Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 221,04 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinsatz nach § 247 BGB seit dem 01.01.2002 zuzüglich eines weiteren Betrages in Höhe der Pauschgebühr von 150,- Euro zu zahlen. Kosten aufgrund eines prozessualen Kostenerstattungsanspruchs sind der Klägerin nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zahlung von rückständigen Beiträgen zur privaten Pflegepflichtversicherung für den Zeitraum vom 01.12.2000 bis zum 30.06.2001 in Höhe von 432,32 DM zuzüglich Zinsen. Unter Zugrundelegung des amtlichen Umrechnungskurses (1,95583) entspricht die Klageforderung einem Betrag von 221,04 Euro. Desweiteren verlangt die Klägerin von dem Beklagten die Zahlung der Gerichtskosten (Pauschgebühr) von 150,- Euro unter dem Gesichtspunkt des Verzuges.
Der Beklagte unterzeichnete am 00.00.2000 einen Antrag auf Abschluss einer Krankenversicherung sowie einer privaten Pflegepflichtversicherung mit Wirkung zum 01.12.2000. Anschließend wurde von der Klägerin ein Versicherungsschein erstellt und an den Beklagten übersandt. Der monatliche Beitrag betrug zunächst 66,16 DM und infolge einer Beitragsminderung ab 01.01.2001 nur noch 61,76 DM. Der Beklagte hat bisher noch keine Beiträge an die Klägerin gezahlt.
Gegen den Beklagten ist am 20.02.2001 ein Mahnbescheid bezüglich der Beiträge vom 01.11.2000 bis zum 28.02.2001 in Höhe von insgesamt 189,68 DM erlassen worden. Der Beklagte hat gegen den Mahnbescheid Widerspruch erhoben.
Nach Abgabe des Verfahrens an das Sozialgericht Dortmund hat die Klägerin die Klage hinsichtlich der rückständigen Monatsbeiträge bis einschließlich Juni 2001 erweitert. Sie hat zudem klargestellt, dass – entgegen der Angaben im Mahnbescheid – die Beiträge ab dem Monat Dezember 2000 für insgesamt sieben Monate von ihr gefordert werden.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass aufgrund des eindeutigen Antragsformulars, das der Beklagte am 00.00.2000 unterzeichnet habe, zwischen ihr und dem Beklagten ein privater Pflegepflichtversicherungsvertrag wirksam zustande gekommen sei. Aus dem Versicherungsschein und sämtlichen Anschreiben an den Beklagten ergebe sich ebenfalls, dass es sich bei dem von dem Beklagten beantragten Vertragsverhältnis um einen Krankenversicherungsvertrag bzw. Pflegepflichtversicherungsvertrag gehandelt habe. Nach Eintritt des Zahlungsverzuges habe sich die Klägerin mit dem Beklagten auf eine Ratenzahlungsvereinbarung verständigt. Da auch die Ratenzahlungsvereinbarung von dem Beklagten nicht eingehalten worden sei, sei der Beklagte von einem ihrer Mitarbeiter, Herrn C, aufgesucht worden. Bei seinen insgesamt zwei Besuchen habe Herr C den Beklagten auf den Beitragsrückstand angesprochen und nochmals Ratenzahlung angeboten. Bei beiden Besuchen sei der Beklagte nicht zur Zahlung der ausstehenden Beiträge in der Lage gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 432,32 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 09. Juni 1998 seit dem 01.06.2001 zuzüglich der Pauschalgebühr für das sozialgerichtliche Verfahren zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage zurückzuweisen.
Er trägt vor, dass er zu keinem Zeitpunkt bei der Klägerin einen Antrag auf Abschluss einer Pflegeversicherung habe unterzeichnen wollen. Richtig sei vielmehr, dass er einen ihm von einem Mitarbeiter der Klägerin vorgelegten Versicherungsantrag blanko unterzeichnet habe, nachdem er diesem Mitarbeiter der Klägerin erklärt habe, dass er – der Beklagte – eine Lebensversicherung abschließen wolle. Die Einzelheiten habe der Mitarbeiter der Klägerin nach Abklärung der Details mit dem Beklagten in den Antrag eintragen sollen. Tatsächlich sei hierdurch eine Pflegeversicherung zu seinen Gunsten abgeschlossen worden, die er zu keinem Zeitpunkt gewünscht oder bewusst beantragt habe.
