Auf die Erinnerung der Erinnerungsführerin wird der Festsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 02.03.2015 für das Verfahren S 32 AS 5015/13 abgeändert und die der Erinnerungsführerin aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 702,10 EUR festgesetzt. Die Erinnerung des Erinnerungsgegners wird zurückgewiesen. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der aus der Staatskasse für die anwaltliche Tätigkeit in einem Hauptsachverfahren aus dem Rechtsgebiet des SGB II zu gewährenden Vergütung nach § 45 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte – Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – (nachfolgend: RVG) und inhaltlich um die Frage, ob, wenn im Tenor des Beschlusses, mit dem nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und ein(e) Rechtsanwalt/Rechtsanwältin beigeordnet worden ist, ein Zeitpunkt für das Wirksamwerden dieser PKH-Bewilligung und der Beiordnung bestimmt worden ist, bei der Bemessung der Vergütung nur die anwaltliche Tätigkeit zu berücksichtigen ist, die nach diesem Zeitpunkt erbracht worden ist, oder ob auch diejenige Tätigkeit zu berücksichtigen ist, die im Zeitraum zwischen der Einreichung des PKH-Antrags und diesem Zeitpunkt erbracht worden ist.
Die Erinnerung der Erinnerungsführerin vom 12.03.2015 hat Erfolg (dazu unter Ziff. 1). Die Erinnerung des Erinnerungsgegners vom 08.06.2015 (selbständige Anschlusserinnerung) hat keinen Erfolg (dazu unter Ziff. 2).
Dabei verzichtet die Kammer zugunsten einer besseren Lesbarkeit dieses Beschlusses sowohl im Rubrum als auch nachfolgend darauf, die Erinnerungsführerin zugleich als (Anschluss-) Erinnerungsgegnerin und den Erinnerungsgegner zugleich als (Anschluss-) Erinnerungsführer zu bezeichnen.
1.Die Erinnerung der Erinnerungsführerin vom 12.03.2015 gegen den auf § 55 RVG beruhenden Beschluss über die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung vom 02.03.2015 ist nach § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Erinnerungsführerin ist als beigeordnete Rechtsanwältin erinnerungsbefugt. Auch die Behauptung einer Beschwer der Erinnerungsführerin durch die angegriffene Entscheidung liegt vor, da sie geltend macht, dass eine höhere Vergütung hätte festgesetzt werde müssen. Die Erinnerung nach § 56 RVG ist nicht fristgebunden; § 56 RVG ist als speziellere Norm gegenüber § 178 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten binnen eines Monats nach Bekanntwerden das Gericht angerufen werden kann, das endgültig entscheidet, vorrangig (vgl. z. B. Bayerisches Landessozialgericht (LSG), Beschluss vom 18.01.2010 – L 13 SF 288/09 E – juris (Rn. 18)). Die Erinnerung ist schriftlich und damit formgerecht (§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. § 33 Abs. 7 Satz 1 RVG) eingelegt worden. Über die Erinnerung des Rechtsanwalts gegen die Festsetzung nach § 55 RVG entscheidet das erkennende Gericht als das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss (§ 56 Abs. 1 Satz 1 RVG), nachdem die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der Erinnerung nicht nach § 56 Abs.&8201;2 Satz 1 RVG i. V. m. §&8201;33 Abs.&8201;4 Satz&8201;1 RVG abgeholfen hat.
Nachdem die Erinnerungsführerin zunächst nach § 55 Abs. 1 Satz 1 RVG die Festsetzung eine Vergütung von 1.035,30 EUR unter Berücksichtigung einer (fiktiven) Terminsgebühr von 280,00 EUR beantragt hatte, hat sie während des Erinnerungsverfahrens mit dem Schriftsatz 23.06.2015 (Seite 3) mitgeteilt, dass "die Terminsgebühr nicht weiter aufrecht erhalten bleibt" und dadurch ihren Festsetzungsantrag um den Betrag der Terminsgebühr (280,00 EUR) und um die anteilige Umsatzsteuer (53,20 EUR), mithin um insgesamt 333,20 EUR, reduziert. Damit hat sie zuletzt noch die Festsetzung einer Vergütung i. H. v. insgesamt 702,10 EUR angestrebt.
Die Erinnerung ist in diesem Umfang auch begründet. Zu Unrecht hat die Urkundsbeamtin mit dem angefochtenen Festsetzungsbeschluss auf den Festsetzungsantrag der Erinnerungsführerin vom 24.02.2015 hin nur eine Vergütung i. H. v. 523,60 EUR festgesetzt.
Nach § 55 RVG werden die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung und der Vorschuss hierauf auf Antrag des Rechtsanwalts von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszugs festgesetzt.
Die Vergütung der Rechtsanwälte (Gebühren und Auslagen) bestimmt sich nach den Vorschriften des RVG, vgl. § 1 Abs. 1 RVG.
Nach der Übergangsregelung des § 60 RVG kommt vorliegend das RVG in der seit dem 01.08.2013 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. KostRMoG) vom 23.07.2013 zur Anwendung, denn der unbedingte Auftrag zur Durchführung des erstinstanzlichen sozialgerichtlichen Klageverfahrens als maßgeblicher Angelegenheit i. S. d. §§ 15 ff. RVG ist der Erinnerungsführerin erkennbar – darauf deutet insbesondere die von ihr eingereichte, auf den 28.10.2013 datierende Prozessvollmacht hin – erst nach dem Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung erteilt worden (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG).
Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung aus der Staatskasse, soweit nichts anderes in Abschnitt 8 des RVG bestimmt ist.
Gemäß § 48 Abs. 1 RVG bestimmt sich der Vergütungsanspruch nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Der Vergütungsanspruch ist gemäß dieser Vorschrift nach seinem Grund und seiner Höhe von dem Umfang der Beiordnung abhängig; der beigeordnete Rechtsanwalt kann sämtliche Gebühren und Auslagen beanspruchen, die sich aus seiner Tätigkeit ab Wirksamwerden seiner Beiordnung und unter der Voraussetzung einer wirksamen Vollmacht des begünstigten Beteiligten ergeben (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Beschluss vom 28.05.2013 – L 9 AS 142/13 B – juris (Rn. 10); LSG NRW, Beschluss vom 22.12.2010 – L 19 AS 1138/10 B – juris (Rn. 25) m. w. N.).
Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG in der hier anwendbaren seit dem 01.08.2013 geltenden Fassung des 2. KostRMoG vom 23.07.2013 (s. o.) erstreckt sich die Beiordnung in Angelegenheiten, in denen nach § 3 Absatz 1 RVG Betragsrahmengebühren entstehen, auf Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt der Beantragung der Prozesskostenhilfe, wenn vom Gericht nichts anderes bestimmt ist. Nach § 48 Abs. 4 Satz 2 RVG in der seit dem 01.08.2013 geltenden Fassung erstreckt sich die Beiordnung ferner auf die gesamte Tätigkeit im Verfahren über die Prozesskostenhilfe einschließlich der vorbereitenden Tätigkeit. Auf die Bedeutung dieser Vorschriften wird weiter unten näher eingegangen.
