Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Aufhebung der Entziehung des wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom XX.XX.XXXX gewährten Verletztengeldes nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII).
Der am XX.XX.XXXX geborene Kläger erlitt am XX.XX.XXXX einen Impfschaden in Form eines Guillain-Barré-Syndroms (GBS) durch eine betrieblich erforderliche Impfung. Nach einem auch stationären Heilverfahren ließ die Beklagte den Kläger einerseits durch Professor Dr. rer. nat. Dr. med. I, Uniklinik X (Gutachten vom 16.06.2010), und andererseits durch Dr. I2, Praxis J, X2 (Gutachten vom 06.10.2010), begutachten. Beide Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass das GBS durch die Impfungen entstanden sei. Mit Schreiben vom 19.10.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie von einem Zusammenhang zwischen den Impfungen und dem GBS ausgehe, ihre Zuständigkeit grundsätzlich anerkennende, entsprechende Kosten übernähme und die Krankenversicherung angewiesen habe, Verletztengeld zu leisten. Die Feststellung einer Verletztenrente könne allerdings erst nach Wegfall des Verletztengeldes vorgenommen werden.
Ab ca. August 2010 erfolgte eine Arbeits- und Belastungserprobung, anfangs mit einer 2,5 stündigen Belastung, die im November 2010 auf 3 Stunden, im Februar 2011 auf 3,5 Stunden, im April 2011 auf 4 Stunden, im Mai 2011 auf 4,5 Stunden und im Juli 2011 auf 5 Stunden erhöht wurde. Medizinisch wurde dieser Prozess von dem Neurologen und Psychiater Dr. Q, C, begleitet.
Nach einer Vorstellung des Klägers in der neurologischen Klinik und Poliklinik des C2, Professor Dr. U, im Juli 2011 gewährte die Beklagte dem Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der T Klinik, I3, ab dem 31.08.2011. Am 21.09.2011 brach der Kläger die Maßnahme ab.
Gegenüber dem zuständigen Berufshelfer der Beklagten gab der Kläger an, dass es im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahme zu einer Verschlechterung des Leidens gekommen sei und er deshalb die Maßnahme abgebrochen habe. Zudem teilte der Kläger mit, dass die Arbeits- und Belastungserprobung bis zu 4 Stunden überwiegend gut verlaufen sei. Ab 5 Stunden sei die Belastung grenzwertig (Berufshelferbericht vom 13.10.2011). Die Arbeits- und Belastungserprobung nahm der Kläger mit 4 Stunden täglicher Belastung wieder auf.
Mit Bescheid vom 17.10.2011 gewährte die Beklagte dem Kläger weiterhin Verletztengeld, da sie davon ausging, dass die medizinische Rehabilitation nach weiteren Behandlungsmaßnahmen in Form von Arbeitstherapie und Belastungserprobung voraussichtlich mit Arbeitsfähigkeit abgeschlossen werden könne.
Ab dem Mai 2012 erfolgte eine Erhöhung der täglichen Belastung auf 4,5 Stunden. Diese Belastung musste im Juli 2012 wieder auf 4 Stunden herab gesenkt werden.
Im November 2012 ließ die Beklagte den Kläger abermals medizinisch begutachten. Der Unfallchirurg und Sozialmediziner Dr. B kam dabei zu dem Ergebnis, dass mit einer Besserung des Leistungsvermögens zu rechnen sei. Die Frage nach einer konkreten beruflichen Rehabilitation ließ er offen (Gutachten vom 21.11.2012).
Die vierstündige Belastung im Rahmen der Arbeits- und Belastungserprobung wurde noch bis in das Jahr 2013 durchgeführt.
