Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 17.06.1999 und vom 02.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.1999 sowie der Bescheide vom 06.09.1999 und vom 28.09.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.1999 verurteilt, den Kläger von den Kosten der für die Zeit vom 16.03.1999 bis 31.12.1999 selbstbeschafften Leistungen der häuslichen Krankenpflege im ärztlich verordneten Umfang unter Berücksichtigung der bereits für die Zeit vom 19.10.1999 bis 02.11.1999 bewilligten und erbrachten Leistungen der Leistungsgruppe 2 freizustellen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Freistellung von Kosten einer selbstbeschafften häuslichen Krankenpflege in Form von Medikamentengaben und Einreibungen für die Zeit vom 16.03.1999 bis zum 31.12.1999.
Der 0000 geborene Kläger bezieht seit dem 16.03.1999 Pflegeleistungen nach der Pflegestufe 2 von der Pflegekasse der Beklagten. Er leidet u.a. an Parkinson. Er lebt in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau und wurde im streitgegenständlichen Zeitraum sowohl durch seine Ehefrau als auch durch seine in einem Nachbarort lebende Tochter gepflegt. Die Ehefrau des Klägers leidet u.a. an Depressionen, Demenz und Alzheimer.
Bis zum 16.03.1999 befand sich der Kläger in stationärer Krankenhausbehandlung. Unter dem 16.03.1999 verordnete der behandelnde Arzt für Allgemeinmedizin Dr. L häusliche Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung in Form von 3 x täglichen Medikamentengaben. Darüber hinaus gab Dr. L die Notwendigkeit einer 2 x täglichen Grundpflege an. Die Verordnung wies folgende Diagnosen auf: Morbus Parkinson, Refluxoesophagitis, Aortenaneurysma, Zustand nach Laemorhagischer Gastritis.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 17.06.1999 ab, weil die verordneten Maßnahmen der Grundpflege vom Gesetz nicht vorgesehen seien und die darüber hinaus verordneten Medikamentengaben durch die Ehefrau des Klägers erfolgen könnten.
Der Kläger legte daraufhin eine Bescheinigung von Dr. L vor, wonach die Ehefrau des Klägers aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, die verordneten Leistungen zu übernehmen. Sie leide an einer Involutinsdepression, an fortschreitendem Demenz Typ Alzheimer sowie einer Herzrhythmusstörung.
Nach einem erläuternden Schreiben der Beklagten legte der Kläger Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid ein und begründete diesen damit, dass seine Ehefrau die verordneten Leistungen nicht übernehmen könne. Eine Sicherstellung durch einen Pflegedienst sei erforderlich. Andere Personen, die die Leistungen übernehmen könnten, seien ebenfalls nicht vorhanden.
Für die Folgezeit bis zum 30.09.1999 verordnete Dr. L dem Kläger häusliche Krankenpflege in Form einer 3 x täglichen Medikamentengabe. Auch den diesbezüglichen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02.07.1999 mit der Begründung ab, die Medikamentengaben könnten durch die Ehefrau des Klägers erfolgen.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch mit Bescheid vom 27.08.1999 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, sowohl Einreibungen als auch die verordneten Medikamentengaben zählten zu den Leistungen der Grundpflege, die im Rahmen der häuslichen Krankenpflege zur Sicherstellung des Erfolgs der ärztlichen Behandlung nicht erbracht werden dürften. Bei Medikamentengaben handele es sich dann um Grundpflegeleistungen, wenn sie notwendigerweise mit der Nahrungsaufnahme verbunden seien. Hiervon sei stets auszugehen, wenn die Medikamentengaben vor bzw. nach den Mahlzeiten erfolgten. Darüber hinaus könnten die Leistungen von der anwesenden Pflegeperson übernommen werden.
Für den Monat September 1999 verordnete Dr. L wegen einer Mykose zusätzlich häusliche Krankenpflege in Form von 2 x täglichen Einreibungen. Auch die diesbezügliche Kostenübernahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06.09.1999 ab, weil Einreibungen nach den maßgeblichen Verträgen mit den Leistungserbringern den Leistungen der Grundpflege zugeordnet seien.
Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und verwies zur Begründung im Wesentlichen auf verschiedene erst- und zweitinstanzliche Urteile, denen zu folge es sich bei den verordneten Leistungen um Maßnahmen der Behandlungspflege und nicht der Grundpflege handele.