Nach § 2 Abs. 1 RVG wird die Höhe der Vergütung, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung zudem nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz (VV RVG). Gemäß § 3 Abs. 1 RVG entstehen aber – abweichend von § 2 Abs. 1 RVG – in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, keine Gebühren nach dem Gegenstandswert, sondern Betragsrahmengebühren.
Hier entstanden solche Betragsrahmengebühren, da die Mandantin der Erinnerungsführerin, die Klägerin des Verfahrens S 32 AS 5015/13, das Verfahren in ihrer Eigenschaft als Leistungsempfängerin nach dem SGB II betrieb und daher kostenprivilegierte Beteiligte im Sinn des § 183 Satz 1 SGG ist, und deshalb das GKG gem. §§ 183 Satz 1, 197a Abs. 1 Satz 1 SGG keine Anwendung findet.
Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Dabei kann ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts bei der Bemessung herangezogen werden, § 14 Abs. 1 Satz 2 RVG; bei Rahmengebühren, die sich – wie hier – nicht nach dem Gegenstandswert richten (Betragsrahmengebühren), ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen, § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG.
§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG gilt für das Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten; dass die Bestimmung der Billigkeit entspricht, hat in diesem Verhältnis der Rechtsanwalt darzulegen und im Streitfall zu beweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 20.01.2011 – V ZB 216/10 – juris (Rn. 9)).
Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist, § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG.
"Dritter" i. S. dieser Rechtsnorm ist insbesondere der Verfahrensgegner, soweit dieser nach einer eigenen Kostengrundentscheidung im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens nach § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) oder nach einer gerichtlichen Kostengrundentscheidung nach § 193 SGG zur Kostentragung verpflichtet ist. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG findet daher insbesondere im Rahmen eines gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahrens und eines etwaigen sich anschließenden Erinnerungsverfahrens nach § 197 SGG Anwendung. Dabei ist zumindest nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hier im Unterschied zu der in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG enthaltenen Regelung die Billigkeit der Bestimmung kein anspruchsbegründendes Merkmal des anwaltlichen Gebührenanspruchs, sondern die Unbilligkeit eine Einwendung des Dritten im Rahmen des Erstattungsverfahrens. Das hat zur Folge, dass das Gericht die getroffene Bestimmung nicht als unbillig bezeichnen kann, sondern die geltend gemachte Gebühr festzusetzen hat, falls der erstattungspflichtige Dritte der vom Rechtsanwalt der erstattungsberechtigten Partei getroffenen Bestimmung der Gebühren nicht entgegengetreten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20.01.2011 – V ZB 216/10 – juris (Rn. 10 f.) m. w. N.; SG Nordhausen, Beschluss vom 23.04.2015 – S 12 SF 507/12 E – juris (Rn. 15); Loytved, jurisPR-SozR 15/2015, Anm. 5; a. A. SG Braunschweig, Beschluss vom 29.09.2011 – S 47 SF 320/09 E – juris (Rn. 10 ff.) m. w. N.). Soweit § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG im Rahmen eines behördlichen Kostenfestsetzungsverfahrens nach § 63 Abs. 3 SGB X anzuwenden ist, dürfte sich diese Norm daher auf die Pflicht der Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung (vgl. § 35 SGB X) auswirken (vgl. Loytved a. a. O.).
Nicht "Dritter" ist hingegen die Staatskasse, soweit diese nach Maßgabe der §§ 45 ff. RVG – anstelle des Mandanten – die Vergütung eines im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts übernimmt. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG findet dann keine Anwendung. Es ist aber anerkannt, dass im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG und im Erinnerungsverfahren nach § 56 RVG von Amts wegen eine Billigkeitskontrolle zu Gunsten der Staatskasse stattfindet, ohne dass die Staatskasse im Rahmen des Festsetzungsverfahrens Einwendungen gegen die Gebührenbestimmung vorbringen müsste (vgl. LSG Erfurt, Beschluss vom 07.02.2013 – L 6 SF 1883/12 B – juris (Rn. 19) m. w. N.; Loytved, jurisPR-SozR 15/2015, Anm. 5; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30.08.2010 – L 3 SF 6/09 E – juris (Rn. 22) m. w. N.; Erik Kießling in: Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 6. Auflage 2013, § 55 Rn. 45; Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage 2013, § 45 Rn. 49 und § 55 Rn. 32; vgl. auch LSG NRW, Beschluss vom 28.05.2013 – L 9 AS 142/13 B – juris (Rn. 10)). Grundlage dieser Billigkeitskontrolle ist § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG i. V. m. § 315 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in entsprechender Anwendung (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 21.03.2011 – L 15 SF 204/09 B E – juris (Rn. 24); Müller-Rabe a. a. O.).
Der Urkundsbeamte bzw. das Gericht ist nach alledem im Rahmen eines Kostenfestsetzungs- bzw. Erinnerungsverfahrens nach § 197 SGG jedenfalls im Falle von Einwendungen des Dritten (s. o.) und im Rahmen eines PKH-Festsetzungs- bzw. Erinnerungsverfahrens nach §§ 55, 56 RVG von Amts wegen verpflichtet, die Billigkeit der Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt zu prüfen.
Die Bestimmung einer Gebühr innerhalb des Betragsrahmens ist im Rahmen einer solchen Prüfung nicht billig i. S. v. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bzw. unbillig i. S. v. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG, wenn sie sich außerhalb eines dem Rechtsanwalt zustehenden Beurteilungsspielraums bewegt, was dann der Fall ist, wenn sie mehr als geringfügig – konkret mehr als 20 % – von der eigentlich angemessenen Gebühr nach oben abweicht (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R – juris (Rn. 19); vgl. ferner Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 197 Rn. 7, 7b und 7c m. w. N.).
Hier liegt der Fall vor, dass die Bestimmung der Höhe der Rahmengebühren im Rahmen der Anwendung von §§ 45 ff. RVG einer Billigkeitskontrolle von Amts wegen zu unterziehen ist, so dass es unerheblich ist, dass der Erinnerungsgegner (Staatskasse) nicht schon im Festsetzungsverfahren sondern erst im Erinnerungsverfahren Einwendungen gegen die Gebührenbestimmung der Erinnerungsführerin erhoben hat.
Die fünf in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG genannten Bemessungskriterien sind nach dem Wortlaut der Vorschrift ("vor allem") nicht abschließend, so dass weitere, unbenannte Kriterien mit einbezogen werden können. Die Kriterien stehen selbständig und gleichwertig nebeneinander. Sämtliche Kriterien sind geeignet, ein Abweichen von der Mittelgebühr nach oben und unten zu begründen. Zudem kann das Abweichen eines Bemessungskriteriums von jedem anderen Bemessungskriterium kompensiert werden Eine unterschiedliche Gewichtung der Kriterien findet im Gesetz keine Stütze (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R – a. a. O. (insbes. Rn. 21, 24 und 38); LSG NRW, Beschluss vom 05.02.2015 – L 2 AS 2149/14 B – juris (Rn. 10); LSG NRW, Beschluss vom 15.05.2014 – L 19 AS 1994/13 B – juris (Rn. 11)).