Im Januar 2013 erfolgte eine weitere Begutachtung des Klägers im Auftrage der Beklagten. Nach einer stationären Aufnahme vom 21.01. bis 23.01.2013 schätzte Prof. Dr. H, Neurologische Klinik des T2-Hospital in C, ein, dass derzeit nicht einzuschätzen sei, wann der Kläger seine bisherige Tätigkeit wieder voll aufnehmen könne. Das Fatigue-Syndrom könne auch über 10 Jahre nach einem durchlittenen GBS persistieren. Über eine berufliche Rehabilitation solle nach der medizinischen Rehabilitation entschieden werden. Derzeit sei keine berufliche Rehabilitation angezeigt. Es wurde allerdings eine medizinische Rehabilitation in der T Klinik in L empfohlen (Gutachten vom 12.02.2013). Auf eine Rückfrage der Beklagten beim Gutachter, ob in absehbarer Zeit von dem Eintritt der Arbeitsfähigkeit auszugehen sei, antwortete dieser lediglich mit "ja" (Eingang der Stellungnahme bei der Beklagten am 30.04.2013). Am Ende der Stellungnahme teilte der Gutachter allerdings auch mit, dass eine erneute Begutachtung in 18 Monaten vorgeschlagen werde, da sich im Längsschnitt besser die prognostische Abschätzung treffen lasse, ob eine volle Arbeitsfähigkeit in nachfolgenden Jahren zu erwarten sei.
Die vom Sachverständigen vorgeschlagene medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der T Klinik L erfolgte nicht, da der Kläger eine solche wegen seiner schlechten Erfahrungen in I3 nicht durchführen lassen wollte. Der Kläger beantragte bei der Beklagten vielmehr die Einholung eines toxikologischen Gutachtens. Ab dem 17.05.2013 wurde der Kläger von Herrn Dr. Q wegen des GBS als vollständig arbeitsunfähig angesehen. Die Arbeits- und Belastungserprobung wurde ausgesetzt.
Mit Schreiben vom 28.06.2013 beantragte der Kläger, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festgesetzt und die Rente nachgezahlt werden solle. Zudem teilte er mit, dass er sich selbst nach einer geeigneten Reha-Klinik umschauen werde. Nachdem die Beklagte weitere Reha-Kliniken vorschlug, gab der Kläger an, dass er die medizinische Reha abweichend von den Vorschlägen der Beklagten im neurologischen Rehabilitationszentrum H2, C3, durchführen lassen wolle. Mit Schriftsatz vom 21.08.2013 beantragte der Kläger abermals die Feststellung der Verletztenrente. Es sei vom der von Dr. I vorgeschlagenen MdE i.H.v. 100 v.H. auszugehen. Zudem wies der Kläger darauf hin, dass er aufgrund seiner schwerwiegenden Erkrankungen keineswegs in der Lage sei, am gesamten Wirtschaftsleben teilzunehmen. Vielmehr gelinge es ihm mit großer Anstrengung, lediglich 4 Stunden täglich zu arbeiten, wobei von einem normalen Arbeitstag aufgrund der damit verbundenen Schmerzen nicht die Rede sein könne. Derzeit sei der Kläger bereits wieder über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt. Daher sei die vom Gutachter vorgeschlagene MdE i.H.v. 100 v.H. auch nachvollziehbar.
Nach Anhörung erließ die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid vom 01.10.2013 mit dem sie die Einstellung des Verletztengeldes mit Ablauf des 10.10.2013 regelte. Zur Begründung führte sie aus, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht mehr zu rechnen sei und keine innerbetriebliche Umsetzungsmöglichkeit bestünde. Zu dieser Auffassung sei sie unter Auswertung der Angaben des Klägers, der behandelnde Ärzte und des eingeschalteten Gutachters gelangt. Es bestünde auch keine Fördermöglichkeiten im Rahmen einer beruflichen Reha, da der Kläger nur maximal 5 Stunden arbeitsfähig sei. Sie stellte zudem in Aussicht, dass nunmehr mit den Ermittlungen in Bezug auf die Verletztenrente begonnen werde. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung eines Berichts von der nunmehr behandelnden Fr. Dr. Q2, Ärztin – Naturheilverfahren und Akkupunktur (Bericht vom 29.10.2013), mit Bescheid vom 16.01.2014 unter Vertiefung der bisherigen Begründung zurück.
