LSG = Erledigt durch Rücknahme durch Beklagte.
D.H. Urteil +
Der Bescheid der Beklagten vom 29.07.2010 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 09.11.2010 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Beitragspflicht von Bezügen der Klägerin aus einer Plus-PunktRente der Beigeladenen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversiche-rung.
Die XXXX geborene Klägerin war bis zu ihrem Renteneintritt bei der Sparkasse T, zuletzt als Vertreterin des Vorstands, sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Als solche be-stand eine tariflich vorgeschriebene Altersversorgung (Betriebsrente) im Rahmen einer Pflichtversicherung bei der Beigeladenen, bei der ihr Arbeitgeber Mitglied war. Am 01.11.2002 schloss die Klägerin zudem eine sogenannte freiwillige Versicherung über die sog. PlusPunktRente (mit teilweisem Kapitalwahlrecht) bei der Beigeladenen ab. Die Beiträge wurden aus ihrem Nettoeinkommen durch den Arbeitgeber abgeführt. Versiche-rungsnehmer dieses Vertrages war die Klägerin selbst. Der Vertrag wurde als sog. Riester-Vertrag gefördert.
Am 01.03.2010 trat die Klägerin in den Bezug von Altersrente bei der Deutschen Renten-versicherung ein und wurde in diesem Zusammenhang auch Mitglied der Krankenversicherung der Rentner. Im Rahmen der Mitteilung ihrer Einkünfte gab sie gegenüber der Beklagten als von der Beigeladenen monatlich ausgezahlte Versorgungsbezüge die Be-triebsrente in Höhe von 901,16 EUR und die PlusPunktRente in Höhe von 56,95 EUR an. Durch Bescheid vom 29.07.2010 stellte die Beklagte die Beitragspflicht beider Versorgungsbezüge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung fest. Hiergegen legte die Klägerin am 02.08.2010 Widerspruch ein und führte aus, dass die Pflicht- und die freiwillige Versicherung bei der Beigeladenen unterschiedlich zu behandeln seien. Diesen wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 09.11.2010 als unbegründet zurück. Beide Versorgungsbezüge seien beitragspflichtig, solange ein Zusammenhang mit dem Arbeitsleben bestehe und zwar unabhängig davon, wer die Beiträge gezahlt habe. Hier handele es sich eindeutig um Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung. Daraufhin hat die Klägerin am 10.01.2011 durch ihre Bevollmächtigten Klage erhoben.
Zur Begründung führt sie in Ergänzung ihres Widerspruchsvorbringens aus, dass sie den Riester-Rentenvertrag ohne arbeitgeberseitige Zuschüsse abgeschlossen habe und die PlusPunktRente nur rein zufällig von derselben Einrichtung erbracht werde, die auch die Betriebsrente erbringe. Ebenso gut hätte sie bei einem anderen Anbieter einen solchen Vertrag abschließen können.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29.07.2010 in der Gestalt ihres Wider-spruchsbescheides vom 09.11.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält ihre Rechtsauffassung für zutreffend und verweist hierzu auf den Inhalt ihrer Bescheide. Ergänzend führt sie aus, dass sich aus den Vertragsunterlagen und Mitteilungen der Beigeladenen ergebe, dass es sich auch bei der freiwilligen Versicherung um Versicherungsleistungen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung handele.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Sie ist der Auffassung, dass es sich auch bei der PlusPunktRente um einen Altersvorsorgevertrag im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung handele.
Durch Beschluss vom 18.12.2011 hat das Gericht die Kommunale Zusatzversorgungskasse Westfalen-Lippe beigeladen. Die Streitsache ist am 10.07.2012 mündlich verhan-delt worden.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Sitzungsniederschrift vom 10.07.2012 und den Schriftsatz der Beigela-denen vom 06.02.2012 nebst Anlagen, sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht Dortmund ist für die Entscheidung des Rechtstreits sachlich und örtlich zuständig (§§ 51, 57 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben worden. Klagegegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 29.07.2010 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 09.11.2010. Bei der Klage handelt es sich um eine Anfechtungsklage i. S. v. § 54 Abs. 1 SGG, da die Klägerin sich gegen die festgestellte Beitragspflicht ihrer PlusPunktRente wendet.
