In Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 4. Februar 2009 werden die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 172,55 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Streitig sind die in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu erstattenden außergerichtlichen Kosten.
Am 05.05.2008 beantragte der Erinnerungsgegner (Eg), die Erinnerungsführerin (Ef) im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu verpflichten, ihm Altersrente ohne Fiktivabzug gemäß § 31 Fremdrentengesetz (FRG) zu zahlen. Der Anspruch wurde über zwei Seiten näher begründet. Außerdem legte er im Verlauf des Verfahrens diverse Urteile und Beschlüsse anderer Sozialgerichte in Kopie vor. Mitte Juli 2008 erklärte sich schließlich die Ef bereit, den strittigen Fiktivabzug bis zum rechtrechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens vorläufig auszusetzen. Außerdem übernahm sie dem Grunde nach die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zum einstweiligen Rechtsschutz. Der Eg erklärte daraufhin am 28.08.2008 den Rechtsstreit für erledigt.
Mit Kostennote vom 28.08.2008, näher begründet mit Schriftsatz vom 06.10.2008, bezifferte der Bevollmächtigte des Eg seine Gebühren wie folgt:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG 250,00 EUR
Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 Ziff. 3 RVG 200,00 EUR
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
19 % Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG 89,30 EUR
Gesamtbetrag 559,30 EUR
Die Ef hielt eine Abrechnung auf der Basis einer Verfahrensgebühr in Höhe von 125,00 EUR (ohne Terminsgebühr) im Umfang von insgesamt 172,55 EUR für angemessen.
Mit Beschluss vom 04.02.2009 setzte der Kostenbeamte die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 559,30 EUR fest. Er ging dabei von einer Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG) in Höhe von 250,00 EUR sowie einer Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG) in Höhe von 200,00 EUR aus. Schwierigkeit und Umfang der anwaltlichen Tätigkeit seien (ebenso wie die Bedeutung der Angelegenheit für den Eg) mit durchschnittlich zu werten.
In ihrer hiergegen erhobenen Erinnerung trat die Ef dieser Einschätzung entgegen. Sie rügte außerdem den Ansatz der Gebühr Nr. 3102 VV RVG. Richtig sei vielmehr Nr. 3103 VV RVG, da der Bevollmächtigte des Eg in derselben Sache bereits im Widerspruchsverfahren tätig gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine fiktive Terminsgebühr seien nicht erfüllt. Der Eg hat ergänzend schriftsätzlich vorgetragen und zum Anfall der Terminsgebühr auf die Rechtsprechung des Sozialgerichts Ulm verwiesen.
II.
Das Gericht ist zur Entscheidung befugt (§ 56 Abs. 1 RVG). Die rechtzeitig eingelegte Erinnerung ist zulässig, aber nicht begründet
Nach § 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
In Anwendung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass die Gebührenbestimmung des Bevollmächtigten des Eg in seiner Kostennote vom 28.08.2008 unbillig und damit nicht verbindlich war. Sie war daher neu zu treffen. Es entspricht ständiger Kostenrechtsprechung der bayerischen Sozialgerichtsbarkeit, sich bei der Festsetzung der Rahmengebühren in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in etwa an der Hälfte der Mittelgebühr zu orientieren, sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalles eine abweichende Entscheidung rechtfertigen bzw. erfordern. Gemessen daran wäre vorliegend die Gebühr gemäß Nr. 3103 VV RVG mit 85,00 EUR zu bestimmen gewesen und ist die tatsächliche Festsetzung mit 125,00 EUR, wie von der Ef angeboten, nicht als rechtswidrig zum Nachteil des Eg zu bewerten.
Die Kammer hat sich zu der auch hier zu entscheidenden Thematik der angemessenen Rahmengebühren in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen drohendem Fiktivabzug nach § 31 FRG in einen gegenüber dem Bevollmächtigten des Eg am 25.02.2009 ergangenen – veröffentlichten – Beschluss (S 3 SF 27/09 E) bereits ausführlich geäußert. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Gericht in entsprechender Anwendung von § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die dortigen Ausführungen ausdrücklich Bezug und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Maßgeblicher Gebührentatbestand für die dem Bevollmächtigten des Eg zustehende Verfahrensgebühr ist, da der Bevollmächtigte in derselben Angelegenheit bereits im Widerspruchsverfahren tätig war, offensichtlich Nr. 3103 VV RVG. Dies ergibt sich aus der ständigen – auch veröffentlichten – Rechtsprechung des Gerichts, insbesondere aber aus der auf in diesen Entscheidungen in Bezug genommenen Judikatur durch das Bayerische Landessozialgericht (Beschluss vom 18.01.2007, L 15 B 224/06 AS KO). Der Bevollmächtigte des Eg wird durch diese Regelung nicht erkennbar benachteiligt. Denn neben dem Anspruch aus der Gebührentatbestandsnr. 3103 VV RVG verbleibt ihm zusätzlich die Forderung aus der Nr. 2400 VV RVG und/oder 2401 VV RVG, sodass seine Bemühungen eine hinreichende Honorierungsgrundlage finden.