Am 17.02.2014 hat der Kläger Klage erhoben.
Unter dem 13.11.2014 hat der Kläger die Einholung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. rer. nat. Dr. med. S, L beantragt. Auf Nachfrage des Gerichts hat der Mediziner mitgeteilt, dass er als Gutachter in Berufskrankheitenverfahren tätig sei, worauf der Antrag, Dr. S gutachterlich zu hören, nicht weiter verfolgt wurde.
Parallel zu diesem Hauptsacheverfahren ist die Durchführung eines Eilverfahrens beim erkennenden Gericht (S 18 U 263/15 ER) erfolgt, welches im Erörterungstermin vom 15.07.2015 mit einer vergleichsweisen Regelung endete, nach der sich die Beklagte bereit erklärte, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs zu beachten und dem Kläger das Verletztengeld bis zur erstinstanzlichen Entscheidung vorläufig weiter zu leisten. Die Beklagte hat aber darauf hingewiesen, dass das vorläufig weitergezahlte Verletztengeld zurück zu zahlen ist, wenn das Hauptsacheverfahren für den Kläger negativ verlaufe.
Der neue Bevollmächtigte des Klägers hat sich nach Ende des Eilverfahrens mit der Rechtsschutzversicherung in Verbindung gesetzt und mit dem Schriftsatz vom 29.07.2015 – Eingang bei Gericht am 19.08.2015 – mitgeteilt, dass der Antrag nach § 109 Aufrecht erhalten bleibe. Zudem hat der Kläger Prof. Dr. N, L3, als Sachverständigen benannt. Mit Verfügung vom 19.08.2015 hat das Gericht der Klägerseite mitgeteilt, dass der vorgeschlagene Sachverständige Biologe und kein Mediziner und deshalb zurückzuweisen sei. Das Gericht hat zudem eine Frist von 2 Wochen gesetzt, um einen geeigneten Sachverständigen zu benennen, der bereit und in der Lage ist, das Gutachten in der angemessenen Frist von 2 Monaten zu erstatten. Zudem hat das Gericht darauf hingewiesen, dass bei einem Verstreichen der Frist von einer Verwirkung des Rechts aus § 109 SGG ausgegangen werde. Mit Schriftsatz vom 25.08.2015 hat der Kläger Prof. Dr. I4, I3, als Sachverständigen benannt. Allerdings habe man nicht abklären können, ob das Gutachten in einer angemessenen Frist erstellt werden könne, da der Mediziner wegen Urlaubs unerreichbar sei. Mit Verfügung vom 27.08.2015 hat das Gericht mitgeteilt, dass der Auflage in der früheren Verfügung nicht entsprochen worden sei. Es solle innerhalb der Frist ein Mediziner benannt werden, der eine Begutachtung in angemessener Frist zusagen könne. Mit Schriftsatz vom 02.09.2015 hat der Kläger eine Fristverlängerung bis zum 16.09.2015 beantragt und hilfsweise Dr. K, X3, zum Sachverständigen benannt. Auf Anfrage des Gerichts hat Dr. K mitgeteilt, dass er wegen des Umfangs der Akten eine Fristverlängerung von 2 auf 4 Monate beantrage. Um eine verbindliche Zu- oder Absage treffen zu können, benötige er allerdings die konkreten Beweisfragen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Zahlung des Verletztengeldes nicht nach § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII habe eingestellt werden dürfen. Sofern das Gericht sich dieser Auffassung nicht anschließe, habe es weiter, insbesondere nach § 109 SGG, zu ermitteln.
Der Kläger beantragt, das Gutachten nach § 109 SGG von Herrn Dr. K noch einzuholen, und hilfsweise den Bescheid vom 01.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 16.01.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich auf die Begründungen in den angefochtenen Entscheidungen sowie den Inhalt der Verwaltungsakte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Inhalte der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die isolierte Anfechtungsklage ist zulässig aber unbegründet.
Der Kläger ist nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, denn der angefochtene Bescheid vom 01.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2014 ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Recht das Verletztengeld mit Ablauf des 10.10.2013 entzogen.