Eine Beitragspflicht dieser Zusatzrente in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung besteht nicht. Dementsprechend ist der angegriffene Bescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Gemäß § 228 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) unterliegen Renten der gesetzlichen Rentenversicherung der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen ist in § 229 SGB V geregelt. So sieht dessen Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 vor, dass als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) u. a. Renten der betrieblichen Altersversorgung gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden.
Während es sich im Fall der Klägerin bei der Betriebsrente, die sie von der Beigeladenen erhält, eindeutig und unstreitig um eine solche Rente der betrieblichen Altersversorgung handelt, ist dieses – entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten – bei der PlusPunkt-Rente nicht der Fall. Zum einen fehlt es schon begrifflich an einer betrieblichen Altersvorsorge im Sinne des Gesetzes über die betriebliche Altersvorsorge (BetrAVG). Eine irgendwie geartete Zusage oder Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber der Klä-gerin hinsichtlich der PlusPunktRente ist nicht gegeben. Auch bestehen keine vertraglichen Vereinbarungen über eine Umwandlung künftiger Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen. Abgesehen von dem Fehlen einer solchen Versorgungszusage ist der Versicherungsvertrag betreffend die PlusPunktRente auch nicht durch den Arbeitgeber abgeschlossen worden. Nur in solchen Fällen, in denen die vom Arbeitnehmer eingezahlten Beiträge von einer Versorgungszusage des Arbeitgebers umfasst sind und der Versicherungsvertrag durch den Arbeitgeber auf ihn als Versicherungsnehmer ausgestellt ist, kommt die Annahme einer betrieblichen Altersversorgung überhaupt in Betracht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.09.2010, 1 BvR 1660/08, Rdnr. 12, zitiert nach Juris). Vorliegend fehlt es mithin bereits an den elementaren Voraussetzungen, weil die Klägerin von Anfang an, also seit dem 01.11.2002, Versicherungsnehmerin des Versicherungsvertrages über die PlusPunktRente bei der Beigeladenen gewesen ist.
Zur Überzeugung der Kammer ist im Fall der Klägerin eindeutig der institutionelle Rah-men des Betriebsrentenrechts nicht nur verlassen worden, wie in dem vom Bundesverfassungsgericht zu beurteilenden Fall, sondern hier war vielmehr von Anfang die betriebliche Veranlassung bzw. der betriebliche Zusammenhang nicht gegeben. Es handelt sich mithin um eine Form privater Altersvorsorge. Aus den von der Beigeladenen vorlegten Unterlagen sowie ihrer Einlassung ergibt sich als Voraussetzung für den Abschluss einer PlusPunktRente, dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bei dem jeweiligen Mitglied beschäftigt ist. Das Beschäftigungskriterium ist kein durchgreifendes Kriterium, das eine Zuordnung des Vertrages über die PlusPunktRente zur betrieblichen Altersversorgung rechtfertigen würde. Es ist nicht von entscheidender Bedeutung, dass die Beigeladene, wie beispielsweise für Angestellte von Bund- und Ländern die Versorgungsanstalt des Bundes- und der Länder (VBL) auch, lediglich dort tariflich pflichtversicherten Personen eine freiwillige Versicherung anbietet. Denn die Klägerin hätte eine entsprechende Versicherung mit Riester-Förderung auch bei jedem anderen Anbieter in öffentlicher oder privater Trägerschaft abschließen können.
