I. Die Klage gegen den Bescheid vom 11. April 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2017 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Krankengeld im Zeitraum vom 28.11.2016 bis 26.02.2017. Vom 16.11.2016 bis 14.12.2016 bestand beim Kläger der Versicherungsschutz in der Kranken- und Pflegeversicherung der Beklagten aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma J. GmbH D-Stadt. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis während der Probezeit am 12.12.2016 zum 14.12.2016. Seit 15.12.2016 besteht eine freiwillige Krankenversicherung.
Mit Bescheid vom 11.04.2017 stellte die Beklagte fest, dass kein Anspruch auf Krankengeld bestehe. Der Kläger sei vom 16.11.2016 bis 14.12.2016 bei der J. GmbH D-Stadt beschäftigt gewesen. Vom 28.11.2016 bis 16.12.2016 und vom 09.12.2016 bis 27.01.2017 habe er sich in stationärer Behandlung befunden. Bereits zuvor sei laut den vorliegenden Berichten vom 08.11.2016 und 10.11.2016 eine schwere maligne Lungenerkrankung ärztlich festgestellt und behandelt worden. Es habe deshalb bereits vor der Aufnahme der Arbeit objektiv Arbeitsunfähigkeit bestanden. Dies sei auch durch den MDK so bestätigt wurden. Der MDK hätte ausgeführt, dass das Krankheitsbild bereits vor dem 16.11.2016 zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe und demnach keine Zustandsänderung eingetreten sei. Es bestehe deshalb kein Anspruch auf Krankengeld.
Hiergegen erhob der Kläger durch seine Bevollmächtigten Widerspruch. Die Bevollmächtigten wiesen darauf hin, dass bekanntlich für den Zeitraum vor der Aufnahme der Tätigkeit bei der Firma keine Arbeitsunfähigkeit attestiert worden sei. Es sei aus den Arbeitsnachweisen ersichtlich, dass der Kläger bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit vollschichtig tätig war. Es habe daher keine objektive Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Die Feststellung eines Karzinoms bedeute nicht automatisch, dass auch Arbeitsunfähigkeit vorlag. Der Rückschluss sei daher falsch. Unabhängig hiervon käme es darauf auch nicht an. Es wurde auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29.09.1998, B1 KR 10/96 R, hingewiesen. In diesem Urteil bringe das BSG ganz klar zum Ausdruck, dass bei einer tatsächlichen Arbeitsaufnahme es keine Rolle spiele, ob derjenige, der die Arbeit aufgenommen hat, objektiv arbeitsunfähig war. Nur Missbrauchsfälle würden anders beurteilt. Für einen solchen Fall gebe es jedoch beim Kläger keine Anhaltspunkte. Die Beklagte holte im Mai 2017 eine Stellungnahme des MDK ein. Dieser teilte mit, dass auch aus zweitgutachterlicher Sicht unter Berücksichtigung der Diagnosen sowie der daraus resultierenden körperlichen Beschwerden die Aufnahme einer vollschichtigen Tätigkeit ab 16.11.2016 nicht möglich gewesen wäre. Es habe unter objektiver Betrachtung bereits vor der Beschäftigungsaufnahme Arbeitsunfähigkeit für eine vollschichtige Tätigkeit bestanden. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Beschwerden am 28.11.2016 akut verschlimmert hätten.