Gemäß § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII endet das Verletztengeld nach § 45 SGB VII, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht mehr zu rechnen ist und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind, mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung. Für die Prognoseentscheidungen in Hinsicht auf die Arbeitsfähigkeit und Teilhabeleistungen ist dabei der Zeitpunkt der Entscheidung des Unfallversicherungsträgers maßgebend (Bereiter-Hahn/Mehrtens "Gesetzliche Unfallversicherung", Stand August 2015, § 46 Rdnr. 12). Die von der Beklagten zu treffenden Prognoseentscheidungen in Bezug auf Arbeitsunfähigkeit und Teilhabeleistung müssen zudem in dem Verwaltungsakt hinreichend begründet werden (Köllner in Lauterbach "Unfallversicherung", Stand Juni 2015, § 46 Rdnr. 42).
Unproblematisch sind der Ablauf der 78. Woche der Arbeitsunfähigkeit und das Ende der stationären Behandlung zum Einstellungszeitpunkt erfüllt.
Bei dem Kläger war aber auch die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung am 01.10.2013 nicht abzusehen. Bei der Überprüfung der Prognoseentscheidung wurde bisher in der landessozialgerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt, welchen Prüfungsmaßstab die gerichtliche Entscheidung anlegen muss. Auf der einen Seite gehen Obergerichte davon aus, dass die Prognoseentscheidung nur beschränkt gerichtlich zu überprüfen ist. Auf der anderen Seite wird von anderen Obergerichten eine vollständige gerichtliche Überprüfbarkeit eingefordert (zum gesamten Streitstand: Köllner in Lauterbach, a.a.O., Rdnr. 36 ff.). Dieser Streit ist von dem erkennenden Gericht nicht zu entscheiden, da die zu überprüfenden Verwaltungsentscheidungen auch den strengeren Anforderungen entsprechen. Selbst wenn man sich der Auffassung, dass der Ablauf der 78. Woche der Arbeitsunfähigkeit bereits ein Indiz dafür darstellt, dass mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht mehr zeitnah zu rechnen ist (Fischer in Schlegel/Voelzke "jurisPK-SGB VII", § 46 Rdnr. 47), nicht anschließt, so ist doch hier im konkreten Fall bei einer Leistung von einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als 3 Jahren von einem solchen Indiz auszugehen, zumal in den 3 Jahren Arbeitsunfähigkeit fast 3 Jahre eine Arbeits- und Belastungserprobung durchgeführt wurde, die zu keiner auch nur vorübergehenden Arbeitsfähigkeit führte. Für die Prognoseentscheidung der Beklagten spricht auch, dass der Kläger selbst durch seinen Bevollmächtigten angab, dass er lediglich 4 Stunden täglich habe arbeiten können, wobei das Tätigwerden einem normalen Arbeitsalltag nicht entsprochen habe. Allerdings kommt es nicht allein auf die Sichtweise des Versicherten an (Köllner in Lauterbach, a.a.O., Rdnr. 47). Doch auch nach den weiteren Umständen war ein Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht abzusehen. So beurteilte Prof. Dr. H, dass zum Begutachtungszeitpunkt im Januar 2013 nicht konkret gesagt werden konnte, wann mit der Wiederaufnahme der bisherigen Tätigkeit in vollem Umfang zu rechnen ist. Das Fatigue-Syndrom könne auch über 10 Jahre nach einem durchlittenen GBS persistieren. Zwar gab Prof. Dr. H in der anschließenden Stellungnahme auch an, dass von einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit wieder auszugehen sei. Allerdings begründete er diese Aussage nicht und relativierte sie am Ende der Stellungnahme durch den Hinweis, dass eine weitere Begutachtung nach 18 Monaten erfolgen solle, weil sich im Längsschnitt besser die prognostische Abschätzung treffen lasse, ob eine volle Arbeitsfähigkeit in den nachfolgenden Jahren zu erwarten sei. Bei dieser Aussage ist schon der lange Zeitverlauf von 18 Monaten (= 78 Wochen) für eine erneute Begutachtung problematisch. Aber letztlich sagt er zudem aus, dass die Arbeitsfähigkeit auch noch nach Jahren gänzlich ausbleiben könne. Eine relevante Prognose zu Gunsten der Arbeitsfähigkeit lässt sich damit nicht begründen. Letztlich sprechen aber auch die Einschätzungen der behandelnden Ärzte gegen eine absehbare Arbeitsfähigkeit. Denn die Ärzte, die die Arbeits- und Belastungserprobung über einen sehr langen Zeitraum begleiteten, konnten eine Belastbarkeit von über 5 Stunden nicht bescheinigen. Vielmehr musste die Belastung von 5 Stunde sogar wieder auf 4 Stunden abgesengt und zuletzt für eine längere Zeit eine vollständige Arbeitsunfähigkeit bescheinigt werden.
