1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 19.05.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2022 verurteilt, dem Kläger weitere Kosten für die im August 2022 beschafften Brillen in Höhe von insgesamt 1.896,84 € zu erstatten.
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2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
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Tatbestand:
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Der Kläger begehrt die weitere Kostenerstattung hinsichtlich zweier im August 2022 angeschaffter Brillen.
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Der am 1949 geborene Kläger war von Juli 1968 bis April 1988 Berufssoldat, bevor er vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurde. Er hat einen Grad der Behinderung von 100 mit dem Merkzeichen G und leidet im Wesentlichen unter einer Myasthenia gravis. Diese wurde erstmals im Jahr 2004 diagnostiziert, nachdem man zuvor vom Bestehen einer Multiplen Sklerose (Encephalomyelitis disseminata) ausgegangen war. Insoweit klagte der Kläger erstmals im Oktober 1984 bei einem Truppenarzt über Sehstörungen, Doppelbilder und Lichtempfindlichkeit, die ebenso Erstsymptome einer Multiplen Sklerose sein können. Der behandelnde Augenarzt verordnete daraufhin u.a. eine Versorgung mit einer Sehstärkenbrille mit mehreren Prismen. Auch stellte er eine deutliche Ptosis fest. Nach einem stationären Aufenthalt im Bundeswehrzentralkrankenhaus in A im Januar 1985 wurde die Diagnose „Doppelbilder bei Verdacht auf Encephalitis disseminata“ gestellt. Im weiteren Verlauf wurde u.a. im Februar und Juli 1987 von Seiten des Bundeswehrkrankenhauses B der Verdacht erneut aufgeworfen, auch wenn es bis dahin keinen Schub gegeben habe und die Zusatzdiagnostik nicht ganz eindeutig gewesen sei. Erstmals im Mai 1988 wird gutachterlich angegeben, dass keine Zweifel an einer Multiplen Sklerose bestünden, jedoch eine Verschlimmerung nicht erkennbar sei. Eine differentialdiagnostische Untersuchung im Jahr 2004 kam dann zu dem Ergebnis, dass der Kläger unter einer Myasthenia gravis leidet.
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Bereits mit Bescheid vom 02.04.1987 gewährte die Beklagte eine Beschädigtenversorgung nach § 85 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) im Rahmen der sog. Kann-Versorgung und erkannte als Gesundheitsstörung ein „Organisches Nervenleiden“ (Encephalomyelitis disseminata) an.
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Mit Bescheid vom 29.06.1989 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 08.09.1992 und 13.03.1997 erkannte das damals zuständige Versorgungsamt C nach Ausscheiden des Klägers aus dem aktiven Dienstverhältnis ab dem 01.05.1988 als Folge einer Wehrdienstbeschädigung ein „Organisches Nervenleiden“ an und gewährte seitdem eine Grundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 60 bei besonderer beruflicher Betroffenheit sowie einen Berufsschadensausgleich. Der Klammerzusatz mit der Bezeichnung „Encephalomyelitis disseminata“ ist in den vorgenannten Bescheiden nicht mehr enthalten.
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Aufgrund seines Sehleidens wurden dem Kläger in der Vergangenheit mehrfach die Kosten für die Anschaffung einer Brille nebst Gestell durch die wechselnd zuständigen Behörden erstattet. Nach einem Urteil des Sozialgerichts C vom 25.03.2002 (Az. S-7/VS- 704/99) erhielt der Kläger zudem mehrfach die Kosten für die Anschaffung einer fototropen (selbsttönenden) Brille, später auch in Form einer Gleitsichtbrille sowie einer Sonnenbrille, zuletzt im Jahr 2017 von der Beklagten.
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Am 11.05.2022 beantragte der Kläger nach einer Verschlechterung der Sehstärke und entsprechender augenärztlicher Verordnung bei der Beklagten die Übernahme der Kosten einer selbsttönenden Gleitsichtbrille sowie einer Sonnenbrille abzgl. der von der Krankenkasse gewährten Festbetragszuschüsse i.H.v. insgesamt noch 1.896,84 €.
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Mit Bescheid vom 19.05.2022 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte im Wesentlichen aus, dass eine Erstattung über den von der Krankenkasse gezahlten Zuschuss hinaus nicht möglich sei. Das Sachleistungsprinzip sei damit abgegolten. Soweit das Sozialgericht C in der Vergangenheit anders entschieden habe, sei dieses Urteil nicht bindend und eine Einzelfallentscheidung.
