I. Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, an die Klägerin 1.615,96 EUR zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 27. Dezember 2019.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte zu 2 trägt die Kosten des Verfahrens.
IV. Der Streitwert wird auf 1.615,96 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist weitere Vergütung für einen Krankenhausaufenthalt nach Wechsel der Krankenkasse.
Der 1926 geborene C. war bis 31.01.2015 bei der Beklagten zu 1 gesetzlich krankenversichert, seit 01.02.2015 bei der Beklagten zu 2. Die Klägerin behandelte ihn stationär im Zeitraum vom 16.01.2015 bis 04.02.2015. Die Rechnung vom 24.03.2015 führt nach DRG die Fallpauschale F56B (perkutane Koronarangioplastie mit hochkomplexer Intervention, ohne bestimmte hochkomplexe Intervention, ohne äußerst schwere CC oder Kryoplastie) auf sowie ein tagesbezogenes Entgelt vom 25.01.2015 bis 03.02.2015 bei Überschreitung der Grenzverweildauer. Unter Berücksichtigung verschiedener Systemzuschläge sowie abzüglich der Selbstbeteiligung ergab sich ein Zahlbetrag von 6.755,05 EUR.
Die Rechnung übersandte die Klägerin, ebenso wie Aufnahmeanzeige und Entlassungsanzeige an die Beklagte zu 1. Bereits am 21.01.2015 war der Klägerin per DTA von der Beklagten zu 1 mitgeteilt worden, dass die Kosten aufgrund eines Kassenwechsels nur bis zum 31.01.2015 übernommen werden könnten. Nach Eingang der Rechnung teilte die Beklagte zu 1 der Klägerin erneut mit, dass die Kosten nur bis zum 31.01.2015 übernommen werden könnten, und gab die Rechnung taggleich zurück mit der Bitte, eine anteilige Rechnung zu übermitteln. Daraufhin erfolgte keine Reaktion der Klägerin. Schließlich nahm die Beklagte zu 1 am 10.03.2016 eine anteilige Zahlung in Höhe von 5.139,09 EUR vor, ohne dass eine anteilige Rechnungstellung von der Klägerin erfolgt war. Erst am 16.12.2019 trat die Klägerin wieder mit der Beklagten zu 1 in Kontakt um zu klären, ob noch eine Zahlung für den Zeitraum vom 01.02.2015 bis 03.03.2015 möglich sei, was jedoch abgelehnt wurde.
Mit Schreiben vom 11.12.2019 wandte sich die Klägerin an die Beklagte zu 2 und bat um Zahlung. Aus systemtechnischen Gründen sei eine Aufteilung der Behandlungskosten bzw. entsprechende Übermittlung per Datenträgeraustausch nicht möglich. In der Anlage werde daher eine Kopie der Rechnung an die Beklagte zu 1 übersandt mit der Bitte, den noch ausstehenden Betrag in Höhe von 1.615,96 EUR zu erstatten. Die Beklagte zu 2 nahm keine Zahlung vor und vermerkte auf dem Schreiben, dass die Beklagte zu 1, wenn ein Erstattungsanspruch entstanden sei, diesen geltend machen müsse. Ein Erstattungsanspruch sei noch nicht entstanden, da der volle Rechnungsbetrag durch die Beklagte zu 1 nicht gezahlt worden sei.
