Der Bescheid vom 28. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2012 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung wegen eines Meldesäumnisses und einer nicht genehmigten Ortsabwesenheit.
Der Kläger bezog Arbeitslosengeld in Höhe von 30,74 EUR pro Tag. Am 16. August 2012 erging eine Einladung an den Kläger für Montag, den 20. August 2012, um 13.45 Uhr, um mit ihm über seine Bewerbungsaktivitäten zu sprechen. Am 20. August 2012 rief die Ehefrau des Klägers um 8.16 Uhr bei der Beklagten an und teilte mit, daß der Kläger zum Termin nicht kommen könne. Er sei am 18. August 2012 zu der erkrankten Tochter gefahren und komme erst am 25. August 2012 zurück.
Mit Bescheid vom 28. August 2012 hob die Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 18. bis 25. August 2012 wegen Ortsabwesenheit auf und für die Zeit vom 21. bis 27. August 2012 wegen einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis. Dagegen legte der Kläger am 30. August 2012 Widerspruch ein. Er machte geltend, er sei am 18. August 2012 nach Mannheim zu seiner Tochter gefahren, weil diese schwer erkrankt gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe noch keine Einladung der Beklagten vorgelegen. Wegen der Pflegebedürftigkeit seiner Tochter sei er noch bis zum 25. August 2012 in Mannheim geblieben. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2012 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei ab dem 18. August 2012 wegen fehlender Verfügbarkeit nicht anspruchsberechtigt gewesen, Denn er sei ortsabwesend gewesen, ohne vorher ihre Zustimmung einzuholen. Es sei dem Kläger auch, trotz besonderer Umstände, zuzumuten gewesen, vor seiner Abreise ihre Zustimmung einzuholen. Die Sperrzeit sei ebenfalls eingetreten. Der Umstand, daß der Kläger sich in Mannheim aufgehalten habe, weil er seine schwer erkrankte Tochter habe pflegen müssen, stelle keinen wichtigen Grund dafür dar, der Meldeaufforderung nicht nachgekommen zu sein.
Daraufhin hat der Kläger am 01. Oktober 2012 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Tochter sei unerwartet krank geworden. Er sei mit seiner Ehefrau am Samstagmorgen, den 18. August 2012, nach Mannheim gefahren. Deswegen habe er den Termin am Montag nicht wahrnehmen können. Seine Ehefrau habe ihn am Montag, den 20. August 2012 beim Kundencenter abgemeldet. Die Tochter sei in einem kritischen psychischen Zustand wegen Arbeitswechsel, Ortswechsel und privater Angelegenheiten gewesen. Sie habe um Hilfe gebeten. Allerdings sei sie nicht krankgeschrieben gewesen. Die Ehefrau sei am Sonntag, dem 19. August 2012, zurückgefahren und habe dann die Einladung vorgefunden. Sie habe mit ihm telefoniert, und man habe festgestellt, daß die Wahrnehmung des Termins am Montag nicht möglich sei. Deswegen habe die Ehefrau am Montag bei der Beklagten angerufen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 28. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Der Kläger konnte am Verhandlungstermin wegen Erkrankung nicht teilnehmen. Die Kammer hat seine Ehefrau als Zeugin vernommen.
Die Zeugin hat im Wesentlichen bekundet, die jetzt 32 Jahre alte Tochter sei psychisch angeknackst gewesen. Sie habe berufliche Sorgen gehabt. Außerdem sei sie von Darmstadt nach Mannheim umgezogen. Ihr Mann und sie hätten am Samstagmorgen einen Anruf der Tochter erhalten. Diese habe sie gebeten, runter zu kommen. Das hätten sie dann natürlich auch gemacht. Die Tochter habe dann auch gebeten, daß wenigstens einer bei ihr bleibe. Da sie selbst montags berufliche Termine gehabt habe, sei ihr Mann da geblieben. Sie sei Sonntagabend zurückgefahren. Abends habe sie dann auch in den Briefkasten geguckt und die Einladung für den nächsten Tag am Montag vorgefunden. Sie habe mit ihrem Mann telefoniert. Sie seien sie sich einig gewesen, daß der Termin am Montag nicht zu schaffen sei, denn sie hätte ja praktisch sofort wieder zurückfahren müssen, um ihren Mann abzuholen. Deswegen habe sie am Montag bei dem Kundenservice der Beklagten angerufen und alles erklärt. Man habe ihr gesagt, das sei kein Problem, man werde es an die Arbeitsvermittlerin weiterleiten. Es könne ja auch sein, daß die Abwesenheit mit Urlaubsansprüchen ihres Mannes, verrechnet werden könne. Sie habe ihren Mann am nächsten Samstag abgeholt, denn sie habe es beruflich nicht geschafft, mitten in der Woche runter zu fahren.