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Hiergegen erhob der Kläger am 25.05.2022 Widerspruch und führte aus, dass ihm die Kosten für die Brillenanschaffungen bisher aufgrund des Urteils des Sozialgerichts C stets erstattet worden seien. Dies müsse auch jetzt erfolgen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2022 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte im Wesentlichen aus, dass durch die Zahlung der Pauschale durch die Krankenkasse kein weiterer Anspruch bestehe. Auch sei ein Härteausgleich nicht möglich, da eine Augenerkrankung nicht anerkannt worden sei. Es könne auch aus einer früheren Versorgung kein Anspruch hergeleitet werden, da es sich stets um eine Einzelfallentscheidung handele.
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Am 06.07.2022 hat der Kläger Klage erhoben.
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Er trägt im Wesentlichen vor, dass er aufgrund des anerkannten organischen Nervenleidens Doppelbilder sehe und lichtempfindlich sei, was nur durch geeignete Sehhilfen ausgeglichen werden könne. Fototrope, also selbsttönende Gläser, ermöglichten ihm durch Schräghalten des Kopfes die Doppelbilder auszugleichen. Alternativ bräuchte er eine Vielzahl von Brillen mit verschiedenen Prismen, insgesamt etwa acht Stück. Dies sei nicht nur unhandlich, sondern auch teurer. Nach dem Urteil des Sozialgerichts C seien ihm deshalb in der Vergangenheit die Kosten für derartige Brillen erstattet worden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte den Zusammenhang zwischen der anerkannten Schädigungsfolge und dem Bedarf bezüglich der Brille verneine. Er leide nicht unter Multipler Sklerose, sondern unter einer Myasthenia gravis. Anerkannt sei ein organisches Nervenleiden, was letzteres mitumfasse. Zudem benötige er ein unbeschichtetes Titangestell, da er aufgrund der Medikamente viel schwitze. Ein anderes Gestell würde sich zu schnell zersetzen und müsste dann ersetzt werden, was zu Mehrkosten führen würde. Die Sonnenbrille benötige er zusätzlich, da sich die fototrope Brille im Raum oder Auto nicht abdunkele, er aber dennoch lichtempfindlich sei.
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Im August 2022 hat sich der Kläger die zwei Brillen auf eigene Kosten angeschafft. Für die Gleitsichtbrille sind nach Abzug des von der Krankenkasse gewährten Festbetragszuschusses Kosten i.H.v. 1.631,02 € und für die Sonnenbrille nach Abzug des Festbetragszuschusses und eines Rabattes des Optikers i.H.v. 265,82 € angefallen, insgesamt also ein Betrag von 1.896,84 €, den der Kläger gezahlt hat.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 19.05.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2022 zu verurteilen, ihm weitere Kosten für die im August 2022 beschafften Brillen in Höhe von insgesamt 1.896,84 € zu erstatten.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte verweist auf die Bescheidlage und führt ergänzend im Wesentlichen aus, dass die Sehbeeinträchtigung und die Transpiration des Klägers nicht erkennbar Folge des anerkannten organischen Nervenleidens seien, sondern der Myasthenia gravis, die nicht als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt worden sei. Deshalb seien weitere Kosten nicht erstattungsfähig. Dem anerkannten organischen Nervenleiden habe die Diagnose einer Multiplen Sklerose zugrunde gelegen, unter der der Kläger auch nach truppenärztlicher Stellungnahme vom 11.04.2007 leide bzw. gelitten habe. Hinsichtlich des Kostenrahmens seien nach dem Willen des Gesetzgebers die Regelungen in § 33 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) anzuwenden, die für Kinder und Jugendliche gelten. Danach sei ein Brillengestell nicht erstattungsfähig.
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Das Gericht hat von Amts wegen Befundberichte des behandelnden Augenarztes sowie zweier behandelnder Neurologen des Klägers eingeholt. Aus diesen ergibt sich, dass der Kläger gesichert unter Myasthenia gravis leidet, die Doppelbilder beim Blick mit geraden Kopf bedinge, welche vom Kläger durch eine Kopfzwangshaltung ausgeglichen werden müssen. Die Diagnose Multiple Sklerose findet sich in keinem der Befundberichte.
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Wegen der weiteren Einzelheiten betreffend den Sach- und Streitstand wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat vollen Erfolg.
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Die gemäß § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist zulässig und begründet. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 19.05.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2022 beschwert, weil dieser rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Er hat einen Anspruch auf Erstattung der über die von der Krankenkasse gewährten Festbetragszuschüsse hinausgehenden Restkosten für die im August 2022 erfolgte Anschaffung der Gleitsicht- sowie der Sonnenbrille durch die Beklagte i.H.v. insgesamt weiteren 1.896,84 €.
