Auf die Berufung der Beigeladenen wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.02.2001 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zahlung von 2.538,80 DM.
Die Klägerin ist die Witwe des am …1942 geborenen und am 29.09.1984 verstorbenen Versicherten A. R. E. (Versicherter). Der Versicherte hatte vom 01.07.1966 bis zum 30.08.1969 in Deutschland bei der Firma A. H. R. GmbH versicherungspflichtig gearbeitet. Für diese Zeit wurde von der Beigeladenen eine "Versicherungskarte Nr. 1" ausgestellt, in der die beitragspflichtigen Entgelte bescheinigt sind, und die den Stempelvermerk "Beiträge erstattet durch LVA Baden am 19.12.1971" trägt. In den Unterlagen der Beigeladenen findet sich außerdem eine Liste "Beitragserstattungen", die den Namen des Versicherten sowie dessen Versicherungsnummer enthält und den Erstattungsbetrag mit 2.538,80 DM beziffert.
Nachdem die Beklagte einen erstmals 1996 gestellten Antrag auf Hinterbliebenenrente abgelehnt hatte, weil die zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung gezahlten Beiträge er stattet worden seien, beansprucht die Klägerin mit der am 18.01.1999 erhobenen Klage die Auszahlung des Erstattungsbetrages. Sie hat gemeint, die Beklagte oder die Beigeladene könnten die Beitragserstattung nicht beweisen, was zu deren Lasten ginge. Sie hat sich insoweit auf das Urteil des BSG vom 29.01.1997 – 5 RJ 52/94 – berufen.
Die Beklagte und die Beigeladene haben gemeint, die Erstattungsliste und die ungültig gestempelte Versicherungskarte bewiesen die Auszahlung des Erstattungsbetrages.
Mit Urteil vom 06.02.2001 hat das Sozialgericht die Beigeladene antragsgemäß verurteilt. Es hat sich auf die genannte Entscheidung des BSG gestützt und ausgeführt, die Beigelade ne habe den Erstattungsanspruch nicht nachweisbar erfüllt. Eine Beweislastumkehr sei nicht geboten, weil nicht der Versicherte, sondern die Beigeladene den Beweisnotstand verschuldet habe. Dieser hätte es oblegen, beweiskräftige Unterlagen für die behauptete Zahlung aufzubewahren oder sich den Empfang des Geldbetrages bestätigen zu lassen. Der Zahlungsanspruch sei weder durch Verwirkung erloschen noch verjährt.
Gegen diese der Beigeladenen am 20.02.2001 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 27.02.2001 erhobene Berufung der Beigeladenen. Die Beigeladene beruft sich weiterhin auf die Versicherungskarte und die Erstattungsliste. Zudem verstoße das Verhalten der Klägerin gegen Treu und Glauben, weil sich ihr Ehemann – dessen Verhalten die Klägerin sich zurechnen lassen müsse – jahrelang trotz der behaupteten Nichtzahlung nicht nach dem Erstattungsbetrag erkundigt habe. Aus der Entscheidung des BSG vom 29.01.1997 ergebe sich nichts anderes, weil dieses an die Feststellungen des LSG dahingehend, dass die Erfüllung des Erstattungsanspruchs nicht bewiesen sei, gebunden gewesen sei.
Die Beigeladene und Berufungsklägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.02.2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Auf gerichtliche Aufforderung hat die Beigeladene einen Beschluss des Fachausschusses für Versicherung und Rente im VDR vom 29.09.1999 übersandt, wonach das Urteil des BSG vom 29.01.1997 als Einzelfallentscheidung zu werten sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Beigeladene zu Unrecht verurteilt.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG zwar zulässig, denn dies ist die richtige Klageart, wenn das Leistungsbegehren seine Grundlage nicht nur im Gesetz, sondern in einem Verwaltungsakt hat.
Sie ist indes nicht begründet. Die Klägerin hat weder gegen die Beklagte noch gegen die (gemäß § 75 Abs. 5 SGG grundsätzlich verfahrensfehlerfrei verurteilte) Beigeladene einen Anspruch auf Auszahlung des streitigen Betrages.
Fraglich ist bereits, ob die Klägerin aktivlegitimiert ist. Denn der geltend gemachte Erstattungsanspruch unterliegt nicht der Sonderrechtsnachfolge i.S.d. § 56 SGB I, weil hiervon nur Ansprüche auf laufende Geldleistungen erfasst werden, wozu Beitragserstattungen nicht gehören (Verbandskommentar Rdnr. 4 zu § 56 SGB I). Der Anspruch unterliegt daher der Vererbung (§ 58 SGB I), wobei die Erbenstellung der Klägerin ungeklärt ist.
