I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der 1954 geborene Kläger beantragte im Juli 2011 die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der seit Mai 2004 bezogenen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Er war während des Rentenbezugs laufend bis Ende Oktober 2009 versicherungspflichtig als Maschinenbaumonteur tätig und bezog anschließend bis 30.04.2011 Arbeitslosengeld. Aktuell lebt er von seiner Erwerbsminderungsrente sowie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Auf seinen Rentenantrag ließ ihn die Beklagte durch Dr. M. begutachten. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger noch in der Lage sei, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Die Beklagte schloss sich dieser Einschätzung an und lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 19.09.2011 ab und wies den Widerspruch mit Bescheid vom 15.12.2011 als unbegründet zurück.
Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage trägt der Kläger vor, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, einer Arbeit nachzugehen. Er leide unter starkem Hustenreiz (Husten teilweise bis zur Ohnmacht), Herzschmerzen, Angina Pectoris, krampfartigen Rückenbeschwerden, Schmerzen im linken Schulterbereich, Knieproblemen, Schmerzen im linken Ellenbogenbereich sowie Ohrgeräuschen im Zusammenhang mit einem seit vielen Jahren bestehenden Hörschaden. Die Kammer hat Befundberichte beim Hausarzt des Klägers sowie seinem Orthopäden eingeholt. Anschließend hat sie zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts sowohl eine orthopädische, wie auch eine internistisch-kardiologische Begutachtung veranlasst. Der orthopädische Sachverständige Dr. E. stellt in seinem Gutachten vom 07.08.2012 bezogen auf den Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest: Degeneratives Wirbelsäulensyndrom insbesondere mit Betroffensein der Lendenwirbelsäule, pseudoradikulären Schmerzausstrahlungen, muskuläre Reizerscheinungen, eher nur geringe Bewegungsminderung, geringe bis mäßige Belastungsminderung; operierter Tennisellenbogen rechts, Tennisellenbogenbeschwerden linkes Ellenbogengelenk; Einschränkung der Unterarmwendungen links bei Z.n. kindlichem Unterarmbruch; Meniskopathie linkes Knie, ohne relevante Reizzeichen; 3-Gefäß KHK, normale linksventrikuläre Funktion; Z.n. Vorderwandinfarkt 1995 und Hinterwandinfarkt 1997; mehrere Herzkatheterinterventiionen zuletzt 3/2012, hierbei PCI der LAD proximal von 90 % auf 0 % und der LAD von 75 % auf 0 %, noch Stenose der RCA, hier ist ebenfalls noch eine Herzkatherintervention geplant; Hypertonie, medikamentös eingestellt; gute links ventrikuläre Funktion; COPD mit leichtgradiger peripherer und mäßiger zentraler Bronchialobstruktion; Alkoholkrankheit mit Entzugstherapie und anschließender Entwöhnungsbehandlung 2008, seither Alkoholkarenz, keine Leberzirrhose, keine Wesensänderung; erhebliche Innenohrschwerhörigkeit bds., teilkompensiert durch Hörgeräte (bg-lich erfasst), letztere werden aktuell aber wg. Mittelohrbelüftungsstörungen nicht getragen; mittelgradige depressive Episode, Schlafstörungen, Affektlabilität.
Im positiven hält er den Kläger noch für in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes aus wechselnder Körperhaltung heraus vollschichtig auszuüben. Nicht mehr zumutbar seien ihm schweres Heben und Tragen, die Einnahme längerwährender Zwangshaltungen für den Rumpf und die Wirbelsäule, Klettern und Steigen, Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten und/oder unter Absturzgefahr, Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck, in Nacht- oder Wechselschicht, an laufenden Maschinen, taktgebunden, im Akkord, unter ungünstigen Witterungsverhältnissen mit Einfluss von großen Temperaturschwankungen, Zugluft, Kälte und/oder Nässe, unter Einfluss von Reizstoffen, Staub, Gas, Dampf und/oder Rauch, mit besonderer Anforderung an das Hörvermögen, an die nervliche Belastbarkeit, das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sowie Tätigkeiten mit hohem Publikumsverkehr.
Der Gutachter für das internistisch-kardiologische Gebiet, Dr. D., bescheinigte dem Kläger in seinem Gutachten vom 11.10.2012 im Ergebnis ebenfalls ein noch vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten im Stehen oder Sitzen, in offenen oder geschlossenen Räumen. Nicht mehr zumutbar seien ihm aus seiner Sicht Tätigkeiten unter Zeitdruck, Einzel- und Gruppenakkord, fließband- und taktgebunden, Tätigkeiten in Zwangshaltung, Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel sowie häufiges Treppen- und Leiternsteigen. Dabei legt er folgendes Krankheitsbild zu Grunde: Koronare 3-Gefäßerkrankung (RIVA, RCX, RCA); Zustand nach PTCA RIVA 4/95, 7/95, 12/95, sowie 1/04 und 3/12 mit erneuter Stentimplantation (DES); Zustand nach Rekanalisation der RCA mit Stentimplantation 10/97, sowie erneute PTCA mit Stentimplantation 1/04 und 5/12; Zustand nach PTCA RCX 6/98 und erneute PTCA mit Stentimplantation 2000; Zustand nach Vorderwandinfarkt 1995; Zustand nach Hinterwandinfarkt 1997; arterielle Hypertonie; Fettstoffwechselstörung; Zustand nach chronischem Alkoholabusus und Entzugsbehandlung; Verdacht auf Meniskusläsion links; Verdacht auf Tennisellenbogen links.