Die Klägerbevollmächtigen machten geltend, dass der Widerspruch nicht zurückgenommen werde. Der Kläger habe im Zeitraum vom 16.11.2016 bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 28.11.2016 keine Schmerzen gehabt, die ihn von der Ausübung der Tätigkeit abgehalten hätten. Außerdem sei erst ab dem 28.11.2016 Arbeitsunfähigkeit attestiert worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2017 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Nach § 44 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei Voraussetzung für den Krankengeldanspruch, dass die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig mache. Die Voraussetzung der Zustandsänderung bedeute faktisch, dass eine Änderung im bisherigen Leistungsvermögen des Versicherten eintreten muss. Die Zustandsänderung erfordere ein Ereignis, aufgrund dessen die bisherige Arbeit nicht mehr weiter ausgeübt werden kann, insoweit wurde auf ein Urteil des BSG vom 19.06.1963 verwiesen. Insoweit folge auch aus dem Urteil des BSG vom 16.05.1972, dass eine Arbeitsunfähigkeit nicht eintreten kann, wenn sie schon bestanden habe. D.h. die Voraussetzung der Zustandsveränderung bedeute faktisch, dass eine Änderung im bisherigen Leistungsvermögen des Versicherten eintreten muss. Nach den vorliegenden Unterlagen und den MDK-Stellungnahmen sei die Krankheit des Klägers nicht am 28.11.2017 eingetreten. Unter objektiver Betrachtung habe schon vor Beschäftigungsaufnahme Arbeitsunfähigkeit bestanden. Es fehle somit am Merkmal der Zustandsänderung, Arbeitsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne liege daher nicht vor. Ab dem 28.11.2017 bestünde daher kein Anspruch auf Krankengeld.
Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht. Entgegen der Behauptung der Beklagten habe der Kläger im Zeitraum vom 16.11.2016 bis zum 27.11.2016 keine Schmerzen gehabt. Dies werde auch dadurch belegt, dass der Kläger im Zeitraum vom 16.11.2016 bis 27.11.2016 vollschichtig tätig sein konnte. Die Beklagte schließe daher in unzulässiger Weise aufgrund des Vorliegens einer Grunderkrankung auf eine generell daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit. Im Übrigen wurde auf die Widerspruchsbegründung verwiesen.
Das Sozialgericht zog Befunde der behandelnden Ärzte bei. Die Klägerbevollmächtigen teilten mit, dass Krankengeld vom 28.11.2016 bis aktuell geltend gemacht werde. Der Kläger sei seit dem 28.11.2016 durchgehend arbeitsunfähig gewesen. Die Klägerbevollmächtigten machten geltend, dass aus dem Bericht der vom 20.12.2016 hervorgehe, dass dort nicht erwähnt wird, dass der Kläger Schmerzen hätte. Es seien vom 05.12.2016 bis 06.12.2016 offensichtlich Untersuchungen durchgeführt worden, jedoch nicht aufgrund von akuten Schmerzen des Klägers. Aus dem Bericht der Fachklinik M.-G. vom 27.01.2017 ergebe sich, dass sich der Kläger dort vom 09.12.2016 bis 27.01.2017 aufgehalten habe. Die Klinik berichte, dass der Kläger aktuell keinerlei pulmonale Symptomatik habe, Gewichtsverlust und Fieber würden verneint. Dies zeige daher, dass der Kläger vom 16.11.2016 bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Dezember 2016 seine Tätigkeit ausüben konnte, da er keine Schmerzen hatte und deswegen arbeitsfähig war.
Anschließend machten die Klägerbevollmächtigen geltend, dass die Beklagte davon ausgehe, dass der Kläger ab dem 28.11.2016 arbeitsunfähig gewesen sei. Eine AU-Bescheinigung ab diesem Zeitpunkt liege jedoch nicht vor. Man habe dies lediglich den Ausführungen der Beklagten entnommen und sei davon ausgegangen, dass dies zutreffend sei. Man hätte nun jedoch eine Auskunft beim ehemaligen Arbeitgeber eingeholt. Der Arbeitgeber habe bestätigt, dass der Kläger vom 28.11.2016 bis 07.12.2016 gearbeitet habe und erst ab 08.12.2016 arbeitsunfähig war. Dies bedeute daher, dass der Kläger vom 16.11.2016 bis 07.12.2016 bei der Firma tätig war. Bekanntlich sei das Arbeitsverhältnis dann zum 14.12.2016 gekündigt worden. Da das Arbeitsverhältnis des Klägers am 14.12.2016 erst vier Wochen bestanden habe, habe die Firma noch für einen Tag Lohnfortzahlung geleistet, daher werde nun Krankengeld für den Zeitraum vom 08.12.2016 bis zum 13.12.2016 und vom 15.12.2016 bis aktuell beantragt.
