I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.189,70 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist die Zahlung der Kosten für eine stationäre Behandlung in Höhe von 2.189,70 EUR.
Die bei der Beklagten versicherte C. befand sich im Zeitraum vom 25.07.2005 bis 09.08.2005 zur stationären Behandlung in der Klinik D … Die Klägerin stellte der Beklagten am 09.08.2005 nach Abzug der Selbstbeteiligung der Versicherten für 16 Tage Kosten in Höhe von insgesamt 2.189,70 EUR in Rechnung.
Nach Eingang der Aufnahmeanzeige hatte die Beklagte zunächst eine Kostenzusage zur Behandlung bis 05.08.2005 gegeben. Am 04.08.2005 ging dann per Datenaustausch ein Verlängerungsantrag des Krankenhauses bis 10.08.2005 ein. Genannt waren als Diagnosen Reizdarmsyndrom, chronische Diarrhöe, Fibromyalgiesyndrom, arterielle Hypertonie und Depressionen. Im Rahmen der naturheilkundlichen Komplextherapie sei eine stationäre Behandlung bis 10.08.2005 erforderlich. Die Beklagte schaltete daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Beurteilung der Notwendigkeit der Krankenbehandlung und deren Verlängerung ein. Der MDK-Gutachter vertrat in seiner Stellungnahme vom 05.08.2005 die Auffassung, dass sowohl das Reizdarmsyndrom als auch die weiteren Diagnosen normalerweise ambulant therapierbar seien beziehungsweise im weiteren Verlauf therapierbar sein sollten. Die Beklagte lehnte dann mit Schreiben vom 15.08.2005 nicht nur eine Zusage zur Verlängerung der Krankenhausbehandlung, sondern insgesamt die Kostenübernahme ab. Daraufhin ging eine Stellungnahme des Dr. M., Leitender Arzt der Klinik, vom 22.08.2005 ein. Es habe sich um ein schweres, ambulant therapieresistentes Beschwerdebild gehandelt. Wegen der Schwere des Krankheitsbildes und der Komplexität des Falles sei eine stationäre Behandlung in der durchgeführten Dauer absolut notwendig gewesen. Des Weiteren wurde der Entlassungsbericht vorgelegt. Der MDK-Gutachter Dr. H. gelangte in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 26.08.2005 zu der Überzeugung, dass die Notwendigkeit einer derart langen Krankenhausbehandlung vom 25.07.2005 – 09.08.2005 anhand der übermittelten Befundinformationen nicht nachvollzogen werden könne. Spätestens einen Tag nach Krankenhausaufnahme hätten die weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen auch unter ambulanten oder teilstationären Bedingungen durchgeführt werden können. Bei schon länger bestehendem Beschwerdebild wäre auch ein rehabilitativer Versorgungsansatz zweckmäßig gewesen. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Schreiben vom 06.09.2005 erneut eine Kostenübernahme ab.
Die Bevollmächtigten der Klägerin haben dann am 13.06.2007 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Es sei allein auf die sachliche Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung abzustellen, wobei es auf die fachlich einwandfreie Einschätzung des behandelnden Krankenhausarztes ankomme. Eine Fehleinschätzung des Krankenhausarztes liege nicht vor. Das Behandlungsziel sei erreicht worden. Erst nachdem sich die Beschwerden der Patientin therapieresistent gezeigt hätten, sei diese eingewiesen worden. Das Gutachten des MDK sei unsubstantiiert. Auf Nachfrage des Gerichts hat die Versicherte am 24.06.2007 ausdrücklich erklärt, dass sie nicht damit einverstanden ist, dass ihre Krankenakte vom Sozialgericht Augsburg beigezogen wird. Die Bevollmächtigten haben sich dann darauf berufen, dass die Beklagte eine unbefristete Kostenübernahmeerklärung abgegeben hätte, und daher eine Umkehr der Beweislast eintrete. Die Krankenkasse trage jetzt die volle Beweislast dafür, dass die Krankenhausbehandlung nicht notwendig gewesen sei. Auch der MDK dürfe nicht mehr beauftragt werden, weil eine Prüfung zeitnah erfolgen müsse. Die behauptete unbefristete Kostenübernahmeerklärung ist auf Bitte des Gerichts nicht vorgelegt worden. Auf Anregung des Gerichts