Zudem sind die Beiträge allein aus ihrem Nettoeinkommen abgeführt worden, während bei der tariflich verpflichtend vorgesehenen Betriebsrentenversicherung bei der Beigela-denen eine Entgeltumwandlung und auch Zuschüsse des Arbeitgebers vorgesehen waren und erfolgt sind. Im vorliegenden Fall liegt keine finanzielle Beteiligung des Arbeitgebers vor und ist offenbar, dass er in die Beschaffung des Riester-Vertrages nicht eingebunden war. Die Beigeladene hat die freiwillige Versicherung vielmehr den Arbeitnehmern ihres Mitgliedes angeboten und der Arbeitgeber hat dann die Beiträge aus dem Nettoeinkommen der Klägerin auf deren Wunsch hin abgeführt.
Die Beigeladene hat überdies – von der Beklagten unwidersprochen – ausführlich dargelegt, dass es im Rahmen der freiwilligen Versicherung bei ihr verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten gibt. So besteht die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber einen Vertrag über die PlusPunktRente abschließt, wenn die freiwillige Versicherung durch Entgeltumwandlung genutzt werden soll. Eine solche Entgeltumwandlung ist hier allerdings nicht vereinbart worden.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner oben angeführten Rechtsprechung ausdrücklich klargestellt, dass die Typisierung nicht auf Fälle ausgedehnt werden darf, in denen Einzahlungen des Arbeitnehmers auf Kapitallebensversicherungsverträge in die betriebliche Altersversorgung eingeordnet werden, die den Begriffsmerkmalen des Betriebsrentenrechts nicht entsprechen und sich in keiner Weise mehr von Einzahlungen auf private Kapitallebensversicherungsverträge unterscheiden (vgl. BVerfG, a.a.O., Rdnr. 13). In entsprechender Anwendung kann für private Rentenversicherungsverträge nichts anderes gelten. Vorliegend ist daher die sprachliche Ausgestaltung der allgemeinen Versicherungsbedingungen und sonstigen Versicherungsunterlagen der Beigeladenen, die wiederholt von einer Form der betrieblichen Altersversorgung sprechen, für die sozialrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung.
Selbst der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen hat in der Sitzung seiner Fachkonferenz Beiträge am 22.11.2011 in Berlin festgestellt:
"Bereits unter Berücksichtigung dieser vom BVerfG entwickelten und vom BSG (Ergänzung der Kammer: Urteil vom 30.03.2011, B 12 KR 24/09 R) fortgeführten Grundsätze erscheint es nicht haltbar, im Falle eines Riester-Vertrages, soweit der Zulagenberechtigte bzw. Arbeitnehmer Versiche-rungsnehmer ist, von einer betrieblichen Altersversorgung auszugehen." (S. 14).
Auch vor dem Hintergrund dieser Ausführungen war die Weigerung der Beklagten, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein Anerkenntnis abzugeben, nicht nachvollziehbar, zumal sie selber im Schriftsatz vom 14.02.2011 noch ausgeführt hatte: "Für das Bundesverfassungsgericht war entscheidend, dass mit dem Einrücken des Arbeitnehmers in die Stellung des Versicherungsnehmers der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts verlassen wird." Eine Umsetzung dieser Reflexion ist sie schuldig geblieben.
Nach alledem war ein für die Beitragspflicht hinreichender betrieblicher Bezug des Vertrages über die PlusPunktRente bei der Beigeladenen nicht festzustellen.
Schließlich war der angegriffene Bescheid hinsichtlich der Feststellung der Beitragspflicht in der sozialen Pflegeversicherung auch schon von daher rechtswidrig, als dass er keine Rechtsgrundlage hierfür geboten hat. Der Ausgangsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist nicht der Pflegekasse zuzurechnen. Dieses ist nur dann möglich, wenn diese eindeutig als Urheber erkennbar ist (BSG, Urteil vom 26.01.2005, B 12 P 4/02 R, zitiert nach Juris). Dieses ist hier nicht der Fall. In den Bescheiden ist die Pflegekasse nicht als erlassende Behörde bezeichnet und auch nicht anderweitig als solche zu erkennen.
Nach alledem war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 21.01.2015
Zuletzt verändert am: 21.01.2015