Das Sozialgericht holte ein internistisches Gutachten von Herrn Dr. G. nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach ambulanter Untersuchung des Klägers ein. Dieser kam in seinem Gutachten zum Ergebnis, dass am 08.12.2016 beim Kläger ein persistierender trockener Husten vorlag, Dyspnoe oder sonstige Symptome, insbesondere eine so genannte B-Symptomatik (Fieber, Nachtschweiß, Schüttelfrost oder Ähnliches) seien verneint worden. Hinsichtlich des allgemeinen Arbeitsmarktes bestünde seit dem 09.12.2016 bis zum jetzigen Zeitpunkt ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden täglich. Auch bezüglich der zuletzt ausgeübten Tätigkeit bestehe aufgrund der Gesundheitsstörungen ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden. Der Auffassung des MDK hinsichtlich des Datums des Eintretens der Arbeitsunfähigkeit sei nicht zu folgen. Arbeitsunfähigkeit habe vom 05. bis 06.12.2016 bestanden und dann wieder ab 09.12.2016. Gemäß Arbeitsnachweis habe der Kläger am 07.12.2018 gearbeitet. Der Kläger habe nach Angaben vor Eintreten der Arbeitsunfähigkeit unter einem trockenen Husten gelitten, jedoch keiner Symptomatik, welche die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt hätte. Dass später eine Krebserkrankung und eine Tuberkulose diagnostiziert worden seien, sei dem Kläger zuvor nicht bekannt gewesen. Der Kläger habe in dieser Zeit auch gearbeitet, wie die vorliegenden Arbeitsnachweise belegen würden.
Das Gericht bat Herrn Dr. G. anschließend um eine ergänzende Stellungnahme. Dieser teilte daraufhin mit, dass eine Leistungsunfähigkeit von unter sechs Stunden am allgemeinen Arbeitsmarkt auch schon für den 08.12.2016 angenommen werden kann, auch wenn dieser durch entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht belegt ist. Herr Dr. G. teilte abschließend mit, dass er davon ausgehe, dass der Kläger am 16.11.2016 noch ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bzw. im zuletzt ausgeübten Beruf aufwies. Post hoc sei bei dem Kläger zwar eine Lungentuberkulose und ein Lungenkrebs festgestellt worden, jedoch habe der Kläger bei der gutachterlichen Befragung schlüssig dargelegt, dass er im November lediglich unter einem leichten Husten gelitten habe, der ihn nicht in seiner Arbeitsfähigkeit beeinflusst habe. Dass er später eine schwerwiegende Diagnose erhalten würde, konnte er vorher nicht wissen.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des MDK ein und machte geltend, dass der MDK dem Gutachter Herrn Dr. G. widerspreche. Es habe bereits vor dem 16.11.2018, d.h. der Beschäftigungsaufnahme, Arbeitsunfähigkeit gemäß § 2 Abs. 1 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie bestanden. Bei der Schwere der Erkrankung, der Symptomatik und den Anforderungen der Tätigkeit bestand die erhebliche Gefahr der Zustandsverschlechterung bzw. Verschlimmerung durch die Aufnahme der Tätigkeit. Anhand der Arbeitsplatzbeschreibung habe es sich um eine körperlich belastende Tätigkeit gehandelt, das Thorax-CT am 10.11.2016 ergab bereits den dringenden Verdacht eines bösartigen Lungentumors mit Verdacht auf Metastasen. In der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie heißt es, dass Arbeitsunfähigkeit auch dann vorliegt, wenn aufgrund eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich allein noch keine Arbeitsunfähigkeit bedingt, absehbar ist, dass aus der Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit oder die Gesundung abträgliche Folgen erwachsen, die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar hervorrufen. Das Vorliegen einer so genannten B-Symptomatik gelte als prognostisch ungünstiges Zeichen. Aus der Aufnahme einer körperlich schweren Arbeit mussten folglich für die Gesundheit abträgliche Folgen erwachsen. Die Beklagte vertrete daher nach wie vor die Auffassung, dass Arbeitsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne nicht am 28.11.2017 eingetreten ist, sondern diese bereits vorher zumindest seit 08.11.2016, also vor Beginn der Beschäftigung vorlag. Es bestehe daher kein Anspruch auf Krankengeld ab 28.11.2017.
