Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Grad der Behinderung (GdB) des Klägers ab dem Änderungsantrag vom 14.01.2015 mit mehr als 50 zu bewerten ist.
Bei dem am 26.03.1935 geborene Kläger wurde der GdB mit Bescheid vom 25.01.1978 mit 50 bemessen. Dem lag eine gutachterliche Stellungnahme zu Grunde, die von folgenden Funktionsbeeinträchtigungen ausging: Verlust der Gallenblase und Oberbauchsyndrom (Einzel-GdB 20), Hypertone Kreislaufstörung (Einzel-GdB 20), Fettstoffwechselstörung, latente Hyperurikämie (Einzel-GdB 10), operierter Ober-armbruch re. (Einzel-GdB 10), ve-getative neurotische Pharyngopathie (Einzel-GdB 10) und Kurzsichtigkeit bds, Netzhaut-veränderung re. (Einzel-GdB 10).
Mit Änderungsantrag vom 14.01.2015 beantragte der Kläger die Feststellung eines höheren GdB. Die Beklagte holte einen Befundbericht des behandelnden Internisten des Klägers ein. Die zum Inhalt dieses Berichts veranlasste gutachterliche Stellungnahme kam zu dem Ergebnis, dass der Gesamt-GdB des Klägers weiterhin mit 50 zu bewerten sei. Dabei wur-den folgende Funktion Beeinträchtigungen berücksichtigt: 1. Verlust der Gallenblase und Oberbauchsyndrom (Einzel-GdB 20), 2. Hypertone Kreislaufstörung (Einzel-GdB 20), 3. Fettstoffwechselstörung, latente Hyperurikämie (Einzel-GdB 10), 4. operierter Oberarmbruch re. (Einzel-GdB 10), 5. vegetative neurotische Pharyngopathie (Einzel-GdB 10), 6. Kurzsichtigkeit bds, Netzhautveränderung re. (Einzel-GdB 10), 7.Nierenfunktionseinschränkung (Einzel-GdB 10) sowie 8. Wirbelsäulenleiden (Einzel-GdB 10).
Dem Ergebnis dieser Stellungnahme entsprechend lehnte die Beklagte den Änderungsan-trag des Klägers mit Bescheid vom 12.03.2015 ab. Der Kläger erhob hiergegen unter dem 30.03.2015 Widerspruch. Hierzu führte er aus, dass sämtliche bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen zu niedrig bemessen seien. Sachge-recht seien 2 Einzel-GdB von 30, zwei Einzel-GdB von 20 sowie 4 Einzel-GdB von 10, so das ein Gesamt-GdB von 100 zu bilden sei. Nachdem ein urologischer Befundbericht eingeholt worden war und eine weitere gutachter-liche Stellungnahme zu dem Ergebnis gelangt war, dass zwar ein weiteres Leiden (Diabe-tes mellitus) vorliege, dieses aber mit einem Einzel-GdB von 0 zu bewerten sei und sich am Gesamt-GdB nichts ändere, wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch des Klä-gers mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2015 zurück.
