Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.05.2001 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Wegfall der Altersrente für Frauen wegen Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze.
Die im … 1934 geborene Klägerin war bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres im … 1999 bei der Stadtsparkasse D … in Teilzeit beschäftigt. Ab 01.11.1999 erhält sie von der Beklagten Regelaltersrente (Bescheid vom 22.05.2000). Zuvor hatte die Klägerin ab 01.12.1994 jeweils in bestimmten Zeiträumen Altersrente für Frauen als Teilrente in Höhe von 1/3 der Vollrente bezogen. Der Anspruch war jeweils entfallen, weil die Klägerin ab einem bestimmten Zeitpunkt immer die maßgeblichen Hinzuverdienst grenzen überschritt.
Zuletzt bewilligte die Beklagte der Klägerin Altersrente für Frauen in Form einer Teilrente in Höhe von 1/3 für die Zeit vom 01.08.1998 bis 31.10.1998 (Bescheid vom 15.03.1999). Im November 1998 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung der 1/3-Teilrente für den Zeitraum ab Dezember 1998. Auf die von ihr im Juni 1999 erhobene Untätigkeitsklage zahlte die Beklagte der Klägerin die beantragte Rente für den Zeitraum 01.12.1998 bis 31.03.1999, lehnte jedoch die weitere Zahlung ab 01.04.1999 ab (Bescheid vom 27.07.1999; Widerspruchsbescheid vom 25.10.2000). Die Beklagte begründete ihre Entscheidung damit, dass ab 01.04.1999 die Hinzuverdienstgrenze gemäß § 34 Abs. 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – SGB VI – in Höhe von 2.118,04 DM monatlich und ab 01.07.1999 in Höhe von 2.146,49 DM überschritten worden sei.
Der geänderten Klage hat das Sozialgericht Düsseldorf mit Urteil vom 08.05.2001 insofern stattgegeben, als die Beklagte zur Zahlung einer Altersrente für Frauen als Teilrente in Höhe von 1/3 für die Zeit vom 01.04.1999 bis 31.05.1999 verurteilt wurde. Die auf eine Verurteilung bis Oktober 1999 gerichtete weitergehende Klage hat das Sozialgericht abgewiesen. Dies hat das Sozialgericht damit begründet, dass das – zwischen den Beteiligten grundsätzlich nicht streitige – Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze (nur) in den Monaten April und Mai rentenunschädlich gewesen sei. Die Auffassung der Beklagten, bei einer Überschreitung der Hinzu verdienstgrenze könnten nur Monate mit sog. Sonderzahlungen in Betracht kommen, finde im Gesetz keine Stütze.
Gegen das ihr am 13.06.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.07.2001 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, ein Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze sei nur in den Kalender monaten zulässig, in denen zusätzlich zum regelmäßigen Einkommen Sonderzahlungen wie z.B. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld gezahlt wird. Grundlage dieser Auffassung sei der erkennbare Sinn und Zweck von § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB VI in der Fassung bis 31.12.1999, grundsätzlich nur jene Einkommensschwankungen unberücksichtigt zu lassen, die aus einmalig gezahltem Arbeitsgeld resultierten. Andernfalls könnte ein Versicherter, der bei hohem Verdienst seine Beschäftigung z.B. zum 30.04.2001 aufgeben würden, schon eine Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres für die letzten zwei Monate seines Arbeitslebens beziehen. Dies sei nicht Sinn der Regelung. Im Übrigen stützt sich die Beklagte für ihre Ansicht auf die Auslegung von § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI bzw. auf die dazu bekannten Gesetzesmaterialien (Bundestags-Drucksache 13/8011 zu Art. 1 Nr. 17 – § 43 SGB VI -) sowie auf eine entsprechende Beschlusslage des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.05.2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht anwesende und auch nicht vertretene Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Prozessakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der einseitigen mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte die Streitsache im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15.07.2002 trotz der Abwesenheit der Klägerin verhandeln und auch entscheiden, weil die Klägerin mit der Ladung zum Termin ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die jedenfalls kraft der Zulassung durch das Sozialgericht zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht einen Anspruch der Klägerin auf die begehrte Rente für die Monate April und Mai 1999 bejaht.
Nach § 34 Abs. 2 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 24.03.1999 (BGBl. I, 388 – gültig vom 01.04.1999 bis 31.12.1999) besteht Anspruch auf eine Rente wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres nur, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit im Monat die in Abs. 3 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs. 3 im Laufe eines jeden Jahres seit Rentenbeginn außer Betracht bleibt. Gemäß Abs. 3 Nr. 1 a) beträgt die Hinzuverdienstgrenze bei einer Rente wegen Alters als Teilrente von 1/3 der Vollrente das 70-fache des aktuellen Rentenwerts (§ 68), vervielfältigt mit den Entgeltpunkten (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3) des letzten Kalenderjahres vor Beginn der ersten Rente wegen Alters, mindestens jedoch mit 0,5 Entgeltpunkten. Daraus resultierte eine für die Klägerin maßgebliche Hinzuverdienstgrenze von 2.118,04 DM monatlich bis 30.06.1999 und ab Juli 1999 – neuer aktueller Rentenwert – eine Hinzuverdienstgrenze in Höhe von 2.146,49 DM. Die Einhaltung der jeweils maßgeblichen Verdienstgrenze ist eine negative Anspruchsvoraussetzung (statt an derer Kass.Komm./Niesel, Lose-Blatt Stand Januar 2002, § 34 SGB VI Rdnr. 5). Das bedeutet letztlich, dass das Stammrecht entfällt, wenn die Hinzuverdienstgrenzen bei einer laufenden Altersrente überschritten werden.