Das Gericht bat Herrn Dr. G. mit Schreiben vom 21.06.2018 um ergänzende Stellungnahme. Insoweit wurde darauf hingewiesen, dass Arbeitsunfähigkeit auch schon dann besteht, wenn der Versicherte der Erwerbstätigkeit nur auf die Gefahr hin nachgehen kann, seinen Zustand zu verschlimmern oder wenn bei Fortsetzung der Erwerbstätigkeit eine Verschlimmerung in absehbar naher Zeit droht. Dabei dürfe nur durch die weitere Erwerbstätigkeit hervorgerufene Verschlimmerung berücksichtigt werden, eine Verschlimmerung der Krankheit als solche wäre unberücksichtigt zu lassen.
Herr Dr. G. teilte in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.07.2018 daraufhin mit, dass medizinischerseits davon auszugehen sei, dass schon vor der Beschäftigungsaufnahme am 16.11.2016 die Gefahr bestand, dass durch die Aufnahme der Tätigkeit eine Verschlimmerung der Erkrankung drohen könnte. Allerdings habe dies der Kläger aufgrund der geringen Deutschkenntnisse nicht erkennen können, er habe insoweit im guten Glauben gehandelt, am Wahrheitsgehalt seiner Schilderung habe er keinen Zweifel.
Die Klägerbevollmächtigten machten geltend, dass in der durch das Gericht eingeholten Arbeitgeberauskunft von einer leichten Tätigkeit gesprochen werde. Der Kläger sei in der Lebensmittelherstellung als Helfer beschäftigt gewesen, im Fragebogen seien leichte Tätigkeiten angekreuzt worden, außerdem in wechselnder Körperhaltung. Daher müsse schon näher begründet werden, warum aus medizinischer Sicht eine leichte Tätigkeit die Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung im Zeitraum vom 16.11.2016 bis zum Ende der tatsächlichen Tätigkeit des Klägers bedeutet hätte. Es müsse auch erläutert werden, warum die beim Kläger diagnostizierte Krebserkrankung sich unabhängig von ihrer normalen Verschlimmerung durch die leichte Tätigkeit zusätzlich verschlimmert hätte. Die bisherigen Ausführungen des Sachverständigen seien relativ pauschal gehalten, ohne nähere Erläuterung.
Das Gericht bat Herrn Dr. G. daraufhin um ergänzende Stellungnahme. Dieser führte aus, dass sich seine Angaben zuletzt nicht so sehr auf die Tumorerkrankung, sondern auf die gleichzeitig bestehende offene Lungentuberkulose bezogen hätten, durch körperliche Belastung bei einer Tätigkeit könnte der Krankheitsverlauf negativ beeinflusst werden, insoweit verwies er auf eine Literaturstelle.
Der Klägerbevollmächtigte machte daraufhin geltend, dass die Tuberkulose am 12.12.2016 mikroskopisch gesichert worden sei. Durch Herrn Dr. G. und die behandelnden Ärzte sei keine Aussage getroffen worden, ob die Tuberkulose schon bei Arbeitsbeginn, d.h. am 16.11.2016 vorhanden war. Außerdem sei durch Herrn Dr. G. nicht berücksichtigt worden, dass der Kläger nur leichte Tätigkeiten ausüben musste, die ergänzende Stellungnahme von Herrn Dr. G. sei daher nicht überzeugend. Es sei daher nicht nachgewiesen, dass die Gefahr der Verschlimmerung der Tuberkulose durch die Arbeit gegeben war, die bloße Möglichkeit der Gefahr der Verschlechterung sei nicht ausreichend, dies gehe zulasten der Beklagten.