hat die Beklagte nochmals den MDK zur Beurteilung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung eingeschaltet. Der MDK-Gutachter Dr. H. hat unter Auswertung der Krankenakte am 05.11.2007 zusammenfassend ausgeführt, dass der Aufnahmebefund keine stationäre Aufnahme rechtfertige und überzeugende Gründe für die gesamte Dauer der Krankenhausbehandlung nicht zwanglos nachvollzogen werden könnten. Die Bevollmächtigten haben anschließend die fachliche Qualifikation des Dr. H. bestritten und eine Einvernahme des Hausarztes als Zeugen dafür beantragt, dass die Einweisung die einzige therapeutische Möglichkeit gewesen sei. Außerdem wurden weitere Dokumentationsbögen zum Umfang der Behandlung vorgelegt und eine Stellungnahme der Frau H., Psychotherapeutin an der Klinik, vom 15.01.2008. Die Beklagte hat diese Unterlagen nochmals an den MDK weitergegeben. Dr. D. hat in einem Gutachten nach Aktenlage vom 11.03.2008 zum Vorbringen der Klägerin Stellung genommen. Zusammenfassend hat er die Notwendigkeit einer stationären naturheilkundlichen Komplextherapie nicht nachvollziehen können. Hiergegen haben die Bevollmächtigten am 15.04.2008 weitere Einwendungen erhoben und Dr. M. als Zeugen benannt. Nach erneutem Hinweis des Gerichts auf die fehlende Einverständniserklärung der Versicherten haben sich die Bevollmächtigten auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 15.11.2007 – B 3 KR 13/07 R – berufen, woraus sich ergebe, dass ein Krankenhaus auch ohne Einverständniserklärung des Versicherten zur Übersendung der Behandlungsunterlagen berechtigt und die Einholung einer Schweigepflichtentbindungserklärung nicht erforderlich sei. Sie haben anschließend die Patientenakte vorgelegt und sich zuletzt mit Schriftsatz vom 13.10.2008 darauf berufen, dass für die zivilrechtliche Zahlungsklage eines Arztes gegenüber einem Patienten anerkannt sei, dass die Krankenunterlagen dem Gericht übersandt werden dürften, da ansonsten der Schweigepflichtige praktisch rechtlos gestellt sei. Es handele sich hier um einen vergleichbaren Sachverhalt. Patient und Krankenkasse stünden quasi "in einem Lager", was die Analogie mit einer Zahlungsklage gegen den Patienten selbst rechtfertige.
Die Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für die stationäre Behandlung der Patientin C. (Aufnahme-Nr.: 0500551) 2.189,70 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.08.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das angerufene Gericht ist gemäß §§ 57 Abs. 1, 51 Abs. 1, 8 Sozialgerichtsgesetz (SGG) örtlich und sachlich zuständig. Die formgerecht erhobene Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für die stationäre Behandlung der C. vom 25.07.2005 bis 09.08.2005.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs eines zugelassenen Krankenhauses für die stationäre Behandlung ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit der Pflegesatzvereinbarung 2005. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht, unabhängig von einer Kostenzusage, unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert dabei mit dem Anspruch des Versicherten auf stationäre Krankenhausbehandlung gemäß § 39 SGB V. Daher müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegen. Unter Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist dabei ein Krankheitszustand zu verstehen, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht (SozR 4-2500 § 39 Nr. 2).
Der Große Senat des BSG hat in seiner Entscheidung vom 25.09.2007 (GS 1/06) klargestellt, dass es sich allein nach den medizinischen Erfordernissen richtet, ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist. Ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, hat das Gericht im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen. Es hat dabei von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen. Eine "Einschätzungsprärogative" kommt dem Krankenhausarzt nicht zu.
