Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11. Juni 1999 teilweise geändert. Der Bescheid vom 17.02.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.01.1995 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Von den dem Kläger im zweiten Rechtszug entstandenen aussergerichtlichen Kosten trägt die Beklagte die Hälfte. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers wegen einer in Spanien bezogenen Rente teilweise ruht sowie ob und in welcher Höhe die Beklagte mit einer auf sie übergegangenen Forderung gegen den Rentennachzahlungsanspruch aufrechnen durfte.
Der am.1945 geborene Kläger ist spanischer Staatsangehöriger. Er war von Juli 1963 bis August 1981 versicherungspflichtig in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt gewesen. Am 22.12.1985 erlitt er im Rahmen seiner Tätigkeit als Automechaniker einen Verkehrsunfall, auf Grund dessen er erwerbsunfähig wurde. Wegen der Folgen des Unfalls erhielt der Kläger von dem spanischen Haftpflichtversicherer des Unfallgegners eine Gesamtsumme von 6,6 Millionen Peseten (= ca. 85.000 DM).
Im März 1987 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU). Der spanische Sozialversicherungsträger gewährte ihm eine monatliche Rente seit dem 10.04.1987. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 17.11.1992 Rente wegen EU ab dem 01.03.1987. Bei der Berechnung dieser Rente ließ sie die in Spanien gewährte Rente unberücksichtigt.
Mit Schreiben vom 12.11.1993 unterrichtete die Beklagte den Kläger dahin, dass die EU-Rente von ihr von Anfang an unter Berücksichtigung der in Spanien bezogenen Rente gemäss § 1278 der Reichsversicherungsordnung (RVO) hätte berücksichtigt werden müssen. Deshalb sei der Bescheid vom 17.11.1992 von Anfang an rechtswidrig und zurückzunehmen. Im übrigen stehe ihr gemäss § 116 des zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) teilweise die dem Kläger geleistete Haftpflichtentschädigung zu. Sie werde daher i.H.v. 40.000 DM gegen den Nachzahlungsanspruch i.H.v. 69.986,36 DM aufrechnen.
Durch Bescheid vom 20.12.1993 hob die Beklagte den Bescheid vom 17.11.1992 gemäss § 45 SGB X von Beginn an auf und berechnete die Rente des Klägers unter Berücksichtigung der in Spanien bezogenen Rente gemäss § 1278 RVO neu.
Durch Bescheid vom 17.02.1994 rechnete sie ferner gegen die sich aus dem Bescheid vom 20.12.1993 ergebende Rentennachzahlung i.H.v. 69.986,36 DM mit einem Betrag i.H.v. 40.000 DM auf. In wenigstens dieser Höhe sei durch die Haftpflichtleistung der erlittene Erwerbsschaden ausgeglichen worden. Dieser Betrag könne gem. § 51 des ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) aufgerechnet werden, soweit eine Pfändung nach § 54 Abs. 1 – 3 SGB I zulässig sei. Die letzt genannten Bestimmungen, die hinsichtlich der Pfändung auf Grenzbeträge nach der deutschen Zivilprozessordnung (ZPO) abstellten, seien im Falle des Klägers unbeachtlich, weil er außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes wohne. Davon abgesehen gälten die genannten Grenzbeträge für inländische Lebensverhältnisse. Eine Prüfung der Hilfebedürftigkeit nach den Grundsätzen des in § 54 SGB I genannten Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) komme ebenfalls nicht in Betracht, weil dieses Gesetz nicht für den Kläger anwendbar sei. Über die Ausführung der danach grundsätzlich zulässigen Aufrechnung sei nach pflichtgemässem Ermessen zu entscheiden. Dabei sei der Grundsatz der Zumutbarkeit zu berücksichtigen. Gründe für ein überwiegendes Interesses des Klägers bestünden nicht. Insbesondere sei trotz der Aufrechnung der notwendige Lebensbedarf gesichert. Zum einem erfolge die Aufrechnung für einen bereits abgelaufenen Zeitraum und nur gegen einen Teil der sich für diesen Zeitraum ergebenden Nachzahlung. Andererseits sei auch zu berücksichtigen, dass dem Kläger für seinen Unterhalt der Betrag von 85.000 DM aus der Entschädigungsleistung zur Verfügung gestanden habe. Der angemessene Lebensunterhalt sei somit nicht beeinträchtigt, auch seien keine sonstigen Gründe ersichtlich, die gegen die Zumutbarkeit der Aufrechnung sprächen.
Der Kläger widersprach beiden Bescheiden: Die vom spanischen Versicherungsträger gewährte Rente sei mit der deutschen Unfallrente nicht vergleichbar, so dass § 1278 RVO keine Anwendung finden könne. Ferner sei die Unfallentschädigung lediglich i.H.v. 1,6 Millionen Peseten als Schadensersatz wegen Verdienstausfall geleistet worden. 5 Millionen Peseten seien als Schmerzensgeld zugesprochen worden. Die Forderung der Beklagten sei also nicht in der angenommenen Höhe kongruent.
