Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27. September 2000 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Berechtigung der in Spanien lebenden Klägerin auf Versicherung in der deutschen sozialen Pflegeversicherung.
Die am …1926 geborene Klägerin, spanische Staatsangehörige, bezieht seit dem 01.02.1986 von der LVA Württemberg Rente (bewilligt mit Bescheid vom 29.01.1986 aufgrund ihres Antrages vom 04.12.1985) und war ab diesem Zeitpunkt nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der deutschen Krankenversicherung versicherungspflichtig. Ab 01.07.1986 wurde durch die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Bonn die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) durchgeführt. Ab 01.09.1990 bezog die in Spanien lebende Klägerin eine spanische Rente, was die spanische Verbindungsstelle der Beklagten in dem Vordruck E107 unter dem 02.04.1998 mitteilte. Die Beklagte forderte daraufhin die Rückerstattung der für die Klägerin gezahlten Pauschbeiträge ab 01.09.1990 (Schreiben vom 08.06.1998).
Am 25.06.1998 beantragte die Klägerin, in der Pflegeversicherung freiwillig versichert zu werden. Dies lehnte die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.06.1998 ab. Das Sozialgesetzbuch Teil XI sei seit dem 01.01.1995 in Kraft. Erst ab diesem Zeitpunkt bestehe unter bestimmten Voraussetzungen Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung. Für Personen, deren Mitgliedschaft bereits vor diesem Zeitpunkt geendet habe, fänden diese Vorschriften keine Anwendung und eine Beitrittsmöglichkeit gebe es für sie nicht. Die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Kasse habe am 31.08.1990 geendet, da die Klägerin seit dem 01.09.1990 eine spanische Rente erhalte. Mit ihrem hiergegen am 13.07.1998 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihre Mitgliedschaft beim Instituto Nacional De La Seguridad Social (INSS) sei für die Erfüllung der Voraussetzungen für die Pflegeversicherung einer Mitgliedschaft bei der deutschen Krankenkasse gleichzustellen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.1998 zurück. Nach Art. 27 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 entfielen die deutschen Versicherungen, wenn aufgrund des Bezuges einer spanischen Rente ein Sachleistungsanspruch in Spanien bestehe. Die Klägerin sei aufgrund ihres spanischen Rentenbezuges in Spanien krankenversichert; ab diesem Zeitpunkt seien Leistungsansprüche (Kranken- bzw. Pflegeversicherungsleistungen) nur noch nach spanischem Recht zu realisieren. Die deutsche Krankenversicherung und damit die Pflegeversicherung, die der Krankenversicherung folge und ohne diese nicht bestehen könne (§ 20 Abs. 1 Nr. 11 SGB XI), entfielen. Zur Erfüllung der Vorversicherungszeit nach § 33 Abs. 2 SGB XI seien nach Art. 18 der Verordnung (EWG) 1408/71 die in anderen Gemeinschaftsstaaten zurückgelegten Zeiten eines Schutzes bei Krankheit zu berücksichtigen.
Hiergegen hat die Klägerin am 09.11.1998 Klage erhoben. Sie hat weiterhin ihre Auffassung vertreten, die deutsche Pflegeversicherung könne auch ohne deutsche Krankenversicherung bestehen, wenn der Versicherte in der Rentner- Krankenversicherung eines EG-Landes nach Art. 27 der Verordnung (EWG) 1408/71 versichert sei. Diese Norm dürfe nicht so ausgelegt werden, dass die deutschen Versicherungszeiten entfielen, wenn bereits aufgrund des Bezuges einer spanischen Rente ein Sachleistungsanspruch in der spanischen Krankenversicherung bestehe. Wegen Verlegung des Wohnortes liege insofern kein Ausscheiden aus der Versicherungspflicht i.S.d. § 26 Abs. 2 SGB XI vor, es gebe lediglich einen Zuständigkeitswechsel. Die Versicherungspflicht nach § 20 Abs. 1 SGB XI bestehe aber weiter. Art. 27 der Verordnung (EWG) 1408/71 regele lediglich ein Ruhen der Mitgliedschaft in der KVdR. Die Auffassung der Beklagten verstoße gegen die Freizügigkeit und Art. 48 des EG-Vertrages, da ein Anspruch nicht vom Aufenthaltsort des EG-Versicherten abhängen dürfe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.1998 zu verurteilen, sie in der Pflegeversicherung zu versichern, hilfsweise, den Rechtsstreit zur Vorabentscheidung dem EuGH zu den im Schriftsatz vom 05.11.1998 gestellten Rechtsfragen vorzulegen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat hervorgehoben, die Klägerin sei zu keinem Zeitpunkt der Pflegeversicherung angeschlossen gewesen und habe nie Beiträge zur Pflegeversicherung entrichtet. Sie erfülle weder die Voraussetzungen des § 33 SGB XI noch habe sie einen Antrag auf Weiterversicherung fristgerecht i.S.d. § 26 Abs. 1 und 2 SGB XI gestellt. Die Mitgliedschaft in der spanischen gesetzlichen Krankenversicherung führe nicht zu einer Pflegeversicherungspflicht in der deutschen Pflegeversicherung.
