Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 21.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.19999 verurteilt, der Klägerin Erwerbsunfähigkeitsrente nach Maßgabe der seit dem 01.12.1998 geltenden Berechnungsvorschriften des Sozialgesetzbuches VI zu gewähren. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht die Höhe der der Klägerin zu zahlenden Rente wegen Erwerbsunfähigkeit im Streit.
Durch (Abhilfe-) Bescheid vom 21.07.1994 bewilligte die Beklagte der Klägerin auf deren Antrag vom 30.12.1992 hin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit als Zeitrente für die Zeit vom 01.12.1992 bis zum 30.11.1995 auf der Grundlage eines am 30.10.1989 eingetretenen Versicherungsfalls. Als Grund für die zeitliche Begrenzung des Rentenanspruchs gab sie an, die Erwerbsunfähigkeit beruhe nicht allein auf dem Gesundheitszustand der Klägerin, sondern auch auf den Verhältnissen des Arbeitsmarkts.
Durch Bescheide vom 15.12.1995 und 27.04.1998 gewährte die Beklagte jeweils eine auf drei Jahre befristete Zeitrente, zuletzt bis zum 30.11.2001. In dem gegen den letztgenannten Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.1998 gerichteten Klageverfahren (SG Dortmund – S 00 RA 000/00 -) erkannte die Beklagte den erhobenen Anspruch auf Zahlung der Rente als sogenannte Dauerrente an.
Gegen den das Anerkenntnis ausführenden Bescheid vom 21.06.1999 erhob die Klägerin Widerspruch. Sie vertrat unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24.10.1996 – 4 RA 31/96 – die Auffassung, bei der Weiterzahlung der Rente ab dem 01.12.1998 sei eine neue Berechnung nach Maßgabe des zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechts zu erstellen. Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17.09.1999 mit der Begründung zurück, für eine Neuberechnung fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Der von der Klägerin für sich in Anspruch genommenen Entscheidung des BSG liege die Überlegung zugrunde, dass aufgrund eines neuen Leistungsfalls ein neues eigenständiges Recht auf Versichertenrente wegen Erwerbsminderung entstanden sei, das gleichzeitig eine neue Bestimmung der Leistungshöhe erforderlich mache. Dieser Auffassung könne sie sich nicht anschließen, sie entspreche nicht dem Regelungsgehalt der Vorschriften über die Weitergewährung einer BU/EU-Rente. Denn die weitere Rentenzahlung ergebe sich nicht aus dem erneuten Eintritt von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit; vielmehr verbleibe es bei dem bisherigen Eintritt der maßgebenden Erwerbsminderung. Eine Änderung sei nur insoweit eingetreten, als sich die bisherige Annahme, dass die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit zum Wegfallzeitpunkt behoben sein werde, nicht bestätigt habe. Dementsprechend prüften die Versicherungsträger in diesem Fall nicht, ob erneut Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit eingetreten sei, sondern ob die früher festgestellte Erwerbsminderung weiterhin vorliege. In dieser Verfahrensweise sehe sie sich durch die bisherige Rechtsprechung des BSG bestätigt.
Mit ihrer hiergegen am 08.10.1999 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 21.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.1999 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach Maßgabe der am 01.12.1998 geltenden Berechnungsvorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verbleibt bei ihrer bisher vertretenen Rechtsansicht.
Eine von der Beklagten nach aktuellem Recht durchgeführte Probeberechnung hat ergeben, dass die erstrebte Neufeststellung der Rente zu einer Erhöhung der Rentenleistung führt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Streit- und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakte S 00 RA 000/00; dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, insbesondere fehlt es ihr nicht an den erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Ob dieses auch dann zu bejahen wäre, wenn die Neufeststellung des Rentenanspruchs nicht auch zu einer höheren Rentenleistung führt, kann offen bleiben, da sich nach der Probeberechnung – dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig – jedenfalls ein höherer Zahlbetrag ergibt.
Die Klage ist auch begründet.