Die Internistische Praxis in D-Stadt teilte mit, das von ihnen Arbeitsunfähigkeit vom 27.01.2017 bis 26.02.2017 bescheinigt worden war.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 11.04.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2017 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 28.11.2016 bis 26.02.2017 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die vorliegenden Akten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerechte Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 11.04.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides zum 02.08.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat in dem geltend gemachten Zeitraum keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von Krankengeld.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte nicht der Vollbeweis erbracht werden, dass eine Zustandsveränderung eingetreten ist, d.h. das nach Beschäftigungsbeginn am 16.11.2016 eine Zustandsänderung und damit Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist. Das Gericht stützt sich dabei auf die schlüssigen und überzeugenden Ausführungen von Herrn Dr. G. Dieser hat den Kläger ambulant untersucht und die vorliegenden Befunde und den medizinischen Sachverhalt umfassend ausgewertet und gewürdigt. Die Ausführungen des Gutachters sind nach Auffassung des Gerichts nachvollziehbar und überzeugend. Das Gericht hat keine Bedenken, die Einschätzungen von Herrn Dr. G. seiner Beurteilung zugrunde zu legen.
Nach § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Reha-Einrichtung behandelt werden.
Nach § 2 Abs. 1 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie gilt Folgendes:
Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn Versicherte aufgrund von Krankheit ihre zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen können. Bei der Beurteilung ist darauf abzustellen, welche Bedingungen die bisherige Tätigkeit konkret geprägt haben. Arbeitsunfähigkeit liegt auch vor, wenn aufgrund eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich allein noch keine Arbeitsunfähigkeit bedingt, absehbar ist, dass aus der Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit oder die Gesundung abträgliche Folgen erwachsen, die die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar hervorrufen.
Aus der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie wird deutlich, dass Arbeitsunfähigkeit nicht nur bei demjenigen vorliegt, der momentan und akut unfähig ist, aufgrund von Krankheit seine bisherige Arbeit auszuüben. Vielmehr liegt Arbeitsunfähigkeit schon dann vor, wenn der Versicherte seiner Erwerbstätigkeiten nur auf die Gefahr hin nachgehen kann, seinen Zustand zu verschlimmern oder wenn bei Fortsetzung der Erwerbstätigkeit, eine Verschlimmerung in absehbarer Zeit droht. Bei der Prognose einer solchen Verschlimmerung darf nur die durch die weitere Erwerbstätigkeit hervorgerufene Verschlimmerung der Krankheit berücksichtigt werden, eine Verschlimmerung der Krankheit als solche in ihrer eigenen Entwicklung wäre unberücksichtigt zu lassen (§ 44 SGB V, Hauck/Noftz, SGB-V-Kommentar, Rn. 52). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Übergang von Arbeitsfähigkeit zur Arbeitsunfähigkeit eine Änderung des bisherigen Zustandes voraussetzt. Dies ergibt sich auch aus § 44 Abs. 1 SGB V, wo es heißt, dass die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht. Die Voraussetzung der Zustandsänderung bedeutet daher, dass eine Änderung im bisherigen Leistungsvermögen des Versicherten eintreten muss (§ 44 SGB V Hauck/ Noftz, SGB-V-Kommentar, Rn. 45, 46, BSG vom 19.06.1963).
Vor diesem Hintergrund ergibt sich im Fall des Klägers Folgendes:
Herr Dr. G. kam zwar zum Ergebnis, dass der Kläger zu Beschäftigungsbeginn am 16.11.2016 noch ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen in seinem zuletzt ausgeübten Beruf aufwies. Allein dies bedeutet jedoch nicht, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine Arbeitsunfähigkeit vorlag. Wie bereits ausgeführt, liegt Arbeitsunfähigkeit auch schon dann vor, wenn aufgrund eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich allein noch keine Arbeitsunfähigkeit bedingt, absehbar ist, dass aus der Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit oder die Gesundung erträgliche Folgen erwachsen, die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar hervorrufen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie).