Die Bevollmächtigten der Klägerin haben dann am 27.12.2019 sowohl gegen die Beklagte zu 1 als auch gegen die Beklagte zu 2 (Aktenzeichen S 12 KR 1023/19) beim Sozialgericht Augsburg gesondert Klage erhoben. Gegenüber beiden Beklagten wurde jeweils die Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.615,96 EUR geltend gemacht. Die Klageverfahren wurden mit Beschluss vom 26.05.2020 verbunden. Zur Begründung wurde mit der Klageschrift gegenüber der Beklagten zu 2 geltend gemacht, dass die Fallpauschale nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14.10.2014 – B 1 KR 18/13 R – aufzuteilen und ab dem 01.02.2015 die Beklagte zu 2 Kostenschuldnerin sei. Demgegenüber hat die Beklagte zu 2 sich auf die Regelung in § 9 Satz 2 der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) berufen, wonach der gesamte Krankenhausaufenthalt bei Zuständigkeitswechsel mit dem Kostenträger abgerechnet werde, der am Tag der Aufnahme leistungspflichtig sei. Daher sei alleine die Beklagte zu 1 kostenpflichtig gewesen gegenüber der Klägerin. Richtigerweise sei die Rechnung an die Beklagte zu 1 übermittelt worden. Gegenüber der Beklagten zu 1 war zunächst keine Klagebegründung erfolgt. Diese hat sich auf das Urteil des BSG vom 14.10.2014 berufen, wonach alleine die Beklagte zu 2 zur Kostentragung zu verurteilen sei. Sinngemäß wird unter Zitierung des BSG-Urteils geltend gemacht, dass § 9 FPV dem nicht entgegenstehe. Die Beklagte zu 2 ist dagegen der Auffassung, dass sich das Urteil des BSG vom 14.10.2014 mit einer Rechtslage im Jahr 2005 befasst habe, hier jedoch die Behandlung 10 Jahre später erfolgt sei, und daher eine zwischenzeitlich veränderte Rechtslage zu würdigen.
Die Klägerbevollmächtigten beantragen,
1. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.615,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29.03.2015 zu zahlen.
2. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.615,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte zu 1 beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 2 beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Akte der Beklagten zu 2 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das angerufene Gericht ist gemäß §§ 57 Abs. 1, 51 Abs. 1, 8 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Entscheidung des Rechtsstreits örtlich und sachlich zuständig. Die formgerecht erhobene Leistungsklage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten zu 2 einen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung in Höhe von noch 1.615,96 EUR für Krankenhausbehandlung des Versicherten C. aus der nur teilweise durch die Beklagte zu 1 beglichenen Rechnung vom 24.03.2015 für dessen Krankenhausaufenthalt vom 16.01.2015 bis 04.02.2015.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruches eines zugelassenen Krankenhauses für die stationäre Behandlung ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i. V. m. der Pflegesatzvereinbarung, da wegen der Vertragskündigung für Bayern ein Vertrag gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V zur Regelung der allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung einschließlich Aufnahme und Entlassung der Versicherten, Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte, Berichte und Bescheinigungen in den Jahren nicht existent war. Zwischen den Beteiligten sind Höhe und Berechtigung der Rechnung für den Krankenhausaufenthalt des Versicherten C. an sich nicht streitig. Streitig ist alleine, ob die Beklagte zu 1 oder die Beklagte zu 2 gegenüber der Klägerin zur Zahlung einer Restvergütung für den Zeitraum vom 01.02.2015 bis 04.02.2015 verpflichtet ist.
Die der Klägerin zustehende Krankenhausvergütung bemisst sich nach Fallpauschalen gemäß § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG). Abgerechnet wurde nach DRG die Fallpauschale F56B.
Die FPV 2015 regelt in § 9 einen Kostenträgerwechsel wie folgt: "Vorbehaltlich einer anderweitigen gesetzlichen Regelung gilt: Tritt bei Fallpauschalenpatienten während der stationären Behandlung ein Zuständigkeitswechsel des Kostenträgers ein, wird der gesamte Krankenhausfall mit dem Kostenträger abgerechnet, der am Tag der Aufnahme leistungspflichtig ist. Tritt hingegen während der mittels tagesbezogener Entgelte nach § 6 Abs. 1 KHEntG sowie tagesbezogener teilstationärer Fallpauschalen vergüteten Behandlung ein Zuständigkeitswechsel des Kostenträgers ein, sind die Kosten der einzelnen Belegungstage mit dem Kostenträger abzurechnen, der am Tag der Leistungserbringung leistungspflichtig ist."
Diese Regelung des § 9 FPV 2015 führt jedoch nicht zu einer vollständigen Leistungspflicht der Beklagten zu 1, da die FPV nicht eine Vergütung zu Lasten der Krankenkasse regeln kann, obwohl mangels Mitgliedschaft des Patienten ein Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse ausgeschlossen ist. Das Gericht stützt sich dabei auf die Entscheidung des BSG in seinem Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 18/13 R, das sich mit der inhaltsgleichen Regelung der FPV 2005 auseinandergesetzt hatte.