Das Gericht hat am 06.02.2002 einen Erörterungstermin durchgeführt, zu dem der ordnungsgemäß geladene Beklagte nicht erschienen ist. Zum Inhalt der ihm übersandten Sitzungsniederschrift vom 06.02.2002 sowie zu dem Anhörungsschreiben des Gerichts vom 17.04.2002 hat sich der Beklagte nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht entscheidet durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Der Sachverhalt ist unter Zugrundelegung der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen geklärt. Die Beteiligten sind zum Erlass eines Gerichtsbescheides gehört worden.
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat aufgrund des mit dem Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrages i. V. m. § 8 Abs. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung (MB/PPV 1996) einen Anspruch auf Zahlung der streitigen Versicherungsbeiträge.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist zwischen den Beteiligten mit Wirkung vom 01.12.2000 ein Vertrag über die private Pflegepflichtversicherung zustande gekommen. Der Abschluss eines Versicherungsvertrages vollzieht sich in der Regel in der Form eines zeitlich vorangehenden Antrages des Versicherungsnehmers nach § 145 BGB und seiner Annahme durch den Versicherer gemäß §§ 147 ff BGB (vgl. Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 26. Auflage, § 3 Randnummer 14 und Randnummer 22).
Der von dem Beklagten am 00.00.2000 unterzeichnete Antragsvordruck bezieht sich nach seinem eindeutigen Erklärungsinhalt auf den Abschluss einer Pflegepflichtversicherung bei der Klägerin. Infolge der oben auf dem Antragsformular aus dem übrigen Text hervorgehoben Überschrift durfte auch der Beklagte die von ihm unterzeichnete Erklärung ausschließlich als Antrag auf eine Krankenversicherung sowie Pflegepflichtversicherung und nicht etwa als Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung verstehen. Entgegen der Behauptung des Beklagten handelt es sich bei dem von ihm unterzeichneten Antragsformular nicht um ein Blankett, aus dem das von der Klägerin zu versichernde Risiko nicht zu erkennen war. Selbst wenn der Beklagte aber den Versicherungsantrag ungelesen unterschrieben haben sollte, was aus Sicht des Gerichts lebensfremd und wenig nachvollziehbar erscheint, muss er die Erklärung grundsätzlich so gegen sich gelten lassen, wie sie die Klägerin nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt verstehen musste.
Durch Übersendung des von ihr ausgestellten Versicherungsscheines an den Beklagten hat die Klägerin konkludent die Annahme des Versicherungsantrages vom 00.00.2000 erklärt.
Im Hinblick auf die Behauptung des Beklagten, dass er dem Außendienstmitarbeiter der Klägerin erklärt habe, eine Lebensversicherung abschließen zu wollen, hat sich das Gericht zu einer Beweiserhebung durch Vernehmung des Außendienstmitarbeiters als Zeugen nicht veranlasst gesehen. Denn bei einem unbewussten Auseinanderfallen von Willen und Erklärung kann sich der Erklärende allenfalls im Wege der Anfechtung nach § 119 BGB von seiner Erklärung lösen. Die Anfechtung muss nach § 121 BGB ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrunde Kenntnis erlangt hat. Eine unverzügliche Anfechtung des Versicherungsvertrages durch den Beklagten nach Übersendung des Versicherungsscheines vom 16.11.2000 ist nicht erfolgt. Es ist deshalb rechtlich unbeachtlich, ob bei dem Beklagten zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Antrages vom 00.00.2000 ein rechtlich erheblicher Irrtum vorlag.
Der Beklagte ist nach allem dazu verpflichtet, die rückständigen Beiträge für den Zeitraum vom 01.12.2000 bis zum 30.06.2001 an die Klägerin zu zahlen.
Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet. Der Beklagte ist auch ohne Mahnung bzw. vorangegangenen Mahnbescheid hinsichtlich der ausstehenden Gesamtforderung in Höhe von 432,32 DM (221,04 Euro) am 01.06.2001 in Verzug geraten (vgl. § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB alter Fassung, der nach Art. 229 § 5 EGBGB auf vor dem 01.01.2002 entstandene Schuldverhältnisse weiterhin anwendbar bleibt, i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 2 MB/PPV 1996). Nach § 288 Abs. 1 BGB alter Fassung ist eine Geldschuld während des Verzugs für das Jahr mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 09. Juni 1998 zu verzinsen. Nach Art. 229 § 7 EGBGB tritt mit Wirkung vom 01. Januar 2002 an die Stelle des vorgenannten Basiszinssatzes der Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Der mit der Klage geltend gemachte weitere Anspruch auf Ersatz der Gerichtskosten in Höhe von 150,- Euro ist ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet. Nach § 286 Abs. 1 BGB alter Fassung (vgl. Art. 229 § 5 EGBGB) ist der Beklagte zum Ersatz des durch die Verzögerung der Leistung entstandenen Schadens verpflichtet. Als Verzugsschaden zu ersetzen sind grundsätzlich auch die Kosten der Rechtsverfolgung. Eine Ersatzpflicht besteht für alle notwendigen und sachdienlichen Kosten der prozessualen Rechtsdurchsetzung (vgl. Pahland, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Auflage, § 286 Anm. 7). Um derartige notwendige und sachdienliche Kosten handelt es sich bei den von der Klägerin nach § 184 SGG in der ab 02.01.2002 geltenden Fassung zu entrichtenden Pauschalgebühr von 150,- Euro. Die zuvor bereits von der Klägerin entrichtete Gebühr für das Mahnverfahren wird nach § 184 Abs. 1 Satz 3 SGG auf die Pauschgebühr angerechnet, so dass die Klägerin insgesamt mit Gerichtskosten in Höhe von 150,- Euro belastet wird.
Eine Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz der Gerichtskosten besteht ungeachtet des Umstands, dass nach § 193 Abs. 4 SGG in der ab 02.01.2002 geltenden Fassung der Klägerin ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten nicht zusteht. Nach dieser Vorschrift sind die Aufwendungen der Behörden und der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen, zu denen auch die Unternehmen der privaten Pflegeversicherung gehören, nicht erstattungsfähig. Für die Kammer sind jedoch keine schutzwürdigen Belange des säumigen Beitragszahlers ersichtlich, die ein Durchgreifen der einschränkenden Regelung des § 193 Abs. 4 SGG auf den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch gebieten würden. Auch die durch den Gesetzgeber mit der Regelung des § 193 Abs. 4 SGG offenbar bezweckte Gleichbehandlung der Unternehmen der privaten Pflegeversicherung mit den öffentlich-rechtlichen Pflegekassen, kann in Fällen des Zahlungsverzuges nicht zu einem Ausschluss des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs führen. Die Klägerin als Unternehmen der privaten Pflegeversicherung hat nämlich – anders als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (Pflegekasse) mit eigener Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten und zu deren Vollstreckung – keine Möglichkeit, ohne staatliche Hilfe einen vollstreckungsfähigen Titel gegen säumige und wie vorliegend in Verzug befindliche Schuldner zu erlangen. Die Klägerin ist insofern auf den öffentlich-rechtlichen Justizgewährungsanspruch gemäß Art. 19 und Art. 92 ff des Grundgesetzes angewiesen (vgl. hierzu auch Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 15.06.1999, Az: S 39 P 202/98).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG. Wie zuvor bereits dargelegt, steht der Klägerin ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten nicht zu.
Die nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossene Berufung wird nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil die Kammer die Rechtsfrage für grundsätzlich hält, ob der Klägerin als Unternehmen der privaten Pflegeversicherung hinsichtlich der ihr entstandenen Gerichtskosten ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch ungeachtet der Vorschrift des § 193 Abs. 4 SGG in der ab 02.01.2002 geltenden Fassung zusteht. Die Regelung des § 144 Abs. 4 SGG, wonach die Berufung ausgeschlossen ist, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt, greift hier nicht ein. Sinn der Regelung ist es, die Berufung nicht auf die prozessuale Kostenentscheidung zu beschränken. Die Berufung ist aber von der Kammer wegen der Entscheidung über die Kosten im Rahmen der Hauptsache zugelassen worden.
Dass ein Gerichtsbescheid ergangen ist, macht die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht unmöglich (vgl. Meyer/Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 7. Auflage, § 105 Anm. 16).
Erstellt am: 22.08.2003
Zuletzt verändert am: 22.08.2003