Dies bedeutet, dass sich die Klägerin zur Begründung ihres Zahlungsanspruches nicht lediglich auf die Einschätzung der im Krankenhaus behandelnden Ärzte berufen kann, wonach die Krankenhausaufnahme und die gesamte Dauer der Krankenhausbehandlung notwendig gewesen wären. Zur Überprüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung hat der Gesetzgeber zunächst den MDK vorgesehen (§ 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V; ab 01.04.2007 zusätzlich § 275 Abs. 1c SGB V). Für den streitigen Zeitraum existierte in Bayern zusätzlich ein Vertrag gemäß § 112 Abs. 1 SGB V zu § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V zwischen der Bayer. Krankenhausgesellschaft und u.a. dem BKK Landesverband Bayern zur "Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung". § 2 Abs. 1 sah dabei folgende Regelung vor: "Der Krankenkasse obliegt die Überprüfung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen der stationären Krankenhausbehandlung. Besteht aus Sicht der Krankenkasse in Einzelfällen Anlass, die Notwendigkeit und Dauer der stationären Behandlung zu überprüfen, so kann die Krankenkasse vor Beauftragung des Medizinischen Dienstes unter Angabe des Überprüfungsanlasses eine Stellungnahme des Krankenhauses zu einzelnen Behandlungsfälle anfordern. Das Krankenhaus erläutert die Dauer der stationären Behandlung (Kurzbericht). Ergibt sich aus Sicht der Krankenkasse die Notwendigkeit einer ärztlichen Überprüfung, so kann die Krankenkasse im Einzelfall die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung durch Ärzte, die für den Medizinischen Dienst tätig sind, überprüfen lassen. Die §§ 275 ff. und 283 SGB V bleiben hiervon unberührt."
Die Beklagte hatte bereits anlässlich des Verlängerungsantrages den MDK eingeschaltet und unmittelbar nach Rechnungstellung und noch vor Fälligkeit eine Kostenübernahme abgelehnt. Zwar sind sowohl die erste als auch die zweite Stellungnahme des MDK als unzureichend anzusehen, da lediglich die im Verlängerungsantrag genannten Diagnosen beziehungsweise der Krankenhausentlassungsbericht ausgewertet wurden. Dies reicht nicht aus, um eine umfassende Beurteilung des Falles vorzunehmen. Entscheidend ist, welche Befunde und Behandlungsmaßnahmen bei Beginn der stationären Behandlung und in deren Verlauf in der Patientenakte niedergelegt sind. Im Verlauf des Klageverfahrens haben jedoch die MDK-Gutachter Dr. H. und Dr. D. die Patientenakte sowie weitere von der Klägerin eingereichte Unterlagen umfassend ausgewertet. Dabei haben die MDK-Gutachter erklärt, dass die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung anhand der Unterlagen nicht nachvollzogen werden könne.
Die Einschätzung der Krankenhausärzte zur Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung wurde damit nicht bestätigt. Ein Nachweis der Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung ist nicht erbracht. Da sowohl der Gesetzgeber als auch Krankenkassen und Bayer. Krankenhausgesellschaft die Zuständigkeit des MDK zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer einer stationären Krankenhausbehandlung festgelegt haben, sieht das Gericht keinen Anlass, an der Kompetenz der MDK-Gutachter und der Richtigkeit und Unabhängigkeit ihrer Beurteilung zu zweifeln.
Zwar ist – auch zugunsten des klagenden Krankenhauses – eine volle Überprüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung durch das Gericht möglich. Im vorliegenden Fall war jedoch eine weitere Sachaufklärung aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht zulässig. Denn die Beachtung des Rechts der Versicherten auf Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht verbietet die Beiziehung der Patientenakte und deren Verwertung durch Einschaltung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen, da die Versicherte der Beiziehung und Verwertung ihrer Patientenakte ausdrücklich widersprochen hatte.
Nach § 106 Abs. 3 Nummer 2 SGG kann das Gericht Krankenpapiere und Krankengeschichten beiziehen. Die Beiziehung ist allerdings nur unter Beachtung der entsprechenden datenschutzrechtlichen Vorschriften zulässig. Die ärztliche Schweigepflicht und der Sozialdatenschutz müssen beachtet werden (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., § 106 Rdz 10).
§§ 67a ff SGB X, die datenschutzrechtliche Vorgaben für das Verwaltungsverfahren gegeben, gelten dabei nicht für das gerichtliche Verfahren. Auch § 35 SGB I (Sozialdatenschutz) ist nicht unmittelbar auf das sozialgerichtliche Verfahren anwendbar, da die Gerichte nicht genannt sind. Sinngemäß ist er jedoch ebenfalls für das gerichtliche Verfahren heranzuziehen. Für die bayerischen Sozialgerichte ist das Bayer. Datenschutzgesetz (BayDSG) zu beachten. Nach Art. 15 BayDSG ist das Erheben von Daten nur zulässig, wenn unter anderem eine Rechtsvorschrift dies ausdrücklich vorsieht oder die Betroffenen eingewilligt haben (Art. 15 Abs. 7 Nr. 1 und 2 BayDSG). Des Weiteren ist für medizinische Daten auch die ärztliche Schweigepflicht zu beachten. Letztverantwortlich dafür, dass die Vorgaben des Datenschutzes eingehalten werden, ist die anfordernde Stelle (Art. 18 Abs. 2 Satz 2 BayDSG).