Sie meine, ihr Mann habe sich Anfang des Jahres 2012 arbeitslos gemeldet. Bis zum August sei er weder im Urlaub gewesen noch habe er freie Tage beansprucht.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Streitakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG beschwert. Zu Unrecht hat die Beklagte die Leistungsbewilligung aufgehoben.
Gemäß § 48 SGB X kann ein Verwaltungsakt aufgehoben werden, wenn der Leistungsanspruch nach der Leistungsbewilligung wegen einer wesentlichen Änderung entfallen ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Zum Einen hat die Beklagte zu Unrecht eine Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 Nr. 7 SGB III festgestellt. Nach dieser Vorschrift ruht der Anspruch für eine Woche, wenn der Arbeitslose seiner Meldepflicht nicht nachgekommen ist, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Hier ist der Kläger zwar der Meldeaufforderung zum 18. August 2012 nicht nachgekommen. Er hatte dafür jedoch einen wichtigen Grund. Zur Auffassung der Kammer stellt es einen wichtigen Grund dar, einem Meldetermin nicht nachzukommen, wenn Kinder – auch erwachsene Kinder – ihre Eltern wegen einer psychischen Überforderung um Hilfe und Beistand bitten.
Zum Anderen hat die Beklagte zu Unrecht angenommen, daß der Kläger wegen Ortsabwesenheit den Vermittlungsbemühungen im Sinne von § 138 SGB III nicht zur Verfügung gestanden hat. Zwar hielt der Kläger sich in der Zeit vom 18. bis 25. August 2012 nicht im ortsnahen Bereich seiner zuständigen Agentur für Arbeit auf. Jedoch steht dies nach § 3 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit (EAO) der Verfügbarkeit bis zu drei Wochen im Kalenderjahr nicht entgegen, wenn die Beklagte vorher ihre Zustimmung zur Ortsabwesenheit erteilt hat. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Abwesenheit die berufliche Eingliederung nicht beeinträchtigt.
Hier hat die Beklagte der Ortsabwesenheit nicht vorher zugestimmt. Dies ist jedoch unbeachtlich. Denn dem Kläger war es nicht möglich, vor seiner Ortsabwesenheit die Zustimmung der Beklagten einzuholen. Der Hilferuf seiner Tochter erreichte ihn am 18. August 2012, also einem Samstag. Insoweit ist § 141 Abs. 3 SGB III analog anzuwenden. Nach dieser Vorschrift kommt der persönlichen Arbeitslosmeldung am ersten Tag nach einer Zeit der fehlenden Dienstbereitschaft der Beklagten Rückwirkung zu. Der Anruf der Ehefrau am Montag, dem 20. August 2012, ist als konkludenter Antrag auf Genehmigung der Ortsabwesenheit anzusehen. Auf diesen Antrag hin hätte die Beklagte dem Kläger die Ortsabwesenheit ab 18. August 2012 bis 25. August 2012 nachträglich genehmigen müssen (all dies sieht übrigens auch die Dienstanweisung der Beklagten zur Ortsabwesenheit unter 6.3.4 vor). Denn der Kläger hatte, wie bereits oben festgestellt, einen wichtigen Grund für seine Ortsabwesenheit. Darüber hinaus war er, wie die Zeugin glaubhaft bekundet hat, seit Beginn des Arbeitslosengeldbezuges noch nicht ortsabwesend gewesen. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, daß die berufliche Eingliederung des Klägers durch die Ortsabwesenheit hätte beeinträchtigt sein können. Bei einer solchen rechtswidrig verweigerten nachträglichen Genehmigung der Ortsabwesenheit kann die Leistungsaufhebung nicht auf fehlende Erreichbarkeit gestützt werden. Vielmehr ist bei rechtswidriger Verweigerung der nachträglichen Genehmigung der Ortsabwesenheit die Genehmigung zu fingieren (vgl. vgl. Söhngen in Eicher/Schlegel Kommentar zum SGB III § 138 Rdnr. 150). Die fingierte nachträgliche Genehmigung der Ortsabwesenheit fingiert dann entsprechend § 3 EAO die Verfügbarkeit des Klägers trotz seiner Ortsabwesenheit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Kammer hat keine Veranlassung gesehen, die nach § 144 SGG ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Es handelt sich um die Entscheidung eines Einzelfalls, und die Kammer weicht auch nicht von einer Entscheidung höherer Gerichte ab.
Erstellt am: 17.03.2016
Zuletzt verändert am: 17.03.2016