Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin über den 15.04.2001 hinaus bis zur Entscheidung in der Hauptsache (Az.: S 41 KR 292/01) als freiwilliges Mitglied in der Krankenversicherung zu führen. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten ist, die Antragstellerin weiterhin als ihr Mitglied zu führen.
Die Antragstellerin bezieht aufgrund eines Schulunfalls seit 1990 Verletztenrente in Höhe von … DM. Infolge des Unfalls leidet sie an schweren emotionalen und kognitiven sowie psychomotorischen Störungen.
Nach vorheriger Familienversicherung war die Antragstellerin ab dem 30.07.2000 freiwilliges Mitglied der Antragsgegnerin. Der monatliche Beitrag zur Krankenversicherung betrug … DM. Hinzu kommt der Pflegeversicherungsbeitrag. Beide Beiträge (Gesamthöhe: … DM) wurden von der Antragsgegnerin gemeinsam eingezogen und geltend gemacht. Dem Antrag der Antragstellerin entsprechend buchte die Antragsgegnerin die Beiträge jeweils vom Konto der Antragstellerin ab. Die Beiträge wurden zum 15. des Monats für den Vormonat fällig. Unstreitig zahlte die Antragstellerin die Beiträge für Februar und März 2001 zunächst nicht.
Mit Schreiben vom 20.03.2001 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf hin, dass sie den Beitrag für Februar noch nicht erhalten habe. Sie bat die Antragstellerin, dies innerhalb einer Woche nachzuholen. Ferner wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf hin, dass sie – die Antragsgegnerin – nach den gesetzlichen Vorschriften verpflichtet sei, die Versicherung der Antragstellerin zu beenden, wenn sie die Beiträge zweimal nacheinander am Zahltag nicht bezahle.
Hintergrund war, dass die Abbuchung für Februar 2001 zwar am 13.03.2001 vom Konto der Antragstellerin erfolgte, dieses jedoch keine ausreichende Deckung aufwies. Von daher erfolgte am 19.03.2001 die Beitragsrückbuchung. Zuzüglich Bankgebühren und Säumniszuschlägen betrug der rückständige Betrag für Februar … DM.
Mit Schreiben vom 30.03.2001 bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin erneut um sofortige Überweisung. Ferner solle die Antragstellerin daran denken, dass am 15.04.2001 der Beitrag für den Monat März fällig werde.
Sollten zwei Monate hintereinander die Beiträge nicht bezahlt werden, müsse man die freiwillige Versicherung beenden.
Am 18.04.2001 erließ die Antragsgegnerin unter der Überschrift "Beendigung Ihrer freiwilligen Mitgliedschaft" folgenden Bescheid: "Sie haben trotz Erinnerung zweimal nacheinander am Zahltag die fälligen Beiträge für Ihre freiwillige Mitgliedschaft nicht gezahlt. Nach § 191 Nr. 3 SGB V musste Ihre Mitgliedschaft leider am 15.04.2001 beendet werden.
Der Beitragsrückstand einschließlich Gebühren beträgt für die Zeit vom 01.02.2001 bis 15.04.2001 DM. Bitte zahlen Sie diesen Betrag innerhalb einer Woche auf eines unserer u.a. Konten ein. Sie vermeiden dadurch Vollstreckungsmaßnahmen und die damit verbundenen Kosten. Geben Sie uns bitte die Krankenversichertenkarte unverzüglich zurück."
In der anliegenden Beitrags- und Gebührenrechnung wurde der rückständige Betrag aufgeschlüsselt.
Mit Schreiben vom 27.04.2001 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr im Schreiben vom 18.04.2001 leider ein Fehler unterlaufen sei. Der Beitragsrückstand einschließlich Gebühren betrage nicht … DM, sondern … DM. Die Antragstellerin wurde erneut gebeten, die Krankenversichertenkarte unverzüglich zurückzugeben.
Dem ohne Rechtsmittelbelehrung ergangenem Bescheid vom 18.04.2001 widersprach die Antragstellerin am 22.06.2001. Es wurde beantragt, die Antragstellerin ab dem 15.04.2001 wieder als Mitglied zu führen. Das Konto sei am 15.03.2001 versehentlich nicht ausreichend gedeckt gewesen. Nach Mitteilung durch die Antragsgegnerin sei die Antragstellerin sofort zu ihrer Sparkasse gegangen und habe soviel Geld eingezahlt, dass das Konto die erforderliche Deckung aufgewiesen habe. Am 15.04.2001 hätte der Beitrag deshalb zweimal abgebucht werden können. Davon sei die Antragstellerin auch ausgegangen. Sie sei auch selbstverständlich davon ausgegangen, dass die AOK von der Abbuchungsermächtigung weiterhin Gebrauch mache. Einen gegenteiligen Hinweis habe die Antragstellerin auch nicht erhalten.