Sinngemäß bezweifelt der Kläger in seiner Stellungnahme vom 09.11.2012 die Richtigkeit der gutachterlichen Feststellungen und weist nochmals auf seine gesundheitliche, insbesondere (Schmerz-) Situation hin.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2011 zu verpflichten, ihm ab Antrag Rente wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Beigezogen waren die Verwaltungsakte der Beklagten. Sie waren ebenso wie die Gerichtsakte Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 87, 90, 92 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die begehrte Versichertenrente, weil bei ihm die Tatbestandsvoraussetzungen für die Bejahung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung im Sinne von § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der seit 01.01.2001 geltenden Fassung nicht gegeben sind.
Rechtsgrundlage und Prüfungsmaßstab für das Klagebegehren ist § 43 SGB VI. Danach sind Versicherte, die unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
wegen Krankheit oder Behinderung nicht mehr mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein können, voll erwerbsgemindert.
Beim Kläger liegt volle Erwerbsminderung nicht vor. Unstreitig leidet er an den von den gerichtlichen Sachverständigen festgestellten und im Tatbestand detailliert wiedergegebenen Gesundheitsstörungen auf insbesondere orthopädischem und internistischem Gebiet. Sein berufliches Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeines Arbeitsmarktes ist dadurch qualitativ, nicht aber quantitativ eingeschränkt. Dies bedeutet, dass er seit der Antragstellung im Juli 2011 zwar nur mehr körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel insbesondere von Stehen und Gehen ausüben kann. Eine Einschränkung in zeitlicher Hinsicht besteht derzeit indes nicht. Die zumutbaren Tätigkeiten kann er also vollschichtig, das heißt sechs Stunden täglich verrichten. Zu vermeiden sind allerdings Arbeiten mit schwerem Heben und Tragen, mit Einnahme längerwährender Zwangshaltungen für den Rumpf und die Wirbelsäule, Klettern und Steigen, Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten und/oder unter Absturzgefahr, Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck, Einzel- und Gruppenakkord, in Nacht- oder Wechselschicht, an laufenden Maschinen, taktgebunden, im Akkord, unter ungünstigen Witterungsverhältnissen mit Einfluss von großen Temperaturschwankungen, Zugluft, Kälte und/oder Nässe, unter Einfluss von Reizstoffen, Staub, Gas, Dampf und/oder Rauch, mit besonderer Anforderung an das Hörvermögen, an die nervliche Belastbarkeit, das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sowie Tätigkeiten mit hohem Publikumsverkehr.
Dieses Leistungsvermögen ergibt sich in quantitativer wie auch qualitativer Hinsicht aus den vom Gericht von Amts wegen eingeholten Gutachten des Dr. E. und des Dr. D., die im Wesentlichen im Einklang mit dem im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten von Dr. M. stehen. Die von den Sachverständigen abgegebene Beurteilungen sind überzeugend, weil sie auf der Grundlage der anamnestischen Angaben des Klägers, den Regeln der medizinischen Wissenschaft und der Berücksichtigung der vorliegenden klinischen Untersuchungsbefunde sowie aller vorliegenden ärztlichen Unterlagen über den Gesundheitszustand des Klägers beruhen. Die Kammer schließt sich daher diesen schlüssigen Beurteilungen an.
Anlass für eine weitere Sachaufklärung, namentlich durch Einholung eines HNO-ärztlichen Gutachtens bestand nicht. Die Innenohrschwerhörigkeit des Klägers ist unbestritten. Wie schon bei Dr. E. erschien er auch zur mündlichen Verhandlung ohne Hörgeräte. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die vom Kläger hierfür geltend gemachte Mittelohrbelüftungsstörung einer fachärztlichen Behandlung zugänglich ist. Unabhängig davon war – wie auch bei Dr. E. mit erhobener Stimme und Blickkontakt – eine Verständigung problemlos möglich.
Die Kammer verkennt nicht, dass der Kläger durchaus vielfältig in seinem Leistungsvermögen begrenzt ist. Aus diesem Umstand allein ist jedoch ein Rentenanspruch noch nicht ableitbar. Insbesondere ist die Beklagte entgegen der Vorstellung beziehungsweise Erwartung des Klägers nicht verpflichtet, ihm eine zumutbare Verweisungstätigkeit zu benennen. Rechtssystematisch kommt bei dem hier vorliegenden Beweisergebnis eines noch vollschichtigen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes der allgemeine Erfahrungssatz des offenen Arbeitsmarktes (BSG SozR Nr. 59 zu § 1246 RVO) zum Tragen. Dieser Grundsatz besagt, dass es für Vollzeittätigkeiten in ausreichendem Umfang Arbeitsplätze gibt (BSGE 44, 39). Gründe für eine ausnahmsweise Benennungspflicht liegen nicht vor. Voraussetzung dafür wäre, dass der Kläger an einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung (z.B. Einarmigkeit) leidet, oder sein Leistungsvermögen durch eine Vielzahl ("Summierung") ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen geprägt und er deshalb überdurchschnittlich stark leistungsgemindert ist. Weder das eine, noch das andere liegt vor. Der Große Senat des BSG hat in seinem Beschluss vom 19.12.1996 (GS 1/95) beispielhaft zusammentreffende Leistungseinschränkungen wiedergegeben, die nach seiner Auffassung nicht zu einer konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit Anlass geben. Gemessen daran muss dem Kläger keine bestimmte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes als zumutbare Verweisungstätigkeit benannt werden. Denn von einer überdurchschnittlich starken Leistungseinschränkung oder einer schweren ungewöhnlichen Leistungsbehinderung (BSG a.a.O.) kann bei ihm nicht gesprochen werden. Der Kläger ist nicht voll erwerbsgemindert.
Da sich die angefochtenen Bescheide der Beklagten als rechtmäßig erwiesen haben, musste die Klage als unbegründet abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Erstellt am: 12.02.2018
Zuletzt verändert am: 12.02.2018