Für den Folgezeitraum bis zum 31.12.1999 verordnete Dr. L häusliche Krankenpflege in Form von 3 x täglichen Medikamentengaben und 2 x täglichen Einreibungen. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28.09.1999 eine Kostenübernahme wiederum mit der Begründung ab, bei den Einreibungen handele es sich um Leistungen der Grundpflege und die verordneten Medikamentengaben könnten durch die vorhandene Pflegeperson vorgenommen werden.
Für den Zeitraum vom 19.10.1999 bis zum 02.11.1999 verordnete Dr. L zusätzlich einen 1 x täglichen Verbandswechsel. Die Beklagte bewilligte hierauf für den genannten Zeitraum 1 x tägliche häusliche Krankenpflege nach der Leistungsgruppe 2 der einschlägigen Verträge.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch hinsichtlich der für die Zeit bis zum 31.12.1999 verordneten Leistungen mit Bescheid vom 10.11.1999 ebenfalls als unbegründet zurück. Sie brachte hierin wiederum ihre Auffassung zum Ausdruck, sowohl bei den verordneten Leistungen der Einreibungen als auch der Medikamentengaben handele es sich um Leistungen, welche der Grundpflege zuzuordnen seien.
Der Kläger hat am 29.09.1999 Klage erhoben gegen die Bescheide der Beklagten vom 17.06.1999 und vom 02.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.1999. Am 25.11.1999 hat er Klage gegen die Bescheide der Beklagten vom 06.09.1999 und vom 28.09.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.1999 erhoben. Das Gericht hat die beiden Verfahren zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Zur Begründung der Klagen trägt der Kläger im Wesentlichen vor, seine Ehefrau sei im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in der Lage gewesen, die verordneten Leistungen zu übernehmen. Dies werde sowohl durch die vorgelegte ärztliche Bescheinigung als auch weitere ärztliche Unterlagen dokumentiert. Die Ehefrau habe aus gesundheitlichen Gründen auch den Haushalt nicht mehr versorgen können und die ihr selbst verordneten Tabletten nicht mehr eigenständig einnehmen können. Sie habe die Tabletten wahlweise je nach Laune eingenommen, was zu einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geführt habe. Auch andere Angehörige, insbesondere die im Nachbarort lebende Tochter, hätten die Leistungen nicht übernehmen können. Es handele sich bei den verordneten Leistungen der Medikamentengaben und der Einreibungen um Behandlungspflege im Sinne des Gesetzes. Zur Stützung des Vortrags hat der Kläger diverse ärztliche Berichte vorgelegt. Die Rechnungen des Pflegedienstes hat er noch nicht beglichen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 17.06.1999 und vom 02.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.1999 sowie der Bescheide vom 28.09.1999 und vom 06.09.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.1999 zu verurteilen, den Kläger von den Kosten der für die Zeit vom 16.03.1999 bis zum 31.12.1999 selbst- beschafften Leistungen der häuslichen Krankenpflege im ärztlich verordneten Umfang unter Berücksichtigung der bereits für die Zeit vom 19.10.1999 bis zum 02.11.1999 bewilligten und erbrachten Leistungen der Leistungsgruppe 2 freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, der Leistungsanspruch sei nach § 37 Abs. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) ausgeschlossen, weil die Ehefrau des Klägers die Leistungen habe vornehmen können. Sie habe den Kläger an mindestens 14 Stunden in der Woche versorgt. Darüber hinaus sei ab April 1999 auch die Tochter des Klägers als zusätzliche Pflegeperson 16 bis 18 Stunden wöchentlich anwesend gewesen, so dass durchgehend eine Pflegeperson vorhanden gewesen sei, die die Leistungen habe übernehmen können. Die Beklagte sieht sich durch ein vom Gericht eingeholtes Sachverständigengutachten bestätigt. Aus einem Krankenhausbericht über den stationären Aufenthalt der Ehefrau des Klägers sei weder eine psychische noch intelektuelle Einschränkung ersichtlich. Es sei davon auszugehen, dass sie erst im Jahr 2000 einen derart gravierenden Krankheitsschub erlitten habe, dass dann erstmals unter dem 09.01.2001 auch für sie Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form von Medikamentengaben verordnet worden seien. Zur Stützung des Vortrags hat die Beklagte ein Pflegegutachten des Medizinischen Dienstes aus September 1999 über die Ehefrau des Klägers vorgelegt.
