Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.01.1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab Juni 1994. Der am …1954 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und hat nach fünfjähriger Schulausbildung in der Türkei in der Landwirtschaft gearbeitet. 1970 ist er in die Bundesrepublik gekommen und arbeitete vorübergehend in einem Blumengeschäft und als Bandarbeiter bei O … 1974 ging er erneut in die Türkei und kehrte 1977 nach Deutschland zurück. In der Folgezeit arbeitete er zunächst als Gießer schleifer und Ofenarbeiter in der Metallindustrie, zuletzt als Arbeiter in der Keramikproduktion. Seit Juni 1991 ist der Kläger arbeitsunfähig geschrieben und bezog zunächst Krankengeld, dann Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe sowie ergänzend Sozialhilfe. Ein zunächst im Juli 1991 gestellter Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit blieb vor dem Sozialgericht erfolglos (Bescheide vom 12.02.1992, 18.08.1992/S 38 J 132/92 SG Dortmund).
Erneut am 26.05.1994 beantragte der Kläger Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit unter Vorlage eines Attestes sei nes Hausarztes Dr. L … Die Beklagte holte Befund- und Behandlungsberichte ein und ließ den Kläger durch den Internisten Dr. F … untersuchen.
Dr. F … stellte in seinem Gutachten vom 15.11.1994 folgende Diagnosen:
– Hyperlipoproteinämie Typ II b nach Fredrikson
– deutlicher Leberparenchymschaden
– Zustand nach chronischer Pankreatitis, zur Zeit erscheinungsfrei
– Hyperurikämie
– hochgradige Adipositas.
Dr. F … hielt den Kläger für noch imstande, leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten ohne Wechselschicht, ohne Nachtschicht und ohne Zeitdruck auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten.
Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.01.1995 den Rentenantrag des Klägers ab und wies seinen unter Vorlage von Befundberichten seines Hausarztes Dr. L … und seines Ohrenarztes Dr. T … erhobenen Widerspruch mit Bescheid vom 12.10.1995 zurück.
Mit der am 13.11.1995 zum Sozialgericht erhobenen Klage hat der Kläger auf seine seit Mitte 1991 bestehende Arbeitsunfähigkeit hingewiesen und Atteste seiner Ärzte vorgelegt. Das Sozialgericht hat weitere Befundberichte eingeholt sowie Entlassungsberichte zu mehreren beim Kläger durchgeführten Bauchspeicheldrüsenoperationen.
Das Sozialgericht hat den Kläger durch den Neurologen und Psychiater Dr. A … und den Internisten Dr. M … untersuchen lassen.
Dr. A … diagnostizierte in seinem Gutachten vom 15.09.1997 eine psychovegetative Labilität des Klägers bei eher einfach strukturierter Primärpersönlichkeit mit vermehrter Reizbarkeit und äußerte ferner den Verdacht auf ein leichtes sensibles Wurzelreizsyndrom bei S 1 sowie eine differentialdiagnostisch feststellbare leichte sensible Neuropathie.
Der Internist Dr. M … stellte im Gutachten vom 03.10.1997 die Diagnose einer chronischen Bauchspeichelentzündung mit Ausbildung einer Pseudozyste, eines Diabetes mellitus sowie eines Zustandes nach Gallenblasen-Operation.
In der Zusammenschau des neurologisch-psychiatrischen und seines eigenen Untersuchungsergebnisses könne der Kläger noch regelmäßig leichte körperliche Arbeiten und gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten verrichten. Diese Arbeiten sollten in wechselnder Körperhaltung und unter Vermeidung einseitiger körperlicher Belastung und Zwangshaltungen, nicht auf Leitern und Gerüsten, nicht an offenen Feuern, nicht im Bereich gefährlich laufender Maschinen erfolgen. Die Arbeiten sollten in geschlossenen temperierten Räumen unter Vermeidung starker Temperaturschwankungen statt finden. An die geistige Leistungsfähigkeit wie an Reaktionsvermögen, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit seien nur einfache Anforderungen zu stellen. Tätigkeiten in Wechselschicht, Nachtschicht und unter besonderem Zeitdruck seien nicht mehr abzuverlangen. Im Rahmen einer achtstündigen Arbeitsschicht bedürfe der Kläger einer zusätzlichen Essenspause von 10 Minuten, um eine Zwischenmahlzeit einnehmen zu können.