Bei der Bestimmung der Betragsrahmengebühr ist im konkreten Einzelfall von der Mittelgebühr auszugehen, die bei einem "Normalfall" bzw. "Durchschnittsfall" als billige Gebühr zugrunde zu legen ist. Unter einem "Normalfall" ist ein Fall zu verstehen, in dem sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts unter Beachtung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt aller sozialrechtlichen Fälle abhebt (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2009 a. a. O. (Rn. 24)). Dabei können solche "Normalfälle" bzw. "Durchschnittsfälle" entweder darauf beruhen, dass sich alle Bemessungskriterien des § 14 RVG als durchschnittlich darstellen, oder dass sie sich letztendlich kompensieren (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 01.04.2015 – L 15 SF 259/14 E – juris (Rn. 34)).
Ob ein Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus dem Vergleich mit den sonstigen bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Streitsachen. Ein Abweichen von der Mittelgebühr ist bei einem Durchschnittsfall nicht zulässig; der "Toleranzrahmen" von 20 % gilt nicht, wenn die Mittelgebühr anzusetzen ist (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 28.05.2013 – L 9 AS 142/13 B – juris m. w. N.).
Bei Abweichung von einem Durchschnittsfall kann der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG eine geringere oder höhere Gebühr bis zur Grenze des vorgegebenen Rahmens ansetzen. Hinsichtlich der Überprüfung der Billigkeit einer solchen angesetzten Gebühr wird – wie erwähnt – ein Toleranzrahmen von bis zu 20 % akzeptiert.
Die Höchstgebühr ist gerechtfertigt in Fällen, in denen sämtliche oder nahezu sämtliche Kriterien nach § 14 RVG überdurchschnittlich ausgeprägt vorliegen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 12.06.2012 – L 19 AS 627/12 B – juris (Rn. 48)).
Aus dem vorstehend dargelegten prozessualen und inhaltlichen Prüfungsmaßstab ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes:
Es ist bereits dargelegt worden, dass vorliegend das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der seit dem 01.08.2013 geltenden Fassung des 2. KostRMoG vom 23.07.2013 zur Anwendung gelangt (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG).
Im Streit steht vorliegend – nach der Erklärung der Erinnerungsführerin im Schriftsatz vom 23.06.2015, dass eine (fiktive) Terminsgebühr nicht mehr geltend gemachte werde – nur noch die Frage, in welcher Höhe die Verfahrensgebühr nach §§ 3, 14 RVG i. V. m. § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. Ziff. 3102 VV RVG entstanden ist und damit auch, wie hoch der Erhöhungsbetrag zu der Verfahrensgebühr nach Ziff. 1008 VV RVG und der anteilige Umsatzsteuerbetrag (Ziff. 7008 VV RVG) ausfallen.
Die von der Erinnerungsführerin unter Bezugnahme auf Ziff. 3102 VV RVG aus dessen sich von 50,00 EUR (Mindestgebühr) bis 550,00 EUR (Höchstgebühr) erstreckenden Gebührenrahmen mit einer Mittelgebühr von 300,00 EUR bestimmte Verfahrensgebühr liegt bei 300,00 EUR. Die Erinnerungsführerin hat also die Mittelgebühr bestimmt. Der Erhöhungsbetrag zu der Verfahrensgebühr nach Ziff. 1008 VV RVG liegt wegen der Zahl der Kläger (vier) bei 90 % dieser Gebühr, mithin bei 270,00 EUR.
Die Urkundsbeamtin ist im Rahmen der Festsetzungsentscheidung davon ausgegangen, dass nur eine Verfahrensgebühr i. H. v. 150,00 EUR, der hälftigen Mittelgebühr, angemessen ist. Als Erhöhungsbetrag hat sie mithin 135,00 EUR angesetzt. Die Urkundsbeamtin hat dies wie folgt begründet: Die Ansetzung der Mittelgebühr sei unbillig, da die Erinnerungsführerin durch den PKH-Beschluss erst für die Zeit ab dem 10.09.2014 beigeordnet worden sei. Seitdem seien aus dem Akteninhalt keine Anhaltspunkte für eine anwaltliche Tätigkeit ersichtlich, die eine Mittelgebühr rechtfertigen würden. Die Erinnerungsführerin habe "seit ihrer Beiordnung lediglich einen Schriftsatz eingereicht und mit Schriftsatz vom 24.02.2015 das Anerkenntnis der Beklagten angenommen und den Rechtsstreit für erledigt erklärt". Die Verfahrensgebühr sei daher "nach Abwägung aller Kriterien des § 14 RVG auf die hälftige Mittelgebühr ( ) festzusetzen".
Die Erinnerungsführerin hat zur Begründung ihrer Erinnerung vor allem Argumente dazu vorgetragen, dass sie in dem Rechtsstreit S 32 AS 5015/13 bereits am 31.10.2013 PKH beantragt und dass die zunächst unvollständige PKH-Erklärung frühzeitig durch eine jedenfalls in allen wesentlichen Punkten vollständig ausgefüllte Erklärung ersetzt habe. Die fehlende Angabe des Bankkontoguthabens sei unschädlich. Daher habe PKH nicht nur "für die Zeit ab dem 01.09.2014" sondern schon ab einem früheren Zeitpunkt – dem Zugang dieser mit Schriftsatz vom 02.12.2013 übersandten Erklärung – bewilligt werden müssen. Dass das Gericht erst nach mehr als acht Monaten, nach Vorliegen der Klageerwiderung, noch PKH-Unterlagen (Kontoauszüge) angefordert und erst danach, am 11.12.2014, über den PKH-Antrag entschieden habe, sei nicht auf ihr Verschulden zurückzuführen. Dies dürfe daher nicht zu ihren Lasten gehen. Der PKH-Beschluss sei allerdings seinerseits unanfechtbar gewesen. Es werde darum gebeten, diese Umstände im Rahmen der Vergütungsfestsetzung zu berücksichtigen. Eine Mittelgebühr sei nicht unbillig. Insbesondere der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei nicht als unterdurchschnittlich anzusehen. Das Gericht könne nach dem Beschluss des LSG NRW vom 08.10.2008 – L 19 B 11/08 AL – unabhängig von dem Zeitpunkt, ab dem die Erfolgsaussicht des Klageverfahrens beurteilt werden kann, rückwirkend ab dem Zeitpunkt PKH bewilligen, in dem der Antragsteller von seiner Seite aus alles für die Bewilligung erforderliche getan habe. Eine zeitliche Verzögerung, die sich durch die Bearbeitung durch das Gericht ergibt, dürfte nicht zu Lasten des Antragstellers gehen. Hier sei daher schon zu einem Zeitpunkt vor Fertigung der Klagebegründung alles von Seiten des Antragstellers erforderliche veranlasst gewesen. Auf die Kontoauszüge habe es in Anbetracht des jahrelangen SGB II-Leistungsbezugs bei lebensnaher Betrachtung nicht ankommen könne, da nicht von einem die PKH-Vermögensfreibeträge übersteigenden Vermögen habe ausgegangen werden können. Der wesentliche Teil der anwaltlichen Tätigkeit sei nach dem 02.12.2013 geleistet worden; dieser Teil sei zu berücksichtigen und der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit daher nicht unterdurchschnittlich. Im Übrigen wird hinsichtlich des Vorbringens der Erinnerungsführerin auf ihre Schriftsätze vom 18.05.2015, 23.06.2015 und 03.07.2015 Bezug genommen.