Das Gericht hat verschiedene ärztliche Berichte sowohl über den Kläger als auch dessen Ehefrau beigezogen, Befundberichte auch über die Ehefrau des Klägers eingeholt sowie ein neurologisches Sachverständigengutachten einschließlich ergänzender Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. Wegen des Inhalts der eingeholten Berichte, Stellungnahmen und des Gutachtens wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird ebenfalls Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten, welche sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobenen Klagen sind zulässig. Soweit der Kläger zunächst mit der Klage vom 28.09.1999 nur Leistungen für den Zeitraum bis 16.03. bis zum 31.07.1999, also nicht auch für den Monat August 1999 beantragt hat, so konnte er den Antrag auch in der mündlichen Verhandlung noch um den Monat August 1999 erweitern. Es handelt sich insoweit nicht um eine Klageänderung, sondern nur um eine Erweiterung des Klageantrags in der Hauptsache nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Eine Entscheidung war auch über den ebenfalls mit Widerspruch angefochtenen Bescheid vom 06.09.1999 zu treffen, obwohl die Widerspruchsstelle der Beklag ten im Widerspruchsbescheid vom 10.11.1999 ausdrücklich nur den Bescheid vom 28.09.1999 erwähnte. Der Widerspruchsbescheid vom 10.11.1999 ist so auszulegen, dass die Widerspruchsstelle hierin tatsächlich auch eine Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.09.1999 traf. Denn die Entscheidung erfolgte insgesamt über die Kostenübernahme von Leistungen häuslicher Krankenpflege für den Zeitraum vom 01.09.1999 bis zum 31.12.1999. Hierin enthalten war somit auch der Monat September 1999, über welchen die Beklagte mit Bescheid vom 06.09.1999 entschied. Weiterhin brachte die Widerspruchsstelle in ihrer Entscheidung ihre Auffassung zum Ausdruck, bei der Leistung Einreibung handele es sich ebenfalls nicht um übernahmefähige Leistungen der Behandlungspflege im Sinne des § 37 Abs. 2 SGB V. Die ärztliche Verordnung für den Monat September 1999 bezog sich jedoch gerade auf 2 x tägliche Einreibungen. Ungeklärt bleiben konnte die Frage, ob ein Bescheid der Beklagten für den sich anschließenden Zeitraum vom 01.01.2000 bis zum 31.03.2000 Gegenstand des Verfahrens nach § 96 Abs. 1 SGG geworden ist. Denn der Klageantrag war ausdrücklich begrenzt auf den Zeitraum bis zum 31.12.1999.
Die Klagen sind auch begründet.
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten in der Gestalt der Widerspruchsbescheide beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Beklagte hat die Kostenübernahme für die selbstbeschafften Leistungen der häuslichen Krankenpflege zu Unrecht abgelehnt. Der Kläger hat einen Anspruch auf Freistellung der dadurch entstandenen Kosten.
Ein Anspruch auf Freistellung besteht nach § 13 Abs. 3 SGB V. Diese Bestimmung umfasst neben dem dort ausdrücklich geregelten Kostenerstattungsanspruch als Vorstufe auch einen Anspruch auf Freistellung von einer Verbindlichkeit, die bei rechtzeitiger Leistungserbringung in Form einer Sachleistung von der Krankenkasse hätte getragen werden müssen (vgl. insoweit nur das Urteil des BSG vom 30.03.2000, B 3 KR 14/99 R). Der Kläger hatte einen Anspruch auf Gewährung häuslicher Krankenpflege als Sachleistung gegenüber der Beklagten nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Der Anspruch besteht dabei nach § 37 Abs. 3 SGB V nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen oder versorgen kann.
Die Kammer hat keinerlei Zweifel daran, dass die verordneten Leistungen medizinisch notwendig waren. Dies ist auch zwischen den Beteiligten nicht streitig. Es handelt sich sowohl bei den verordneten Medikamentengaben als auch den Einreibungen um Behandlungspflege im Sinne des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V. Zur Behandlungspflege gehören alle Pflegeleistungen, die durch eine bestimmte Erkrankung verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand eines Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern (vgl. das BSG-Urteil vom 28.01.1999, B 3 KR 4/98 R). Der Kläger ist auf die Einnahme verschiedenster Medikamente zur Behandlung der zahlreichen bei ihm vorliegenden Befunde angewiesen; damit können zumindest seine Krankheitsbeschwerden gelindert und eine Verschlimmerung der Erkrankungen verhütet werden. Die Einreibungen waren zur Behandlung einer Mykose mit einem apothekenpflichtigen Medikament erforderlich. Auch insoweit besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei den verordneten Leistungen um Leistungen der Behandlungspflege handelt. Die von der Beklagten erwähnten Verträge mit den Leistungserbringern sind in diesem Zusammenhang rechtlich unerheblich. Ebenso wenig ist für die Zuordnung einer Leistung zur Grund- oder Behandlungspflege nicht maßgeblich, ob die Leistungen rein tatsächlich im Zusammenhang mit einer Grundpflegeleistung sowie etwa der Nahrungsaufnahme erfolgen (vgl. insoweit die bereits oben zitierten Urteile des BSG). Insoweit kommt allenfalls ein Leistungsausschluss auf der Grundlage des § 37 Abs. 3 oder des § 12 SGB V in Betracht.