Am 15.07.2015 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, mit der er sein auf Feststel-lung eines höheren GdB gerichtetes Begehren weiterverfolgt.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen mit einem Gesamt-GdB von 100 zu bewerten seien. Seine Leiden würden teilweise zu gering und teilweise gar nicht bewertet. Ausgehend davon, dass ihm mit Bescheid vom 25.01.1978 ein GdB von 50 zuerkannt worden sei, müssten die hinzugetretenen Leiden den Gesamt-GdB erhöhen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2015 zu verurteilen, bei ihm ab dem 14.01.2015 einen Grad der Behinderung von 100 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrags nimmt sie im Wesentlichen Bezug auf den Inhalt der ange-fochtenen Entscheidung.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befund- und Behandlungsberichten der behandelnden Ärzte des Klägers. Sodann hat das Gericht von Amts wegen ein prokto-logisches Zusatzgutachten des Sachverständigen Dr. P eingeholt, das vom 27.08.2015 datiert und in dem Dr. P zu der Beurteilung gelangt ist, dass von Seiten seines Fachgebie-tes ein GdB von 30 aufgrund einer bestehenden Stuhlinkontinenz angemessen sei. Des Weiteren hat das Gericht ein internistisches Gutachten der Sachverständigen Dr. M vom 2.10.2017 eingeholt, in dem für die internistischen Erkrankungen insgesamt ein GdB von 20 als angemessen erachtet wird. Das Hauptgutachten hat die Orthopädin Dr. H unter dem 14.12.2017 erstellt. Unter Berücksichtigung aller bei dem Kläger bestehenden Gesund-heitsstörungen hat die Sachverständige ausgeführt, dass ihrer Einschätzung nach der Ge-samt-GdB des Klägers bei 50 liege. Unter dem 11.06.2018 (Dr. P), dem 18.07.2018 (Dr. M) und dem 09.08.2018 (Dr. H) haben die Sachverständigen ihre Gutachten in Stellung-nahmen ergänzt, wobei alle Sachverstän-digen bei ihren vorherigen Beurteilungen geblieben sind. Wegen der weiteren Inhalte der Berichte, Gutachten und Stellungnahmen wird auf die ärzt-lichen Feststellungen im Einzelnen verwiesen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die den Kläger betreffende beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalte Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, weil der Bescheid der Beklagten nicht rechtswidrig ist. Zu Recht hat die Beklagte die Feststellung eines höheren GdB als 50 abgelehnt.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 50.
Der Anspruch des Klägers auf Zuerkennung eines GdB von mehr als 50 bestimmt sich nach § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X). Danach ist, so-weit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwal-tungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben. Wesentlich ist im Schwerbe-hindertenrecht eine Änderung, wenn der GdB gegenüber dem Vergleichsbescheid um we-nigstens 10 höher oder niedriger zu bewerten ist.
Der Bescheid vom 25.01.1978 stellt einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar. Die Be-klagte hat mit diesem Bescheid die Behinderungen des Klägers und den sich daraus erge-benden GdB von 50 für die Folgezeit festgestellt. Die dieser Entscheidung zugrundeliegen-den tatsächlichen Verhältnisse haben sich nicht in der Weise geändert, als dass der Ge-samt-GdB ab Antragstellung am 14.01.2015 mit 60 oder mehr zu bemessen ist.
Gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (a.F.) bzw. nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 in der ab dem 01.01.2018 leicht geänderten Formulierung (n.F.) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Le-bensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesell-schaft beeinträchtigt ist.
Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Be-hinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX a.F. bzw. § 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX n.F.). Bei der Feststellung des GdB ist gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX a.F. bzw. § 152 Abs. 1 Satz 4 SGB IX n.F. seit dem 01.01.2009 die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozia-les im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung auf der Grundlage von § 30 Abs. 16 (vormals Abs. 17) Bundesversorgungsgesetz erlassene Anlage zu § 2 der Ver-sorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (Versorgungsmedizinische Grundsätze [VmG]) zu beachten. Nach den VmG ist zunächst jede Funktionsbeeinträchtigung unter Berücksichtigung der in Teil B der VmG aufgeführten Tabellenwerte mit einem GdB zu bewerten und einem der unter Teil A Punkt 2 e) der VmG benannten Funktionssysteme zuzuordnen. Besteht in ei-nem Funktionssystem nur eine Funktionsbeeinträchtigung, so stellt ihr GdB auch den Ein-zel-GdB für dieses Funktionssystem dar. Liegen in einem Funktionssystem mehrere Funk-tionsbeeinträchtigungen vor, ist der Einzel-GdB entsprechend den Vorgaben der VmG zur Bildung des Gesamt-GdB zu bestimmen. Für die Bildung des Gesamt-GdB ist, wie in Teil A Punkt 3 der VmG niedergelegt, eine Ad-dition der einzelnen GdB-Werte ebenso wenig geeignet wie andere rein rechnerische Me-thoden. Liegen mehrere Beeinträchtigungen vor, wird der Grad vielmehr nach den Auswir-kungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit und unter Berücksichtigung der wech-selseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX a.F. bzw. § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX n.F.). Dabei ist von der Beeinträchtigung auszugehen, die mit dem höchsten Einzel-GdB im Vordergrund des Leidensbildes des Betroffenen steht. Sodann ist zu über-prüfen, ob durch die weiteren Beeinträchtigungen das Ausmaß der Behinderung größer wird und der höchste Einzel-GdB erhöht werden muss, um der Behinderung insgesamt ge-recht zu werden. Hierfür ist zu berücksichtigen, ob die Behinderungen sich in ihren Auswirkungen über-schneiden, verstärken oder unabhängig voneinander bestehen. Leichte Beeinträchtigungen mit einem Einzel-GdB von 10 bleiben bei der Gesamtbeurtei-lung im Regelfall unberücksichtigt, denn diese führen grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbehinderung. Auch bei leichten Beeinträchtigungen von einem Einzel-GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbehinderung zu schließen. (Zur Bildung des GdB vgl. insgesamt die Urteile des Bundessozialgerichtes – BSG – vom 30.09.2009, Az. B 9 SB 4/08 R, und vom 09.12.2010, Az. B 9 SB 35/10 R; Straßfeld: "Kriterien für die Bildung des Gesamt-GdB" in "Die Versorgungsverwaltung" 2001, S. 60 ff. und Schorn in Müller-Wenner/Schorn, Kom-mentar zum SGB IX, Teil 2, 2003, § 69, RN 58 ff.)
Die Höhe des GdB ist dabei aufgrund einer Neubewertung aller Beeinträchtigungen des Klägers vorzunehmen. Zu Unrecht geht der Kläger davon aus, dass die dem Bescheid vom 25.01.1978 zugrunde liegenden Leiden keiner neuen Bewertung zu unterziehen sind. In Bestandkraft erwachsen kann lediglich ein durch Verwaltungsakt festgestellter Gesamt-GdB, nicht aber die Begründung dieses Gesamt-GdB und damit auch nicht die dem Ge-samt-GdB zugrunde liegende Bewertung der einzelnen Leiden. Dass lediglich der Entschei-dungssatz eines Bescheides und nicht seine Begründung in Bestandskraft erwächst ist all-gemeiner Grundsatz (vgl. hierzu z. B. BSG, Urteile vom 21.03.1974, Az. 8/2 RU 55/72, u. 23.11.2005, Az. S 12 RA 15/04 R). Bei den Einzel-GdB, die noch nicht einmal im Bescheid genannte werden, handelt es sich um die nicht in Bestandskraft erwachsende Begründung der Entscheidung. Lediglich in Konstellationen, in denen der Gesamt-GdB ausschließlich oder zumindest weit überwiegend aus einer einzigen Gesundheitsstörung resultiert, mag es gerechtfertigt sein, diese konkrete Gesundheitsstörung und damit den Einzel-GdB aus-nahmsweise als bei einer erneuten Prüfung des Gesamt-GdB nicht herabsetzbaren Faktor anzusehen (in diesem Sinne Landessozialgericht Nordrhein, Urteil vom 08.09.2004, Az. L 10 SB 823/03, SG Frankfurt (Oder), Urteil vom 30.05.2012, S 24 SB 31/09). Gründe, im Schwerbehindertenrecht generell vom Grundsatz, dass ausschließlich der Verfügungssatz eines Bescheides in Bestandskraft erwächst, abzuweichen, sind demgegenüber nicht er-sichtlich.
Unter Anwendung dieser Bewertungsmaßstäbe steht nach dem Ergebnis der Beweisauf-nahme zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beeinträchtigungen des Klägers wei-terhin nicht mit mehr als einem GdB von 50 zu bewerten sind.