Mit Urteil vom 27.09.2000, auf das Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Gegen dieses ihr am 07.11.2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.11.2000 Berufung eingelegt. Sie trägt ergänzend vor, Art. 27 der Verordnung (EWG) 1408/71 bestimme lediglich, dass die Klägerin Leistungen nur noch vom spanischen Versicherungsträger und zu dessen Lasten erhalte. Vom Entfallen ihrer Mitgliedschaft zur deutschen Krankenversicherung sei nicht die Rede. Für die Klägerin und alle Rentner, Spanier oder Deutsche, die in Spanien wohnten und deutsche und spanische Rente bezögen, sei ein Bestehen der Mitgliedschaft zur deutschen Pflegeversicherung entscheidend, um die Wartezeit nach § 33 Abs. 2 SGB XI zu erfüllen. Das sozialgerichtliche Urteil verkenne die Bedeutung der Entscheidung des EuGH vom 06.07.2000, Az.: C 73/99. Eine Weiterversicherung nach § 26 Abs. 2 SGB XI ergebe für die Klägerin keinen Sinn, auch wenn sie beabsichtigte, wieder nach Deutschland zurückzukehren. In diesem Fall würde die Versicherungszeit beim spanischen Versicherungsträger nach Art. 18 der Verordnung (EWG) 1408/71 angerechnet, so dass damit die Vorversicherungszeit des § 33 SGB XI erfüllt wäre.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.09.2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.06.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.10.1998 zu verurteilen, sie ab dem 01.01.1995 als Pflichtmitglied in der Pflegeversicherung zu versichern.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Sie betont, die Klägerin beziehe bereits seit September 1990 eine spanische Rente und lebe in Spanien.
Die Verwaltungsakte der Beklagten hat neben der Prozessakte vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Entscheidung der Beklagten, die Klägerin nicht in der deutschen sozialen Pflegeversicherung zu versichern, ist rechtmäßig.
Die in Spanien lebende Klägerin ist in der deutschen sozialen Pflegeversicherung weder versicherungspflichtig noch versicherungsberechtigt. Denn Mitglied der sozialen Pflegeversicherung kann nur werden, wer versicherungsrechtlich Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung ist (§ 20 Abs. 1 SGB XI), wer freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung ist oder als sonstige Person im Sinne des § 21 SGB XI besondere Tatbestände erfüllt (so bereits der erkennende Senat in seinem Urteil vom 26.07.2001 – L 16 P 160/00 im Fall eines ebenfalls in Spanien lebenden Doppelrentenbeziehers, der allerdings zu keinem Zeitpunkt Mitglied der KVdR gewesen ist). Die deutsche Pflegeversicherung ist als soziale Pflegeversicherung und als private Pflegeversicherung im Anschluss an die krankenversicherungsrechtlichen Regelungen durch das Pflegeversicherungsgesetz vom 26.05.1994 – BGBl. I S. 1014 – mit Beitragspflicht ab dem 01.01.1995 und Leistungspflichten (außerhalb des Bereichs der Rehabilitation) ab dem 01.04.1995 (Artikel 68 a.a.O.) begründet worden. Wegen der systematischen Verknüpfung der Pflegeversicherung mit der gesetzlichen Krankenversicherung ist die Klägerin seit Inkrafttreten der deutschen Pflegeversicherung nicht in diesem Versicherungszweig versichert. Der Umstand, dass die Beklagte erst durch ein Schreiben der INSS vom 02.04.1998 davon Kenntnis erhalten hat, dass die Klägerin ab 01.09.1990 eine Rente vom spanischen Versicherungsträger bezogen hat, ändert hieran ebenso wenig wie der Umstand, dass die Klägerin von ihrer rückwirkenden "Abmeldung" laut Vortrag ihres Bevollmächtigten erst im Juli 1998 Kenntnis erhalten hat. Die Versicherungspflicht der Klägerin in der KVdR hat wegen des Bezuges der spanischen Rente ab dem 01.09.1990 zum 31.08.1990 geendet. Diese Rechtsfolge ergibt sich in der gesetzlichen Krankenversicherung aus § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V, § 30 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I), § 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) in Verbindung mit Artikel 27 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (nachstehend: Verordnung (EWG) 1408/71).