Mit Urteil vom 13.01.1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen mit der Begründung, bei seinem festgestellten gesundheitlichen Leistungsvermögen sei der Kläger auf nicht konkret zu benennende Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Die Notwendigkeit, zur Essensaufnahme eine zusätzliche Pause von 10 Minuten einzulegen, führe nicht zur Annahme von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Eine solche Einschränkung werde regelmäßig von den Arbeitgebern toleriert, zumal die Zwischenmahlzeiten auch arbeitsbegleitend eingenommen werden könnten (Verweis auf LSG NRW L 13 J 42/92 vom 13.11.1992). Der Kläger könne beispielsweise noch als Mitarbeiter in der Poststelle größerer Betriebe oder Behörden sowie als Bürohilfskraft arbeiten.
Gegen das am 13.02.1998 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.03.1998 eingegangene Berufung, mit der der Kläger unter Hinweis auf seine zahlreichen Gesundheitsstörungen geltend macht, er sei erwerbsunfähig.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.01.1998 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.10.1995 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Befundberichte der Ärzte des Klägers eingeholt sowie Entlassungsberichte zu stationären Aufenthalten des Klägers im Jahre 1998.
Im Berufungsverfahren ist weiter Beweis erhoben worden durch Einholung des orthopädischen Gutachtens von Frau Dr. G … vom 12.06.1999 sowie des internistischen Gutachtens von Dr. G …- … vom 16.09.1999. Zum Ergebnis dieser Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Gutachten (Bl. 198 ff. PA, Dr. G …; Bl. 221 ff. PA, Dr. G …- …) Bezug genommen.
Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakten im übrigen sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit auch nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, nicht einmal auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (§§ 44 Abs. 2, 43 Abs. 2 SGB VI), weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist nämlich nicht infolge von Krankheiten oder Behinderungen auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken, wie es § 43 Abs. 2 SGB VI bereits für den weniger gravierenden Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit voraussetzt.
Zutreffend hat das Sozialgericht angenommen, dass der Kläger keinen Berufsschutz beanspruchen kann. Nach dem vom Bundessozialgericht zur Konkretisierung des Verweisungsrahmens entwickelten und auch vom Senat zugrunde gelegten Mehrstufenschema (hierzu: BSG SozR 3 2600 § 43 Nr. 15 mit weiteren Nachweisen), das durch die Leitberufe des angelernten Arbeiters, des Angelernten, des Facharbeiters und des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters gekennzeichnet ist, ist der Kläger mangels Ausbildung und qualifizierter beruflicher Tätigkeit als Ungelernter bzw. kurzzeitig Angelernter anzusehen. Damit ist er sozial zumutbar auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Der Kläger ist auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren, die im wesentlichen das Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Sozialgericht bestätigt hat, nach seinen körperlichen und geistigem Leistungsvermögen seit Antragstellung sowie weiterhin noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig erwerbstätig zu sein.
Zwar ist der Kläger nicht mehr uneingeschränkt leistungsfähig, es besteht bei ihm jedoch ein Leistungsvermögen für vollschichtig ausgeübte leichte Tätigkeiten; die bei ihm vorliegenden Leistungsstörungen sind weder ihrer jeweiligen Art nach noch in ihrer Zusammenschau geeignet, die grundsätzliche Einsetzbarkeit des Klägers soweit in Frage zu stellen, dass es der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedürfte.
Nach dem Ergebnis der orthopädischen Untersuchung durch Dr. G … liegen auf diesem Fachgebiet beim Kläger folgende Diagnosen vor:
Ein Verschleißleiden der Lendenwirbelsäule bei computertomographisch nachgewiesenem Bandscheibenvorfall L 5/S 1 links und Bandscheibenvorwölbung L 4/L 5 derzeit ohne Funktionseinschränkungen, ohne Nervenwurzelreizerscheinungen sowie ohne Minderung der Kernmuskulatur mit anamnestisch zeitweise durch Schmerzen herabgesetzter Gehstrecke, ferner der Verdacht auf eine sensible Neuropathie des linken Fußes und Unterschenkels bei Diabetes mellitus und eine Rumpfmuskelinsuffizienz bei erheblicher Narben sowie Narbenbruchbildung im Bauchbereich.
