Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klä-gerin zu 2/5. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte von der am 14.07.1989 geborenen Klägerin die Erstattung von in den Jahren 2005 und 2006 erbrachten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von nunmehr noch EUR 1043,51 verlangen kann.
Die Klägerin bezog von der Beklagten seit dem 01.01.2005 gemeinsam mit ihrer Mutter M1 und ihrer Mutter M2 Leistungen nach dem SGB II. Frau M1 stellte bei der Beklagten am 18.11.2004 den Erstantrag auf Leistungen sowie in der Folge am 31.05.2005, 12.09.2005, 27.01.2006 die jeweiligen Fortzahlungsanträge auch für ihre zum damaligen Zeitpunkt noch minderjährigen Töchter. Die Beklagte rechnete in ihren Bewilligungsbescheiden – unter anderem vom 13.06.2005, 21.09.2005 und 27.01.2006 – zunächst nur das von der Klägerin bezogene Kindergeld als Einkommen an. Ab August 2005 bezog die Klägerin über das Kindergeld hinaus jedoch auch monatliche Unterhaltsleistungen von ihrem von Frau M1 getrennt lebenden Vater. Eine Änderungsmitteilung über das nunmehr zusätzlich bezogene Einkommen oder dies-bezügliche Angaben in den späteren Fortzahlungsanträgen finden sich im Verwaltungs-vorgang der Beklagten nicht. Die Beklagte rechnete die Unterhaltsleistungen in ihren nachfolgend erlassenen Bewilligungsbescheiden nicht als Einkommen der Klägerin an.
Im Januar 2007 erfuhr die Beklagte von den an die Klägerin erbrachten Unterhaltszahlun-gen seit August 2005. Bereits vorab hatte sie davon Kenntnis erhalten, dass auch die Schwester der Klägerin, Frau M2, nicht angezeigte Unterhaltsleistungen erhal¬ten hatte. Mit an Frau M1 gerichtetem Bescheid vom 28.06.2007 hob sie die "Entscheidun¬gen vom 13.06.2005, 15.09.2005 und 27.01.2006 ( …) vom 01.08.2005 bis 31.07.2006" für Frau M1 sowie für die Klägerin und deren Schwester M2 "in Höhe von EUR 2539,65" im Hinblick auf die vorab geleisteten und nicht angerechneten Unterhaltszahlun¬gen auf. In der Folge individualisierte sie die einzelnen Erstattungsansprüche und setzte dabei unter anderem die Erstattungssumme gegen die Klägerin auf EUR 1828,90, bestehend aus Regelleistungen in Höhe von EUR 1292,85 und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR 528,05 für den Zeitraum vom 01.08.2005 bis zum 31.07.2006 fest. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Widerspruch. Während des Widerspruchsverfahrens erging der nunmehr gesondert an die Klägerin ge-richtete Änderungsbescheid vom 01.10.2008, mit dem die Beklagte die Erstattungssumme aufgrund einer nunmehr veränderten Berechnung auf EUR 1770,99 korrigierte. Mit Wider-spruchsbescheid vom 18.11.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin im Üb-rigen zurück. Im Rahmen der Begründung des Widerspruchsbescheides stellte sie die Be-rechnung der Erstattungssumme dar und listete insbesondere tabellenförmig auf, auf wel-chen Monat die einzelnen Erstattungsbeträge entfielen. Die seitens der Mutter und der Schwester der Klägerin erhobenen Widersprüche behan-delte die Beklagte in separaten Widerspruchsverfahren. Die Aufhebung und Erstattung wurde hinsichtlich der Mutter der Klägerin bestandskräftig. Die an die Schwester der Klä-gerin, Frau M2, gerichtete Aufhebung und Erstattung wurde in dem ebenfalls vor der erkennenden Kammer unter dem Aktenzeichen S 32 AS 517/08 geführten Verfahren durch Vergleich abgeschlossen.
Am 22.12.2008 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie trägt vor, dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten aufgrund der Haftungsbeschränkung des § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) rechtswidrig sei. Da ihre Mutter die Anträge zu Zeiten ihrer Minderjährigkeit für sie mit gegebenenfalls unvollständigen Angaben gestellt habe, habe diese die entsprechende Rückzahlungsver-pflichtung zu ihren Lasten begründet. Aufgrund ihrer nunmehr eingetretenen Volljährigkeit sei ihre Haftung im Sinne dieser Norm auf das zum Zeitpunkt ihrer Volljährigkeit bestehen-de Vermögen beschränkt. Sie habe zu diesem Zeitpunkt aber über kein Vermögen verfügt.
