Die Klage wird abgewiesen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Übertragung einer Schuld eines der Partner der Gemeinschaftspraxis auf das Konto der Gemeinschaftspraxis streitig.
Ab dem 01. Juni 1999 führte der Kläger unter der Arztnummer 19 1 eine radiologische Gemeinschaftspraxis mit dem Arzt Dr.ir.P (Kläger zu 2). Zuvor waren die beiden Partner mit einer Einzelpraxis zugelassen. Bei Dr. P waren bis zur Gründung der Gemeinschaftspraxis erhebliche Schuldsaldi aufgelaufen. lm Kontoauszug für das Quartal 1/99 ist ein Betrag in Höhe von 81.289,82 DM ausgewiesen. Dieser Schuldsaldo, erhöht um die Lastschriften des Quartals 2/99 der Einzelpraxis P, wurde in den Quartalen 2/99 bis 4/99 auf das Konto der Gemeinschaftspraxis übertragen. Die Beklagte unterrichtete die Gemeinschaftspraxis der Kläger mit Schreiben vom 27.09.1999 über die Übertragung. In dem Schreiben wurde auch mitgeteilt, dass die Schuld in Raten von 8 Monaten vom Honorar der Gemeinschaftspraxis einbehalten werde.
Mit Schreiben vom 10.11.1999, 11.02.2000 und 15.05.2000 legten die Kläger Widersprüche gegen die Honorarbescheide 2/99, 3/99 und 4/99 ein, die sie wie folgt begründen: Die Verrechnung und Einbehaltung eines Betrages in Höhe von 10.000,- DM je Quartal wegen des gegen Herrn Dr. P bestehenden Anspruches sei rechtswidrig. Der Kläger zu 1 habe bis zum Ablauf des 31.05.1999 allein eine radiologische Praxis in C geführt, Dr. P ebenso. Dementsprechend habe jeder allein an der vertragsärztlichen Versorgung teilgenommen und gemäß § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch V (SGB V) einen Anspruch auf die Teilhabe an der Gesamtvergütung gehabt. Die Gründung der Gemeinschaftspraxis stelle eine Zäsur dar. Die Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts selbst habe deshalb seit dem 01.06.1999 einen Anspruch auf eine Teilhabe an der Vergütung. Die Gemeinschaftspraxis sei somit ein neues Rechtssubjekt. Dies werde bereits daran deutlich, dass sie eine neue Vertragsarztnummer erhalten habe.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2000 zurück. Sie führt aus: Der Vortrag der Kläger beziehe sich auf § 719 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift kann der Schuldner gegen eine Forderung, die zum Gesellschaftervermögen gehöre, nicht mit einer ihm gegen einen einzelnen Gesellschafter zustehende Forderung aufrechnen. Diese Vorschrift könne aber nicht auf die kassenärztlichen Abrechnungsverhältnisse übertragen werden. Anderenfalls wäre es möglich, dass sich der Schuldner der Kassenärztlichen Vereinigung in Fällen der Honorarrückforderung seiner Schulden entziehen könnte, indem er eine Gemeinschaftspraxis gründen und dann auf die Unteilbarkeit der gemeinschaftlichen Honorarforderungen verweisen würde.
Gegen den Widerspruchsbescheid, der am 23.08.2000 zugestellt worden ist, haben die Kläger am 25.09.2000 Klage erhoben.
Sie tragen vor: Die Verrechnung der Schuldsaldi des Dr. P mit Honoraransprüchen der Gemeinschaftspraxis Dres. L/P sei rechtswidrig. Die Beklagte bedient sich im Wege der Honorarverteilung und aus dem Abrechnungsverhältnis mit den Klägern vorrangig und umgehe in unzulässigerweise die Regelungen der lnsolvenzordnung (InsO). Nach § 87 der InsO können Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften der Insolvenzordnung verfolgen. Die hierfür maßgebliche Zäsur sei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 80 Abs. 1 InsO. Von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Dr. P sei die Beklagte durch das Schreiben des Insolvenzverwalters vom 14.05.1999 informiert worden. Zum Zeitpunkt des Insolvenzverfahrens bestand eine Aufrechnungslage allein zwischen der Beklagten und Dr. P. Deshalb sei die Beklagte insoweit als Insolvenzgläubigerin anzusehen und könne die Forderung gegen Dr. P nicht gegen die Gemeinschaftspraxis geltend machen.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Beklagten für die Quartale 2/99, 3/99 und 4/99 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor: Der Eintritt des Dr. P in die Praxis des Klägers, verbunden mit der vertraglichen Bindung einer Gemeinschaftspraxis, sei wie ein Schuldbeitritt zu werten, mit der Folge, dass sich auch der Kläger die Altschulden des Dr. P anrechnen lassen müsste. Deshalb würden Schulden, die nur ein Mitglied der Gemeinschaftspraxis betreffen, auf das Konto der Gemeinschaftspraxis gebucht.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten über die Sach- und Rechtslage wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale 2/99 bis 4/99 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 09.08.2000 sind rechtmäßig und beschweren die Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Nach Auffassung des Gerichts hat die Beklagte nicht rechtswidrig gehandelt, als sie die Altschulden des Dr. P (81.289,82 DM) auf das Konto der klägerischen Gemeinschaftspraxis übertragen und dann in Raten mit den Honoraransprüchen der Gemeinschaftspraxis für die streitigen Quartale verrechnet hat.
