I. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller ab 10.08.2009 vorläufig bis zum 31.12.2009, längstens jedoch bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens Leistungen wie einem pflichtversicherten Mitglied nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V zu gewähren.
II. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I. Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Aufnahme als pflichtversichertes Mitglied bei der Antragsgegnerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zur Sicherung seiner laufenden Krankenbehandlung.
Der Antragsteller war bis 31.01.2007 durch den Bezug von Arbeitslosengeld nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bei der Beklagten pflichtversichert. Danach nahm er eine selbstständige Tätigkeit auf. Am 14.04.2009 wurde er zunächst im Zentralklinikum A-Stadt stationär aufgenommen und dann am 15.04.2009 in die F. verlegt wegen der Diagnose Tuberkulose. Die Entlassung erfolgte am 22.07.2009. Da der Antragsteller nicht krankenversichert war, veranlasste der Sozialdienst der F. einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II sowie eine Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bei der Antragsgegnerin. In dieser Anzeige vom 17.04.2009 gab der Antragsteller an, zuletzt privat krankenversichert gewesen zu sein von 2007 bis 2008 und seit Ende 2008 ohne Krankenversicherung zu sein. Er sei selbstständig tätig gewesen als Gastronom und derzeit arbeitssuchend. Die Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid vom 24.04.2009 eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ab. Mit Bescheid vom 23.07.2009 bewilligte die Arge für Beschäftigung Stadt A-Stadt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 15.04.2009 bis 31.10.2009. Die Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid vom 28.07.2009, der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V ab, da der Kläger als zuletzt privat Krankenversicherter nach Abs. 5a nicht versicherungspflichtig sei. Die Bevollmächtigte legte am 01.09.2009 Widerspruch dagegen ein.
Der Antragsteller hat am 10.08.2009 Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Die Angelegenheit sei eilig, da er in ärztlicher Behandlung stehe und laufend Medikamente benötige. Die Bevollmächtigte hat den Entlassungsbericht der F. übersandt sowie eine Stellungnahme des Antragstellers vom 19.08.2009. Zur Beweiserhebung hat das Gericht eine Auskunft der F. eingeholt, wonach der Antragsteller dort aufgenommen wurde, ohne dass eine Krankenversicherung bekannt war. Die Bevollmächtigte hat eine so genannte Partnerübersicht der B. Krankenversicherung übersandt, in der eine Versicherung im Zeitraum vom 01.05.2007 bis 01.04.2008 bestätigt wird. Aus einem weiteren Schreiben der B. Krankenversicherung vom 12.08.2009 geht hervor, dass aus diesem Versicherungsverhältnis noch Prämien offen stehen. Außerdem wurde eine Gewerbeabmeldung vom 23.03.2009 (Schank- und Speisewirtschaft mit Heimlieferdienst) übersandt, in der als Datum der Betriebsaufgabe der 30.08.2008 genannt ist. Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 5a SGB V deshalb ausgeschlossen sei, weil sich der Antragsteller seit 01.01.2009 nach § 193 Abs. 3 VVG hätte privat krankenversichern müssen.
Der Antragsteller beantragt,
ihm einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren und die Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung als Pflichtversicherung bei der Antragsgegnerin zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Eine einstweilige Anordnung setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus. Das Gericht entscheidet aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage, ob ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen und welche Maßnahmen unter Abwägung der Belange der Öffentlichkeit und des Antragstellers nötig erscheinen. Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht. Er ist identisch mit dem auch im Hauptsacheverfahren geltend zu machenden materiellen Anspruch. Anordnungsgrund ist die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung.
Ein Anordnungsgrund liegt vor. Eilbedürftigkeit ist gegeben, da der Antragsteller aufgrund seiner Erkrankung an Tuberkulose noch laufend der ärztlichen und medikamentösen Behandlung bedarf. Als Bezieher von Arbeitslosengeld II ist er auch nicht in der Lage, die Behandlung vorzufinanzieren.
Ein Anordnungsanspruch ist ebenfalls gegeben. Versicherungspflichtig sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II nach dem SGB II beziehen, soweit sie nicht familienversichert sind, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB II bezogen werden. Laut Bescheid vom 23.07.2008 erhält der Kläger Leistungen nach dem SGB II seit 15.04.2009. Die Leistungen erfolgen nicht darlehensweise. Nach § 5 Abs. 5a SGB V ist jedoch derjenige nicht nach Abs. 1 Nr. 2a versicherungspflichtig, wer unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war (1. Alternative) oder (2. Alternative) weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in Abs. 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Dieser Ausschluss ist jedoch im Fall des Klägers nicht einschlägig. Der Kläger war zwar nach Ende der Pflichtversicherung als Bezieher von Arbeitslosen- geld I zum 31.01.2007 privat krankenversichert, jedoch im Zeitraum vom 01.05.2007 bis 01.04.2008 und nicht unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II ab 15.04.2009, wie dies der Wortlaut von § 5 Abs. 5a Satz 1 1. Alternative SGB V vorsieht. Er war in der Zeit vor dem 15.04.2009 tatsächlich weder gesetzlich noch privat krankenversichert, gehörte jedoch nicht zu den in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen und er war auch nicht mehr im Sinne von § 5 Abs. 5 SGB V hauptberuflich selbstständig erwerbstätig. Wie der Gewerbeabmeldung zu entnehmen ist, hatte er die selbstständige Tätigkeit als Gastronom zum 30.08.2008 beendet. Auch die 2. Alternative ist daher nicht erfüllt.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, ein Ausschluss nach der 1. Alternative sei deshalb gegeben, weil seit 01.01.2009 gemäß § 193 Abs. 3 VVG für nicht gesetzlich Krankenversicherte die Pflicht zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung besteht. Dem ist zur Überzeugung des Gerichts jedoch nicht zu folgen. Zwar sieht auch das Gericht die "Ungerechtigkeit", wenn derjenige, der sich (bewusst) nicht privat absichert, quasi mit der Wiederaufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung "belohnt "wird. Der Gesetzeswortlaut deckt jedoch die Auslegung der Antragsgegnerin nicht. Würde man nämlich den Personenkreis derjenigen, die sich ab 01.01.2009 privat pflichtversichern müssen, unter die 1. Alternative ziehen, dann hätte die 2. Alternative des § 5 Abs. 5a SGB V ihre Bedeutung verloren. Diese Alternative betrifft nämlich nicht nur Personenkreise, die sich tatsächlich weder gesetzlich noch privat krankenversichern müssen (z.B. Beihilfeberechtigte nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V, § 193 Satz 2 Nr. 2 VVG), sondern auch Personen, die sich eigentlich privat krankenversichern müssen wie z. B. Angestellte mit einem Verdienst oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze. Die Einführung der 2. Alternative hat nur dann Sinn, wenn diejenigen, die sich privat krankenversichern müssten, dieses aber nicht getan haben, nicht bereits unter die 1. Alternative fallen.
Dem Antrag war daher stattzugeben. Da die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz jedoch nicht die Hauptsacheentscheidung vorwegnehmen sollte, war die Antragsgegnerin nicht zur Aufnahme als Pflichtversicherter nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V zu verpflichten, sondern lediglich vorläufig zur Gewährung von Leistungen wie bei einem Pflichtversicherten nach Nr. 2a. Die Befristung ergibt sich notwendigerweise im Hinblick auf den Abschluss des Hauptsacheverfahrens (Widerspruchsverfahrens).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 22.10.2009
Zuletzt verändert am: 22.10.2009