Aus dem Zusammenwirken der Veränderung der Lendenwirbelsäule mit der Rumpfmuskelschwäche hat Frau Dr. G … schlüssig und gut nachvollziehbar auf eine Verminderung der Leistungsfähigkeit des Kläger insoweit geschlossen, dass er nur noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten mit Lasten bis zu 10 kg in wechselnder Körperposition oder bei ausschließlich sitzender Tätigkeit dann, wenn er Gelegenheit zum Aufstehen und Umhergehen habe, verrichten könne. Der Kläger solle, was ebenso einleuchtet, keine Arbeiten in Zwangshaltung verrichten, wie z. B. in gebückter Haltung, mit Verdrehung des Oberkörpers oder in anhaltender Rumpf beuge. Wegen der sensiblen Neuropathie solle der Kläger auch keine Gerüste oder Leitern besteigen, gelegentlich könnten jedoch Regalleitern bestiegen werden. Der Kläger sei zwar bei entsprechenden Schmerzattacken in seiner Gehstrecke ein geschränkt, könne jedoch grundsätzlich viermal arbeitstäglich einen Fußweg von jeweils mehr als 500 m in etwa 20 Minuten zurücklegen.
Soweit Frau Dr. G … Tätigkeiten des Klägers unter Kälteexposition deswegen ausgeschlossen hat, weil dies zu einer Muskelverspannung und in deren Folge für den Kläger zu un zumutbaren Schmerzen führen könnte, verschließt dies dem Kläger den Arbeitsmarkt für Außentätigkeiten ohne Möglichkeit, sich gegen Witterungseinflüsse zu wappnen sowie den Arbeitsmarkt für drinnen ausgeübte Tätigkeiten mit Kälteexposition.
Ein derartiger Ausschluss einer Einwirkung bestimmter Witterungseinflüsse wie z. B. Kälte, Nässe, Staub führt jedoch nicht dazu, dass dem Kläger wegen des Vorliegens einer spezifischen Leistungseinschränkung eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen wäre (Urteil des Senats vom 25.02.2000, L 3 RJ 202/96). Vielmehr ist dieser Ausschluss von Witterungseinwirkungen grundsätzlich vom Merkmal der körperlich leichten Arbeit gedeckt (BSG Großer Senat, SozR 3 2600 § 44 Nr. 8, einschränkend BSG B 13 RJ 71/97 R vom 11.05.1999).
Selbst wenn man dem nicht folgen können sollte, führte dies nicht per se dazu, das ganze Tätigkeitsfeldern des allgemeinen Arbeitsmarktes im Bereich der leichten Arbeiten mit hierin typischerweise anfallenden Verrichtungen wie Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen verschlossen wären.
Die genannten Verrichtungen finden vielmehr typischerweise in geschlossenen Räumen statt. Gefährdende Beeinträchtigungen durch Kälte, Hitze oder Zug luft sowie starke Temperaturschwankungen oder Nässe sind da gegen geradezu typische Merkmale im übrigen als mittelschwer oder gar schwer angesehener Berufsfelder wie beispielsweise auf dem Bau, in der Außenmontage, in der Schwerindustrie, in der Landwirtschaft oder Schifffahrt. Eine Verweisbarkeit des Klägers auf Tätigkeiten dieser Berufsfelder steht jedoch bereits die Beschränkung seiner Einsetzbarkeit auf körperlich leichte, gelegentlich höchstens mittelschwere Tätigkeiten im Wege. Der große Bereich der beschriebenen körperlich leichten Tätigkeiten in geschlossenen Räumen dagegen steht weiterhin offen.