Rechtsgrundlage für die Übertragung der Schuld des Dr. P auf die Gemeinschaftspraxis sind die §§ 414, 415 des bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in analoger Anwendung. Im Rahmen dieser Vorschriften über die Schuldübernahme ist die Rechtsfigur des Schuldbeitritts entwickelt worden. Sie hat zum Inhalt, dass der Mitübernehmer – in diesem Fall die Gemeinschaftspraxis – neben den bisherigen Schuldner – hier Dr. P – tritt und beide zu Gesamtschuldnern werden. Im Zivilrecht wird der Schuldbeitritt überwiegend durch einen Vertrag zwischen dem Schuldübernehmer und dem Gläubiger begründet. Anerkannt sind aber auch hier Formen des gesetzlichen Schuldbeitritts (Jauernig, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Vorbemerkung zu den §§ 414 ff Anm. 2). Bei einer analogen Anwendung dieser Vorschriften im Vertragsarztrecht, das zum öffentlich-rechtlichen Normenkreis gehört, muss der nichtrechtsgeschäftliche Schuldbeitritt nicht nur durch ein formelles Gesetz, sondern auch durch Satzungsrecht begründet werden können. Das Recht der Beklagten, die Gemeinschaftspraxis zum Mitübernehmer der Altschuld des Dr. P zu machen, beruht auf der Befugnis, die Honorarabrechnungen und Honorareinbehaltungen in eigener Satzungskompetenz zu regeln. Ermächtigungsnorm hierfür ist § 81 Abs. 1 Nr. 4 des Sozialgesetzbuches V. Aufgrund der sich hieraus ergebenden Normsetzungsbefugnis hat die Beklagte Regelungen für die Honorarabrechnung aufgestellt. Zu diesen gehört unter anderem, dass für eine Gemeinschaftspraxis nur eine Arztnummer ausgegeben und nur ein gemeinsames Konto eingerichtet wird. Wegen der Besonderheiten in der vertragsärztlichen Abrechnung ist bei der Gründung der Gemeinschaftspraxis häufig nicht überschaubar, ob das Honorarkonto aus der früheren Einzelpraxis des Gemeinschaftspartners im Plus oder im Minus steht. Das stellt sich vielfach erst nach der Gründung der Gemeinschaftspraxis heraus. Der Grund hierfür ist die "Vorläufigkeit" der Honorarbescheide. Ihre Verbindlichkeit beginnt nicht mit der Bekanntgabe, sondern erst nach der Überprüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit und Wirtschaftlichkeit. Da somit häufig die Schuld eines Gemeinschaftspartners aus der Zeit der Einzelpraxis erst nach Gründung der Gemeinschaftspraxis verbindlich feststeht, kommt es grundsätzlich zu einer gesamtschuldnerischen Haftung (§§ 421 ff BGB), die auch die Gemeinschaftspraxis mit einbezieht. Die Übertragung des Regelungsinhalts der §§ 414, 415 BGB auf die Honorarabrechnung führt nicht zu einem unbilligen Ergebnis für den Schuldübernehmer (Gemeinschaftspraxis), wenn die Kassenärztlich Vereinigung (Beklagte) die Übertragung der Altschuld auf das Konto der Gemeinschaftspraxis durch Verwaltungsakt vornimmt, wie es in diesen Fall durch das Schreiben vom 21.09.1999 geschehen ist. Die Rechtsmittel des Verwaltungsaktes ermöglichen es dem Schuldübernehmer alle Einwendungen, die sich aus dem Altschuldverhältnis ergeben, der Kassenärztliche Vereinigung entgegenzuhalten. Eine Schlechterstellung des Schuldübernehmers im Vergleich zum Zivilrecht ist damit ausgeschlossen.
Der § 719 Abs. 2 BGB, auf den sich die Kläger berufen, ist nicht einschlägig. Die Schuldbeitrittswirkung und die gesamtschuldnerische Haftung der Gemeinschaftspraxis schaffen eine Rechtslage, die dem Aufrechnungsverbot gegen die Forderung des einzelnen Gesellschafters (Gemeinschaftspartners) die Voraussetzungen entzieht. Die Beklagte konnte daher gemäß § 8 Abs. 3 der Abrechnungsrichtlinien die Altschuld des Dr. P mit den Abschlagszahlungen an die Gemeinschaftspraxis verrechnen.
Dieser Verrechnungsvorgang ist keine Umgehung der Regelungen der Insolvenzordnung. § 87 InsO ist bei dieser Sach- und Rechtslage nicht anwendbar. Durch die Gründung der Gemeinschaftspraxis ist im Vergleich zu den Einzelpraxen eine Statusänderung eingetreten und es ist dadurch ein neuer Rechtsträger entstanden. Die Beklagte hat gegen den neuen Rechtsträger (Gemeinschaftspraxis) eine Forderung aus den §§ 414, 415 in Verbindung mit § 421 BGB, die nicht zu dem vom Insolvenzverfahren erfassten Vermögen des Dr. P gehört. Die daneben bestehende Forderung der Beklagten wegen der Altschuld gegen Dr. P ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in das Insolvenzvermögen gefallen. Diese Forderung ist aber nicht die Grundlage für die hier streitige Verrechnung. Die Reichweite des § 87 InsO bezieht sich nicht auf die Forderung der Beklagten gegen die Gemeinschaftspraxis. Das ergibt sich aus dem Normzweck des § 87 InsO. Dieser soll nur verhindern, dass ein Gläubiger des Insolvenzschuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zusätzlich gegen den Insolvenzschuldner Klage erhebt oder erheben will (Braun, Kommentar zur InsO zu § 87 Anm. 1).
Dementsprechend konnte dem Begehren der Kläger nicht entsprochen werden. Die Klage war daher abzuweisen.
Erstellt am: 02.04.2004
Zuletzt verändert am: 02.04.2004