Der Erinnerungsgegner hat in seinem Erwiderungs- und Erinnerungsschriftsatz vom 05.06.2015 vorgetragen und im Schriftsatz vom 29.10.2015 bekräftigt, dass die Vergütungsfestsetzung hinsichtlich der Verfahrensgebühr nach Ziff. 3102 VV RVG (und der Erhöhung nach Ziff. 1008 VV RVG) "unter Berücksichtigung der Ausführungen des BSG im Urteil vom 01.07.2009 (B 4 AS 21/09 R) ( ) nicht zu beanstanden" sei, weil die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger durchschnittlich sei, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse unterdurchschnittlich seien, der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit unterdurchschnittlich und die Schwierigkeit durchschnittlich sei; nach alledem sei "die Festsetzung lediglich in Höhe der hälftigen Mittelgebühr nicht zu beanstanden".
Vorliegend ist die Kammer im Rahmen der von Amts wegen unabhängig von etwaigen Einwendungen des Erinnerungsgegners durchgeführten Billigkeitsprüfung (s. o.) zu der Auffassung gelangt, dass die Bestimmung der Mittelgebühr von 300,00 EUR als Verfahrensgebühr nicht unbillig ist. Nach Ansicht der Kammer liegt die bestimmte Mittelgebühr etwas höher als die angemessene Gebühr, liegt aber jedenfalls nicht außerhalb des "Toleranzrahmens" von 20 %.
Nach Meinung der Kammer liegt bei der Gesamtbewertung aller für die Gebührenbemessung relevanten Faktoren ein durchschnittlicher oder nur leicht unterdurchschnittlicher Fall vor.
Davon ist wohl prinzipiell auch die Urkundsbeamtin ausgegangen, die offenbar lediglich deshalb eine Kürzung der von der Erinnerungsführerin bestimmten Gebühr auf die Hälfte vorgenommen hat, weil sie der Auffassung ist, dass der nach dem im PKH-Beschluss bestimmten Zeitpunkt des Wirksamwerdens der PKH-Bewilligung und Beiordnung (10.09.2014) noch entfaltete – unstreitig geringe – anwaltliche Tätigkeit nicht die Mittelgebühr rechtfertige und die im vorangegangenen Zeitraum entfaltete Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sei (vgl. den Vermerk über die Gründe der Nichtabhilfeentscheidung, Bl. 24 PKH-/SF-E-Beiaktenheft). Ob der Erinnerungsgegner den rechtlichen Ansatzpunkt der Urkundsbeamtin teilt, ist unklar. Jedenfalls ist er der Auffassung, dass u. a. ein unterdurchschnittlicher Aufwand vorliegt und nach allen Kriterien die Vergütungsfestsetzung der Urkundsbeamtin nicht zu beanstanden sei.
Die Kammer geht davon aus, dass die Vergütungsfestsetzung der Urkundsbeamtin nicht zu beanstanden wäre, wenn ihr rechtlicher Ansatzpunkt zuträfe. Das ist aber nach Auffassung der Kammer nicht der Fall. Da die Urkundsbeamtin hier letztlich wohl zentral auf einen (stark) unterdurchschnittlichen Umfang des nach ihrem rechtlichen Ansatz zu berücksichtigenden Teils der anwaltlichen Tätigkeit (ab dem 10.09.2014) als durchschlagendes Gebührenbemessungskriterium abgestellt hat und vorliegend auch für eine Änderung der anderen Bemessungskriterien – etwa eine Reduzierung der Schwierigkeit – nach dem 10.09.2014 kein Anhaltspunkt ersichtlich ist, wird die Kammer ihre diesbezügliche Auffassung nach der Darstellung der anderen Bemessungskriterien bei der Darstellung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit im Einzelnen begründen.
Bei der Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit als Gebührenbemessungskriterium i. S. v. § 14 RVG ist auf die unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber, nicht aber für die Allgemeinheit abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R – juris (Rn. 37)). Für eine unterdurchschnittliche Bedeutung spricht dabei, wenn ein Grundeinkommen in Gestalt von Erwerbseinkommen vorliegt, Leistungen nach dem SGB II daher nur ergänzend in Betracht kommen, auch wenn es sich nur um ein geringfügiges Einkommen handelt (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 12.06.2012 – L 19 AS 627/12 B – juris). Im vorliegenden Fall ist die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger zunächst insofern als hoch anzusetzen, als es um Leistungen nach dem SGB II ging, die der Gewährleistung des Existenzminimums dienen. Jedoch ging es nicht um die Anspruchsberechtigung dem Grunde nach sondern nur um einen Höhenstreit zu der Frage, ob bei der Bedarfsberechnung zugunsten der Klägerin zu 1) ein Mehrbedarf für Alleinerziehende gem. § 21 Abs. 3 SGB II anzusetzen war. Zudem bezogen die Kläger nicht nur Leistungen nach dem SGB II sondern auch UVG-Leistungen, Kindergeld und Elterngeld. Dies gibt der Angelegenheit, verglichen mit anderen Rechtsstreitigkeiten aus dem Sozialrecht oder auch aus dem Teilbereich des SGB II, eine leicht geminderte Bedeutung. Insgesamt ist die Bedeutung nach Meinung der Kammer hier unter Berücksichtigung aller Aspekte als leicht unterdurchschnittlich oder allenfalls durchschnittlich zu bewerten.
Die unterdurchschnittlichen Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Mandanten der Erinnerungsführerin als ihrer Auftraggeber und das Fehlen eines besonderen Haftungsrisikos (§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG) sprechen jeweils für einen unterdurchschnittlichen Fall.
Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit als weiteres Bemessungskriterium i. S. v. § 14 RVG meint die Intensität der Arbeit (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2009 a. a. O. (Rn. 32)). Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist hier nach Meinung der Kammer als durchschnittlich anzusehen, da sie im Großen und Ganzen der eines Routinefalls entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2009 a. a. O. (Rn. 35), wonach bei einem Routinefall eine durchschnittliche Schwierigkeit angenommen wird). Als Routinefall auf dem Gebiet des Sozialrechts ist die Darlegung eines Anspruchs auf Leistungen mittels Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Rechtsvorschriften, aber ohne umfangreichere Beweiswürdigung und eingehende Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur zu werten. Hier ging es wie erwähnt nur um die Frage, ob der Klägerin zu 1) ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 3 SGB II zustand. Eine schwierige Subsumtion oder eine vertiefte Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur war insoweit nicht erforderlich. Insgesamt ist von einem durchschnittlichen Fall auszugehen.