Die Versicherte hat hier einer Beiziehung der Krankenakte durch das Gericht ausdrücklich widersprochen. Dabei handelt es sich um Daten, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen. Da eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht ausdrücklich verweigert wurde, stellt nicht nur die Anforderung der Patientenakte durch das Gericht eine strafrechtlich verfolgbare Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht (§ 203 Strafgesetzbuch – StGB -) dar, sondern auch die Weitergabe der von der Klägerin freiwillig übersandten Patientenakte an einen gerichtlich bestellten Sachverständigen oder die Einsicht durch das Gericht in die Patientenakte und eine Weitergabe an die Beklagte.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des BSG vom 15.11.2007 (B 3 KR 13/07 R in SozR 4-1500 § 120 Nr. 2). In dieser Entscheidung hat das BSG nur festgehalten, dass die Krankenkasse Akteneinsicht nehmen kann, wenn die Krankenakte bereits durch das Gericht nach § 142 Zivilprozessordnung (ZPO) beigezogen wurde. Dagegen fehlen zu den Modalitäten, unter denen eine Beiziehung der Krankenakte durch das Gericht im Einzelnen zulässig ist oder nicht, jegliche nähere Ausführungen. Insbesondere ist aus dem Urteil nicht ersichtlich, dass ein Widerspruch des Versicherten gegen die Beiziehung der Krankenakte (strafrechtlich folgenlos) übergangen werden dürfte. Überdies verweist das BSG in dieser Entscheidung auch darauf, dass versucht werden müsse, ein Einverständnis des Versicherten einzuholen.
Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass die Patientenakte deshalb an das Sozialgericht übersandt und von diesem verwertet werden dürfe, weil anerkanntermaßen bei Offenbarung zur Wahrung entgegenstehender berechtigter eigener oder fremder Interessen, soweit die Tat nach den Grundsätzen der Güter- und Interessenabwägung ein angemessenes Mittel darstelle, keine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht vorliege (Dreher/Tröndle, StGB, 47. Aufl., § 203 Rdz. 31). Die insoweit ständige Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Offenbarung von Patientendaten zur zivilgerichtlichen Geltendmachung von Honoraransprüchen gegenüber Patienten ist jedoch zur Überzeugung des Gerichts nicht auf das Verhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse im sozialgerichtlichen Verfahren übertragbar.
Anders als im Verhältnis Krankenhaus/Arzt gegenüber Patient, wo der Patient um seine Behandlung weiß und die Möglichkeit hat, sich von seinem Arzt umfassend über die Behandlung informieren zu lassen, auch soweit dies Auswirkungen auf die Honoraransprüche hat, regelt das Krankenversicherungsrecht in § 301 SGB V detailliert, welche ausgewählten Patientendaten vom Krankenhaus an die Krankenkasse weitergeleitet werden dürfen. Nach der Gesetzesbegründung (Hauck/Haines, SGB V, Gesetzesmaterialien M 011, zu Nr. 141) ist die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung durch die Krankenkasse anhand der in § 301 Abs. 1 SGB V genannten Daten zu überprüfen. Zweifelt die Krankenkasse an der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung, kann sie nur eine Überprüfung durch den MDK vornehmen lassen. In diesem Fall fordert der MDK die zur Beurteilung erforderlichen Unterlagen an (§ 276 Abs. 2 SGB V). Die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegenden Daten werden also weiterhin nicht der Krankenkasse zugänglich gemacht. Nur die Ärzte des MDK dürfen Krankenunterlagen einsehen. Der Gesetzgeber siedelt den Datenschutz und die ärztliche Schweigepflicht als Rechte des Versicherten also hoch an und gewährt der Krankenkasse bewusst keine komplette Einsicht in Krankheitsdaten des einzelnen Versicherten. Dieser Schutz der Privatsphäre der Versicherten würde ausgehebelt, wenn im sozialgerichtlichen Vergütungsstreit die Daten der Krankenkasse offenbart werden könnten. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, warum bei einer sozialgerichtlichen Auseinandersetzung diese datenschutzrechtlichen Schutzvorschriften außer Kraft gesetzt werden sollten. Im Gerichtsverfahren sind die beigezogenen Unterlagen im Rahmen des Akteneinsichtsrechts (§ 120 SGG) beiden Parteien zugänglich zu machen und das rechtliche Gehör erfordert es, dass beide Parteien, also auch die Krankenkasse, über die Beweisergebnisse unterrichtet werden (§ 107 SGG). Dies widerspricht jedoch den ausdrücklichen Vorgaben des SGB V, das der Krankenkasse kein eigenes Einsichtsrecht in Patientenunterlagen einräumt und die Kenntnis der Krankenkasse auf bestimmte nach § 301 SGB V mitzuteilende Daten beschränkt. Ein umfassendes Recht auf Einsicht hätte die Krankenkasse nur bei einer entsprechenden Einwilligung des Versicherten.