Eine direkte Anwendbarkeit der Norm des § 1629 a BGB ergebe sich bereits aus der Vor-schrift des § 61 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X). Zudem gründe sich § 1629a BGB auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13.05.1986, Az. 1 BvR 1542/84, der auf einen Schutz des allgemeinen Persönlichkeits-rechts abgezielt habe. Die Grundrechte fänden aber auch im Bereich des Sozialrechts un-eingeschränkt Geltung. Einen Ausschluss der Norm durch den Ausnahmetatbestand des § 1629 a Abs.2 BGB für Verbindlichkeiten, die allein der Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des Minderjäh-rigen gedient hätten, könne sie nicht erkennen. Die Beklagte habe nämlich keinerlei Fest-stellungen dazu getroffen, dass die ihr gewährten Leistungen nach dem SGB II ihr auch tatsäch¬lich zugutegekommen seien. Die Haftungsbeschränkung des § 1629a BGB sei auch nicht erst im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens geltend zu machen. Gemäß § 7 Abs.1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen seien Einwendun-gen gegen die Rechtmäßigkeit des vollziehenden Leistungsbescheides nämlich außerhalb des Zwangsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsmitteln zu verfolgen. Dies sei-en Widerspruch und Klage.
In der Sache hat am 07.01.2010 ein Termin zur Erörterung des Sachverhalts stattgefun-den. Das Gericht hat die Beteiligten in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Erstattungsforderung der Beklagten einer Grundlage entbehrte, soweit diese einen Be-trag von EUR 1043,51 überstieg. Die Beklagte hatte es im Rahmen ihres Aufhebungsbe-scheids nämlich unterlassen, den für den Zeitraum vom 01.10.2005 bis zum 31.01.2006 maßgeblichen Bewilligungsbescheid vom 21.09.2005 aufzuheben. Die Beklagte hat dar-aufhin ihre Erstattungsforderung auf den Betrag von EUR 1043,51 reduziert. Die Klägerin hat durch ihren Bevollmächtigten in der Folge erklärt, dass die tatbestandli-chen Voraussetzungen der Aufhebung nicht mehr in Abrede gestellt werden sollten. Viel-mehr solle der Rechtsstreit sich auf die Frage der Haftungsbeschränkung des § 1629a BGB beschränken. Die Klägerin hat daraufhin die Erklärung abgegeben, dass sie anerkenne, dass ein Erstattungsanspruch in Höhe von EUR 1043,51 bestehe, hiergegen aber die Einrede des § 1629a BGB erhebe.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 09.08.2010 hat die Klägerin ihre Erklärung vom 07.01.2010 dahingehend konkretisiert, dass sie die Klage hinsichtlich des Aufhe-bungsbescheids zurücknehme und nunmehr nur noch den Erstattungsbescheid angreife.
Die Klägerin beantragt,
den Erstattungsbescheid der Beklagten vom 28.06.2007 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 01.10.2008 und des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2008 aufzuheben,
hilfsweise die Sprungrevision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Norm des § 1629 a BGB im Sozialrecht bereits gar nicht für anwendbar. Da die §§ 45 ff. des SGB X nämlich eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Be¬günstigten am Bestand des Verwaltungsakts und dem öffentlichen Interesse an seiner Auf¬hebung vornähmen, sei die Interessenlage nicht mit der des Bürgerlichen Rechts ver-gleichbar. Unabhängig von der Anwendbarkeit der Norm sei zudem ihr Ausschluss gemäß § 1629a Abs.2 BGB anzunehmen, weil die Grundsicherungsleistungen der Klägerin zugu-tegekommen seien.
Der vom Klägerbevollmächtigten hilfsweise beantragten Sprungrevision hat die Beklagte durch im Termin vom 09.08.2010 abgegebene schriftliche Erklärung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Verwal-tungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Streitig war nach den in den Terminen vom 07.01.2010 und 09.08.2010 abgegebenen Pro¬zesserklärungen nur noch der Erstattungsbescheid der Beklagten vom 28.06.2007 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 01.10.2008 und des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2008, soweit er für die Zeiträume vom 01.08.2005 bis zum 30.09.2005 und vom 01.02.2006 bis zum 31.07.2006 eine Erstattung von an die Klägerin gezahlten Leistungen nach dem SGB II in Höhe von EUR 1043,51 festsetzt.