Auf neurologisch-psychiatrischem wie auch den die Sinnesorgane betreffenden Fachgebieten ist der Kläger nicht derart erkrankt, dass seine Leistungsfähigkeit grundsätzlich in Frage zu ziehen wäre. Die von Dr. A … diagnostizierten Erkrankungen, die Einschränkung auf Tätigkeiten mit geistig einfachen Anforderungen, mit geringen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit unter Ausschluss übermäßiger Stressbelastung begründeten, haben sich infolge des Zeitablaufes seit der Untersuchung durch Dr. A … nicht soweit verändert, dass eine erneute Untersuchung auf diesem Fachgebiet sich aufdrängte. Vielmehr fand Dr. G …- … nebenbefundlich bei seiner Untersuchung im September 1999 weiterhin Zeichen einer erheblichen vegetativen Dysregulation mit Lidflattern, Dermographismus und Achsel- sowie Fußschweiß, jedoch ausdrücklich keinerlei Hinweise auf eine deutlich depressive Entwicklung. Für die Einsetzbarkeit des Klägers im Arbeitsleben bedeutet dies weiterhin, dass von einer anlagebedingt labilen, intellektuell einfachen Persönlichkeit bei allerdings erhaltener Fähigkeit zur Beherrschung und Selbststeuerung auszugehen ist. Über die von Dr. A … beschriebenen Leistungseinschränkungen hinaus sind daher auch aktuell keine weiteren Einschränkungen auf diesem Fachgebiet zu beachten.
Das Hör- und Sehvermögen ist nach den Befundberichten der Augenärztin W …- … vom 01.02.2000 sowie nach dem Befundbericht des HNO-Arztes Dr. B … zwar krankheitsbedingt reduziert, jedoch nicht soweit aufgehoben, dass die Einsetzbarkeit des Klägers im Arbeitsleben grundsätzlich in Frage gestellt wäre. So diagnostizierte Frau W …- … bei stabilem Befund im Beobachtungszeitraum von 1981 bis Oktober 1999 auf dem rechten Auge des Klägers Astigmatismus, rechts und links alte Hornhautnarben sowie links eine Hyperopie mit Astigmatismus und Amblyopie bei erhaltenem Visus rechts von 0,8 und links von 0,2. Die vom Kläger behauptete diabetische Netzhautveränderung schloss Frau W …- … ausdrücklich aus.
HNO-ärztlich besteht beim Kläger rechts eine hochgradige, links eine geringgradige sensori-neurale Schwerhörigkeit bei chronifiziertem Tinnitus rechts, der sich nach dem Behandlungsbericht vom 12.02.1999 von Dr. B … als zwar gegenwärtig behandlungsresistent, jedoch weiteren Behandlungsversuchen zugänglich darstellt. Die zur Abklärung der Tinnitus ursachen durchgeführte radiologische Untersuchung durch Dr. T … im November 1998 hat keine Hinweise auf eine Raumforderung im Sinne eines Akustikneurinoms erbracht, dagegen Schleimhaut- und Weichteilverdickungen als mögliche Ursachen der Schwerhörigkeit. Es steht daher auch mit den aktuellen fachärztlichen Befundberichten in Einklang, wenn sowohl Dr. M … im Oktober 1997 als auch Dr. G …- … im September 1999 eine Beeinträchtigung des Hörvermögens beim Kläger mit erhaltener Fähigkeit zu einfachen sprachlichen Kontakten festgestellt haben. Das Sehvermögen des Klägers war noch bei der Untersuchung durch Dr. M … korrigiert. Eine Leistungseinschränkung ist demnach insoweit nicht ersichtlich.
Auf internistischem Fachgebiet ist die Gesundheit des Klägers beeinträchtigt durch ernährungsbedingte Fettsucht mit Fettleberhepatitis 2. Grades und restriktiver Ventilationsstörung, einem Narbenzustand nach Colezystektomie, einem Narbenzustand nach Pankreaspseudozystensanierung, einem Narbenzustand nach Magenresektion mit chronischer Refluxgastritis und Verdacht auf Dumpingsymptomatik, eine Narbenhernie, Diabetes mellitus Typ II, durch einen hämorrhodialen Symptomenkomplex 2. Grades, durch Angina pectoris derzeit ohne sicheren Hinweis auf nachweisbare coronare Herzkrankheit, Hühnerauge, Hautpilz.