Es entspricht allgemeinen Grundsätzen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die Vergütung für eine mehrtägige Krankenhausbehandlung eines nur zeitweise Versicherten oder nach § 19 Abs. 2 SGB V Leistungsberechtigten hieran anknüpfend tagesbezogen zu bemessen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. BSGE 89, 86, 87 = SozR 3-2500 § 19 Nr. 4 S. 18; BSG SozR 3-2500 § 19 Nr. 3 S. 12 ff) hängt die Leistungspflicht der Krankenkasse für eine konkrete Behandlungsmaßnahme nicht von der Mitgliedschaft im Zeitpunkt des Versicherungsfalls, sondern von der Mitgliedschaft im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung ab. Nach § 19 Abs. 1 SGB V erlischt der Anspruch auf Leistungen mit dem Ende der Mitgliedschaft, soweit keine abweichenden Bestimmungen entgegenstehen.
Soweit das BSG in der Vergangenheit für Krankenhausbehandlung eine Durchbrechung dieses Grundsatzes für das 1996 geltende Recht angenommen hatte, weil es sich um eine "untrennbare Behandlungseinheit" handele (vgl. BSGE 89, 86, 88 ff = SozR 3-2500 § 19 Nr. 4 S. 19 f), hat es diese Rechtsprechung anlässlich des Streits über die Kostentragung für eine Krankenhausbehandlung in den Jahren 2000/2001 ausdrücklich aufgegeben und eine tagesbezogene Aufteilung von Fallpauschalen für rechtmäßig erachtet (BSG vom 19.09.2007 – B 1 KR 39/06 R = BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr. 4, RdNr. 14 ff). Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 14.10.2014 (B 1 KR 18/13 R = SozR-2500 § 19 Nr. 9) auch für nach dem KHEntgG mit Fallpauschalen (DRGs) abzurechnende Krankenhausleistungen daran festgehalten, dass sie nicht als eine "untrennbare Behandlungseinheit" anzusehen sind, sondern als teilbare Leistungen. Zwar bilden die nach Maßgabe des KHG und des KHEntgG getroffenen vertraglich vereinbarten Fallpauschalen für das Krankenhaus Abrechnungseinheiten. Die Vereinbarung von Fallpauschalen zwingt aber nicht dazu, sie im Rechtssinne für die Frage der Leistungszuständigkeit als untrennbare Einheit anzusehen. Vielmehr ist die Leistungszuständigkeit in Abhängigkeit von der tatsächlich für die Fallpauschale in Anspruch genommene Zahl der Krankenhaustage – pro rata temporis – aufzuteilen. Dies ermöglicht eine gerechte, klare, verwaltungspraktikable und leicht handhabbare Lastenverteilung (BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr. 4, RdNr. 15). Das BSG leitet diese Rechtsfolge aus der Regelung des § 19 SGB V im Zusammenspiel mit dem Regelungssystem der Krankenhausvergütung ab. Untergesetzliches Recht oder Vertragsrecht kann dieses zwingende Gesetzesrecht laut BSG vom 14.10.2014 – B 1 KR 18/13 R – nicht abändern.
Daher kann § 9 der FPV 2015, die für den streitigen Krankenhausaufenthalt heranzuziehen ist, nicht eine Vergütung zu Lasten der Beklagten zu 1 regeln, obwohl mangels Mitgliedschaft des Patienten nach dem 31.01.2015 ein Vergütungsanspruch ausgeschlossen ist. Eine solche Regelung würde gegen höherrangiges Recht verstoßen. Ein in der FPV geregelter Abrechnungsmodus zwingt nicht dazu, eine rechnerische Gesamtleistung, die sich auf die Zeit nach Beendigung der Mitgliedschaft erstreckt, auch hinsichtlich der Leistungszuständigkeit als Einheit zu behandeln. Vielmehr ist es rechtlich und tatsächlich – verwaltungspraktikabel – möglich, die Gesamtleistung einer mit einer Fallpauschale abzurechnenden Krankenhausbehandlung rechnerisch der Dauer der tatsächlich mit der Fallpauschale abgegoltenen Tage zuzuordnen und danach die Belastung zu berechnen, die aus der Leistungszuständigkeit des betroffenen Trägers für die damit erfassten Tage resultiert (vgl. BSG vom 19.09.2007 -B 1 KR 39/06 R = BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr. 4; BSG vom 14.10.2014 – B 1 KR 18/13 R = SozR-2500 § 19 Nr. 9).