Die Klärung der Aktivlegitimation der Klägerin kann jedoch dahingestellt bleiben, denn auch bei deren Bejahung kann die Klägerin aus der dem Versicherten bewilligten Beitragserstattung keine Rechte mehr herleiten. Das insoweit zwischen dem Versicherten und der Beigeladenen bestehende Schuldverhältnis ist gemäß § 362 BGB erloschen. Nach dieser Vorschrift – die als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im Sozialrecht anzuwenden ist – erlischt ein Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.
Es ist davon auszugehen, dass die Beigeladene den Erstattungsbetrag an den Versicherten ausgezahlt hat:
Die Beweislast für die Erfüllung der Erstattungsforderung liegt bei der Beigeladenen. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren gilt, dass die Unerweislichkeit einer Tatsache zu Lasten des Beteiligten geht, der aus ihr eine günstige Rechtsfolge herleiten will. Beruft sich somit ein Beteiligter auf eine Norm, die einen grundsätzlich bestehenden Anspruch vernichtet, hindert oder hemmt, so trifft ihn für das Vorliegen der insoweit erforderlichen Tatsachen die Beweislast (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl. Rdnr. 19c zu § 103 m.w.N.). Die Erfüllung einer Forderung i. S. d. § 362 BGB ist eine rechtsvernichtende Einwendung, für die generell der Schuldner die Beweislast trägt (Zöller, ZPO, 22. Aufl. Rdnr. 19 vor § 284).
Im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts und der Klägerin ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Beitragserstattung an den Versicherten gezahlt wurde. Dies ergibt sich aus einem Beweis des ersten Anscheins. Bei die sem Beweismittel handelt es sich um eine Tatsachenvermutung, mit der relevante Tatsachen festgestellt werden können und somit eine Beweislastentscheidung ausgeschlossen werden kann. Ein Anscheinsbeweis ist zulässig und geboten, wenn ein festgestellter Lebenssachverhalt typischerweise bestimmte Folgen auslöst, ohne dass eine atypische Situation nachgewiesen ist und so die Grundlagen für den Anscheinsbeweis erschüttert werden können (Meyer-Ladewig, a.a.O. Rdnr. 9 f. zu § 128; allgemein Zöller, a.a.O. Rdnr. 29 vor § 284).
Die Tatsachen, dass die Versicherungskarte mit einem Erstattungsvermerk gestempelt ist, und dass der Name des Versicherten und der Erstattungsvermerk in einer Beitragserstattungsliste aufgenommen sind, begründen eine Vermutung dafür, dass die Beitragserstattung auch erfolgt ist. Denn es entspricht einem typischen Lebenssachverhalt, dass der Rentenversicherungsträger, der das Erlöschen eines Versicherungsverhältnisses und eine Beitragserstattung aktenkundig macht, diese auch auszahlt. Diese Auffassung wird auch vom BSG in ständiger Rechtsprechung vertreten (BSG SozR § 128 SGG Nr. 69; SozR 2200 § 1309a Nr. 1; Beschluss vom 14.08.1989 – 5 BJ 33/89 -; so auch LSG NRW, Urteil vom 23.02.1962 – L 14 (3) I 203/59 -). Hiervon abzuweichen sieht der Senat keinen Anlass. Umstände, die diese Schlußfolgerung erschüttern könnten, hat die Klägerin nicht vorgebracht. Im Gegenteil: Nichts hätte näher gelegen, als dass der Versicherte oder die diesen zur Zeit der Erstattung heiratende Klägerin die Beiträge sofort reklamiert hätten, wenn nicht die Beitragserstattung auf den Antrag des Versicherten ordnungsgemäß ausgezahlt worden wäre. Zudem hätte der Versicherte noch zu Lebzeiten bei der Beklagten Rente beantragt. Dass er dies aber nur beim spanischen Versicherungsträger getan hat, spricht eher dafür, dass er selbst sein Versicherungsverhältnis eben aufgrund der Beitragserstattung als beendet ansah.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund zur Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegt nicht vor. Die Entscheidung weicht insbesondere nicht vom erwähnten Urteil des BSG vom 29.01.1997 ab. Aus dem Tatbestand dieser Entscheidung ist zu entnehmen, dass dort zwar ein Erstattungsbescheid vorlag, jedoch keine weiteren Unterlagen, die die Durchführung der Beitragserstattung belegen (insbesondere keine Versicherungskarte und keine Erstattungsliste).
Erstellt am: 13.08.2003
Zuletzt verändert am: 13.08.2003