in der am 01.01.2009 in Kraft getretenen VersMedV ihren Niederschlag gefunden haben, ist das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass die beim Kläger vorliegende Zuckerkrankheit in ihrer individuellen Ausprägung hinsichtlich Typ und Ausmaß der Erkrankung sowie Einstellbarkeit und Therapieaufwand und fraglicher sekundärer Organkomplikationen noch nicht den GdB von 50 und damit den Status der Schwerbehinderung bedingt, sondern mit einem GdB von 40 angemessen bewertet ist.
Das Gericht kann sich insbesondere nicht der Auffassung des gehörten Sachverständigen Dr. H. dahingehend anschließen, dass praktisch jede Diabetes-mellitus-Typ-1-Erkrankung eine derart instabile Stoffwechsellage mit sich bringe, dass alleine der zur bestmöglichen Optimierung der Einstellung benötigte Therapieaufwand mit einem GdB von 50 zu bewerten wäre. Dabei hat der Sachverständige wie auch das BSG im Urteil vom 24.04.2008 deutlich gemacht, dass eine Pauschalierung des Therapieaufwandes, wie sie von der Deutschen Diabetesgesellschaft vorgeschlagen wird und welche das Sozialgericht Düsseldorf im Urteil vom 03.05.2003 zugrunde legt, weder den tatsächlich individuell erforderlichen Therapieaufwand berücksichtigt, noch die entscheidungserhebliche Frage klärt, welche Ergebnisse mit der Therapie erzielt werden, wie es also um die Einstellbarkeit bestellt ist. Die vorgenommene Pauschalierung der Deutschen Diabetesgesellschaft kann eine konkrete, individuelle Betrachtung von Therapieaufwand und Therapieerfolg nicht ersetzen und ist zur GdB-Beurteilung ungeeignet. Abweichend bzw. ergänzend zu den bisherigen Richtlinien der Beurteilung gemäß den AHP 2008 ist auch nicht entscheidend danach zu differenzieren, ob ein Diabetes Typ 1 oder 2 vorliegt. Zwar unterscheidet sich der Diabetes Typ 1 vom Diabetes Typ 2 darin, dass beim Diabetes Typ 1 jegliche körpereigene Insulinproduktion unterbleibt; für die relevante Frage der Beschränkung der Teilhabe an der Gemeinschaft entscheidender ist aber die Frage, welche Beeinträchtigung die erforderliche Therapie konkret bedeutet und ob sie hinreichend erfolgreich ist oder aber funktionelle Störungen geringeren oder größeren Umfangs verbleiben. Für den Grad der Beeinträchtigung der Teilhabe ist es letztlich grundsätzlich unterschiedslos, ob die Teilhabe durch die für einen Diabetiker Typ 2 typische erforderliche ständige Diäthaltung eingeschränkt wird, oder aber durch die für den Typ-1-Diabetiker notwendige aufwändige individuelle Berechnung und Versorgung mit Insulineinheiten entsprechend der eingenommenen Nahrung.
Dementsprechend ist in Ziffer 15.1 der Anlage zu § 2 VersMedV bei der Beurteilung von insulinpflichtigen Zuckererkrankungen darauf abzustellen, welche Ergebnisse eine durchgeführte adäquate, nicht zwingend optimale Therapie im Hinblick auf die Stabilität der Stoffwechsellage erbringt (vgl. insoweit auch BSG, Urteil vom 24.04.2008, Rdz. 38).