Der seinerzeit bereits von Dr. M … und nun auch von Dr. G …- … als weiterem internistischem Gutachtern hieraus gezogene Schluss, der Kläger könne nur noch regelmäßig leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung und unter Vermeidung einseitiger körperlicher Belastungen und Zwangshaltungen, nicht auf Leitern und Gerüsten, nicht an offenen Feuern, nicht im Bereich gefährlicher Maschinen drinnen und ohne Wechselschicht und Akkordbedingungen erbringen, ist ohne weiteres nachvollziehbar und im Verhältnis der Leistungseinschätzung beider Gutachter zueinander stimmig. Eine wesentliche Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers auf internistischem Gebiet ist im Verfahrensverlauf nicht eingetreten, vielmehr berichtet der Hausarzt Dr. L … des Klägers im Befundbericht vom 06.07.2000 von einem Rückgang der abdominellen Beschwerden nach Beseitigung der Bauchdeckenhernien und einem im wesentlichen konstanten Befund seit der Whipple-Operation. Dagegen ist im Verfahrensverlauf eine Verschlechterung der diabetischen Situation des Klägers insoweit eingetreten, als bei ihm nunmehr ein insulinpflichtiger Diabetes mit zumindest zeitweise pathologisch erhöhten Blutzuckerwerten (z. B. Bericht des Knappschafts-Krankenhauses B vom 08.10.1999, Bl. 271 PA, Befundbericht Dr. L … vom 05.04.2000, Bl. 310 PA) vorliegt.
Der beim Kläger vorliegende Diabetes verwehrt ihm die Nutzung seines Restleistungsvermögens auf dem Arbeitsmarkt nach Anzahl und Dauer der arbeitstäglich benötigten Pausen nicht.
Die mit der Überwachung und Einstellung eines Diabetes im insulinpflichtigen Stadium regelmäßig einhergehende Notwendigkeit von individuell unterschiedlich häufigen Arbeitsunterbrechungen wirft zwar die Frage auf, ob dies zu einer rentenrechtlich bedeutsamen Einschränkung der Einsetzbarkeit im Erwerbsleben führt. Ob eine solche vorliegt, richtet sich jedoch nach Anzahl und Dauer der im Einzelfall medizinisch angeratenen Arbeitsunterbrechungen im Abgleich mit den Möglichkeiten zu solchen Arbeitsunterbrechungen bei den als Verweisungsberufe in Betracht zu ziehenden Tätigkeiten (BSG 8 RKn 3/92 vom 29.10.1992; BSG 5 RJ 34/92 vom 20.04.1993).
Diese Erkrankung des Klägers macht nach dem Befundbericht des Dr. L … vom 06.07.2000 bis zu dreimal tägliche Blutzuckerbestimmungen sowie Zwischenmahlzeiten nötig. Demnach entfiele bei Fortführung der bisherigen Insulinbehandlung rechnerisch lediglich eine Blutzuckerbestimmung auf einen achtstündigen Arbeitstag, nach der – zum Entscheidungszeitpunkt lediglich geplanten – Umstellung auf häufigere Zuckerkontrollen und Einstellung mit Kurzzeitinsulin nach Schätzung von Dr. L … drei Kontrollen und drei kleine Mahlzeiten. Dies ist insoweit plausibel und steht im Einklang mit Beobachtungen des Senates aus anderen Fällen sowie den aus allgemein zugänglichen Quellen zu gewinnenden Informationen (z. B. Petrides, Der Diabetiker im Erwerbsleben, IV 10.7.1 in: Konietzko/Duupis, Handbuch der Arbeitsmedizin; Kunzer/Tittor, Der Diabetiker im Erwerbsleben in: Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung, 5. Auflage; Bürger-Büsing/Frank in Diabetes heute, Schriftenreihe der Deutschen Diabetesunion e. V. 1998, HTTP://WWW/Uni-Düsseldorf.DE/Diabetes-NRW). Der Senat folgt auch der Einschätzung von Dr. L …, wonach zur jeweiligen Blutzuckerbestimmung ca. zwei bis drei Minuten je Vorgang jedenfalls genügen, nicht jedoch der weiteren Einschätzung, dass bei Winterkleidung ein Zeitaufwand von jeweils einer Viertelstunde anrechenbar sei. Allgemeinkundig bedarf ein orthopädisch im wesentlichen gesunder Mensch zur Freilegung eines zur Diabeteskontrolle geeigneten Körperteiles wie etwa eines Unterarmes keinesfalls einer Viertelstunde. Der tatsächlich beim Ablegen von Winterkleidung entstehende Zeitaufwand kann jedoch dahinstehen, da der Kläger bereits aus anderen Gründen als dem Vorliegen des Diabetes in seiner Einsetzbarkeit im Arbeitsleben auf Innentätigkeiten ohne Kälteexpositon beschränkt ist, mithin also im Arbeitsleben keiner schweren oder aufwendigen Kleidung bedarf.