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Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Versorgung mit den Brillen ergibt sich aus den Regelungen in § 80 Satz 1 SVG in Verbindung mit §§ 10 Abs. 1, 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 6, 18 Abs. 1 und 4 sowie 18c Abs. 4 Satz 1 und 4 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Danach erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit das SVG nichts Abweichendes bestimmt. Nach § 10 Abs. 1 BVG wird Beschädigten Heilbehandlung für Gesundheitsstörungen, die als Folge einer Schädigung anerkannt oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sind, gewährt, um die Gesundheitsstörungen oder die durch sie bewirkte Beeinträchtigung der Berufs- oder Erwerbsfähigkeit zu beseitigen oder zu bessern, eine Zunahme des Leidens zu verhüten, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, körperliche Beschwerden zu beheben, die Folgen der Schädigung zu erleichtern oder um den Beschädigten eine möglichst umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Ist eine Gesundheitsstörung nur im Sinne der Verschlimmerung als Folge einer Schädigung anerkannt, wird abweichend hiervon Heilbehandlung für die gesamte Gesundheitsstörung gewährt, es sei denn, dass die als Folge einer Schädigung anerkannte Gesundheitsstörung auf den Zustand, der Heilbehandlung erfordert, ohne Einfluss ist. Die Leistung wird als Sachleistung erbracht (vgl. § 18 Abs. 1 BVG). Hat der Berechtigte eine Heil- oder Krankenbehandlung nach der Anerkennung selbst durchgeführt, so sind die Kosten in angemessenem Umfang zu erstatten, wenn unvermeidbare Umstände die Inanspruchnahme der Krankenkasse oder der Verwaltungsbehörde unmöglich machten (vgl. § 18 Abs. 4 Satz 1 BVG).
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Die Heilbehandlung umfasst gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 BVG u.a. die Versorgung mit Heilmitteln einschließlich Brillengläsern, wobei die Vorschriften für die Leistungen, zu denen die Krankenkasse ihren Mitgliedern verpflichtet ist, entsprechend gelten, soweit das BVG nichts anderes bestimmt. Eine solche andere Bestimmung findet sich jedoch in § 11 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 1 und Satz 2 BVG, wonach die Heil- und Krankenbehandlung u.a. die Versorgung mit Brillengläsern umfasst. Der Anspruch auf Brillengläser umfasst u.a. auch die Ausstattung mit dem notwendigen Brillengestell, wenn die Brille zur Behandlung einer Gesundheitsstörung nach § 10 Abs. 1 BVG erforderlich ist. Durch die Sonderregelung in Absatz 6 finden die Vorschriften für die Leistungen, zu denen die Krankenkasse ihren Mitgliedern verpflichtet ist (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 BVG), also gerade keine Anwendung, denn das BVG trifft hiervon abweichende Bestimmungen. Die Anwendung der Regelungen in § 33 Abs. 2 SGB V, die u.a. eine Kostentragung für das Brillengestell grundsätzlich ausschließt und hinsichtlich der Brillengläser für Erwachsene eine Versorgung nur unter engen Ausnahmevoraussetzungen vorsieht, ist damit weder hinsichtlich der Brillengläser noch hinsichtlich des Brillengestells möglich. Die Regelung in § 11 Abs. 6 BVG wurde im Jahr 2007 geschaffen, nachdem der Gesetzgeber festgestellt hat, dass er versehentlich seit der Gesetzesänderung des § 33 Abs. 2 SGB V im Jahr 2004 die erwachsenen Versorgungsempfänger ebenfalls aus dem Kreis der Erstattungsberechtigten herausgenommen hatte. Dieser Ausschluss war jedoch nach Auffassung des Gesetzgebers mit dem Entschädigungsgedanken nicht vereinbar. Die Beschädigten, die entweder schädigungsbedingt eine Brille oder aus nichtschädigungsbedingten Gründen eine Brille benötigen, die wegen der Schädigungsfolgen besonders ausgestattet sein muss, sollten diese vielmehr weiterhin als Sachleistung erhalten. Einschränkend hierbei gilt jedoch, dass gemäß § 18c Abs. 4 Satz 1 BVG als Kostenrahmen bei Brillengläsern (oder Kontaktlinsen) die Regeln der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr zugrunde zu legen sind (vgl. BT-Drs. 16/6541, S. 32). Weder führt dies jedoch zur Anwendbarkeit der Regelung in § 33 Abs. 2 SGB V noch inkludiert diese Einschränkung der Kostenhöhe für die Brillengläser die Kosten für das Brillengestell. Eine solche Einschränkung würde der vorrangigen Regelung in § 11 Abs. 6 Satz 2 BVG entgegenstehen. Darüber hinaus gilt zu beachten, dass der Kostenrahmen nach § 18c Abs. 4 Satz 1 BVG nur gilt, wenn kein Ausnahmetatbestand nach § 18c Abs. 4 Satz 4 BVG vorliegt. Danach können u.a. von der Regelung in § 18c Abs. 4 Satz 1 BVG Ausnahmen zugelassen werden. Sie räumt der Beklagten einen Ermessensspielraum für den konkreten Einzelfall ein.