Bei der Beurteilung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit als dem nun noch verbliebenen in § 14 RVG ausdrücklich genannten Bemessungskriterium ist der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er davon objektiv auch auf die Sache verwenden musste. Bezugspunkt der anwaltlichen Tätigkeit ist das in der jeweiligen Gebührenziffer umschriebene Tätigkeitsfeld (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2009 a. a. O. (Rn. 28)). Vorliegend geht es um die "Verfahrensgebühr" i. S. d. Ziff. 3102-3104 VV RVG. Nach Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV RVG entsteht die Verfahrensgebühr "für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information". Damit kommt es für die Beurteilung des Umfangs u. a. auf die Zahl der gefertigten Schriftsätze sowie den Einsatz des Rechtsanwalts im Einzelnen, den er zur Erstellung dieser Ausführungen notwendigerweise erbringen musste, an. Dabei sind u. a. zu berücksichtigen das Lesen der Verwaltungsentscheidung, die Beratung des Mandanten (Anzahl und Dauer der Mandantengespräche), die Einsichtnahme in die Verwaltungsakte und beigezogener Akten (Aktenstudium), das Anfertigen von Notizen, die Literatur- und Rechtsprechungsrecherche und die Anzahl und der Umfang der Schriftsätze, einschließlich der Darlegung, wie sich ein geltend gemachter Anspruch rechnerisch ermittelt, unter Eingehung auf die streitigen Rechtsvorschriften sowie der Heranziehung von Kommentarliteratur und einschlägiger Rechtsprechung (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 01.07.2009 a. a. O. (Rn. 28 ff.); Strassfeld, NZS 2010, 253 (256); vgl. ferner die Auflistung weiterer potentiell umfangsrelevanter Faktoren bei Winkler in: Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 6. Auflage 2013, § 14 Rn. 17 m. w. N.)).
Insoweit ist aus Sicht der Kammer vorliegend nach Zahl, Umfang und Inhalt der Schriftsätze und mangels konkreter Anhaltspunkte für einen überdurchschnittlichen Aufwand bzgl. der sonstigen Kriterien ein durchschnittlicher oder allenfalls leicht unterdurchschnittlicher Aufwand festzustellen.
Die Erinnerungsführerin hat außer der Klageschrift eine zweiseitige Klagebegründung eingereicht, in der sie dargetan hat, dass der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 3 SGB II gewährt werden müsse, weil die Väter der Kläger zu 2)-4) sich nicht an deren Erziehung und Pflege beteiligen, und ferner einen weiteren einseitigen Schriftsatz, mit dem ergänzend vorgetragen und das Protokoll zu einem verwaltungsgerichtlichen Erörterungstermin aus einem die Gewährung von UVG-Leistungen betreffenden Verfahren der Klägerin zu 1) übersandt worden ist. Sodann hat sie ein Teilanerkenntnis angenommen (Anerkenntnis bzgl. der Klägerin zu 1)) und den Rechtsstreit insgesamt für erledigt erklärt.
All diese Schriftsätze sind auch zu berücksichtigen. Denn es ist nicht lediglich die Tätigkeit im Zeitraum ab dem im Tenor des PKH-Beschlusses festgelegten Zeitpunkt des Wirksamwerdens der PKH-Bewilligung und Beiordnung (01.09.2014) maßgeblich, sondern die Tätigkeit im gesamten Zeitraum ab PKH-Antragstellung (31.10.2013), also hier der gesamte Aufwand im Klageverfahren und im zeitgleich durchgeführten PKH-Bewilligungsverfahren, da der PKH-Antrag bereits in der Klageschrift enthalten war.
Es ist bereits weiter oben dargetan worden, dass sich der Vergütungsanspruch gemäß § 48 Abs. 1 RVG nach den Beschlüssen bestimmt, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist, und daher nach seinem Grund und seiner Höhe von dem Umfang der Beiordnung abhängig ist; der beigeordnete Rechtsanwalt kann danach sämtliche Gebühren und Auslagen beanspruchen, die sich aus seiner Tätigkeit ab Wirksamwerden seiner Beiordnung und unter der Voraussetzung einer wirksamen Vollmacht des begünstigten Beteiligten ergeben (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Beschluss vom 28.05.2013 – L 9 AS 142/13 B – juris (Rn. 10); LSG NRW, Beschluss vom 22.12.2010 – L 19 AS 1138/10 B – juris (Rn. 25) m. w. N.). Der Beiordnungs- bzw. Bestellungsbeschluss ist insoweit bindend für das nachfolgende Vergütungsfestsetzungsverfahren, sachlich nicht auf Richtigkeit hin zu überprüfen und kann auch nicht umgedeutet werden (vgl. Erik Kießling in: Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 6. Auflage 2013, § 55 Rn. 18) und an dieser Bindungswirkung nimmt wohl grundsätzlich auch ein tenorierter Bewilligungs- und Beiordnungszeitpunkt (hier: 01.09.2014) teil.
Es kann daher nicht geklärt werden, ob unter Berücksichtigung der Argumentation der Erinnerungsführerin in ihren Schriftsätzen und der von ihr angeführten Entscheidung des 19. Senats des LSG NRW (Beschluss vom 08.10.2008 – L 19 B 11/08 AL – juris) hier ggf. eine rückwirkende PKH-Bewilligung und Beiordnung zu einem früheren Zeitpunkt – etwa zum 04.12.2013, dem Zeitpunkt des Zugangs des Schriftsatzes vom 02.12.2013 mit der neuen PKH-Erklärung – möglich oder geboten gewesen wäre. Dies ist im vorliegenden Verfahren weder Verfahrensgegenstand noch inzident zu prüfen oder zu korrigieren. Obwohl daher vorliegend der Tenor des PKH-Beschlusses nicht überprüft oder korrigiert werden kann (und obwohl es aus den sogleich noch dazulegenden Gründen für die hier streitige Frage nach der Billigkeit der Bestimmung der Verfahrensgebührenhöhe nicht auf diese Tenorierung ankommt), weist die Kammer, die auch den PKH-Beschluss gefasst hat, der Vollständigkeit halber auf folgendes hin: Nach wohl h. M. gilt dann, wenn das Gericht nichts anderes bestimmt, die Bewilligung von PKH erst für die Zukunft, also ab Zugang des Bewilligungsbeschlusses (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 73a Rn. 13a; BSG, Beschluss vom 02.12.1987 – 1 RA 25/87 – SozR 1750 § 114 Nr. 8 = juris; BGH, Beschluss vom 06.12.1984 – VII ZR 223/83 – NJW 85, 921 = juris; Jansen SGb 1982, 188; Sommer SGb 1983, 60; a. A. Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 119 ZPO, Rn. 40 m. w. N., wonach der Bewilligungsbeschluss, in dem kein Wirkungszeitpunkt genannt wird, auf den Zeitpunkt des Antragseingangs zurückwirkt). Da die Kammer eine Bewilligung rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Bewilligungsreife (vgl. insoweit Leitherer a. a. O. Rn. 13b; Geimer a. a. O. Rn. 39) vornehmen wollte, hat sie den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der PKH-Bewilligung und Beiordnung im Tenor ausdrücklich entsprechend geregelt. Aus Sicht der Kammer lag diese Bewilligungsreife in Bezug auf die Teilfrage nach dem Vorliegen hinreichender Erfolgsaussichten hier frühestens mit Eingang der – erst nach mehrfacher Erinnerung eingereichten – Klageerwiderung nebst Verwaltungsakten vor, mithin am 28.08.2014. Zu dieser Zeit erfolgte, aufgrund Verfügung des Vorsitzenden vom 27.08.2014, eine Vorprüfung der Erfüllung der wirtschaftlichen Voraussetzungen durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle. In diesem Rahmen wurden wegen der fehlenden Angabe des Kontostandes zu dem in Abschnitt G des PKH-Formulars genannten Konto unter dem 29.08.2014 "Nachweise über die monatlichen Zahlungseingänge, z. B. aktuelle vollständige Kontoauszüge der letzten drei Monate" angefordert und mit Schriftsatz vom 08.09.2014, bei Gericht eingegangen am 10.09.2014, übersandt. Vollständigkeit der Unterlagen zum PKH-Gesuch und damit vollständige Bewilligungsreife lag damit erst am 10.09.2014 vor. Denn zur Bewilligungsreife gehören nach Auffassung und ständiger Praxis der Kammer neben dem Vorliegen der Klagebegründung und jedenfalls grundsätzlich auch der Klageerwiderung das Vorliegen des vollständig ausgefüllten PKH-Formulars sowie auch die Einreichung der erforderlichen Belege zum PKH-Gesuch (vgl. BGH, Beschluss vom 30.09.1981 – IVb ZR 694/80 – NJW 1982, 446 = juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.06.2003 – 18 WF 182/02 – FamRZ 2004, 122 = juris; a. A. insoweit Geimer a. a. O. Rn. 39). Daher hatte der PKH-Antragsteller bzw. die Erinnerungsführerin als Bevollmächtigte nach Meinung der Kammer nicht schon im Dezember 2013 alles Erforderliche getan, damit PKH bewilligt werden kann. Dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung Leistungsempfänger nach dem SGB II selten über ein Vermögen verfügen dürften, das die PKH-Vermögensfreibeträge übersteigt, entbindet sie nicht davon, das PKH-Formular auch bzgl. der Angaben zum Vermögen vollständig auszufüllen. Der PKH-Beschluss dürfte daher auch inhaltlich nicht zu beanstanden sein.
Es kommt aber, wie erwähnt, darauf letztlich auch nicht an. Denn der für das Kostenfestsetzungs- und das vorliegende Erinnerungsverfahren verbindliche Tenor des PKH-Beschlusses ("Der Klägerin wird für diesen Rechtszug für die Zeit ab dem 10.09.2014 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin Hermanny aus Hamm beigeordnet.") führt nach der Überzeugung der Kammer nicht dazu, dass die anwaltliche Tätigkeit, die im Zeitraum vor dem 10.09.2014 geleistet wurde, bei der Bestimmung der Höhe der Verfahrensgebühr unberücksichtigt bleibt.
Die 28. Kammer des Sozialgerichts Dortmund hat in einem (soweit ersichtlich nicht veröffentlichten) Beschluss vom 24.07.2015 – S 28 SF 311/13 E – folgendes ausgeführt:
"Die Kammer schließt sich dabei der wohl herrschenden Rechtsprechung an, dass es bei der Bemessung der Verfahrensgebühr nicht nur auf die Tätigkeiten ankommt, die der Rechtsanwalt nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens seiner im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgten Beiordnung erbracht hat. Vielmehr ist der gesamte Zeit- und Arbeitsaufwand einzubeziehen, den der Rechtsanwalt im Verfahren aufgewendet hat (so LSG NRW, Beschluss vom 24.9.2008 – L 19 B 21/08 AS, zitiert nach juris, Rn. 29; Bayerisches LSG, Beschluss vom 22.7.2010 – L 15 SF 303/09 B E, zitiert nach juris, Rn. 21; Thüringer LSG, Beschluss vom 18.3.2011 – L 6 SF 1418/10 B, zitiert nach juris, Rn. 22; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9.8.2012 – L 5 SF 2/09 E, zitiert nach juris, Rn. 17; a. A. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 17.7.2008 – L 1 B 127/08 SK, zitiert nach juris, Rn. 9; LSG NRW, Beschluss vom 27.2.2012 – L 12 AS 1601/10 B, nicht veröffentlicht).
Zwar werden gebührenauslösendende Tätigkeiten zwischen der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens bzw. der Bestellung als Bevollmächtigter in einem gerichtlichen Verfahren und dem Wirksamwerden der Beiordnung grundsätzlich von dem Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts nach §§ 45, 48 RVG nicht erfasst (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 13.11.1991 – VIII ZR 187/90, zitiert nach juris, Rn. 4). Jedoch ist zu berücksichtigen, dass in Verfahren nach § 197a SGG, in denen streitwertgebundene Wertgebühren nach § 3 Abs. 1 S. 2 RVG anfallen, die Verfahrensgebühr in voller Höhe bei einer gebührenauslösenden Tätigkeit des Rechtsanwalts nach dem Wirksamwerden der Beiordnung nach § 48 Abs. 1 S. 1 RVG erstattungsfähig ist, auch wenn der Rechtsanwalt schon vor dem Wirksamwerden der Beiordnung (gebührenauslösend) tätig geworden ist (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 24.9.2008 – L 19 B 21/08 AS, zitiert nach juris, Rn. 29).
Gegen eine Kürzung der Verfahrensgebühr abhängig vom Beiordnungszeitpunkt spricht im Übrigen die Regelung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 73a Abs. 1 S. 1 SGG. Danach bewirkt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, dass die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können. Die Forderungssperre gegenüber dem Mandanten gilt für alle nach der Beiordnung verwirklichten Gebührentatbestände, auch wenn diese bereits vor der Beiordnung erfüllt waren (vgl. BGH, Beschluss vom 21.2.2008 – I ZR 142/06, zitiert nach juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 22.7.2010 – L 15 SF 303/09 B E, zitiert nach juris, Rn. 23 m. w. N.). Da die zugunsten der bedürftigen Partei wirkende Forderungssperre zwingendes Recht ist, hätte die in der angefochtenen Kostenfestsetzung vorgenommene Kürzung die nicht akzeptable Folge, dass der Rechtsanwalt einen Gebührenausfall hinnehmen müsste."
Die hier erkennende 32. Kammer schließt sich nach eigener Prüfung diesen Ausführungen und auch den Ausführungen des 19. Senats des LSG NRW im dort zitierten Beschluss vom 24.09.2008 – L 19 B 21/08 AS – vollumfänglich an.
Darüber hinaus ist die Kammer der Ansicht, dass die durch das 2. KostRMoG in das RVG eingefügte und mit Wirkung zum 01.08.2013 in Kraft getretene – und daher nach § 60 RVG hier anwendbare (s. o.) – Regelung des § 48 Abs. 4 RVG der Gegenansicht (wie sie z. B. in dem vorstehend erwähnten Beschluss des 12. Senats des LSG NRW vom 27.02.2012 – L 12 AS 1601/10 B – vertreten worden ist) die Grundlage entzogen hat.