Der Erstattungsbescheid ist nach der von der Beklagten vorgenommenen Reduzierung der Erstattungssumme jedoch rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht mehr in ihren Rechten.
Grundlage für die von der Beklagten geltend gemachte Erstattung ist § 50 Abs.1 SGB X. Danach sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistun-gen zu erstatten. Da die Aufhebungsentscheidung der Beklagten durch die teilweise Klagerücknahme der Klägerin nunmehr bestandskräftig ist, war deren Rechtmäßigkeit nicht mehr zu klären. Die Berechnung der Erstattungssumme durch die Beklagte, die auch von der Klägerin nicht angegriffen wird, begegnet keinen Bedenken. Die Beklagte fordert von der Klägerin nun-mehr für die Zeiträume vom 01.08.2005 bis zum 30.09.2005 und vom 01.02.2006 bis zum 31.07.2006 die an diese gewährten Leistungen nach dem SGB II zurück, soweit sich ihre Ansprüche durch den Bezug der vorab nicht berücksichtigten Unterhaltszahlungen gemin-dert haben. Der von der Beklagten noch geltend gemachte Erstattungsbetrag in Höhe von EUR 1043,51 ergibt sich aus einer Addition der im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18.11.2008 tabellenförmig dargestellten Beträge für die einzelnen Monate.
Die Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheids wird zur Überzeugung der Kammer auch nicht durch die Vorschrift des § 1629a BGB berührt.
Gemäß § 1629a Abs.1 BGB beschränkt sich die Haftung für Verbindlichkeiten, die die El-tern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht oder sonstige vertretungsberechtigte Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder eine sonstige Handlung mit Wirkung für das Kind begründet haben, oder die auf Grund eines während der Minderjährigkeit erfolgten Erwerbs von Todes wegen entstanden sind, auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes; dasselbe gilt für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, die der Minderjährige gemäß §§ 107, 108 oder § 111 mit Zustimmung seiner Eltern vorgenommen hat oder für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, zu denen die Eltern die Genehmigung des Familiengerichts erhalten haben. Grundlage für die Einführung dieser Norm war der Beschluss des Bundesverfassungsge-richts vom 13.05.1986, Aktenzeichen 1 BvR 1542/84. In diesem Zusammenhang befand das Bundesverfassungsgericht, dass die Normen der §§ 1629 Abs.1 und 1643 Abs.1 BGB insoweit nicht mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar seien, als Eltern im Zusammenhang mit der Fortführung eines zu einem Nachlass gehörenden Handelsgeschäfts ohne vormund-schaftsgerichtliche Genehmigung Verbindlichkeiten zu Lasten der minderjährigen Kinder eingehen könnten, die über deren Haftung mit dem ererbten Vermögen hinausgingen. Hierbei zeigte das Bundesverfassungsgericht zwei Lösungswege auf; nämlich zum einen die Fortschreibung des Kataloges derjenigen Geschäfte, die gemäß den §§ 1643 und 1821, 1822 BGB einer familiengerichtlichen Genehmigung bedürfen, zum anderen die Ein-führung einer Haftungsbeschränkung. Der Gesetzgeber hat sich mit dem Minderjährigen-haftungsbeschränkungsgesetz (MhbeG) vom 25.08.1998 für die letztgenannte Alternative entschieden.
Die von den Beteiligten diskutierte Frage, ob die Norm des § 1629a BGB bereits Auswir-kungen auf die mögliche Rechtmäßigkeit einer von einer Behörde festgesetzten Erstattung hat oder erst im Zwangsvollstreckungsverfahren berücksichtigt werden kann (im letzteren Sinne BFH, 8. Senat, Urteil vom 01.07.2003, Az. VIII R 45/01; VG Hamburg, 13.Kammer, Az. 13 VG 4777/2001), konnte bei der Prüfung ihrer Auswirkungen auf den hier angegrif-fenen Erstattungsbescheid dahinstehen. § 1629a BGB ist zur Überzeugung des Gerichts im Bereich des Sozialrechts nämlich gar nicht anwendbar.
