Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 27. Oktober 1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erhöhung der Pflegestufe wegen einer wesentlichen Änderung des Pflegebedarfs.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin gestützt auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung -MDK- Nordrhein, Dr. Stroth, vom 17.07.1996, wonach ein täglicher Hilfebedarf von jeweils 30 Minuten bei der Körperpflege und der Mobilität zuzüglich 550 Minuten an hauswirtschaftlicher Versorgung bescheinigt worden war, mit Bescheid vom 22.07.1996 Leistungen nach Pflegestufe I.
Im Juni 1997 beantragte die Klägerin wegen der Entwicklung ihres allgemeinen Gesundheitszustandes sie in Pflegestufe II einzustufen. Die Beklagte veranlaßte eine erneute Begutachtung durch den MDK. Dr. B kam im Gutachten vom 21.08.1997 zu dem Ergebnis, dass der Hilfebedarf bei der Körperpflege (Waschen, Duschen/Baden und Zahnpflege) 31 Minuten, bei der Ernährung (mundgerechte Zubereitung) 6 Minuten und bei der Mobilität 20 Minuten (An-/Auskleiden, Gehen und Treppensteigen) bei einem hauswirtschaftlichen Versorgungsbedarf von 420 Minuten betrage und die Pflegestufe I daher weiterhin Gültigkeit habe.
Mit Bescheid vom 11.09.1997 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erhöhung der Pflegestufe ab.
Die Klägerin legte am 30.09.1997 Widerspruch ein und macht geltend, dass sie durch ihre Schwester, die Zeugin Gruben, rund um die Uhr betreut werde. Sie legte außerdem einen Arztbrief des Pathologen Prof. Dr. L vom 25.08.1997 vor, wonach bei ihr ein Mukoepidermoidtumor im Kieferwinkelbereich bestehe. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 20.10.1997 verblieb der MDK,
Dr. O, gleichwohl bei seiner Beurteilung. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.1998 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 23.04.1998 vor dem Sozialgericht -SG- Aachen Klage auf Gewährung von Pflegeleistungen nach Pflegestufe II erhoben. Sie hat eine Bescheinigung des Neurologen/Psychiaters Dr. B vom 13.03.1998 vorgelegt, wonach sich bei ihr in den letzten Jahren eine Demenz vom Alzheimer-Typ entwickelt habe, so- wie von dem Internisten Dr. H, der die Diagnosen Inter- mittierendes Vorhofflimmern mit absoluter Arrythmie, Morbus Alzheimer und Mukoepidermoidtumor links gestellt hat.
Das SG hat Befundberichte von dem Internisten Dr. S, Dr. B und dem Arzt für Mund- , Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. L, eingeholt, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Es hat sodann ein Gutachten durch die Krankenschwester und Diplom-Sozialpädagogin Sch veranlaßt. Diese ist in ihrem Gutachten vom 11.08.1998 zu dem Ergebnis gelangt, der tägliche durchschnittliche Zeitaufwand des Pflegebedarf betrage 53 Minuten bei der Körperpflege, ca. 15 Minuten bei der Ernährung und ca. 46 Minuten bei der Mobilität sowie einem hauswirtschaftlichen Versorgungsbedarf von mehr als einer Stunde.
Mit Urteil vom 27.10.1998 hat das SG die Klage abgewiesen, weil auch nach dem Gutachten der Sachverständigen Sch der tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege lediglich 114 Minuten betrage und daher die Voraussetzungen der Pflegestufe II nicht erfüllt seien.
Gegen das ihr am 28.10.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.11.1998 Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der Ansicht, daß sie die Voraussetzungen für die Pflegestufe II erfülle, da sie bei der Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftlichen Versorgung Hilfe bedürfe. Ihre Pflege werde erschwert durch die Folgen eines Oberschenkelhalsbruchs links sowie oft unerträgliche Kieferschmerzen, welche von Fall zu Fall eine besondere Nahrungszubereitung erforderten, was in dem angefochtenen Urteil nicht hinreichend berücksichtigt worden sei.
Bei der Pflege erschwerend wirkten sich ferner ihre Schwerhörigkeit, starke Sehschwäche, Orientierungsschwäche außerhalb der Wohnung sowie ihre Vergesslichkeit infolge der Alzheimer-Erkrankung aus.
Auf Anforderung des Senats hat die Klägerin veranlaßt, dass ein Pflegenachweis vom Januar 1999 durch den Verein für Diakonie e.V. Aachen vorgelegt worden ist, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird.
Die Klägerin hat hierzu geltend gemacht, dieser Nachweis sei unzureichend, weil in ihm Hinweise auf die Kiefererkrankung, den Oberschenkelhalsbruch mit daraus resultierender starker Einschränkung der Beweglichkeit, die Schwerhörigkeit, starke Sehschwäche, Orientierungsschwäche und Vergesslichkeit fehlten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des SG Aachen vom 27.10.1998 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.1998 zu verurteilen, ihr Leistungen nach Pflegestufe II ab Juni 1996 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, maßgeblich seien nicht die einzelnen Gesundheitsbeeinträchtigungen, sondern allein der daraus resultierende Pflegebedarf.