Die Kammer vermochte sich nicht von dem Vorliegen eines Anspruchsausschlusses, insbesondere auf der Grundlage des § 37 Abs. 3 SGB V, zu überzeugen. Dabei obliegt es der Beklagten, das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für die Ausschlussnorm darzulegen und zu beweisen. Im Haushalt des Klägers lebte im streitgegenständlichen Zeitraum ausschließlich seine Ehefrau, so dass es nur darauf ankam, ob diese in der Lage war, die verordneten Leistungen tatsächlich zu übernehmen, oder ob sie aus gesundheitlichen Gründen hierzu nicht in der Lage war und dem Kläger daher auch ein Verweis auf ihre Inanspruchnahme nicht zugemutet werden kann. Es kommt dagegen nicht entscheidend darauf an, ob etwaige weitere Pflegepersonen wie die in einem Nachbarort lebende Tochter zum Teil anwesend waren und die Leistungen zumindest anteilmäßig übernehmen konnten.
Das vom Gericht eingeholte neurologische Sachverständigengutachten von Dr. S einschließlich seiner ergänzenden Stellungnahme vermochte die Kammer nicht mit der erforderlichen hinreichenden Sicherheit davon zu überzeugen, dass die Ehefrau des Klägers im Zeitraum vom 16.03.1999 bis zum 31.12.1999 gesundheitlich in der Lage war, den Kläger in ausreichendem Maße mit den erforderlichen Medikamentengaben zu versorgen und die zeitweise notwendigen Einreibungen zu übernehmen. Dies beruht insbesondere auf folgenden Überlegungen: Eine Entscheidung konnte angesichts des Zeitablaufs nur nach Aktenlage getroffen werden. Aus den ihm zurzeit der Erstellung des Sachverständigengutachtens vorgelegten ärztlichen Berichte vermochte der Sachverständige keine ausreichenden Anhaltspunkte festzustellen, wonach die Ehefrau des Klägers nicht in der Lage gewesen sein soll, die verordneten Medikamente zu verabreichen und Einreibungen vorzunehmen. Diese Aussage des Sachverständigen beruhte jedoch ausschließlich auf den bis zu diesem Zeitpunkt bekannten Unterlagen. Bereits zum damaligen Zeitpunkt konnte der Sachverständige nicht sicher ausschließen, dass bei der Ehefrau die von ihrem Hausarzt mitgeteilten Diagnosen nicht vorlagen; er konnte dies mangels Befunden nur nicht nachvollziehen. Nachdem dem Sachverständigen weitere ärztliche Berichte zur Verfügung gestellt wurden, schränkte er die von ihm zunächst vorgenommene Beurteilung weiter ein und stellte fest, es lasse sich "mit Sicherheit eben nicht erkennen, inwieweit die Merkfähigkeit und Gedächtnisleistungen der Klägerin und auch weitere Dimensionen des psychischen Befundes und damit möglicherweise auch der Fertigkeiten und der sozialen Kompetenzen im Alltag soweit eingeschränkt" seien, dass sie die verordneten Leistungen nicht habe übernehmen können. Als Indiz hierfür zog er die Tatsache heran, dass der Ehefrau des Klägers erst ab Januar 2001 selbst Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form von Medikamentengaben verordnet wurden. Dem kann insoweit gefolgt werden. Jedoch sind andererseits nach Auffassung der Kammer deutliche Anhaltspunkte vorhanden, welche gegen die Annahme sprechen, die mitgeteilten Diagnosen der behandelnden Ärzte der Ehefrau des Klägers, insbesondere von Dr. L, der auch dem Kläger die häusliche Krankenpflege verordnete, seien nicht zutreffend. So wird bereits in dem Bericht des Marienhospitals E vom 00.00.1978 über deutliche Beeinträchtigungen der Ehefrau des Klägers bei der Bewältigung des Alltags berichtet. Bereits zum damaligen Zeitpunkt war die Ehefrau des Klägers auf die Einnahme von stärkeren Psychopharmaka (Tavor) angewiesen. Auch in weiteren Berichten, so in dem Bericht des St. S1-Hospitals U vom 00.00.1987, wird das Vorliegen einer Involutionsdepression mit Stimmungsschwankungen erwähnt. Selbst wenn es sich nach den Angaben des Sachverständigen um ein langsam fortschreitendes