Die Abrechnungsregelungen der FPV haben lediglich insoweit Bedeutung, als sie eine Rechtsgrundlage für den aufzuteilenden Gesamtbetrag bieten und vereinfachte kooperative Verfahren ohne Drittwirkung ermöglichen. Dort ist bestimmt, dass die Fallpauschalen jeweils von dem die Leistung erbringenden Krankenhaus nach dem am Tag der Aufnahme geltenden Fallpauschalen-Katalog und den dazu gehörenden Abrechnungsregeln abgerechnet werden (§ 1 Abs. 1 FPV). Die Regelung eines Zuständigkeitswechsels des Kostenträgers (§ 9 FPV) betrifft in diesem Sinne lediglich eine vereinfachende Abrechnungsmodalität ohne Regelungsgehalt für die Schuldnerschaft. Nicht das behandelnde Krankenhaus muss danach die gesamte Vergütung tageweise aufteilen, sondern den Kostenträger trifft diese technische Aufgabe, der am Tag der Aufnahme leistungspflichtig ist. Der Regelung kann aber nicht entnommen werden, dass der Klägerin trotz fehlender Leistungszuständigkeit der Beklagten ein Vergütungsanspruch für den gesamten Krankenhausaufenthalt zusteht. Die Bestimmung zeigt vielmehr, dass es sich bei den Fallpauschalen um einen bloßen Abrechnungsmodus handelt, der der numerischen Aufteilung – bei einem Wechsel des Kostenträgers etwa wegen eines Kassenwechsels – zugänglich ist (vgl. BSG vom 14.10.2014 – B 1 KR 18/13 R = SozR-2500 § 19 Nr. 9 Rz. 20, 21).
Hinsichtlich der Höhe des errechneten Restbetrages für den Zeitraum vom 01.02.2015 bis 04.02.2015 besteht Übereinstimmung zwischen den Beklagten. Obwohl die Beklagte zu 1 die ihr gemäß § 86 SGB X obliegende Verpflichtung, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetzbuch eng mit anderen Leistungsträgern zusammenzuarbeiten, dadurch verletzt hat, dass sie die Regelung des § 9 FPV 2015 ignoriert hat, wonach sie alleine zur Zahlung gegenüber der Klägerin verpflichtet und anschließend zu einer Aufteilung nach Mitgliedschaftszeiten und Geltendmachung des Erstattungsanspruches gegenüber der Beklagten zu 2 verpflichtet gewesen wäre, war aufgrund der obigen Ausführungen im Klageverfahren alleine die Beklagte zu 2 zur Zahlung des Restbetrages zuzüglich der Verzinsung ab Rechtshändigkeit, also 27.12.2019, wie beantragt, gegenüber der Klägerin zu verpflichten. Da der Klägerin kein weiterer Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 1 zusteht, steht ihr auch kein weiterer Zinsanspruch gegenüber der Beklagten zu 1 zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da die Beklagte zu 2 unterlegen ist, hat sie die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit dem Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Klagantrag eine bezifferte Geldleistung betraf, ist deren Höhe maßgebend (§ 53 Abs. 3 GKG). Dabei ist in entsprechender Anwendung von § 5 Zivilprozessordnung (ZPO) keine Zusammenrechnung der Anträge gegenüber der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 2 vorzunehmen, da es sich bei dem Betrag von 1.615,96 EUR um die Gesamtforderung gegenüber beiden Schuldnern handelt.
Erstellt am: 03.02.2021
Zuletzt verändert am: 03.02.2021