§ 48 Abs. 4 RVG lautet:
"Die Beiordnung in Angelegenheiten, in denen nach § 3 Absatz 1 Betragsrahmengebühren entstehen, erstreckt sich auf Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt der Beantragung der Prozesskostenhilfe, wenn vom Gericht nichts anderes bestimmt ist. Die Beiordnung erstreckt sich ferner auf die gesamte Tätigkeit im Verfahren über die Prozesskostenhilfe einschließlich der vorbereitenden Tätigkeit."
In der Gesetzesbegründung zu § 48 Abs. 4 RVG ("Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG)", Bundestags-Drucksache 17/11471 (neu) vom 14.11.2012, Seite 270) heißt es (unter: "Zu Nummer 25 (§ 48 RVG)" und dort unter "Zu Buchstabe c"):
"Der Aufwand, der im Verfahren über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entsteht, wird nach Auffassung einiger Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit vom jetzigen Gesetzeswortlaut bei der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Rahmengebühren nicht berücksichtigt, weil nur die Tätigkeit ab der Bewilligung zugrunde zu legen sei (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschl. vom 17. Juli 2008 – L 1 B 127/08 SK, NZS 2009, 534). Damit bestünde für den Rechtsuchenden eine Lücke für die kostenlose Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts, die dadurch geschlossen werden soll, dass auch die Tätigkeit im PKH-Bewilligungsverfahren von der bewilligten PKH erfasst wird. Wird der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleichzeitig mit der Einreichung der Klage gestellt, dient die Fertigung der Klageschrift auch der Begründung des Prozesskostenhilfeantrags und ist daher bei der Bemessung der Gebühr zu berücksichtigen. Auch die Tätigkeit in dem Klageverfahren nach Stellung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bis zur Bewilligung soll grundsätzlich in die Bemessung der Gebühr einbezogen werden. Dem Gericht bleibt jedoch die Möglichkeit, im Bewilligungsbeschluss nach § 48 Absatz 1 RVG etwas anderes zu bestimmen. Hierfür muss jedoch ein besonderer rechtfertigender Grund vorliegen. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Antragsteller durch sein Verhalten hierfür Anlass gegeben hat. In Verfahren mit Betragsrahmengebühren ist die gesamte Tätigkeit bei der Bestimmung der konkreten Gebühr innerhalb des Rahmens zu berücksichtigen. Bei Wertgebühren spielt die Problematik keine Rolle, weil die zuvor im PKH-Bewilligungsverfahren entstandenen Gebühren entweder anzurechnen sind, oder in der Regel nach Bewilligung neu entstehen."
Nach Auffassung der Kammer wollte der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift in dem ihm ausweislich der Gesetzesbegründung bekannten Streit über die Folgen einer zeitlich eingeschränkten PKH-Bewilligung und Beiordnung eine Klärung dahingehend erreichen, dass in Übereinstimmung mit der in der obergerichtlichen Rechtsprechung herrschenden Auffassung bei der Gebührenbemessung und -festsetzung nicht nur die Tätigkeit zu berücksichtigen ist, die nach dem Wirksamwerden der Beiordnung erbracht wird, sondern auch diejenige, die schon davor im Stadium des Verfahrens vor der PKH-Bewilligung ("Verfahren über die Prozesskostenhilfe einschließlich der vorbereitenden Tätigkeit", vgl. § 48 Abs. 4 Satz 2 RVG) erbracht worden ist (vgl. hierzu auch Straßfeld, "Auswirkungen des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes auf das sozialgerichtliche Verfahren", SGb 2013, 562 (568) m. w. N.; Schafhausen, "Änderungen des sozialrechtlichen Gebührenrechts durch das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (2. KostRMoG)", jurisPR-SozR 18/2013 Anm. 1 (unter III. 5. m. w. N.)).
Durch das Tenorieren eines Zeitpunktes für das Wirksamwerden der im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgten Beiordnung wird auch nichts "anderes bestimmt" i. S. v. § 48 Abs. 4 Satz 1 (a. E.) RVG (a. A. offenbar Hessisches LSG, Beschluss vom 10.07.2015 – L 2 SF 11/15 E – juris (Rn. 24)). Zum einen erscheint angesichts der systematischen Stellung der Formulierung "wenn vom Gericht nichts anderes bestimmt ist" in Satz 1 von § 48 Abs. 4 RVG und der Formulierung der Gesetzesbegründung fraglich, ob die Möglichkeit einer anderen Bestimmung so weit gehen soll, dass sie nicht nur die Herausnahme von Tätigkeiten, die sich (nur) dem Klageverfahren im Zeitraum ab PKH-Antragstellung zuordnen lassen, aus der Wirkung der Beiordnung ermöglichen soll, sondern auch eine Herausnahme von Tätigkeiten, die sich (auch) dem "Verfahren über die Prozesskostenhilfe einschließlich der vorbereitenden Tätigkeit", auf die sich Satz 2 von § 48 Abs. 4 RVG bezieht, zuordnen lassen. Der Gesetzgeber wollte offenbar zwischen diesen beiden Fällen differenzieren; hätte er die Möglichkeit einer "anderen Bestimmung" insgesamt zur Verfügung stellen wollen, hätte es nahegelegen, dies in einem Satz 3 zu regeln anstatt im 2. Halbsatz von Satz 1. Zum anderen dürfte die schlichte Formulierung eines Zeitpunkts auch nicht das sein, was sich der Gesetzgeber unter "etwas anderes bestimmt" vorgestellt hat, denn nach der Gesetzesbegründung muss für eine andere Bestimmung ein "besonderer rechtfertigender Grund" vorliegen und soll es sich erkennbar um einen Ausnahmefall handeln.
Schafhausen führt zu § 48 Abs. 4 RVG (in: jurisPR-SozR 18/2013 Anm. 1, III. 5.) aus:
"Stellt die Beschränkung der Berücksichtigung angefallenen Aufwands auf solche Tätigkeiten, welche erst nach Beiordnung erfolgen, einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts dar, weil ein Rückgriff auf den kostenarmen Mandanten nicht nur nicht möglich, sondern wegen § 126 Abs. 1 Nr. 3 ZPO rechtlich ausgeschlossen ist, muss aber auch die von dem Gesetz jetzt vorgesehene Ausnahme, die PKH ab einem späteren Zeitpunkt zu bewilligen, die in den PKH-Beschluss ausdrücklich auszusprechen ist, seltene Ausnahme bleiben und bedarf einer Begründung. Nach der Gesetzbegründung ist eine Ausnahme nur dann zulässig, wenn der Antragsteller durch sein eigenes Verhalten hierfür Anlass gegeben hat. Wie etwa bei der Klagerücknahmefiktion nach § 102 Abs. 2 SGG kommt ein so weit reichender Eingriff in eine verfassungsrechtlich geschützte Position nur dann in Betracht, wenn das Gericht zuvor auf die Rechtsfolge hingewiesen hat und konkret mitteilt, was von dem Kläger noch zu veranlassen ist, damit über den PKH-Antrag entschieden werden kann."