Insoweit kam Herr Dr. G. überzeugend zum Ergebnis, dass schon vor der Beschäftigungsaufnahme am 16.11.2016 die Gefahr bestand, dass durch die Aufnahme der Tätigkeit eine Verschlimmerung der Erkrankung drohen könnte. Insoweit ist das Gericht der Auffassung, dass eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie schon vor dem 16.11.2016 bestand. Dass der Kläger dies nicht hätte erkennen können, wovon Herr Dr. G. ausgeht, ist insoweit nicht relevant. Es kommt allein darauf an, ob objektiv gesehen schon vor der Beschäftigungsaufnahme Arbeitsunfähigkeit bestand. Insoweit konnte daher nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen werden, dass nach Beschäftigungsaufnahme eine Zustandsänderung und Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, sondern vielmehr ist nach Auffassung des Gerichts bereits vor Beschäftigungsaufnahme eine Arbeitsunfähigkeit gegeben gewesen. D.h., dass angesichts der vorliegenden Befunde und den Anforderungen der Tätigkeit als Helfer im Lebensmittelbereich davon auszugehen ist, dass durch die Aufnahme der Tätigkeit eine Gefahr der Verschlimmerung bestanden hat.
Insoweit sind zunächst die Anforderungen der Arbeitstätigkeit des Klägers zu berücksichtigen. Nach Auskunft des Arbeitgebers handelte es sich zwar um eine "leichte Tätigkeit", der Arbeitgeber gab jedoch auch an, dass die Tätigkeit zu 100 % im Stehen erfolgte, in Schicht und Nachtarbeit und Wechselschicht, in wechselnder Körperhaltung und an laufenden Maschinen.
Vor diesem Hintergrund geht das Gericht davon aus, dass es sich um eine anstrengende Tätigkeit handelte, bei deren Aufnahme die Gefahr bestand, dass sich durch die Tätigkeit die Erkrankung verschlimmert. Insoweit überzeugt es nicht, dass der Klägerbevollmächtigte allein darauf abstellt, es habe sich um eine "leichte Tätigkeit" gehandelt. Insoweit werden die anderen genannten Anforderungen, die sich aus der Arbeitgeberauskunft ergeben, unberücksichtigt gelassen. Gerade diese anderen Anforderungen zeigen jedoch, dass es sich um eine belastende Tätigkeit gehandelt hat.
Des Weiteren sind auch die Befunde zu berücksichtigen, die für den Zeitraum vor dem 16.11.2016 vorliegen.
Aus dem Befundbericht von Dr. C. ergibt sich, dass dort die Erstvorstellung am 08.11.2016 erfolgte nach einer ambulanten Erstvorstellung im Krankenhaus D-Stadt am 07.11.2016. Der Kläger habe Brustschmerzen hinter dem Brustbein in den Rücken ausstrahlend beklagt. Am 10.11.2016 sei eine CT-Untersuchung des Brustkorbes erfolgt, das den dringenden Verdacht eines bösartigen Lungentumors mit Verdacht auf Metastasen ergeben habe. Aus dem Befundbericht der lässt sich entnehmen, dass eine notfallmäßige Vorstellung am 07.11.2016 dort erfolgt war aufgrund retrosternaler Schmerzen, die seit ca. zehn Tagen bestanden hätten und bis in den Rücken ausstrahlten. In den letzten drei bis vier Nächten sei es zudem zu starkem Husten mit Auswurf gekommen, dieser zeigte sich bräunlich tingiert, Fieber habe nicht bestanden. Laborchemisch seien die Entzündungswerte dezent erhöht gewesen. Aus dem Befund von Herrn Dr. R. ergibt sich, dass eine Behandlung u.a. am 15.11.2016 erfolgt sei, der Patient habe etwas Husten geschildert und habe Nachtschweiß und Hämoptysen verneint.