Zunächst scheidet eine direkte Anwendbarkeit der Norm aus. Die von der Klägerin zitierte Vorschrift des § 61 S.2 SGB X, nach der "im Übrigen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend gelten", bezieht sich nicht auf das Zehnte Buch des Sozialgesetzbuchs im Allgemeinen, sondern allein auf die in den §§ 53 ff. SGB X geregel-ten Vorschriften zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge. Dies ergibt sich aus der Stellung des § 61 SGB X, der sich am Ende des die öffentlich – rechtlichen Verträge regelnden vierten Abschnitts, nicht jedoch im allgemeinen Teil des SGB X findet. Zudem deutet auch auf § 61 S. 1 SGB X, nach dem "sofern sich aus den §§ 53 bis 60 nichts anderes ergibt", die übrigen Vorschriften des SGB X entsprechend gelten, auf den eingeschränkten Regelungsgehalt dieser Norm hin. Dass der Gesetzgeber im Zusammen-hang mit den Regelungen für öffentlich – rechtliche Verträge einen besonderen Verweis auf die Vorschriften des BGB für erforderlich gehalten hat, zeigt aber gerade, dass bürger- lich -rechtliche Vorschriften im Bereich des SGB X nicht allgemein anwendbar sind.
Die Kammer hält auch eine entsprechende Anwendung der haftungsbeschränkenden Norm des § 1629a BGB auf sozialrechtliche Erstattungstatbestände nicht für geboten. Die diesen Tatbeständen zugrundeliegende Interessenlage ist nicht mit der des Bürgerli-chen Rechts vergleichbar (so im Ergebnis auch B VerwG, 5. Senat, Beschluss vom 28.3.2008, Az. 5 B 32/08; 5 PKH 13/08). Im Rahmen einer gemäß § 1629 BGB bestehen¬den Vertretungsmacht für ihre Kinder können Eltern diese nämlich zunächst unbegrenzt vertraglich verpflichten. Wenn der Vertragspartner von den nunmehr volljährig gewordenen Kindern eine Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung einfordert, berücksichtigt das BGB nicht die Interessen – und Motivationslage der Eltern und der Kinder bei der Begründung der Verbindlichkeit und das Ausmaß der den Kindern erwachsenden Belas¬tungen bei deren Erfüllung. Demgegenüber hat die einen begünstigenden Verwaltungsakt aufhebende Behörde im Rahmen der §§ 45 ff. SGB X grundsätzlich eine Abwägung zwischen den Interessen des Begünstigten am Bestand des Verwaltungsakts und dem der Öffentlichkeit an der Aufhe-bung desselben vorzunehmen. So darf insbesondere gemäß § 45 Abs. 2 SGB X ein rechtswidriger begünstigender Ver-waltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen In¬teresse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwür¬dig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdispositi¬on getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauensschutz kann sich der Begünstigte nur dann nicht berufen, wenn ihm oder seinem Vertreter ein in den Beispielen des § 45 Abs.2 S.3 näher dargestell¬tes vorwerfbares Verhalten zur Last gelegt werden kann. Auch § 48 SGB X sieht eine Aufhebung für die Vergangenheit nur unter einschränkenden Bedingungen vor. Die Behörde hat grundsätzlich auch auch Ermessen auszuüben, sofern keine Sondervor¬schriften – so insbesondere die §§ 330 Abs. 2, 3 SGB III beim Vorliegen des vorgenannten vorwerfbaren Verhaltens des Begünstigten oder seines Vertreters – eine diesbezügliche Befreiung der Behörde aussprechen.
Aufgrund dieser unterschiedlich gearteten Interessenlage und gesetzlichen Konzeption ist es auch allgemein anerkannt, dass die im Rahmen von zivilrechtlichen Bereicherungsansprü¬chen gemäß § 818 Abs. 3 BGB mögliche Einrede der Entreicherung im Sozialrecht nicht anwendbar ist (BSG, Urteil vom 15.02.1979, Az. 7 Rar 63/77; Hessisches Landessozialge¬richt, Urteil vom 24.04.2006, Az. L 9 AL 786/03).