Zu dem sonach gegenwärtig einmal täglich 3-minütigen Zeitaufwand für die Blutzuckerbestimmung während eines achtstündigen Arbeitstages, der nach Umstellung der Insulinbehandlung auf möglicherweise dreimal 3 Minuten steigt, was für die zurückliegende Zeit dementsprechend außer Betracht bleiben kann, tritt der Zeitaufwand für die von den internistischen Gutachtern wie auch von Dr. L … übereinstimmend angenommene Notwendigkeit zur Einnahme von Zwischenmahlzeiten während des Arbeitstages hinzu. Die Anzahl der während eines achtstündigen Arbeitstages vom Kläger einzunehmenden Zwischenmahlzeiten schätzt Dr. L … als mit dem aktuellen Gesundheitszustand des Klägers am besten vertrauter Mediziner in seinem Befundbericht vom 06.07.2000 auf gegenwärtig 2, nach Umstellung auf Kurzzeitinsulin 3. Da es für Diabetiker ohnehin empfehlenswert ist, mitgebrachte Kaltverpflegung am Arbeitsplatz zu verzehren und die warme Hauptmahlzeit auf den Abend zu verlegen (Petrides, a.a.O., S. 3), kann eine der Zwischenmahlzeiten im Anschluss an die Blutzuckerbestimmung mit gegebenenfalls anstehender Insulingabe bereits während der arbeitsrechtlich zustehenden Regelpausen eingenommen werden, verursacht dem nach nicht die Notwendigkeit einer zusätzlichen Arbeitsunterbrechung. Nach § 4 des Arbeitszeitgesetzes vom 06.06.1994 (BGBl. I S. 1170) ist die Arbeit bei täglicher Arbeitszeit von 6 bis zu 9 Stunden durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten, bei mehr als 9 Stunden von 45 Minuten zu unterbrechen.
Diese Ruhepausen können in Zeitabschnitte von jeweils 15 Minuten aufgeteilt werden. Auf der Grundlage der aktuellen Angaben von Dr. L … besteht gegenwärtig außerhalb der gesetzlich zustehenden Pausen für den Kläger bei Fortführung der gegenwärtigen Diabetesbehandlung Bedarf für eine Zwischenmahlzeit. Nach erfolgter Umstellung auf Kurzzeitinsulin würde der zusätzliche Pausenbedarf darin bestehen, zwei Blutzuckerbestimmungen mit einem jeweiligen Zeitaufwand von maximal drei Minuten durch zuführen und zudem zwei Zwischenmahlzeiten aufzunehmen. Der sich tatsächlich auf die Arbeitsleistung auswirkende Zeitaufwand für den Verzehr einer Zwischenmahlzeit, so sie nicht ohnehin arbeitsbegeleitend eingenommen werden kann, ist abhängig von der Qualität des verzehrten Lebensmittels (in Betracht kommen insbesondere auch Milchgetränke und Fruchtsäfte, die auch ohne Verlassen des Arbeitsplatzes eingenommen werden können (Petrides, a.a.O., S. 3)) nur zu schätzen (§§ 202 SGG, 287 ZPO entsprechend) und dürfte drei bis fünf Minuten nicht überschreiten.