Dass die Antragsgegnerin gar nicht versucht habe, den Beitrag für März 2001 von ihrem Konto abzubuchen, habe die Antragstellerin nicht gewusst und daher schuldlos den zweiten Mitgliedsbeitrag nicht entrichtet. Der ausstehende Beitrag werde selbstverständlich unverzüglich nachgezahlt.
Mit Schreiben vom 03.07.2001 machte die Antragsgegnerin darauf aufmerksam, dass eine erneute Abbuchung aufgrund der hohen Rückbuchungsgebühren nicht getätigt werde, wenn im Vormonat der Beitrag nicht abgebucht werden konnte. Ein erneuter Abbuchungsauftrag sei von ihr, der Antragsgegnerin, nicht erteilt worden. Der Beitragsrückstand i. H. v. DM sei mit der Einzahlung von DM getilgt. Mit Schreiben vom 26.07.2001 berichtigte die Antragsgegnerin ihre Angaben dahingehend, dass der Beitragsrückstand nicht DM, sondern DM betragen habe. Auch dieses Versehen bitte man zu entschuldigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie meint, aus ihren Schreiben vom 20.03.2001 und 30.03.2001 sei für die Antragstellerin erkennbar gewesen, dass weitere Abbuchungen nicht erfolgen würden.
Zu Az. S 41 KR 292/01 wurde fristgerecht Klage auf Feststellung der weiterbestehenden Mitgliedschaft bei der Beklagten erhoben.
Am 18.12.2001 stellte die Antragstellerin den Antrag auf einstweilige Anordnung. Neben einer Wiederholung und Vertiefung des Vorbringens aus dem Vorverfahren weist die Antragstellerin darauf hin, dass sie auch angesichts ihrer gesundheitlichen Situation nicht in der Lage gewesen sei, angemessen auf die Schreiben der Antragsgegnerin zu reagieren. Sie treffe kein Verschulden an der Nichtzahlung. Ferner habe sie die rückständige Mitgliedsbeiträge mittlerweile vollständig gezahlt. Sie sei auch bereit, in Zukunft pünktlich zu zahlen. Im Übrigen sei sie, die Antragstellerin, dringend darauf angewiesen, krankenversichert zu sein. Sie habe in der Vergangenheit händeringend versucht, in eine andere Krankenkasse aufgenommen zu werden. Alle Krankenkassen, auch private, hätten ihre Aufnahme verweigert. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei daher geboten.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie als ihr Mitglied zu führen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuweisen.
Sie verweist auf die Begründung in ihrem Widerspruchsbescheid.
Hinsichtlich der begehrten weiteren Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung wurde das Verfahren mit Beschluss vom 08.01.2002 abgetrennt.
Wegen weitere Einzelheiten wird auf den Inhalt von Gerichts- und Verwaltungsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Gerichtsakte zu Az.: S 17 (23) U 91/95 Bezug genommen.
II.
Der Antrag unterfällt § 86 b Abs. 2 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG-Regelungsanordnung). Diese Vorschrift bestimmt: "Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands – in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eirte solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint".
Das hiemach erforderliche streitige Rechtsverhältnis besteht in dem umstrittenen Versicherungsverhältnis zwischen Antragstellerin und Antragsgegnerin. Hingegen liegt ein Fall des § 86 Abs. 1 SGG deshalb nicht vor, weil es sich um eine Verpflichtungssituation handelt. Denn begehrt und erforderlich ist ein positives Verhalten der Beklagten – nämlich die Weiterversicherung.
Der Antrag ist zulässig.
Der Antrag ist auch begründet. Denn die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Antragstellerin über den 15.04.2001 hinaus bis zur Entscheidung in der Hauptsache als freiwilliges Mitglied zu führen, ist zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Antragstellerin im Sinne des § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG nötig. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund bestehen. Ein Anordnungsgrund besteht, wenn die summarische Prüfung ergibt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die Antragstellerin auch über den 15.04.2001 hinaus freiwillig zu versichern. Dass ist dann der Fall, wenn die Antragsgegnerin zu Unrecht das Endender freiwilligen Mitgliedschaft zum 15.04.2001 festgestellt hat. Das aber ist der Fall. Die Antragsgegnerin hat zu Unrecht das Ende der freiwilligen Mitgliedschaft zum 15.04.2001 festgestellt. Dies ist schon deshalb so, weil die Antragsgegnerin selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 191 Nr. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die freiwillige Mitgliedschaft erst mit Ablauf des nächsten Zahltags hätten beenden dürfen. Denn diese Vorschrift bestimmt: "Die freiwillige Mitgliedschaft endet mit Ablauf des nächsten Zahltages, wenn für zwei Monate die fälligen Beiträge trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet wurden".
