Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Tatbestand:
Nachdem die Klägerin die gegen die Beklagte zu 1) sowie gegen die Beklagten zu 3) bis 7) gerichtete Klage zurückgenommen hat, begehrt sie noch von der Beklagten zu 2) eine höhere Vergütung für gelieferten Sprechstundenbedarf (SSB). Die Klägerin betreibt einen Fachhandeln für Arzt- und Klinikbedarf, ist jedoch kein Großhändler. Die Beklagte zu 2) ist eine gesetzliche Krankenkasse.
Aufgrund Verordnung vom 30.09.2015 lieferte die Klägerin SSB an das B, ein Medizinisches Versorgungszentrum. Die Abrechnung erfolgte – wie auch schon in der Vergangenheit – über ein Rechenzentrum gegenüber der Beklagten. Dabei brachte die Klägerin jeweils den Apothekeneinkaufspreis in Ansatz. Die Beklagte kürzte jedoch den Rechnungsbetrag um 12.335,55 EUR. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass die abgerechneten Preise für Pütterbinden und Synthetikwatte nach dem Ergebnis einer Online-Recherche nicht marktüblich seien.
Die Klägerin hat am 19.12.2016 Klage erhoben. Sie meint, einen Anspruch auf Zahlung des verbleibenden Rechnungsbetrags aus Kaufvertrag zu haben. Bei Vertragsschluss handele der Arzt als Vertreter der Beklagten zu 2). Der Apothekeneinkaufspreis sei Vertragsinhalt geworden, weil er in der Vergangenheit – seit mehr als 15 Jahren – stets akzeptiert worden sei. Es bestehe keine gesetzliche Grundlage für die vorgenommene Kürzung. Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolge allein gegenüber dem Arzt. Falls kein Kaufvertrag zustande gekommen sein sollte, stehe der Klägerin jedenfalls ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu.
Die Klägerin beantragt noch,
die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an die Klägerin 12.335,55 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2015 zu zahlen.
Die Beklagte zu 2) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 2) meint, dass zwischen ihr und der Klägerin kein Vertrag bestehe. Ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zu 2) stehe allein dem Arzt zu. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag sei schon wegen fehlender Schriftform nicht zustande gekommen. Im Übrigen habe es auch in der Vergangenheit keinen feststehenden Preis gegeben. Die Klägerin habe diesen vielmehr immer erhöht. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch bestehe nicht.
Das Gericht hat die Beteiligten angehört zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid.
Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht entscheidet gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher gehört worden.
Einer Entscheidung in der Hauptsache bedarf es gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht mehr, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat. Im Übrigen, also soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2) richtet, hat die Klage keinen Erfolg. Sie ist zulässig, insbesondere als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthaft. Die Klage ist insoweit jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 2) auf Zahlung von 12.335,55 EUR nebst Zinsen.
Zunächst besteht kein vertraglicher Anspruch auf Zahlung der Hauptforderung, insbesondere kein Anspruch aus § 433 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) besteht weder ein öffentlich-rechtlicher Vertrag noch ein zivilrechtlicher Kaufvertrag. Nach §§ 145 ff. BGB, die gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V) für die Rechtsbeziehungen zu Leistungserbringern und gemäß § 61 Satz 2 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (SGB X) für öffentlich-rechtliche Verträge entsprechend gelten, kommt ein Vertrag zustande durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen. Die Beklagte zu 2) hat keine auf Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung abgegeben. Die Willenserklärung des B bzw. der für dieses handelnden Personen ist ihr nicht zurechenbar, insbesondere nicht gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es liegt keine Vertretungsmacht vor. Eine Vollmacht nach § 167 Abs. 1 BGB ist nicht erteilt worden. Eine Vertretungsmacht des B bzw. der für dieses handelnden Personen für die Beklagte zu 2) ergibt sich auch nicht aus Normen des Vertragsarztrechts. Zwar mag sein, dass durch Einlösung eines Rezepts grundsätzlich ein Vertrag zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer zustande kommt (Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 24.02.2011, L 1 KR 32/08, juris, Rn. 16 f.). Vorliegend ist jedoch § 6 Abs. 4 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe und den Beklagten zu 2) bis 7) (SSB-V) zu beachten. Aus dieser Norm ergibt sich, dass der Arzt im eigenen Namen einen Vertrag über die Lieferung von SSB abzuschließen hat. Den Rechnungsbetrag erhält er anschließend von der Beklagten zu 2) erstattet. Wäre ein Vertragsverhältnis direkt zwischen dem Lieferanten und der Beklagten zu 2) gewollt, wäre die Regelung in § 6 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 SSB-V überflüssig, wonach die Beklagte zu 2) die Rechnung direkt gegenüber dem Lieferanten begleichen kann. Höherrangiges Recht, zu dem § 6 Abs. 4 SSB-V in Widerspruch stehen könnte, ist nicht ersichtlich.