Krankheitsbild handelt, hat die Kammer jedenfalls deutliche Zweifel daran, dass die Ehefrau des Klägers in dem weit später liegenden streitgegenständlichen Zeitraum durchgehend in der Lage war, die verordneten Leistungen zu erbringen. Es lässt sich kein Zeitpunkt festlegen, von dem an mit Sicherheit behauptet werden kann, der Zustand der Ehefrau des Klägers habe sich derart verändert, dass sie bestimmte Leistungen nicht mehr vornehmen könne. Die diesbezügliche Unsicherheit geht nach den obigen Ausführungen zu Lasten der Beklagten. Dabei stellt sich auch zusätzlich die Frage, ob es dem Kläger überhaupt zugemutet werden kann, Leistungen seiner Ehefrau in Anspruch zu nehmen, wenn die Gefahr besteht, das Ziel der ärztlichen Behandlung könne dadurch nicht gesichert werden, etwa weil die Medikamente nicht zeitgerecht eingenommen werden. Auch nach Auffassung des Bundessozialgerichts kann ein Leistungsausschluss aber nur dann vorliegen, wenn ein Versicherter sich ohne nachvollziehbaren Grund weigert, eine ihm angebotene ehrenamtliche Leistung in Anspruch zu nehmen (s. das bereits oben zitierte Urteil vom 30.03.2000).
Der Anspruch ist nach Auffassung der Kammer auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Leistung Medikamentengabe häufig in zeitlichem Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme erfolgt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundessozialgerichts in der Entscheidung vom 30.10.2001, B 3 KR 2/01 R. Das Bundessozialgericht hatte bereits zuvor festgestellt, dass es sich bei der Leistung Medikamentengabe um eine Leistung der Behandlungspflege im Sinne des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V handelt und dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich vorrangig vor den Leistungen der Pflegeversicherung sind. Es ist insoweit Aufgabe der beteiligten Krankenkassen und Pflegekassen bzw. der entsprechenden Verbände, mit den Leistungserbringern Verträge über die Leistungserbringung und die Vergütung derselben zu treffen, in denen eine etwaige Überschneidung der Leistungsbereiche gesetzliche Krankenversicherung/Pflegeversicherung berücksichtigt wird. Auch nach der neueren Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 30.10.2001 ist nicht ersichtlich, weshalb Maßnahmen der Behandlungspflege, die mit einer Verrichtung der Grundpflege möglicherweise, aber nicht notwendig in einem zeitlichen Zusammenhang stehen von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen sein sollten.
Im Falle des Klägers bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Medikamentengaben notwendigerweise mit der Nahrungsaufnahme verbunden sein müssten. Hierzu trägt auch die Beklagte nichts vor. Sie vertritt lediglich die Auffassung, dass es sich bei Medikamentengaben, die rein tatsächlich vor oder nach den Mahlzeiten eingenommen werden, um Maßnahmen der Grundpflege handelt. Dem vermochte sich die Kammer jedoch nicht anzuschließen. Betroffen wären hiervon ohnehin nur die Leistungen der Medikamentengaben. Hinsichtlich der Einreibungen ist nicht ersichtlich, mit welchen Grundpflegeleistungen die Maßnahmen verbunden sein sollen. Nach den maßgeblichen Verträgen mit den Leistungserbringern dürfte sich aber die zusätzliche Leistung Medikamentengabe abrechnungstechnisch nicht mehr auswirken. Dies gilt insbesondere auch für den Zeitraum vom 19.10.1999 bis zum 02.11.1999, für den die Beklagte zumindest 1 x täglich Leistungen der häuslichen Krankenpflege bereits bewilligte. Soweit die weiterhin noch begehrten Leistungen hiermit nach den Verträgen bereits abgegolten sind, kommt eine darüber hinausgehende Freistellung von Kosten nicht mehr in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Erstellt am: 22.08.2003
Zuletzt verändert am: 22.08.2003