Das Erfordernis einer dem § 1629a BGB entsprechenden Haftungsbeschränkung ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts auch nicht unmittelbar aus dem Grundrechtskatalog der Art. 1ff. des Grundgesetzes (GG). In diesem Zusammenhang ist nochmals auf die Entstehungsgeschichte des § 1629a BGB zu verweisen. Zur Begründung seines Urteils vom 13.05.1986 hat das Bundesverfas-sungsgericht insbesondere ausgeführt , dass die mit dem Eintritt der Volljährigkeit eintre-tende Freiheit nur noch eine "scheinbare Freiheit" sei, wenn dem Volljährigen kein Raum bleibe, sein weiteres Leben ohne unzumutbare Belastungen zu gestalten, die er nicht zu verantworten habe. Eine solche "Abschnürung" der persönlichen Dispositionsfreiheit beim Eintritt der Volljäh-rigkeit ist anders als bei der Verpflichtung von Minderjährigen im Rahmen der Fortführung eines Handelsgeschäfts in ungeteilter Erbengemeinschaft bei einer Rückforderung über-zahlter Sozialleistungen aber nicht anzunehmen. Diese erreichen anders als mögliche Ver-bindlichkeiten aus Handelsgeschäften nämlich im Allgemeinen keinen Umfang, der die mit dem Eintritt der Volljährigkeit eintretende Freiheit, das Leben selbstbestimmt zu gestalten, nur noch als eine "scheinbare" erscheinen lässt (so auch BVerwG, Beschluss vom 18.03.2008, Az. 5 B 32/08).
Sofern man eine Anwendbarkeit des § 1629a BGB im Sozialrecht aber grundsätzlich an-nähme, stünde dieser im konkreten Fall die Ausschlussnorm des § 1629a Abs.2 2. Alt.BGB entgegen. Danach gilt § 1629a Abs.1 BGB nicht für Verbindlichkeiten, die allein der Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des Minderjährigen dienten. Dieser Ausnahme¬tatbestand beschränkt sich nicht nur auf Kleingeschäfte des täglichen Lebens, sondern auch auf größere Geschäfte, die für Angehörige der jeweiligen Altersstufe typisch oder je¬denfalls nicht ungewöhnlich sind (Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 5. Auflage 2008 – Huber zu § 1629 a BGB, Rdnr.28). Der streitgegenständliche Erstattungsbescheid betrifft im vorliegenden Fall Leistungen nach dem SGB II, die der Klägerin zur Sicherung ihres Lebensunterhalts erbracht wor¬den sind. Sofern man – wie nunmehr unstreitig – Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II als Individualansprüche der einzelnen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft be¬greift, ist aber beim Vorliegen entgegenstehender Anhaltspunkte auch typisierend anzu¬nehmen, dass diese Leistungen auch dem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugutekom¬men, für das sie gewährt werden. Eine "Zweckentfremdung" dieser für die Klägerin gewährten Leistungen ist im vorliegenden Fall nicht vorgetragen und aus dem Akteninhalt auch in keiner Weise erkennbar, so dass das Gericht sich diesbezüglich auch nicht zu weiteren Ermittlungen veranlasst sehen musste.
Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 193 SGG. Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit der Klage aufgrund der Reduzierung der ursprünglichen Erstattungs-forderung in Höhe von EUR 1770,99 auf EUR 1043,51 einen Teilerfolg erzielt hat.
Die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz (Sprungrevision) war – wie von der Klägerin mit ihrem Hilfsantrag beantragt – zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzli-che Bedeutung im Sinne des § 160 Abs.2 Nr.1 SGG hat. Die Kammer sah in der Frage, ob die Haftungsbeschränkung des § 1629a BGB im Bereich des Sozialrechts anwendbar ist, eine Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung, die bislang noch nicht höchstrichterlich ent¬schieden ist. Höchstrichterliche Entscheidungen mit Bezug auf eine Anwendbarkeit dieser Norm im Öffentlichen Recht liegen nur in Gestalt der zitierten Entscheidungen des Bundes¬verwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 18.03.2008, Az. 5 B 32/08) und des Bun¬desfinanzhofs (BFH, 8. Senat, Urteil vom 01.07.2003, Az. VIII R 45/01) vor. Die Zulassung konnte gemäß § 161 Abs.1 S.1 SGG bereits im Urteil erfolgen, weil die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 09.08.2010 einer Revision unter Übergehung der Beru¬fungsinstanz mit zur Gerichtsakte gereichtem Schriftsatz zugestimmt hat.
Erstellt am: 28.01.2014
Zuletzt verändert am: 28.01.2014