Im Falle des Klägers stellt sich der Therapieaufwand so dar, dass eine Kombinationsversorgung mit kurzzeitig und langzeitig wirkendem Insulin erfolgt (intensivierte Insulintherapie). Der Kläger spritzt täglich fünf- bis sechsmal Insulin und muss zur Berechnung der benötigten Einheiten zunächst den Blutzucker kontrollieren und dann die zu spritzende Dosis berechnen. Dies entspricht im Wesentlichen einem für einen Typ-1-Zuckerkranken üblichen durchschnittlichen Therapieaufwand. Die durchgeführte Therapie führt im Falle des Klägers nicht zu optimalen Ergebnissen, nachdem sich der verbleibende Blutzucker zumeist oberhalb der zu empfehlenden Blutzuckerwerte bewegt, was aus den seit September 2005 vorliegenden HbA-1-Werten und den Aufzeichnungen des Klägers über die erfolgten Blutzuckermessungen in dem Zeitraum 2004 und 2007 hervorgeht. Mitursächlich für diesen nicht optimalen Therapieerfolg ist unzweifelhaft die von den behandelnden Ärzten festgestellte schwere Insulinresistenz, wogegen eine anfänglich vermutete Magenentleerungsstörung aufgrund der Untersuchung der Uni-Klinik U. vom 07.10.2008 auszuschließen ist. Weitere Faktoren, wie Übergewicht und sitzende Arbeitstätigkeit, beeinträchtigen den Therapieerfolg nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. H. ebenfalls. Die Therapie ist jedoch insoweit erfolgreich, als es nach anamnestischer Feststellung des Dr. H. zu keiner Zeit zu ausgeprägten Unterzuckerungszuständen gekommen ist. Dies entspricht auch den Berichten des Prof. Dr. H. und der Dr. Sch. über den Krankheitsverlauf und wird durch die Blutzuckermessungen in 2004 und 2007 sowie durch die Eigenangaben des Klägers bestätigt. Die Stoffwechsellage beim Kläger mit weitgehend konstant vorliegendem Überzucker im Rahmenbereich von 135 bis 270 mg/dl stellt damit zwar sicher bei Weitem keine optimale Stoffwechsellage dar. Sie ist jedoch nicht mit einer instabilen Stoffwechsellage einschließlich gelegentlicher schwerer Hypoglykämien gleichzusetzen. Gelegentlich schwere Hypoglykämien indizieren eine schwere Beherrschbarkeit des akuten Versorgungszustandes, der unmittelbar mit erheblichen funktionellen Beeinträchtigungen einhergeht. Während der Kläger in funktioneller Hinsicht vereinbar mit den konstant überhöhten Blutzuckerwerten über gelegentlich auftretende Kopfschmerzen, Übelkeit und Müdigkeit klagt, kommt es bei ihm nicht zu den gravierenden Funktionsausfällen schwerer Unterzuckerungszustände, die eine Fremdhilfe durch Ärzte oder Dritte erforderlich machen. Die beim Kläger auftretenden funktionellen Beschwerden aufgrund von Blutzuckerspitzen sind damit zu differenzieren gegenüber einer schweren Stoffwechselinstabilität, bei welcher es zu Unterzuckerungsspitzen kommt, die auch lebensbedrohliche, komatöse Zustände zur Folge haben können. Dementsprechend musste der Kläger nach seinen Angaben noch nie Fremdhilfe wegen akuten Funktionsstörungen infolge der Diabeteserkrankung in Anspruch nehmen. Stoffwechselentgleisungen in Form von schweren Hypoglykämien treten beim Kläger nicht auf. Der aktenkundig niedrigste gemessene Wert betrug am Abend des 04.09.2007 68 mg/dl, nach Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung lag der niedrigste gemessene Blutzuckerwert bei 37 mg/dl, wobei der Kläger selbst die erforderlichen Gegenmaßnahmen treffen konnte.