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Ein solcher Ausnahmetatbestand liegt im Fall des Klägers hinsichtlich der Kosten für die Brillengläser von Gleitsicht- und Sonnenbrille vor. Insoweit ist die Beklagte im Rahmen einer Ermessensreduzierung auf Null zur vollumfänglichen Kostenerstattung verpflichtet. Hinsichtlich der beiden Brillengestelle gilt die Kostenerstattungspflicht ebenfalls in voller Höhe aufgrund der Regelung in § 11 Abs. 6 Satz 2 BVG; auf den Ausnahmetatbestand des § 18c Abs. 4 Satz 4 BVG kommt es diesbezüglich nicht an.
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All dies folgt aus dem Umstand, dass der Kläger die Brillen ausschließlich zum Ausgleich der Folgen der anerkannten Gesundheitsstörung nach § 10 Abs. 1 BVG benötigt. Insoweit umfasst das von der Beklagten als Gesundheitsstörung anerkannte organische Nervenleiden – für das die Heilbehandlung nach § 10 Abs. 1 BVG zu erbringen ist – die Myasthenia gravis, an der der Kläger leidet. Zwar mag im ursprünglichen Bescheid vom 02.04.1987 noch der Klammerzusatz „Encephalomyelitis disseminata“, also Multiple Sklerose, enthalten gewesen sein – was nach damaligen Arztberichten nur eine Verdachtsdiagnose war –, jedoch fehlt dieser Zusatz in den hier maßgeblichen Bescheiden vom 29.06.1989 und vom 08.09.1992 des Versorgungsamtes C. Von Beginn an hat der Kläger maßgeblich über Sehbeschwerden in Form von Doppelbildern und Lichtempfindlichkeit geklagt. Allein aufgrund dieser Beschwerden kam es überhaupt zu der Vorstellung beim Truppenarzt im Oktober 1984 und in der Folge zu den Untersuchungen, die zu der entsprechenden Diagnose führte nebst Wehrdienstbeschädigungsverfahren. Das spätere Begehren des Klägers auf Versorgung nach Ausscheiden aus dem Dienst bei der Bundeswehr bezog sich auf die Erkrankung, die diese Beschwerden auslöste. Die nachfolgende Anerkennung eines organischen Nervenleidens als Ursache dieser Beschwerden umfasst demzufolge nicht nur begrifflich, sondern vor allem auch inhaltlich die Erkrankung Myasthenia gravis. Der Kläger leidet zur Überzeugung des Gerichts auch ausschließlich unter Myasthenia gravis und nicht (auch) an Multipler Sklerose. Dies ergibt sich aus den übersandten Befundberichten der aktuell behandelnden Ärzte des Klägers ebenso wie aus den glaubhaften Darstellungen des Klägers. Im Gegensatz zur Beklagten ist die Kammer zudem der Überzeugung, dass der Kläger nie unter Multipler Sklerose gelitten hat, sondern dass diese als Verdachtsdiagnose zunächst aufgestellt wurde und sodann, statt einer differentialdiagnostischen Untersuchung, eine Dauer- und damit Fehldiagnose erfolgte. Diese Einschätzung erfolgt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger wohl keine Heilung von Multipler Sklerose erfahren haben dürfte, da nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen Multiple Sklerose nicht heilbar ist (vgl. Deutsches Ärzteblatt, Jg. 120, Heft 5 vom 03.02.2023, S. A-204).