Der Bescheid vom 21.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.1999 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Zu Unrecht hat es die Beklagte abgelehnt, der Klägerin eine höhere Rente nach Maßgabe der ab dem 01.12.1998 geltenden Vorschriften des Sozialgesetzbuches VI (SGB VI) zu zahlen. Dazu ist sie gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI i. V. m. den Berechnungsvorschriften der §§ 63 ff. SGB VI verpflichtet.
Denn § 300 Abs. 1 SGB VI bestimmt den zeitlichen Anwendungsbereich neuen Rentenrechts in der Form, dass die Vorschriften dieses Gesetzbuches von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden sind, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Daraus folgt in Abkehr vom sogenannten Versicherungsfallprinzip (s. BT-Drucks 11/4124 Seite 296; Jörg in Kreikebohm SGB VI 2. Auflage § 300 Rdnr. 1 jetzt: "Rentenbeginnprinzip"), dass bei einem Rentenbeginn ab dem 01.01.1992 die Vorschriften des SGB VI grundsätzlich auch dann anzuwenden sind, wenn der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit/Berufsunfähigkeit vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ( – von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen zum 01.01.1992 [s. Art. 85 RRG 1992, BGBl. I 1989, 2261] -) liegt. Diese Grundregel gilt auch für künftige Rechtsänderungen, sofern das Gesetz selbst nicht etwas anderes bestimmt (s. § 300 Abs. 5 SGB VI).
Damit ist nach Ablauf der letzten Zeitrente zum 30.11.1998 die ab dem 01.12.1998 zuerkannte Dauerrente nach Maßgabe der zu diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Vorschriften festzustellen. Für die Klägerin ist mit Wirkung vom 01.12.1998 aufgrund eines neuen Leistungsfalls ein neues eigenständiges Recht auf Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit entstanden, das gleichzeitig auch eine neue Bestimmung seines monatlichen Wertes (der sog. Leistungshöhe) erforderlich macht. Die (nur) für eine bestimmte Dauer gezahlte sogenannte Zeitrente war keine mit einer Befristung im Sinne einer Nebenbestimmung versehene Dauerrente, vielmehr ist im Bescheid vom 15.12.1995 wie im Übrigen auch im anschließenden Bewilligungsbescheid vom 27.04.1998 die zeitliche Befristung mit der Abhängigkeit des Anspruchs auch von der jeweiligen Arbeitsmarktlage begründet worden. Dadurch wurde der Anspruch eindeutig auf § 102 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung gestützt, der einen eigenen Leistungstatbestand "Zeitrente" enthält. In formeller wie materieller Hinsicht endete der durch Bescheid vom 15.12.1995 zuerkannte Anspruch mit Ablauf des 30.11.1998, ohne dass es eines Aufhebungsbescheides bedurfte. Ohne eine über diesen Zeitpunkt hinausgehende Wirkung war deshalb mit Wirkung vom 01.12.1998 über einen "neuen" Anspruch zu entscheiden (s. BSG SozR 3-2600 § 300 Nr. 8). Für diesen Rentenanspruch gilt, dass die Rente nach der zum 01.12.1998 maßgeblichen Rechtslage festzustellen ist.
Diesem aus der Grundregel des § 300 Abs. 1 SGB VI abgeleiteten Ergebnis steht § 306 SGB VI nicht entgegen. Denn § 306 Abs. 1 SGB VI, der die Neufeststellung nur von Bestandsrenten aus Anlass von Rechtsänderungen abweichend von § 300 Abs. 1 SGB VI grundsätzlich ausschließt, gilt nicht für zeitlich aneinander anschließende Ansprüche auf Zeitrente, erst recht nicht für den ab 01.12.1998 bestehenden Anspruch auf Dauerrente nach Ablauf der Zeitrente (s. BSG a.a.O.). § 306 Abs. 2 SGB VI ist nicht anwendbar, da der Anspruch auf die hier in Rede stehende Leistung nicht bereits vor dem 01.01.1992 bestand (BSG a.a.O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Erstellt am: 22.08.2003
Zuletzt verändert am: 22.08.2003