Zu dieser Entscheidung ist die Kammer auf Grund ihrer freien, aus dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen gewonnenen Überzeugung gelangt. Insoweit wurden die aktenkundigen medizinischen Unterlagen, insbesondere die in sich schlüssigen und nach-vollziehbaren Gutachten der Sachverständigen Dr. H, Dr. P und Dr. M und der Vortrag der Beteiligten eingehend gewürdigt. Die Kammer hatte keine Veranlassung, an den Ausfüh-rungen der Sachverständigen in ihren Gutachten zu zweifeln. Die Sachverständigen haben den Kläger gründlich untersucht, alle erreichbaren Befunde ausgewertet und eine umfang-reiche Anamnese erhoben. Die auf dieser Grundlage erhobenen Befunde und abgeleiteten Diagnosen sind ebenso überzeugend wie die vorgenommene Würdigung der Einzel-GdB und des Gesamt-GdB. Die Bewertungen der festgestellten Gesundheitsstörungen erfolgten insbesondere in Übereinstimmung mit den VmG.
Da sich der seinerzeit bei dem Kläger festgestellte Gesamt-GdB von 50 nicht aus einem einzigen Leiden, sondern aus einer Vielzahl von Gesundheitsstörungen, die jeweils mit niedrigen Einzel-GdB bewertet waren, ergeben hat, hat die Beklagte den wegen des Ände-rungsantrags vom 14.01.2015 neu festzustellenden Gesamt-GdB zu Recht aufgrund einer vollständigen Neubewertung aller Beeinträchtigungen des Klägers ermittelt. Eine solche vollumfängliche Überprüfung ergibt zur Überzeugung der Kammer, dass der Gesamt-GdB weiterhin mit 50 zu bewerten ist. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ist seit Erlass des Bescheides vom 25.01.1978 nicht eingetreten. Trotz des Hinzutretens neuer Gesund-heitsstörungen ist bei Gesamtwürdigung aller derzeit vorliegenden Beeinträchtigungen des Klägers kein Gesamt-GdB von mehr als 50 gerechtfertigt.
Das Hauptleiden des Klägers ist nunmehr dem Funktionssystem "Beine" zuzuordnen. Zur Überzeugung der Kammer ist diese Beeinträchtigung mit einer Einzel GdB von 30 zu be-werten. Gemäß Teil B 18.14 der VmG ist für eine mittelgradig ausgeprägte Bewegungsein-schränkung im Kniegelenk ein GdB von 20 bei einseitiger und ein GdB von 40 bei beidseiti-ger Betroffenheit vorgesehen. Bei dem Kläger liegen in beiden Kniegelenken Defizite bei der Streckung vor, die einer Einschränkung mittleren Grades entsprechen. Da er die Knie-gelenke aber noch um 120° bzw. 130° und damit deutlich besser beugen kann, als in den VmG für Bewegungserstreckung mittleren Grades vorgesehen, erscheint es gerechtfertigt, keinen GdB von 40, lediglich ein GdB von 30 anzusetzen. Dies hat die Sachverständige Dr. H in ihrem Gutachten nachvollziehbar vorgeschlagen. Eine entsprechende Festsetzung spiegelt den Umstand wider, dass die Beeinträchtigung des Klägers im Bereich der unteren Extremitäten nicht so gravierend ist, wie es für eine beidseitige mittelgradige Belegungsein-schränkung vorgesehen ist, aber doch stärker als bei einer beidseitigen Bewegungsein-schränkung geringen Grades.