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Soweit im Weiteren hinsichtlich der Kostenerstattung für die Brillengläser die Regelung in § 18c Abs. 4 Satz 4 BVG eine Ermessensnorm darstellt, die Beklagte also grundsätzlich zur Ausübung pflichtgemäßen Ermessens dahingehend verpflichtet ist, ob eine Ausnahme im Fall des Klägers dahingehend vorliegt, dass die Kostenübernahme für die Brillengläser über den Festbetrag hinaus erforderlich ist, ist festzustellen, dass die Beklagte dieses ihr zustehende Ermessen in den angefochtenen Bescheiden schon gar nicht erkannt hat, folglich ein Ermessensausfall vorliegt. In einem solchen Fall müsste das Gericht i.d.R. eine Zurückverweisung der Rechtsangelegenheit an die Behörde zur Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens aussprechen. Dies hat jedoch dann nicht zu erfolgen, wenn ohnehin eine sog. Ermessensreduzierung auf Null vorliegt, wenn also das Ermessen der Behörde aufgrund besonderer Umstände derart reduziert ist, dass jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre.
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So liegt der Fall hier. Der Kläger benötigt aufgrund seiner besonderen Sehbeeinträchtigungen insbesondere die Selbsttönung der Gleitsichtbrille nebst UV-Filter, Entspiegelung und Hartschicht, ebenso wie die zusätzliche Sonnenbrille. Dies beruht allein auf der anerkannten Gesundheitsstörung und nicht etwa auf einem anderweitig erworbenen oder vorhandenen Augenleiden. Auch handelt es sich dabei im konkreten Einzelfall des Klägers nicht erkennbar um eine Luxus-, sondern um eine medizinisch notwendige Ausstattung (vgl. BSG, Urteil vom 11.09.2001, Az. B 2 U 38/00 R – juris). Insgesamt sind die vom Kläger beschafften Brillengläser wegen der Art und Schwere der Folgen der anerkannten Schädigungsfolge erforderlich, weshalb sich das Handlungsermessen, also die Frage, ob Leistungen erbracht werden sollen, derart verdichtet, dass dem Grunde nach ein Anspruch auf Leistungen besteht. Darüber hinaus wäre eine Alternativversorgung mit mehreren Brillen mit einer Vielzahl von Prismen nicht nur unhandlich und würde die Teilhabe des Klägers am Leben und der Gemeinschaft erheblich beeinträchtigen, ggf. würde sie auch zur Pflegebedürftigkeit des Klägers führen, statt diese zu vermeiden. Es wäre auch die deutlich teurere Variante für die Beklagte und damit den Staat. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die Regelung in § 18 Abs. 4 BVG ist auch das Auswahlermessen, also die Frage, in welcher Art und Weise die Leistungen zu erbringen sind, auf Null reduziert. Die nachträgliche Prüfung, ob günstigere, ebenso angemessene Brillengläser für den Kläger beschaffbar gewesen wären, hat nicht zu erfolgen, da der Kläger aufgrund nicht zu vertretender Umstände in Form der rechtswidrigen Ablehnung durch die Beklagte eine Selbstbeschaffung vornehmen musste und ihm ein Zuwarten mit Blick auf seine Sehverschlechterung auch nicht zumutbar war. Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte ohnehin nur noch eine Entscheidung zu treffen berechtigt wäre, war das Gericht befugt, diese Leistung direkt zuzusprechen.
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Die Kostenerstattung hat auch mit Blick auf die Brillengläser der Sonnenbrille zu erfolgen. Der Kläger hat nachvollziehbar und schlüssig darlegt, dass er neben der Gleitsichtbrille auch die Sonnenbrille benötigt, etwa, um im Raum oder beim Autofahren ein sicheres Abdunkeln zu ermöglichen, nachdem die fototrope Gleitsichtbrille dies in diesen Situationen nicht immer gewährleistet.
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Ebenso ist die Beklagte für beide Brillengestelle nach §§ 11 Abs. 6, 10 Abs. 1 BVG zur Kostenerstattung verpflichtet. Hierbei sind die Kosten gemäß § 18 Abs. 4 BVG in voller Höhe zu gewähren. Ob es jeweils günstigere Gestelle gegeben hätte, die ebenso angemessen gewesen wären, ist nicht zu prüfen, denn dem Kläger war – wie bereits ausgeführt – wegen nicht zu vertretender Umstände die Beschaffung nach den Grundsätzen des BVG (Sachleistungsprinzip) nicht möglich. Soweit der Kläger ein unbeschichtetes Titangestell als Folge des starken Schwitzens wegen der Medikamente bzgl. der Myasthenia gravis benötigt, hat das Gericht i.Ü. keine Zweifel an der Richtigkeit dieses Vortrags.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und trägt dem Unterliegen der Beklagten Rechnung.
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Die Berufung gegen dieses Urteil ist gem. § 143 SGG zulässig. Ein Fall des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG liegt nicht vor.
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Erstellt am: 20.10.2023
Zuletzt verändert am: 20.10.2023