Anders als bei einer Vergütungsforderung des Krankenhauses/Arztes gegenüber einem Patienten ist das Krankenhaus nicht nur auf die Möglichkeit der Offenbarung der Krankenhausunterlagen im gerichtlichen Verfahren angewiesen, um eine (berechtigte) Forderung durchzusetzen, und ohne diese Möglichkeit nicht rechtlos gestellt. Denn die Krankenkasse kann die Begleichung einer Forderung nicht einfach grundlos verweigern bzw. deren Berechtigung dem Grunde und der Höhe nach bestreiten, wie dies der Patient bei einer zivilrechtlichen Forderung tun könnte. Denn das SGB V und die Vereinbarungen zwischen Bayer. Krankenhausgesellschaft und Krankenkassen sehen ausdrücklich als vorgeschaltete Prüfinstanz den MDK vor. Und das Krankenhaus hat die Möglichkeit, sich gegen die Beurteilung des MDK bereits vorgerichtlich mit entsprechenden Einwendungen zu wehren, die – wie auch hier geschehen – dann vom MDK überprüft werden.
Bei der hier streitigen Forderung gegenüber der Krankenkasse liegt daher keine vergleichbare Situation vor wie bei einer zivilrechtlichen Forderung gegenüber dem Patienten selbst, wo das Krankenhaus ohne die Vorlage der Patientenakte bei Gericht die Berechtigung der Forderung, einschließlich sogar Beginn und Ende der Krankenhausbehandlung nicht beweisen könnte.
Das Argument, es sei unbillig, wenn (wegen der Notwendigkeit einer Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht) die Verwirklichung des Honoraranspruchs "in der Hand des Patienten" liegen würde, überzeugt nicht. Das Gericht kann nicht erkennen, dass insoweit Patient und Krankenkasse "auf einer Seite" stehen würden und die Beweisnot des Krankenhauses durch eine "Beweisvereitelung" seitens der Krankenkasse verursacht wäre. Denn das Krankenhaus selbst hatte es in der Hand, die Versicherte aufzunehmen oder nicht. Vom Krankenhausarzt wurde die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung bejaht. Das Krankenhaus hätte auch der Versicherten eine Erklärung zur Unterschrift vorlegen können, wonach bei einer möglichen Streitigkeit zur Vergütung zwischen Krankenhaus und Krankenkasse die Krankenunterlagen offenbart werden dürfen. Das Krankenhaus hätte es daher auch in der Hand gehabt, die jetzige Beweisnot zu vermeiden, anders als die Krankenkasse.
Die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung ist daher nicht nachgewiesen. Die objektive Beweislast hierfür trägt die Klägerin. Objektive Beweislast bedeutet, dass jeder Beteiligte die Beweislast für diejenigen Tatsachen trägt, welche die von ihm geltend gemachte Rechtsfolge begründen (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 103 Rdz. 19a). Dies gilt für das Vorhandensein positiver wie für das Fehlen negativer Tatbestandsmerkmale. Bezogen auf die hier streitige Vergütungsforderung bei stationärer Krankenhausbehandlung bedeutet dies, dass das Krankenhaus keine Zahlung beanspruchen kann, wenn sich mit den zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht nachweisen lässt, dass der stationäre Krankenhausaufenthalt der Versicherten erforderlich war.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm dem Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Klagantrag auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet war, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG).
Erstellt am: 06.04.2009
Zuletzt verändert am: 06.04.2009