Des Weiteren ist das Funktionssystem "Verdauung" betroffen. Der Kläger leidet an einer Stuhlinkontinenz. Gemäß Teil B 10.2.4 der VmG ist eine After-muskelschwäche mit seltenem, nur unter besonderen Belastungen auftretendem, unwillkür-lichem Stuhlabgang mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten, sonstige Aftermuskel-schwäche mit einem Einzel-GdB von 20 – 40. Bei dem Kläger tritt regelmäßig ein unkontrol-lierter Abgang von weichem Stuhl auf. Er hat eine deutlich verkürzte Vorwarnzeit, zeitweise tritt der Stuhlabgang auch auf, bevor der Kläger eine Toilette aufsuchen kann. Insoweit liegt bei dem Kläger mehr als ein seltener unwillkürlicher Stuhlabgang vor. Unter Berücksichti-gung der Umstandes, dass das Ausmaß der Inkontinenz auch von subjektiven Faktoren beeinflusst ist und der Kläger die vorhandenen Möglichkeiten zur Therapie – wie der Sach-verständige Dr. P ausgeführt hat – nicht in Anspruch nimmt, erscheint ein GdB im mittleren Bereich des durch die VmG vorgegebenen Rahmens, d.h. ein Einzel-GdB von 30, entspre-chend der Beurteilung des sachwidrigen Dr. P leidensgerecht. Zudem liegt bei dem Kläger ein Verlust der Gallenblase vor. Dieses Leiden, das mit maxi-mal einem GdB von 20 (schwach) zu bewerten ist, erhöht den Einzel-GdB für das Funkti-onssystem "Verdauung" nicht. Gemäß Teil B 10.3.5 der VmG ist der Verlust der Gallen-blase ohne wesentliche Störungen mit GdB von 0 zu bewerten. Dass die Sachverständige Dr. M hierfür in ihrem Gutachten überhaupt einen Wert von 20 angesetzt hat, erklärt sich alleine mit dem Umstand, dass dieser Wert im Jahr 1978, als noch andere Maßstäbe für das Leiden galten, bei dem Kläger angesetzt worden ist. Eine Erhöhung des Einzel-GdB von 30 für die bestehende Beeinträchtigung des Funktionssystems "Verdauung" kommt vor diesem Hintergrund ersichtlich nicht in Betracht.
Darüber hinaus besteht bei dem Kläger eine Beeinträchtigung im Bereich des Funktions-systems "Herz-Kreislauf". Bei dem Kläger liegen ein Bluthochdruckleiden (Teil B 9.3 VmG) sowie Herzrhythmusstörungen (Teil B 9.1.6 VmG) vor. Für diese Leiden ist unter Berück-sichtigung der Grundsätze der VmG ein Einzel-GdB von 20 angemessen. Bei anfallsweise auftretenden hämodynamisch relevanten Rhythmusstörungen ist je nach Häufigkeit, Dauer und subjektiver Beeinträchtigung bei fehlender andauernder Leistungsbeeinträchtigung des Herzens ein Einzel-GdB von 10 – 30 vorgesehen. Für Bluthochdruckmittel schwerer Form mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades sieht Teil B 9.3 der VmG einen GdB von 20-40 vor. Wie die Sachverständige Dr. M in ihrem Gutachten überzeugend ausgeführt hat, liegen bei dem Kläger durch die Leiden im Bereich dieses Funktionssystems trotz des Um-standes, dass das Bluthochdruckleiden noch Schwankungen unterliegt keine höherwertigen Funktionsbeeinträchtigungen vor. Allerdings hat das Bluthochdruckleiden, das derzeit weiter medikamentös eingestellt wird, inzwischen zu einer Organbeteiligung leichten Grades ge-führt, da sich in der Arteria carotis Plaque gebildet hat. Das beim Kläger bestehende, chro-nisch gewordene, Vorhofflimmern ist medikamentös eingestellt. Unter Berücksichtigung des Gesamtbildes erscheint ein Einzel-GdB von 20 für das Funktionssystem "Herz-Kreislauf" entsprechend der Beurteilung der Sachverständigen Dr. M leidensgerecht.