Die erkennende Kammer hält diese Ausführungen für zutreffend und geht sogar davon aus, dass eine "andere Bestimmung" nach dem Willen des Gesetzgebers eher keine zeitliche sondern eine sachliche, auf bestimmte Tätigkeiten bzw. Gebührentatbestände bezogene Einschränkung sein soll. Hilfsweise für den Fall, dass auch eine zeitliche Einschränkung möglich sein sollte, geht sie davon aus, dass eine solche allenfalls dann vorliegt, wenn der PKH-Beschluss zusätzlich zu der Zeitangabe einen hinreichenden Bezug auf eine bestimmte nach dem Willen des Gerichts nicht bei der Vergütungsbemessung zu berücksichtigende Tätigkeit herstellt und erkennen lässt, dass gerade eine "andere Bestimmung" nach § 48 Abs. 4 Satz 1 a. E. RVG gewollt ist.
Das ist im hier vorliegenden PKH-Beschluss aus Sicht eines objektiven Entscheidungsadressaten nicht geschehen und – das sei nur der Vollständigkeit halber ergänzt – von der erkennenden Kammer, die auch den PKH-Beschluss gefasst hat, auch nicht beabsichtigt gewesen.
Nach Meinung der Kammer hat die schlichte Bestimmung eines Bewilligungs- und Beiordnungszeitpunktes im PKH-Beschluss unter Geltung von § 48 Abs. 4 RVG n. F. nur noch insoweit Bedeutung, als es um die Festsetzungsfähigkeit einer bestimmten Gebühr dem Grunde nach geht. Daher kann die Bestimmung des Zeitpunktes wohl z. B. dann eine Rolle spielen, wenn PKH erst ab einem Zeitpunkt nach Durchführung eines Termins, für den eine Terminsgebühr entstanden ist, bewilligt wird und ggf. insbesondere dann, wenn ein erster PKH-Antrag abgelehnt worden ist und später ein neuer PKH-Antrag gestellt wird. Ist aber eine Gebühr dem Grunde nach gem. § 55 RVG festsetzungsfähig, so ist für die Bestimmung der Höhe die gesamte Tätigkeit ab der entsprechenden PKH-Antragstellung zu berücksichtigen.
Hier ist die streitige Verfahrensgebühr dem Grunde nach unproblematisch – zwar nicht erstmals, aber erneut (vgl. insoweit LSG NRW, Beschluss vom 24.09.2008 – L 19 B 21/08 AS – juris (Rn. 26)) – nach dem 10.09.2014 entstanden, weil die Erinnerungsführerin auch nach diesem Zeitpunkt zumindest einen Schriftsatz gefertigt und hierdurch i. S. v. Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV RVG das "Geschäft betrieben" hat.
Die Relevanz weiterer, unbenannter Gebührenbemessungskriterien (vgl. die Beispiele bei Winkler in: Mayer/Kroiß a. a. O. § 14 Rn. 37 m. w. N.) ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
Unter Abwägung aller Kriterien des § 14 RVG ist nach Meinung des Gerichts in Bezug auf die eine Verfahrensgebühr auslösende Tätigkeit ein durchschnittlicher oder nur leicht unterdurchschnittlicher Fall anzunehmen, bei dem die Bestimmung einer Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr in Anbetracht der Toleranzgrenze von bis zu 20 % jedenfalls nicht unbillig erscheint.
Der Erinnerung war nach alledem wie in Ziff. 1 tenoriert stattzugeben.
2.Die Erinnerung des Erinnerungsgegners vom 08.06.2015, bei der es sich wegen der fehlenden Fristbindung von Erinnerungen nach § 56 RVG nicht um eine "echte", verfahrensmäßig von der Erinnerung der Erinnerungsführerin abhängige "unselbständige" Anschlusserinnerung handelt, die man aber nach Meinung der Kammer aufgrund der zeitlichen Abfolge als (selbständige) Anschlusserinnerung bezeichnen kann, ist ebenfalls statthaft und auch im Übrigen zulässig. Auch der Erinnerungsgegner ist als aufgrund der PKH-Bewilligung zur Zahlung der Vergütung verpflichtete Staatskasse erinnerungsbefugt und behauptet eine eigene Beschwer durch die angegriffene Entscheidung, da er vorträgt, dass die Urkundsbeamtin eine zu hohe Vergütung festgesetzt habe. Auch die Anschlusserinnerung ist schriftlich eingelegt worden. Die Anschlusserinnerung ist allerdings aus den Gründen, die unter Ziff. 1 genannt worden sind, unbegründet, denn mit dem angefochtenen Beschluss wurde keine zu hohe sondern eine zu niedrige Vergütung festgesetzt, weshalb die Vergütungsfestsetzung wie tenoriert zugunsten der Erinnerungsführerin und zulasten des Erinnerungsgegners zu ändern war.
3.Eine Kostenentscheidung hat sowohl der Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten als auch der über die Erinnerung nicht zu enthalten, weil das Erinnerungsverfahren nach § 56 RVG gerichtsgebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden, § 56 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 RVG (vgl. Friedrich Pukall in: Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 6. Auflage 2013, § 56 Rn. 20). Der Tenor zu Ziff. 3 dient insofern nur der Klarstellung.
4.Die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung beruht zum einen darauf, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes nach der Differenz zwischen dem Antrag des durch diese Entscheidung in Anbetracht der nachträglichen Beschränkung des Festsetzungsantrags der Erinnerungsführerin allein beschwerten Erinnerungsgegners (Antrag auf Festsetzung einer Vergütung von 362,95 EUR) und dem Tenor der Entscheidung des Gerichts (Festsetzung einer Vergütung von 702,10 EUR) sich auf 339,15 EUR beläuft und daher den Betrag von 200,00 EUR übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Deshalb bedarf es auch keiner Zulassung der Beschwerde nach § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG. Nur der Vollständigkeit halber wird daher darauf hingewiesen, dass das Gericht die Beschwerde, wenn der Wert von 200,00 EUR nicht überschritten worden wäre, zugelassen hätte, und zwar wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob im Falle der Bestimmung eines Zeitpunktes für das Wirksamwerden der PKH-Bewilligung und Beiordnung im Tenor des PKH-Beschlusses bei der Bemessung der Verfahrensgebühr nach § 48 Abs. 4 RVG n. F. auch die anwaltliche Tätigkeit zu berücksichtigen ist, die zwischen Einreichung des PKH-Antrags und diesem Zeitpunkt erbracht worden ist.
Zum anderen beruht die Rechtsmittelbelehrung darauf, dass die Kammer davon ausgeht, dass die Beschwerdefrist für Beschwerden gegen Erinnerungsentscheidungen wie die vorliegende nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG zwei Wochen (und nicht: einen Monat) ab Zustellung der Entscheidung beträgt und dass die Beschwerdefrist nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 7 Satz 3 RVG nur gewahrt wird, wenn die Beschwerde innerhalb der Zwei-Wochen-Frist bei dem Sozialgericht, dessen Entscheidung angefochten wird, eingelegt wird, also nicht auch dann, wenn sie bei dem Landessozialgericht eingelegt wird (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 30.05.2013 – L 6 SF 293/13 B – juris (Rn. 15)).
Erstellt am: 09.12.2015
Zuletzt verändert am: 09.12.2015