Eine andere Bewertung hinsichtlich der Frage, wer Vertragspartner des SSB-Lieferanten ist, ist möglicherweise beim Bezug von Großhändlern nach § 6 Abs. 3 SSB-V geboten. Darum geht es vorliegend aber nicht.
Die Beklagte zu 2) muss sich die Willenserklärung des B bzw. der für dieses handelnden Personen auch nicht unter den Gesichtspunkten der Anscheins- oder Duldungsvollmacht zurechnen lassen. Von einer Anscheinsvollmacht ist nur auszugehen, wenn der Vertretene "schuldhaft den Rechtsschein einer Vollmacht veranlasst hat, sodass der Geschäftspartner nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte von einer Bevollmächtigung ausgehen darf und ausgegangen ist". Vom Vorliegen einer Duldungsvollmacht ist nur dann auszugehen, "wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn als Vertreter auftritt und der Vertragsgegner dieses Dulden dahin versteht und nach Treu und Glauben auch verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde auch bevollmächtigt ist" (zu beiden Gesichtspunkten Weinland, in: juris PraxisKommentar BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2017, § 173 Rn. 6, 9). Vorliegend ist keinerlei Rechtsschein gesetzt worden und keinerlei Duldung erfolgt, aufgrund derer die Klägerin nach Treu und Glauben davon ausgehen durfte, dass das B oder die für dieses handelnden Personen von der Beklagten zu 2) bevollmächtigt seien. Ein solcher Rechtsschein oder eine solche Duldung ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass die Beklagte zu 2) beanstandungslos über einen langen Zeitraum die Rechnungen der Klägerin direkt beglichen hat. Denn dadurch hat die Beklagte zu 2) lediglich die Regelung in § 6 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 SSB-V umgesetzt. Kenntnis der SSB-V kann bei der Klägerin als Lieferant von SSB vorausgesetzt werden. Sollten bei ihr auch nach Prüfung der SSB-V Unklarheiten bestanden haben hinsichtlich der Person ihres Vertragspartners, hätte es an ihr gelegen, sich durch Nachfrage bei dem Erklärenden bzw. bei der Beklagten zu 2) hierüber Gewissheit zu verschaffen.
Der Klägerin steht auch kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zu 2) zu. Die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs entsprechen grundsätzlich denen der §§ 812 ff. BGB (Wienhues, in: Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, 4. Auflage 2013, Rn. 517). Damit ist erforderlich, dass die Beklagte zu 2) etwas durch Leistung der Klägerin oder sonst auf deren Kosten ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Die Lieferung von SSB durch die Klägerin an das B ist nicht ohne Rechtsgrund erfolgt. Rechtsgrund ist der zwischen der Klägerin und dem Träger des B bestehende Vertrag.
Weil der Klägerin die Hauptforderung nicht zusteht, hat sie auch keinen Zinsanspruch.
Die gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 161 Abs. 1 Alt. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu treffende Kostengrundentscheidung beruht auf § 155 Abs. 2 VwGO, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat. Im Übrigen folgt die Kostengrundentscheidung gemäß § 154 Abs. 1 VwGO der Entscheidung in der Sache.
Erstellt am: 21.10.2019
Zuletzt verändert am: 21.10.2019