Mit dieser Rechtsprechung steht das Gericht nicht nur im Einklang mit der Rechtsprechung des Kostensenats des Bayerischen Landessozialgerichts, sondern auch der des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 09.08.2007, L 20 B 91/07 AS), wie folgendes Zitat belegt: " Zu Gunsten der Antragsteller ist schon nicht beachtet worden, dass an sich nur die geringere Gebühr nach Nr. 3103 VV RVG anzusetzen gewesen wäre, weil eine vorausgehende Tätigkeit (das Widerspruchsschreiben datiert vom 02.02.2007) im Verwaltungsverfahren stattgefunden hatte (vgl. zur grundsätzlichen Anwendbarkeit der Nr. 3103 VV RVG, wenn auf ein Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes folgt: so ausdrücklich Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 28.02.2007, L 1 B 467/06 SK; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 18.01.2007, L 15 B 224/06 AS KO; vgl. auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.04.2007, L 7 B 36/07; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.02.2007, L 9 B 14/06 AS)."
Eine (fiktive) Terminsgebühr hat die Ef nicht zu zahlen. Ein solcher Anspruch ist begründet, wenn das Verfahren vor dem Sozialgericht nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet (Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG). Soweit ersichtlich werden hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten. Während das Sozialgericht Berlin (Beschluss vom 30.01.2009, S 165 SF 7/09 E), das SG Lüneburg (Beschluss vom 05.09.2008, S 25 SF 75/08) und das SG Düsseldorf (Beschluss vom 05.12.2007, S 29 AS 131/06) einen solchen Anspruch verneinen, wird er im Ergebnis vom LSG Thüringen (Beschluss vom 26.11.2008, L 6 B 130/08 SF) unter Berufung auf den Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26.04.2007 (L 7 B 36 /07 AS) ebenso wie offenbar von der Kostenrechtsprechung des Sozialgerichts Ulm (wie vom Bevollmächtigten des Eg dargelegt) bejaht. Sowohl die eine wie auch die andere Auffassung beruft sich auf den Wortlaut der Nr. 3106 VV ebenso wie auf den Willen des Gesetzgebers.
Auf S. 2009 der Bundestags-Drucksache 15/1971 ist hierzu nachzulesen, dass für das Entstehen der Gebühr genügt, dass der Rechtsanwalt einen Termin wahrnimmt. Als Normal- und Regelfall für den Anfall dieser Gebühr hatte der Gesetzgeber also die Vorstellung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung (unter Teilnahme eines zur Vertretung bereiten Rechtsanwalts). Sowohl Nr. 1 als auch Nr. 2 der Nr. 3106 VV RVG schildern prozessuale Situationen, in denen eine grundsätzlich durchzuführende mündliche Verhandlung ausnahmsweise entfallen ist. So ist es bei der Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 124 SGG (siehe Nr. 1), aber ebenso im Falle des Gerichtsbescheides gemäß § 105 SGG (siehe Nr. 2). Es ist nun weder aus dem Wortlaut, noch aus dem Sinn und Zweck, noch aus der Rechtsgeschichte der Norm ein Grund ersichtlich, warum der Gesetzgeber bei dem unter Nr. 3 normierten dritten Ausnahmetatbestand abweichende Vorstellungen gehabt haben sollte. Im Gegenteil: Schlüssig und verständlich wird der Ausnahmekatalog der Nr. 3106 VV RVG nur dadurch, dass er als solcher auch verstanden wird. Das heißt im Ergebnis, dass die fiktive Terminsgebühr nur in solchen Verfahren ausnahmsweise anfallen kann, in denen grundsätzlich eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Auf Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes trifft dies aber gerade nicht zu.
Der hier vertretenen Rechtsauffassung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber mit der fiktiven Terminsgebühr einen Anreiz für die verfahrensbeteiligten Rechtsanwälte zur außergerichtlichen Erledigung eines Verfahrens schaffen wollte, um damit die Gerichte zu entlasten. Denn die in diesem Zusammenhang einzig denkbare Entlastung des Sozialgerichts wäre der Wegfall bzw. "die Ersparnis" einer alternativ durchzuführenden mündlichen Verhandlung. Eine solche ist aber für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht vorgesehen, die außergerichtliche Annahme eines Anerkenntnisses in einem "ER-Verfahren" entlastet das Sozialgericht folglich nicht. Nutznießer einer zügigen Annahme eines Anerkenntnisses ist der von dieser Prozesserklärung der Beklagtenseite begünstigte Mandant, nicht das Gericht.
Der Beschluss ergeht kostenfrei. Er ist endgültig (§ 197 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 24.09.2009
Zuletzt verändert am: 24.09.2009