Des Weiteren ist der Kläger im Funktionssystem "Rumpf" betroffen. Diese Behinderung bewertet die Kammer in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Sachverständigen Dr. H mit einem Einzel-GdB von 20, wobei es sich um einen schwachen Wert handelt. Nach den VmG Teil B 18.9 sind Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen mit einem GdB von 10 und mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbel-säulenabschnitt mit einem GdB von 20 zu bewerten. Erst bei schweren funktionellen Aus-wirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten kann von einem höheren GdB ausgegangen werden. Die Sachverständige Dr. H konnte bei dem Kläger Beeinträchtigungen in zwei Wir-belsäulenabschnitten feststellen, wobei diese lediglich leichtgradige funktionelle Auswirkun-gen mit sich brachten. Nur aufgrund des Umstandes, dass zwei Wirbelsäulenabschnitte betroffen sind, kommt ein höherer Wert als 10 überhaupt in Betracht. Da aber in keinem Wirbelsäulenabschnitt auch nur mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen nachzuweisen waren, ist der Einzel-GdB von 20 im unteren Bereich einzusetzen, d.h. als schwach anzu-sehen.
Die bei dem Kläger im Übrigen bestehenden Behinderungen, insbesondere in den Funkti-onssystemen "Innere Sekretion und Stoffwechsel" (Zuckerkrankheit ohne Medikamenten-einnahme, VmG Teil B Teil B 15.1) und "Harnorgane" (Nierenfunktionsstörungen, VmG Teil B 12) sind gemäß den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. H, Dr. M und Dr. P angesichts des Umstandes, dass hieraus keine bzw. höchstens leichtgradige Folgen resultieren, jeweils mit einem Einzel-GdB von maximal 10 zu berücksichtigen und erhöhen den Gesamt-GdB nicht.
Zusammengefasst ist der Gesamt-GdB des Klägers nicht mit mehr als 50 zu bewerten. Im Vordergrund steht bei dem Kläger die Beeinträchtigung des Funktionssystems "Beine", die mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten ist. Die daneben in den Funktionssystemen "Verdauung" und "Herz-Kreislauf" vorliegenden Beeinträchtigungen, die mit einem Einzel-GdB von 30 bzw. 20 zu bewerten sind, sind erhöhend bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen, jedoch nicht in Gestalt einer vollständigen Addition der Einzel-GdB. Viel-mehr erscheint es in Übereinstimmung mit der Bewertung der Haupt-Sachverständigen Dr. H angemessen, den GdB von 30 für das Hauptleiden für jedes der beiden Leiden um 10 auf insgesamt 50 zu erhöhen. Dies resultiert daraus, dass die Behinderungen abgrenzbare, unterschiedliche Symptomatiken bedingen, also die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft in verschiedenen Teilbereichen einschränken. Nach den bereits dargestellten Grundsätzen erhöhen die zusätzlichen Beeinträchtigungen, die mit einem Einzel-GdB maximal 20 (schwach) bzw. von jeweils 10 zu bewerten sind, den führenden Einzel-GdB von nicht zusätzlich. Hiervon ausgehen kann ein über einen Wert von 50 hinausgehender Gesamt-GdB nicht festgestellt werden.
Die Behinderung des Klägers ist insgesamt nicht so gravierend wie bei Menschen mit Be-einträchtigungen, für die die VmG bereits einen Einzel-GdB von 60 vorsehen. Bei im Vor-dergrund stehendem Leiden im Bereich der Beine mit hinzu tretenden Beeinträchtigungen im Bereich Verdauung sowie im Herz-Kreislauf-System ist die Behinderung des Klägers nicht so erheblich wie z.B. bei einem Menschen mit Verlust eines Beines im Unterschenkel bei ungenügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke oder mit einem künstlichen After ohne gute Versorgungsmöglichkeit, für den die VmG einen GdB von 60 vorsehen. Ein noch höherer GdB, wie der Kläger beantragt ist, kommt bei dieser Sachlage offensichtlich nicht in Betracht.
Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzu-legen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Dortmund, Ruhrallee 1-3, 44139 Dortmund,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einge-legt wird.
Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
– von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektro-nische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
– von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur quali-fizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektro-nische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) kön-nen nähere Informationen abgerufen werden.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Ver-fahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Überge-hung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Dortmund schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, so-fern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
Erstellt am: 27.01.2021
Zuletzt verändert am: 27.01.2021