Zahltag ist der Tag, an dem die monatlichen freiwilligen Beiträge fällig werden. Fälligkeit trat jeweils am 15. des Folgemonats ein. Nächster Zahltag ist der Tag, an dem die Beiträge für den Monat fällig werden, der auf die beiden nicht gezahlten Beitragsmonate folgt. Das aber ist der 15.05.2001 für den Monat April 2001 – / und nicht der 15.04.2001. Schon von daher hätte die Antragsgegnerin keinesfalls die Mitgliedschaft zum 15.04.2001 beenden dürfen.
Im Übrigen wurde die Beitragszahlung für zwei Monate nicht "trotz Hinweises auf die Folgen" versäumt. Denn dies impliziert, dass für die Beitragszahlung eine Nachfrist gesetzt werden muss (Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Bd. l, Rdnr. 13 zu § 191 SGB V). Dies ist jedoch für den – entscheidenden – zweiten Monat (März 2001) nicht geschehen. Vielmehr wurde mit Bescheid vom 18.04.2001 die Mitgliedschaft zum 15.01.2001 ohne weiteres beendet. Die Formulierung im Schreiben vom 30.03.2001 "bitte denken Sie daran, dass am 15.04.2001 der Beitrag für den Monat März fällig wird", ist demgegenüber schon deshalb keine Nachfristsetzung für den Beitragsmonat März, weil eine solche Nachfristsetzung schon begrifflich erst nach Fälligkeit erfolgen kann.
Hinzu kommt, dass der Antragstellerin anhand der Schreiben der Antragsgegnerin auch gar nicht klar sein konnte, wie hoch der auszugleichende Beitragsrückstand war. So ist mal von … DM (Schreiben vom 18.04.2001), … DM (Schreiben vom 27.04.2001) …DM (Schreiben vom 03.07.2001) bzw … DM (Schreiben vom 26.07.2001) die Rede. Da aber auch der Rückstand mit Teilbeträgen zum Ausschluss führt (Kasseler Kommentar a. a. 0., Rdnr. 12 m. w. N.) muss die Antragsgegnerin der Antragstellerin den noch ausstehenden Betrag genau mitteilen. Tut sie dies nicht, nimmt die Krankenkasse dem Versicherten die Möglichkeit, durch Nachzahlung den Ausschluss sicher zu vermeiden. Auch dies führt zur Rechtswidrigkeit der Beendigung der Mitgliedschaft und damit zum Anspruch auf Weiterversicherung.
Desweiteren ist es treuwidrig, wenn die Antragsgegnerin zunächst entsprechend dem Antrag der Antragstellerin die Beiträge von ihrem Konto abbucht, nach einem fehlgeschlagenen Abbuchungsversuch aber für den nächsten Monat hiervon absieht, ohne dies der Antragstellerin mitzuteilen. Denn dies konnte die Antragstellerin nun wirklich nicht ahnen. Auch hieraus begründet sich die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Antragsgegnerin und damit der Anordnungsanspruch der Antragstellerin. Etwas anderes folgt auch nicht aus den Schreiben vom 20.03.2001 und 30.03.2001. Denn aus diesen Schreiben war nur zu erkennen, dass für den Monat Februar 2001 eine Überweisung erforderlich war. Nicht hingegen konnte die Antragstellerin aus diesen Schreiben entnehmen, dass der Beitrag für März 2001 nicht mehr entsprechend dem erteilten Auftrag von der Antragsgegnerin abgebucht werden würde, sondern.von der Antragstellerin zu überweisen war.
Auch Eilbedürftigkeit im Sinne eines Anordnungsgrundes besteht. Denn der Antragstellerin ist es nach ihren glaubhaften Ausführungen nicht gelungen, sich anderweitig krankenzuversichern. Angesichts ihres seit dem Unfall von 1990 angeschlagenem Gesundheitszustandes drohen Ihr im Übrigen auch zum Leistunäsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehörenden Kosten, die sie anderenfalls vorläufig von ihrer geringen Verletztenrente selbst zu tragen hätte. Eine Verweisung auf Leistungen nach dem BSHG hält die Kammer in Ansehung dessen und angesichts der Tatsache, dass nunmehr der vorläufige Rechtsschutz umfassend im Sozialgerichtsgesetz geregelt ist, für unzumutbar.
Angesichts der schwierigen Situation der Antragstellerin, der zahlreichend gegen das Vorgehen der Antragsgegnerin sprechenden Gründe und des teilweise befremdlichen Verwaltungshandelns (Nennung von vier verschiedenen, angeblich ausstehenden Beiträgen) spricht somit in der Gesamtabwägung bei weitem mehr für als gegen den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung.
Von einer Sicherheitsleistung (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 921 Abs. 2 S. 2 der Zivilprozessordnung) war angesichts dessen ebenfalls abzusehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der analogen Anwendung des § 193 SGG.
Erstellt am: 12.08.2003
Zuletzt verändert am: 12.08.2003