Es waren zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung auch keine Teilhabeleistungen zu erbringen. Solche Teilhabeleistungen müssen zum Entscheidungszeitpunkt hinreichend konkret sein (Köllner in Lauterbach, a.a.O., Rdnr. 48) und nach überwiegender Auffassung in der Literatur einen Übergangsgeldanspruch im Sinne des § 49 SGB VII auslösen (Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Juni 2015, SGB VII, § 46 Rdnr. 11). Auch wenn der Wortlaut von § 49 SGB VII nahe legt, dass alle Teilhabeleistungen diesen Übergangsgeldanspruch auslösen, ist das nicht der Fall (Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O., § 49 Rdnr. 6.1). Für die Einschätzung von absehbaren Teilhabeleistungen müssen die Leistungsvoraussetzungen für die Teilhabeleistungen vorliegen, der Versicherte darf die Leistung nicht ausgeschlagen haben und der Versicherte muss auch rehabilitationsfähig sein. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung und auf nicht konkret absehbare Zeit (s.o.) rehabilitationsunfähig für solche Leistungen, die einen Übergangsgeldanspruch im Sinne des § 49 SGB VII auslösen. Denn der Kläger war über 5 Stunden täglich nicht belastbar (s.o.). Konkrete Teilhabeleistungen standen, unabhängig von der Frage nach der Leistung von Übergangsgeld, auch nicht im Raum.
In der Verwaltungsentscheidung wurde die Prognoseentscheidung auch ausreichend begründet. Die Beklagte hat die Grundlagen ihrer Entscheidung hinreichend ausgedrückt. Sie verwies auf die Angaben des Klägers selbst, die behandelnden Ärzte und den von ihr hinzugezogenen Gutachter. Bei der Eindeutigkeit der Sachlage und den umfangreichen Ausführungen des Klägers selbst waren ausführlichere Ausführungen von ihr nicht notwendigerweise zu erbringen, da dies lediglich einen Formalismus dargestellt hätte.
Es waren keine weiteren Ermittlungen – insbesondere nach § 109 SGG – erforderlich. Dem Antrag nach § 109 SGG war nicht zu entsprechen.
Nach § 109 Abs. 1 SGG ist auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachterlich zu hören. Gemäß § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht den Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach freier Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.
