I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf (fortdauernde) Befreiung von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Der 1960 geborene Kläger hat den Beruf des Bauingenieurs erlernt und diesen ab 01.08.1985 im Angestelltenverhältnis und ab 01.01.1997 als Selbstständiger ausgeübt. Seit 01.01.2013 ist er wieder als Bauingenieur im Angestelltenverhältnis tätig. Seit 29.12.1955 ist der Kläger Pflichtmitglied bei der Bayerischen Ingenieurversorgung Bau und freiwilliges Mitglied bei der Bayerischen Ingenieurkammer Bau. Aufgrund der von der Bayerischen Ingenieurkammer Bau bestätigten Mitgliedschaft befreite ihn die Beklagte (damals noch: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) mit Bescheid vom 26.03.1996 mit Wirkung ab 29.12.1995 von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung.
Mit Blick auf die ab 01.01.2013 beginnende Erwerbstätigkeit als Bauingenieur im Angestelltenverhältnis beantragte der Kläger am 07.12.2012 unter Hinweis auf die vorstehend geschilderten Mitgliedschaften die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Mit Bescheid vom 17.06.2013 lehnte die Beklagte den Antrag ab und wies mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2013 den hiergegen erhobenen Widerspruch als unbegründet zurück. Weder nach der (neugefassten) Regelung des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) noch nach der Vertrauensschutzregelung des § 231 Abs. 2 SGB VI sei eine Befreiung möglich.
In seiner dagegen erhobenen Klage bestreitet der Kläger die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen. Er sei seit Wirksamwerden der Befreiung ab 29.12.1995 durchgehend als Bauingenieur tätig. Trotz des Wechsels von der Selbstständigkeit zu einem neuen Arbeitgeber übe er dieselbe Beschäftigung im Sinne des § 231 SGB VI aus.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 17.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2013 aufzuheben und festzustellen, dass die mit Bescheid vom 26.03.1996 ausgesprochene Befreiung über den 31.12.2012 hinaus wirksam ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass eine weitere Befreiung nicht möglich sei, da der Kläger ab 01.01.2013 nicht mehr dieselbe Beschäftigung ausübe, für die die Befreiung erteilt worden ist. Die Bestandsschutzregelung des § 231 SGB VI gelte nur für die konkrete Beschäftigung, für die die Befreiung ausgesprochen worden sei.
Beigezogen war die Verwaltungsakte der Beklagten. Sie war ebenso wie die Gerichtsakte Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) zulässig. Der Kläger hat ein hinreichend berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung darüber, ob er in seiner Beschäftigung als Bauingenieur seit 01.01.2013 der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung (neu) unterliegt.
Die Klage ist unbegründet, da der Kläger in seiner abhängigen Beschäftigung als Bauingenieur ab 01.01.2013 gemäß § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig zur gesetzlichen Rentenversicherung ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Befreiung von dieser Versicherungspflicht gemäß § 231 Abs. 2 SGB VI sind nicht erfüllt.
Nach § 231 Abs. 2 SGB VI bleiben Personen, die aufgrund eines bis zum 31.12.1995 gestellten Antrags spätestens mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung von der Versicherungspflicht befreit sind, in der jeweiligen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit befreit. Zwar wurde der Kläger unstreitig mit Wirkung eines vor dem 31.12.1995 liegenden Zeitpunkts von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI (in der damals geltenden Fassung) befreit. Er ist aber – unstreitig – seit 01.01.2013 nicht mehr in dem dieser Befreiung zugrunde liegenden Beschäftigungsverhältnis tätig.
Den in § 231 Abs. 2 SGB VI verwendeten Rechtsbegriff der "Beschäftigung" definiert der Gesetzgeber in den im Vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) zusammengefassten gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung unter § 7 wie folgt: "Beschäftigung ist die nichtselbstständiger Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis". In Abs. 1 S. 2 der Vorschrift wird als ein wesentliches Element des in diesem Sinne zu verstehenden Rechtsbegriffes die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers genannt. Beschäftigung im Sinne des Gesetzes meint somit das jeweils konkrete Beschäftigungsverhältnis (vgl. BSG, Urteil vom 31.10.2012, B 12 R 3/11 R). Allein hierauf kommt es in allen die Versicherungspflicht bzw. Befreiung davon regelnden Normen in der Sozialversicherung an. Beschäftigung im Sinne von § 231 SGB VI kann also nicht anders zu verstehen sein als Beschäftigung bzw. Beschäftigter oder beschäftigte Person im Sinne von § 6 SGB VI, also stets bezogen auf das konkrete Beschäftigungsverhältnis.
Mit seiner Vorstellung, dass die 1996 ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht so lange fortgelte, wie er – in welcher Form auch immer – als Bauingenieur erwerbstätig ist, verkennt der Kläger, dass der Gesetzgeber mit der Vertrauensschutzregelung des § 231 Abs. 2 SGB VI lediglich den für die am 31.12.1995 ausgeübte Tätigkeit bestehenden Versicherungsstatus festschreiben wollte (vgl. Hauck Noftz, § 231 Rn. 33). Nachdem die der Frage nach der Befreiung systematisch zwingend vorausgehende Frage der Versicherungspflicht sich zweifelsfrei stets am konkreten Beschäftigungsverhältnis orientiert, konnte die Beklagte die seinerzeitige Befreiung von der Versicherungspflicht nur bezogen auf das zum 31.12.1995 bestehende Beschäftigungsverhältnis aussprechen und hat dies mit der Formulierung "Sie ist grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt." auch getan.
Der Gesetzgeber hat § 231 Abs. 2 SGB VI zusammen mit einer Neufassung von § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI durch das SGB-IV-Änderungsgesetz (SGB IV-AndG) vom 15.12.1995 und Wirkung ab 01.01.1996 eingeführt. Infolge der vermehrten Gründung neuer berufsständiger Versorgungswerke sah sich der Gesetzgeber seinerzeit veranlasst, die Friedensgrenze zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischen Versorgungswerken neu zu definieren (vgl. BT-Drucksache 13/2590, 21 ff.). Dementsprechend setzt eine Befreiung von der Versicherungspflicht seit Inkrafttreten des Änderungsgesetzes auch die Pflichtmitgliedschaft in der jeweiligen Kammer voraus, eine bloße freiwillige Mitgliedschaft – wie beim Kläger – genügt nicht mehr. Die Sonderregelung des § 231 Abs. 2 SGB VI erfasst und schützt lediglich die am Tag vor Inkrafttreten der Neuregelung tatsächlich bestehende versicherungsrechtliche Situation. Mit der Beendigung des an diesem Tage bestehenden und dem Grunde nach der Versicherungspflicht unterliegenden Beschäftigungsverhältnis endet der darauf bezogene Vertrauensschutz. Die mit Bescheid vom 26.03.1996 ausgesprochene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht endete folglich mit dem Auslaufen des am 29.12.1995 bestehenden Beschäftigungsverhältnis des Klägers. Der Bescheid wirkt nicht für das mit Wirkung ab 01.01.2013 begonnene Beschäftigungsverhältnis fort.
Die Klage war deshalb mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge abzuweisen.
Erstellt am: 19.11.2015
Zuletzt verändert am: 19.11.2015