Der Senat hat die Zeugin Maria Gruben zum Pflegebedarf der Klägerin vernommen; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.05.2000 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Grundlage der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter anstelle des Senats ergehen, da sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3, 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Pflegeleistungen, weil in ihren Verhältnisses gegenüber denjenigen, die zur Gewährung der Leistungen nach Pflegestufe I geführt haben, keine wesentliche Änderung eingetreten ist.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 X. Buch Sozialgesetzbuch – SGB X- ist, so weit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsakten mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine solche Änderung ist in den Verhältnissen der Klägerin nicht eingetreten, auch wenn sich ihr Gesundheitszustand seit Bewilligung der häuslichen Pflegehilfe als Dauerleistung im Juni 1996 verschlechtert und der Pflegebedarf sich erhöht hat, weil die Voraussetzungen für die Pflegestufe II noch nicht erreicht werden.
Pflegebedüftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX – Personen, die bei der Körperpflege, bei der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Darüber hinaus ist gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 11 (i.d.F. des SGB XI -ÄndG vom 14.06.1996, Bundesgesetzblatt I 138) erforderlich, dass der Zeitaufwand, den eine nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die er forderlichen Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, täglich im Wochendurchschnitt 3 Stunden beträgt; wobei auf die Grundpflege mindestens 2 Stunden entfallen müssen.
Für die Zuordnung der Pflegestufe II ist nur der Umfang des Pflegebedarfs bei den gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen maßgeblich, die § 14 Abs. 4 SGB XI in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität -Grundpflege- sowie denjenigen der hauswirtschaftlichen Versorgung aufteilt (vgl. Bundessozialgericht -BSG- in Sozialrecht – SozR- 3-3300 § 14 Nr. 1, 2 und 6).
Der danach berücksichtigungsfähige Grundpflegebedarf der Klägerin erreicht 120 Minuten nicht, wie aus dem Gesamtergebnis der Ermittlungen folgt. Die Sachverständige hat einen Bedarf von 114 Minuten ermittelt und Hilfebedarf beim Waschen/Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, der Blasen- und Darmentleerung, der mundgerechten Zubereitung der Nahrung sowie dem An- und Auskleiden angenommen, wobei in der Regel aber nur Teilhilfen, Anleitungen oder Kontrollen beschrieben worden sind. Dies entspricht im Wesentlichen den Bekundungen der Zeugin G, die Hilfe bei der Unterkörperwäsche, dem Auftragen der Zahnpasta auf die Zahnbürste, der Nahrungszubereitung und nur in Ausnahmefällen auch bei der Nahrungsaufnahme, beim Anziehen und beim 2 bis 3 Mal in der Woche stattfindenden Baden -Hilfe beim Ein- und Aussteigen aus der Wanne- bekundet hat.
Bei Zugrundelegung der zeitlichen Höchstwerte für die Hilfe bei den von der Zeugin bekundeten regelmässigen Verrichtungen nach den Begutachtungsrichtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen (zu deren Bedeutung vgl. BSG Urt. v. 29.04.1999 – B 3 P 7/98 R -) errechnet sich bzgl. der von der Zeugin bekundeten Verrichtungen ein Zeitrahmen von nicht einmal einer Stunde (Teilwäsche Unterkörper 15 Minuten, Baden 25:7×3= 11 Minuten, Zähne putzen 2×5=10 Minuten, Nahrungszubereitung 3×3 Minuten= 9 Minuten, Ankleiden 10 Minuten; insgesamt 55 Minuten)
Auch unter Berücksichtigung der Anleitung, Kontrolle und Teilhilfe bei weiteren Verrichtungen im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 1-3 SGB XI wird daher der Grenzwert von 120 Minuten nicht erreicht.
Nicht berücksichtigungsfähig ist dagegen der allgemeine Beaufsichtigungsbedarf, selbst wenn dieser erheblich ist, und die Fürsorge, die die Zeugin der Klägerin zuteil werden läßt, da nur konkrete Hilfestellungen bei den in § 14 Abs. 4 SGB XI abschließend aufgezählten Verrichtungen für die Feststellung des Pflegebedarfs von Bedeutung sind (vgl. BSG Urt. v. 26.11.1998 – B 3 P 2/98 R; SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6).
Ebensowenig ist ein Hilfebedarf für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung berücksichtigungsfähig, den allerdings auch die Sachverständige in Anrechnung gebracht hat. Insoweit könnte nur die Begleitung bei Arztbesuchen von Bedeutung sein, weil solche Besuche für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig machen, dies steht aber nach § 15 Abs. 3 SGB XI unter dem Vorbehalt, dass derartige Verrichtungen regelmässig mindestens einmal wöchentlich anfallen müssen, um sie dem Pflegebedarf zuzurechnen (vgl. BSG Urt. v. 29.04.1999 – B 3 P 7/98 R -), woran es hier fehlt, da die Arztbesuche nach den Bekundungen der Zeugin Gruben lediglich alle 14 Tage stattfinden.
Die Berufung mußte daher mit der aus § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 10.08.2003
Zuletzt verändert am: 10.08.2003