Das Verfahren wäre hier nach Auffassung der Kammer verzögert worden. Die Zulassung des Antrages nach § 109 Abs. 1 SGG verzögert die Erledigung des Rechtsstreites, wenn ansonsten eine Erledigung bis zur Erstellung des Gutachtens und dem Ablauf der Stellungnahmefristen zu erwarten wäre (Kühl in Breitkreuz/Fichte "jurisPK-SGG", § 109 Rdnr. 13.). Eine Verzögerung ist nicht gegeben, wenn nach Geschäftslage des Spruchkörpers ohnehin in absehbarer Zeit nicht mit einer Terminierung zu rechnen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer "SGG", §109 Rdnr. 11). Der Kläger stellte erstmalig am 13.11.2014 einen Antrag nach § 109 SGG. Mit Verfügung vom 09.01.2015 fragte das Gericht bei dem benannten Mediziner die Begutachtungsbereitschaft ab. Ab dieser Verfügung musste dem Kläger klar sein, dass keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen erfolgen würden und das Gericht von seiner Seite von Entscheidungsreife ausgeht. Bei dem regelmäßigen Geschäftsgang des erkennenden Gerichts war von einer Ladung zur mündlichen Verhandlung binnen einiger Monate auszugehen. Es kam dann nach Auffassung der Kammer bis zum Ende der vom Kläger selbst gesetzten Frist bis zum 16.09.2015 zu keiner Benennung eines Sachverständigen, der das Gutachten in einer angemessenen Frist von 2 Monaten erstellen konnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der medizinisch zu klärenden Frage, um eine relativ leicht zu beantwortende Frage handelt. Immerhin war hier nur zu klären, ob zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung am 01.10.2013 das Wiedereintreten der Arbeitsfähigkeit (medizinisch) absehbar war. Für diese Fragestellung waren keine komplexen Kausalitätsfragen anzustellen oder Spezialisten auf atypischen medizinischen Fachgebieten zu bemühen. Auch der konkrete Verfahrensablauf zeigt, dass die Weiterverfolgung des Antrags das Verfahren verlängert hätte, da die Kammer die Streitsache nach Ablauf der Frist am 16.09.2015 in unter einem Monat das erste Mal zum mündlichen Verhandlung und trotz des Verletzungsantrags der Klägerseite zu einem Alternativtermin in etwas mehr als einem Monat lud.
Es liegt auch ein Fall der groben Nachlässigkeit vor. Eine grobe Nachlässigkeit ist gegeben, wenn jede zur sorgfältigen Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen ist, wenn also nicht getan wurde, was jedem einleuchten musste (BSG, Urteil vom 10.06.1958, AZ.: 9 RV 836/55). Dabei ist dieser hohe Maßstab hier erfüllt, denn der Kläger hat mehrmals einen ungeeigneten Sachverständigen vorgeschlagen: Der erste Sachverständige war auf Berufskrankheiten spezialisiert. Dieser Vorschlag wurde auf Nachfrage des Gerichts nicht weiter verfolgt. Der zweite Sachverständige war kein Mediziner, so dass er zurückzuweisen war. Bei diesem Verfahrensgang und spätestens den deutlichen Hinweisen und Fristsetzungen des Gerichts wäre es angezeigt gewesen, nicht immer nur einen Sachverständigen zu benennen, sondern gleichzeitig mehrere Mediziner in einem Rangverhältnis anzugeben, damit eine zeitnahe Berufung erfolgen konnte. Aber selbst wenn die genannte Voraussetzung nicht als erfüllt anzusehen ist, liegt hier eine grobe Nachlässigkeit vor. Eine grobe Nachlässigkeit kann auch in dem Verstreichenlassen einer vom Gericht gesetzten Frist zur Benennung eines Mediziners liegen. Wird keine konkrete zeitliche Frist benannt, sei eine von einem Monat ausreichend. Wenn die vom Gericht gesetzte Frist nicht ausreicht, kann der Betroffene eine Fristverlängerung beantragen (Keller, a.a.O.). Ein geeigneter Sachverständiger wurde weder in der vom Gericht noch der selbst gesetzten Frist benannt. Nach den Angaben des Klägers im Termin war ein Gutachten von Prof. Dr. I4 nicht binnen Jahresfrist zu erwarten. Und nach Auffassung der Kammer hat Dr. K mitgeteilt, dass er sicherlich eine Frist von 4 Monaten benötige, um das Gutachten zu erstellen. Der Hinweis des Mediziners, dass er die Beweisfragen benötige, um eine verbindliche Zu- oder Absage zu treffen, versteht die Kammer als eine verbindliche Zu- oder Absage über die Übernahme des Gutachtenauftrags an sich und nicht in Bezug auf die Frist von 2 Monaten.
Dier Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 15.01.2021
Zuletzt verändert am: 15.01.2021