Der Gerichtssachverständige Dr. H. hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, wie sich Hyperglykämien und Hypoglykämien in Entstehung und funktioneller Symptomatik unterscheiden. Danach haben schwergradige Hypoglykämien deutlich akutere und gefährdendere Folgen, als dies bei überhöhtem Blutzucker der Fall ist. Schwere Hypoglykämien können demnach unvermittelt und unbemerkt auftreten und dann rasch zur Erforderlichkeit von Fremdhilfe und zum Eintritt lebensbedrohlicher Zustände führen. Dagegen liegt die Beeinträchtigung und Gefährdung der Gesundheit bei ausgeprägteren Hyperglykämien weniger in akuten Gesundheitsstörungen, als vielmehr in der Gefahr der Ausbildung von sekundären Organschäden und Spätfolgen. Diese unterschiedlichen funktionellen Beeinträchtigungen stellen einen sachlichen Differenzierungsgrund zwischen ausgeprägten Hyperglykämien und ausgeprägten Hypoglykämien dar, welcher in Ziffer 15.1 der Anlage zu § 2 zur VersMedV Eingang gefunden hat und eine unterschiedliche GdB-Be-wertung dahingehend rechtfertigt, dass eine instabile Stoffwechsellage verbunden mit gelegentlichen schweren Hypoglykämien die Bewertung mit einem Einzel-GdB von 50 zu rechtfertigen vermag.
Soweit Hyperglykämien das Risiko von Spätfolgen beinhalten, die "wie ein Damoklesschwert" über dem Betroffenen schweben, können entsprechende Spätfolgen erst nach deren Eintritt berücksichtigt werden (vgl. AHP Ziffer 18 Abs. 7, entsprechend Teil A Ziffer 2 der Anlage zu § 2 der VersMedV). Der Kläger blieb jedoch bisher von Spätfolgen der Zuckerkrankheit weitgehend verschont. Die beginnende Polyneuropathie wurde erstmalig durch Dr. W. im Januar 2008 diagnostiziert, wirkt sich jedoch abgesehen von einer leichtgradigen Herabsetzung des Vibrationsempfindens der Beine funktionell nicht aus und führt nicht zur Erhöhung des GdB.
Auch die Gesamtbetrachtung des beim Kläger vorliegenden diabetischen Krankheitsbildes im Vergleich zu anerkannten Bewertungsrichtlinien für andere Gesundheitsstörungen lässt den Einzel-GdB von 40 als zutreffend und ausreichend erscheinen. Die Teilhabe des Klägers wird durch die Krankheit vor allem infolge des erheblichen Therapieaufwandes beeinflusst, weniger durch funktionelle körperliche Beschwerdesituationen, die die allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Ohne die Beschwernisse dieses erheblichen Therapieaufwandes zu verkennen, der mit der Zuerkennung eines GdB von 40 bei mäßig schwankender Stoffwechsellage auch als erheblich berücksichtigt ist, erscheint die Teilhabefähigkeit des Klägers letztlich doch weniger gravierend eingeschränkt, als dies beispielsweise bei einem an einer schweren und schwersten Wirbelsäulenerkrankung leidenden Behinderten der Fall ist. So erreicht ein Rückenleidender mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt in Form von häufig rezidivierenden oder anhaltenden Bewegungseinschränkungen oder Instabilität schweren Grades mit häufig rezidivierenden und Wochen andauernden ausgeprägten Wirbelsäulensyndromen nur einen GdB von 30. Auch bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten wird mit einem GdB-Rahmen von 30 bis 40 noch nicht der Status der Schwerbehinderung erreicht. Erst bei besonders schweren Auswirkungen z.B. von Versteifung großer Teile der Wirbelsäule oder erforderlicher anhaltender Ruhigstellung durch Rumpforthese oder schwerer Skoliose ab 70 Grad wird ein GdB-Rahmen von 50 und darüber eröffnet. Dieser letztgenannte Personenkreis ist aufgrund ständiger akuter handlungsbeeinträchtigender Funktionsstörungen sicherlich stärker an der Teilhabe am Gemeinschaftsleben behindert, als dies beim Kläger der Fall ist.
Die Refluxkrankheit der Speiseröhre ist demgegenüber ohne Auswirkungen auf den Gesamt-GdB, da anhaltende Refluxbeschwerden erheblichen Ausmaßes nicht vorliegen (vgl. AHP, Ziffer 26.10).
Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Erstellt am: 09.02.2009
Zuletzt verändert am: 09.02.2009