Für die Einsetzbarkeit des Klägers ist daher bislang von einem außerhalb der gesetzlichen Pausen auftretenden Zeit bedarf von maximal acht Minuten (drei Minuten Blutzuckerbestimmung, fünf Minuten Zwischenmahlzeit), künftig höchstens 16 Minuten (zweimal Blutzuckerbestimmung à 3 Minuten, zweimal Zwischenmahlzeiten maximal á 5 Minuten) auszugehen. Der Kläger ist jedoch nicht bereits deshalb erwerbsunfähig, weil er über die im Arbeitszeitgesetz vorgeschriebenen Pausen hinaus zusätzliche Pausen während der Arbeitszeit benötigt. Entscheidend ist vielmehr, in welchem Umfang Arbeitsplätze vorhanden sind, bei denen ein Arbeitnehmer zusätzlichen Pausen tatsächlich in Anspruch nehmen kann (BSG 5 RJ 34/92 vom 20.04.1993 mit weiteren Nachweisen). Das Vorliegen entsprechender tarifvertraglicher Vereinbarungen über Pausenregelungen ist nicht erforderlich; selbst die Notwendigkeit einer Pause von jeweils 15 Minuten Dauer im Abstand von zweieinhalb bis drei Stunden führt bei Vorhandensein geeigneter Arbeitsplätze nicht zur Erwerbsunfähigkeit, (BSG a.a.O.).
Auch wenn möglicherweise ein arbeitsrechtlich durchsetzbarer Anspruch auf zusätzliche Arbeitsunterbrechungen erst im konkret bestehenden Arbeitsverhältnis aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hergeleitet werden kann (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136), würde die Anerkennung jeder zusätzlichen Arbeitsunterbrechung als rechtserheblicher Leistungseinschränkung der Arbeitswirklichkeit nicht gerecht (Verbandskommentar, Rdnr. 6 zu § 43 SGB VI). In der Personalbedarfsberechnung in Wirtschaft und Verwaltung werden persönliche "Verteilzeiten" von bis zu 12 % der tariflichen Arbeitszeit veranschlagt. Annahmen zur Praxis des Erwerbslebens gehen sogar noch darüber hinaus (Verbandskommentar, a.a.0. m.w.N.).
Wenn daher z.B. im Bürobereich etwa 7 Minuten je Arbeitsstunde an persönlicher Verteilzeit kalkuliert werden (Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung, 5. Auflage, 7.7.2, S. 75), gibt es für den Kläger grundsätzlich geeignete und bei offenen Stellen von ihm zu besetzende Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl in den Bereichen, in denen im Innenbereich ohne Einbindung in einen vor Pausenbeginn zu unterbrechenden kontinuierlichen Produktionsverlauf gearbeitet wird, wie z. B. im Bürobereich.
Damit überschreitet die in der Arbeitswirklichkeit zugestandene persönliche Verteilzeit selbst unter Berücksichtigung ihrer weiteren Nutzungsmöglichkeiten (Toilettengänge, private Nutzung, allgemeine Erholung) deutlich den beim Kläger diabetesbedingt entstehenden Pausenbedarf.
Für den Kläger geeignete Tätigkeiten sind auch tarifvertraglich erfasst, beispielsweise als Tätigkeit eines Büorangestellte im Kanzlei- und sonstigem Innendienst mit vorwiegend mechanischer Tätigkeit (Vergütungsgruppe X, Nr. 1 des Bundesangestelltentarifvertrages, Stand 01.01.1999). Wegen der tarifvertraglichen Erfassung ist vom Vorhandensein einer bundesweit hinreichenden Anzahl von Arbeitsplätzen auszugehen (BSG SozR 108 zu § 1246 RVO; SozR 2200 § 1246 Nr. 19, 22, 30).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Anlass zur Zulassung der Revision nach § 160 SGG bestand nicht.
Erstellt am: 12.08.2003
Zuletzt verändert am: 12.08.2003