Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. November 1998 abgeändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Witwenrente.
Die am …1929 in … geborene jüdische Klägerin ist die Witwe des am …1929 in Lodz geborenen und am …1991 in Israel verstorbenen N. A. G. Am 13.02.1990 stellte dieser den Antrag auf Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit/ Erwerbsunfähigkeit und trug vor, als … vom 28.08.1944 bis 31.03.1945 in Deutschland gearbeitet zu haben. Durch Bescheid vom 08.11.1990 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, daß keine auf die Wartezeit anrechenbaren Zeiten vorhanden seien. Das am 16.11.1990 eingeleitete Widerspruchsverfahren führte die Klägerin als Witwe fort. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.1994 zurück: Es bestehe kein Anspruch auf Rente aus der Arbeiterrentenversicherung für … Mit dem Begehren, Rente aus der "Versicherung" von … zu bekommen, hat die Klägerin am 25.11.1994 Klage erhoben.
Am 04.09.1998 hat die Klägerin erklärt, daß am Klageantrag hinsichtlich der Gewährung von Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit nicht mehr festgehalten werde.
Während des Klageverfahrens lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 05.10.1998 den Antrag der Klägerin vom 06.02.1991 auf Gewährung von Witwenrente ab und führte aus, daß dieser Bescheid Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden sei.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte durch Urteil vom 20.11.1998 unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.1998 verurteilt, Witwenrente unter Berücksichtigung einer Beitragszeit vom 28.08.1944 bis 31.03.1945 sowie einer Ersatzzeit vom 26.09.1943 bis 27.08.1944 sowie vom 01.04.1945 bis 31.05.1945 ab 08.01.1991 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren; im übrigen hat es die Klage abgewiesen; der Beklagten wurden die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, daß der Bescheid vom 05.10.1998 rechtswidrig sei, weil die Klägerin deshalb Anspruch auf Witwenrente habe, weil es glaubhaft sei, daß ihr verstorbener Ehemann unter dem Namen … vom 28.08.1944 bis 31.03.1945 eine Beitragszeit in Deutschland zurückgelegt habe. Dazu seien die genannten Ersatzzeiten zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Altersrente des Versicherten sei die Klage hingegen abzuweisen gewesen. Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werde nicht mehr geltend gemacht. Ein Anspruch auf Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres habe dem im Zeitpunkt seines Todes 62-jährigen Versicherten nicht zugestanden.
Gegen das ihr am 28.01.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.02.1999 Berufung eingelegt. Sie bleibt bei ihrer Auffassung, daß mangels Anrechenbarkeit der Beitragszeit in Deutschland die Wartezeit auch für die Witwenrente nicht erfüllt sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. November 1998 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Mit Verfügung vom 03.08.1999 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, daß unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Schrifttum Bedenken dagegen bestehen, daß der Bescheid vom 05.10.1998 nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des an hängigen Klageverfahren geworden ist.
Beide Beteiligten vertreten weiter die Auffassung, daß ein Fall des § 96 SGG vorliege, und haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Die Klägerin hat überdies vorsorglich im September 1999 Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.10.1998 eingelegt.
Die Verwaltungsakten der Beklagten und die Entschädigungsakten über …haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird wegen aller weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 124 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil war abzuändern und die Klage abzuweisen. Denn die allein noch an hängige Klage auf Gewährung von Witwenrente ist unzulässig, weil der Bescheid vom 05.10.1998 nicht Gegenstand des Verfahrens geworden ist.
Zulässig war die Klage hinsichtlich des Begehrens auf Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit bzw. Altersrente an die Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes. Darüber ist in dem Bescheid vom 08.10.1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.1994 entschieden worden, und die Klägerin hat insoweit rechtzeitig Klage erhoben. Da sie die Klage hinsichtlich Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zurückgenommen hat, ist dieser Bescheid insoweit bindend geworden, und das SG hat insoweit zu Recht keine Entscheidung mehr getroffen. Hinsichtlich der Entscheidung über Altersruhegeld bzw. Altersrente ist der Bescheid bindend geworden, nachdem das SG die Klage insoweit abgewiesen und die Klägerin keine Berufung eingelegt hat.