Insgesamt ergibt sich aus den vorliegenden Befunden vor dem Zeitraum des Beschäftigungsbeginns am 16.11.2016, dass der Kläger bereits in ärztlicher Behandlung war und Beschwerden beklagt hatte. Insbesondere aus dem Bericht über die Notfallbehandlung in der am 07.11.2016 lässt sich entnehmen, dass der Kläger bereits damals klagte, seit ca. zehn Tagen retrosternale Schmerzen zu haben, die bis in den Rücken ausstrahlten.
Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich aus den Ausführungen von Herrn Dr. G. und aus den Befunden der behandelnden Ärzte, dass durch die Aufnahme der Tätigkeit die Gefahr der Verschlimmerung bestand und somit bereits vor Beschäftigungsaufnahme Arbeitsunfähigkeit vorlag. Dass der Kläger dies nicht erkennen konnte, worauf auch der Gutachter Herr Dr. G. hingewiesen hatte, ist nicht relevant. Es kommt allein darauf an, ob objektiv die Gefahr bestand, dass durch die Aufnahme der Tätigkeit eine Verschlimmerung der Erkrankung drohte. Zwar ist zutreffend, dass erst am 12.12.2016 mikroskopisch, molekularpathologisch und kulturell eine Lungentuberkulose nachgewiesen werden konnte. Aus dem Befund der ergibt sich außerdem, dass am 05. bzw. 06.12.2016 in der PCR ein positiver Tuberkulosenachweis geführt wurde. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei einer Tuberkulose die durchschnittliche Inkubationszeit sechs bis acht Wochen beträgt (Information des Robert-Koch-Instituts unter www.rki.de). Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Gerichts aufgrund der Befunde der behandelnden Ärzte und der Ausführung von Herrn Dr. G. nicht mit Vollbeweis nachgewiesen, dass erst nach Beschäftigungsaufnahme eine Zustandsänderung eingetreten ist, so dass die Voraussetzungen nach § 44 SGB V nicht erfüllt erscheinen.
Soweit der Klägerbevollmächtigte einwendet, dass laut Herrn Dr. G. die von ihm angesprochene Gefahr sich nicht auf die Tumorerkrankung bezog, sondern auf die offene Lungentuberkulose, ist festzustellen, dass Herr Dr. G. dies so nicht mitgeteilt hat. Herr Dr. G. hat in seiner letzten ergänzenden Stellungnahme vom 25.08.2018 mitgeteilt, dass sich die von ihm angesprochene Gefahr "nicht so sehr" auf die Tumorerkrankung, sondern auf die gleichzeitig bestehende offene Lungentuberkulose bezogen habe. Nach Auffassung des Gerichts hat Herr Dr. G. damit mitgeteilt, dass sich die Gefahr mehr auf die gleichzeitig bestehende offene Lungentuberkulose bezogen hat, d.h. die Gefahr resultierte mehr bezüglich der Lungentuberkulose und nicht so sehr auf die Tumorerkrankung. Dass die Tumorerkrankung jedoch überhaupt keine Rolle spielte, ergibt sich jedoch so aus der ergänzenden Stellungnahme von Herrn Dr. G. nicht.
Soweit der Klägerbevollmächtigte außerdem einwendet, dass die Tuberkulose durch ein Initialsputum vom 12.12.2016 erst mikroskopisch und mit molekularpathologischen Untersuchungen gesichert gewesen sei und weder durch den Gutachter bzw. die behandelnden Ärzte eine Aussage getroffen sei, ob die Tuberkulose bereits am 16.11.2016 vorhanden war, ist Folgendes zu berücksichtigen: Zwar ist zutreffend, dass eine Tuberkulose erst mikroskopisch am 12.12.2016 nachgewiesen wurde, jedoch sind zum einen die bereits genannten Befunde und Beschwerden des Klägers im Zeitraum vor dem 16.11.2016 zu berücksichtigen. Allein diese Befunde belegen nach Auffassung des Gerichts, dass eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie bereits vor dem 16.11.2016 bestand, insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass bei einer Tuberkulose von einer durchschnittlichen Inkubationszeit von sechs bis acht Wochen auszugehen ist (vgl. die Informationen des Robert-Koch-Instituts unter www.rki.de). Ausgehend hiervon ist anzunehmen, dass die Tuberkulose bereits vor dem 16.11.2016 bestand.