Nach § 30 SGB I gelten die Vorschriften dieses Gesetzbuch für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben. Es gilt somit das sogenannte Territorialitätsprinzip, das im völkerrechtlichen Sinn besagt, staatliche Hoheitsgewalt darf nur innerhalb der räumlichen Grenzen des eigenen Hoheitsbereichs, also insbesondere auf dem Staatsgebiet ausgeübt werden. Für das Sozialrecht wurde daraus der Grundsatz abgeleitet, dass inländisches Recht nur diejenigen Sachverhalte erfaßt, die im Inland eintreten, zumindest muss der für die Anwendung inländischen Rechtserhebliche Anknüpfungspunkt im Inland liegen (Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand April 2002, § 3 SGB IV, Randziffer 2 mit weiteren Nachweisen und Hauck/Haines, SGB IV, Stand Februar 2002, Randziffern 1 und 3 mit weiteren Nachweisen). Für die Frage der Zugehörigkeit zur Sozialversicherung wird das Territorialprinzip durch die Regelung des § 3 SGB IV verwirklicht. Anknüpfungspunkte sind danach in erster Linie der Beschäftigungs- und Tätigkeitsort (sogenanntes Beschäftigungsprinzip in Nr. 1). Der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt ist nur dann maßgebend, wenn die Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung eine Beschäftigung oder selb ständige Tätigkeit nicht voraussetzen (sogenanntes Wohnsitzprinzip in Nr. 2). Das kodifizierte Recht knüpft in keiner Weise an persönliche Eigenschaften, wie z.B. die Staatsangehörigkeit des Betroffenen an; insbesondere wird die deutsche Staatsangehörigkeit nicht für die Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung vorausgesetzt (Seewald in Kasseler Kommentar, a.a.O., § 3 SGB IV Randziffer 5; Hauck/Haines, a.a.O., § 3 SGB IV Randziffer 3 m.w.N.).
Zwar bleiben nach § 30 Abs. 2 SGB I Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt. Die Klägerin kann aber ihren geltend gemachten Anspruch weder auf Regelungen des über- noch des zwischenstaatlichen Rechts stützen. Insbesondere steht ihr nicht die Verordnung (EWG) 1408/71 zur Seite. Denn Inhalt dieser Rechtsnormen des überstaatlichen Rechts ist es, bei Verlegung des Wohnsitzes von den einen in den anderen EU-Staat die bisher erworbenen Ansprüche aufrecht zu erhalten und die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen der EU-Staaten in ihren Rechten und Pflichten aus der Sozialversicherung zu garantieren (Hauck/Haines, a.a.O., § 6 Randziffer 3 ff.). Ziel der überstaatlichen Verordnungen ist es hingegen nicht, ein für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gemeinsames System der sozialen Sicherheit zu schaffen. Demgemäss bestimmt die kollisionsrechtliche Regelung des Art. 27 der Verordnung (EWG) 1408/71 für Bezieher von Teilrenten aus mehreren Mitgliedsstaaten den im Wohnland zuständigen Träger als primär leistungszuständig und kostentragungspflichtig, sofern (auch) nach dessen Rechtsvorschriften ein Anspruch auf Leistungen im Falle von Krankheit besteht. Mit der Festlegung des Wohnlandes als rechtlichen Anknüpfungspunkt wird die Klägerin wie eine "einfache" Inlandsrentnerin behandelt und wird insofern die Rente aus der deutschen Rentenversicherung für unbeachtlich erklärt. Zu den Leistungen bei Krankheit gehören nach der Rechtsprechung des EuGH auch die der deutschen Pflegeversicherung (EuGH, Rs C – 160/96 Molenaar, Slg. 1998, I – 843).
Einen Anspruch auf freiwillige Weiterversicherung in der sozialen Pflegeversicherung macht die Klägerin im Berufungsverfahren ausdrücklich nicht mehr geltend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Erstellt am: 12.08.2006
Zuletzt verändert am: 12.08.2006