Die Klage auf Gewährung von Witwenrente war hingegen als unzulässig abzuweisen. Denn der Bescheid vom 05.10.1998 ist entgegen der Auffassung der Beteiligten – das SG hat insoweit keine Ausführungen gemacht – nicht Gegenstand des Verfahrens geworden, weil die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 SGG nicht vorliegen. Nach dieser Bestimmung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Verfahrens, wenn durch ihn der ursprüngliche mit der Klage angefochtene Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt wird. Das ist bei einem Bescheid betreffend Witwenrente nicht der Fall, wenn der mit der Klage angefochtene Bescheid eine Regelung über den Anspruch auf Rente an den – verstorbenen – Ehemann trifft, den die Witwe lediglich als Rechtsnachfolgerin weiter verfolgt und geltend macht. Auch wenn § 96 SGG grundsätzlich nicht eng auszulegen ist, liegen insoweit doch verschiedene Streitgegenstände vor (vgl. Meyer- Ladewig, SGG, 6. Auf. 1998, § 96 Rn. 9), und der Witwenrentenbescheid enthält keine den ursprünglichen Bescheid ändernde oder ersetzende Regelung. Das Bundessozialgericht (BSG, SozR 1500 § 96 Nrn. 27 und 30) hat § 96 SGG zwar dann für anwendbar erklärt, wenn von der Witwe ursprünglich ein Bescheid über die versicherungsrechtliche Feststellung und Bewertung von Zeiten außerhalb eines Leistungsverfahrens angefochten wird und während des Rechtsstreits der Witwenrentenbescheid ergeht – was auch Sinn macht, weil der Feststellungsbescheid praktisch nur eine Vorfrage für den Witwenrentenanspruch regelt. Für den Fall aber, daß eine Klage gegen einen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit betreffenden Bescheid erhoben und dann ein Bescheid betreffend Witwenrente ergangen ist, hat das BSG entschieden, daß zwei voneinander unabhängige Regelungen nebeneinander getreten sind und deshalb eine unmittelbare Anwendung von § 96 SGG entfällt; aber auch für eine entsprechende Anwendung ist kein Raum, weil der neue Bescheid den Streitstoff des anhängigen Rechtsstreits nicht beeinflußen kann. Dem folgt der erkennende Senat. Angesichts der Schwierigkeit der Materie erscheint es auch sinnvoll, zunächst das Widerspruchsverfahren durchzuführen und ggfs. ein eigenständiges Gerichtsverfahren hinsichtlich der Gewährung von Witwenrente nachfolgen zu lassen (vgl. BSG aaO Nr. 27 und Urteil vom 30.07.1995, 5 RJ 12/96, zum Gedanken der Prozeßökonomie, den das BSG im übrigen in dem erstgenannten Urteil – aaO Nr. 27 – verneint hat). Soweit das BSG weiterhin auf den Schutz des Betroffenen vor Rechtsnachteilen – Unterlassen weiterer Schritte gegen neuen Bescheid im Vertrauen auf schon eingelegten Rechtsbehelf – abhebt, kommt es für eine entsprechende Anwendung des § 96 SGG aber erst dann darauf an, wenn der erste Gesichtspunkt, der der Beeinflussung, bejaht worden ist. Im Urteil vom 30.07.1995 hat das BSG überdies die auch nur entsprechende Anwendung von § 96 SGG bei zwei den Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente ablehnenden Bescheiden verneint, weil der ursprünglich angefochtene nach § 1265 Reichsversicherungsordnung und der während des Gerichtsverfahrens erteilte nach § 243 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches und somit erst für die Zeit ab 1992 ergangen ist (siehe auch BSG-Urteil vom 24.02.1999, B 5/4 RA 57/97 R, das einen inneren Zusammenhang bejaht hat bei Erhöhung einer Altersrente für Frauen durch Zahlung eines Übergangszuschlages – also in einem mit dem vorliegenden nicht vergleichbaren Fall).
Eine Beziehung des Bescheides vom 05.10.1998 etwa im Rahmen der Dispositionmaxime ist bei Fehlen der Voraussetzungen von § 96 SGG allein aufgrund des Willens der Prozeßbeteiligten nicht möglich (BSG-Urteil vom 30.07.1995). Daran könnte deshalb auch eine Erklärung der Klageänderung (im Sinne der Klageerweiterung, der die Beklagte hier wohl auch zugestimmt hätte) nichts ändern, die die Klägerin aber ohnehin nicht abgegeben hat. Denn durch eine solche prozessuale Erklärung kann ein im Rahmen des zulässiger weise anhängig gemachten Streitgegenstandes objektiv unzulässiges Klagebegehren nicht zulässig gemacht werden. Mit Recht hat deshalb die Klägerin binnen Jahresfrist (siehe § 66 Abs. 2 SGG) Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.10.1998 eingelegt; die Beklagte wird nunmehr das Widerspruchsverfahren durchzuführen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Anlaß, die Revision zuzulassen, bestand nicht.
Erstellt am: 13.08.2003
Zuletzt verändert am: 13.08.2003