Soweit der Klägerbevollmächtigte einwendet, Herr Dr. G. habe ausgeführt, dass es möglich sei, dass schon vor der Beschäftigungsaufnahme am 16.11.2016 eine Gefahr bestanden hätte, dass sich die Krankheit des Klägers durch die Aufnahme der Tätigkeit verschlimmern könnte und eine bloße Möglichkeit der Gefahr nicht ausreiche, sondern dies zulasten der Beklagten gehe, ist Folgendes festzustellen:
Der Kläger hat die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen im Sinne von § 44 SGB V. D.h., er trägt auch die Beweislast dafür, dass eine Arbeitsunfähigkeit erst nach Beschäftigungsbeginn eingetreten ist, d.h. er hat die Beweislast dafür, dass eine Zustandsveränderung nach Beschäftigungsaufnahme eingetreten ist. Insoweit hat er den Vollbeweis zu erbringen. Der Vollbeweis erfordert, dass die Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Diesen Vollbeweis kann der Kläger vorliegend jedoch nicht erbringen, da aufgrund der vorliegenden Befunde im Zeitraum vor dem 16.11.2016 und der ausgeübten Arbeitstätigkeit des Klägers vielmehr davon auszugehen ist, dass durch die Arbeitsaufnahme die Gefahr der Verschlimmerung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie bestand. Aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Gutachters Herrn Dr. G. konnte daher eine Zustandsänderung erst nach Beschäftigungsbeginn nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen werden. Etwaige Unsicherheiten gehen daher nicht zulasten der Beklagten, sondern zulasten des Klägers.
Selbst wenn man der Auffassung wäre, dass die Beklagte die Beweislast dafür trägt, dass eine Arbeitsunfähigkeit schon vor der Beschäftigungsaufnahme am 16.11.2016 vorlag, ist nach Auffassung des Gerichts der Vollbeweis erbracht, dass eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie schon vor der Beschäftigungsaufnahme am 16.11.2016 vorlag. Dies ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen von Herrn Dr. G … Dieser hatte in seiner Stellungnahme vom 12.07.2018 ausgeführt, dass schon vor der Beschäftigungsaufnahme eine Gefahr bestanden habe, dass durch die Aufnahme der Tätigkeit eine Verschlimmerung der Erkrankung drohen könnte. Daraus ergibt sich nach Auffassung des Gerichts eindeutig, dass die Gefahr der Verschlimmerung durch die Aufnahme der Tätigkeit bestand. Soweit Herr Dr. G. dann in seiner Stellungnahme vom 25.8.2018 ausführt, dass er bereits in seiner letzten Stellungnahme ausgeführt habe, es sei möglich, dass schon vor der Beschäftigungsaufnahme eine Gefahr der Verschlimmerung bestanden habe, ergibt sich hieraus keine andere Beurteilung. Allein aus der Formulierung, dass die Möglichkeit einer Gefahr der Verschlimmerung durch Aufnahme der Tätigkeit bestand, ergibt sich keine andere Beurteilung. Auch insoweit ist nach Auffassung des Gerichts der Vollbeweis dafür erbracht, dass eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Arbeitsrichtlinie schon vor Beschäftigungsaufnahme bestand, weil die Gefahr, also die Möglichkeit bestand, dass durch die Aufnahme der Tätigkeit eine Verschlimmerung der Erkrankung eintritt.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass bezüglich des Zeitraums vom 28.01.2017 bis 26.02.2017 ein Anspruch auf Krankengeld bereits daran scheitern würde, dass der Beklagten hier keine AU-Bescheinigung vorliegt.
Nach alledem war die Klage unbegründet und daher abzuweisen.
Folglich sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten, § 193 SGG.
Erstellt am: 09.11.2020
Zuletzt verändert am: 09.11.2020