Das zwischen den Beteiligten nicht strittige Einkommen der Klägerin betrug im Zeitraum Dezember bis März 1999 2.114,04 DM und lag damit unter der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenze von 2.118,04 DM. Ab April erhielt die Klägerin ein Gehalt von 2.253,08 DM, ab Mai 1999 von 2.182,66 DM. Auch in den Folgemonaten überschritt das Einkommen der Klägerin bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben die maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen. Trotz des zweimaligen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze im April und Mai 1999 behielt die Klägerin ihren Anspruch auf die ihr mit Bescheid vom 27.07.1999 bewilligte Altersrente für Frauen in Form einer Teilrente in Höhe von 1/3 der Vollrente, weil das Überschreiten nach Maßgabe des § 34 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VI rentenunschädlich war. Die dem Wortlaut dieser Norm entgegenstehende Interpretation der Beklagten ist nicht haltbar, ihre darauf beruhende Entscheidung in dem vom Sozialgericht erkanntem Maß rechtswidrig.
Die Beklagte vermag sich insbesondere nicht auf den durch Art. 1 Nr. 17 des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15.12.1995 (BGBl. I 1824) eingeführten § 96a SGB VI bzw. auf die Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift (Bundestags-Drucksache 13/8011 a.a.O.) stützen. Zwar heißt es dort u.a., dass höheres als geringfügiges Arbeitsentgelt, das als Einmalzahlung des Arbeitgebers wie z.B. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld erbracht wird, bei der Feststellung des Rentenanspruchs nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist. Hieraus aber den Schluss zu ziehen, dass die Hinzuverdienstgrenze nur unter Berücksichtigung eines derart restriktiv interpretierten Einkommensbegriffs zweimal überschritten werden dürfe, ist verfehlt. Eine derartige Auslegung der Norm findet weder im klaren Wortlaut des § 34 SGB VI noch in dem des § 96a SGB VI eine Stütze. Selbst unter Berücksichtigung von Gesetzesmaterialien, die hier noch nicht einmal Grundlage der relevanten Norm des § 34 SGB VI sind, findet eine Auslegung von Rechtsnormen dort ihre Grenze, wo der Wortlaut klar und eindeutig und jeder hiervon abweichenden Interpretation nicht zugänglich ist. Das ist in § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB VI der Fall. Das Gesetz spricht unmissverständ lich von einem zweimaligen Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze. Worauf das Überschreiten beruht, ist unbeachtlich. Vor diesem Hintergrund ist auch unerklärlich, wieso die Beklagte ihre Auffassung, grundsätzlich seien nur jene Einkommensschwankungen unberücksichtigt zu lassen, die auf einmalig gezahltem Arbeitsentgelt beruhten, auf den erkennbaren Sinn und Zweck von § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB VI stützen will. Wäre dies tatsächlich die Absicht des Gesetzgebers gewesen, so hätte er dies unproblematisch in der Norm deutlich zum Ausdruck bringen können und müssen. Hierzu hätte jedenfalls seit 1996 hinreichend Gelegenheit bestanden. Da dies der Gesetzgeber aber gerade nicht getan hat, ist der Argumentation der Beklagten der Boden entzogen.
Es trägt die Auffassung der Beklagten auch nicht das von ihr gebildete Beispiel eines Versicherten mit hohem Verdienst und der Manipulationsmöglichkeit einer Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres für die letzten zwei Monate seines Arbeitslebens. In diesem Beispielsfall – und darauf weist die Klägerin völlig zu Recht hin – kommt es schon gar nicht zu der ersten Auszahlung der Rente. Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Teilrente müssen nämlich bei der Feststellung des Stammrechts gegeben sein. Wird in diesem Moment noch höheres Einkommen erzielt, entsteht der Anspruch schon erst gar nicht. Mithin sind derartige, von der Beklagten befürchtete Manipulationen bei richtiger Rechtsanwendung ausgeschlossen.
Letztlich sieht sich der Senat in seiner Rechtsauffassung durch das kurz vor der mündlichen Verhandlung veröffentlichte Urteil des Bundessozialgerichts vom 31.01.2001 – B 13 RJ 33/01 R – bestätigt. Der Senat sieht sich in seiner Rechtsauffassung zu der hier maßgeblichen Frage in voller Übereinstimmung mit dem Bundessozialgericht. Er nimmt daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils, denen er voll inhaltlich zustimmt, Bezug.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 SGG insbesondere nach Veröffentlichung des genannten Urteils des Bundessozialgerichts nicht gegeben sind.
Erstellt am: 13.08.2003
Zuletzt verändert am: 13.08.2003