Die Beklagte änderte durch Bescheid vom 27.09.1994 zunächst die Berechnung der EU-Rente auf Grund der zum 01.07.1994 vorgenommenen Rentenanpassung.
Durch Widerspruchsbescheid vom 03.01.1995 wies sie die Widersprüche des Klägers zurück: Der Bescheid vom 17.11.1992 sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, weil bei der EU-Rente richtigerweise die spanische Rente hätte berücksichtigt werden müssen. Sie sei gemäss § 45 SGB X zur Rücknahme des genannten Bescheides berechtigt gewesen, weil der Kläger sich nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Die Aufrechnung sei zulässig gewesen, weil dadurch die Lebensführung des Klägers, gemessen an den spanischen Werten, nicht wesentlich beeinträchtigt gewesen worden sei und Sozialhilfebedürftigkeit nicht eingetreten sei. Die Aufrechnung sei auch ermessensfehlerfrei erfolgt. Eine besondere Härte sei nicht zu erkennen.
Mit der am 12.01.1995 zum Sozialgericht Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Vorverfahren vertieft.
Die Beklagte hat mit Bescheiden vom 25.03.1997, 13.10.1997 und 28.08.1998 weitere Rentenanpassungen durchgeführt.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäss beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 20.12.1993 und 17.02.1994 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 27.09.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.1995 und unter Abänderung der Bescheide vom 25.03.1997, 13.10.1997 und 28.08.1998 zu verurteilen, ihm die zustehende Erwerbsunfähigkeitsrente in voller Höhe zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Entscheidung für zutreffend gehalten und sich zur Begründung auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides bezogen.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 11.06.1999 den Bescheid vom 20.12.1993 (Widerspruchsbescheid vom 03.01.1995) insoweit aufgehoben, als mit diesem der Bescheid vom 17.11.1992 für die Vergangenheit, also für die Zeit vom 01.03.1987 bis zum 31.12.1993 aufgehoben worden ist. Den Bescheid vom 17.02.1994 (Widerspruchsbescheid vom 03.01.1995) hat es insoweit aufgehoben, als die Beklagte mit einem Betrag von mehr als 32.500 DM aufgerechnet hat.Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt: Der Bescheid vom 17.11.1992 sei insoweit von Anfang an rechtswidrig gewesen, als die Beklagte bei der Berechnung der Rente die in Spanien bezogene Rente von Anfang an hätte berücksichtigen müssen. Rechtsgrundlage hierfür sei § 1278 RVO bzw. 311 des sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI). Diese Vorschrift sei gemäss EWG-VO 1408/71 (Artikel 12 Abs. 2) anwendbar. Die Leistungen des spanischen Versicherungsträgers seien mit einer Verletztenrente aus der deutschen Unfallversicherung vergleichbar. Das Sozialgericht hat sich hierzu auf Ausführungen des wissenschaftlichen Referenten am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht, Dr. H R , in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 19.01.1996 (SG Düsseldorf – S 14 J 223/93 -) bezogen. Danach sei im Falle eines Arbeitsunfalls bzw. einer Berufskrankheit die spanische Leistung mit der deutschen Unfallrente vergleichbar. Die Rücknahme des danach von Anfang an rechtswidrigen Bescheides vom 17.11.1992 sei jedoch nur mit Wirkung für die Zukunft rechtmässig gewesen. Einer Rücknahme für die Vergangenheit habe bereits entgegengestanden, dass die Beklagte die Frist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X nicht eingehalten habe.
Die Klage gegen den Bescheid vom 17.02.1994 sei insoweit begründet, als die Forderung, mit der die Beklagte gegen die Rentennachzahlung des Klägers aufrechnen dürfe, nur in Höhe von 32.500 DM bestehe. Diese Forderung ergebe sich aus § 116 Abs. 7 i.V.m. Abs. 1 SGB X. Diese Vorschrift sei gemäss Art. 3 Abs. 3 EGBGB wie auch nach Art. 93 Abs. 1 EWG-VO 1408/71 einschlägig, obwohl der Schadensersatzanspruch gegenüber dem spanischen Haftpflichtversicherer ausländischem Recht unterliege. Die Leistungen des Haftpflichtversicherers und die Leistungen der Beklagten stünden auch in sachlicher und zeitlicher Anspruchskongurenz. Bei der Aufrechnungsentscheidung sei zu berücksichtigen gewesen, dass dem Kläger der vom spanischen Haftpflichtversicherer gezahlte Betrag zur Verfügung gestanden habe.
Gegen das am 30.07.1999 zugestellte Urteil hat nur der Kläger am 06.08.1999 Berufung eingelegt, die er im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die spanische Invaliditätsrente mit einer Verletztenrente aus der deutschen Unfallversicherung vergleichbar sei und daher die Ruhensvorschrift des § 1278 RVO anzuwenden sei. Hilfsweise meint er, hätte die Freibetragsregelung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI i.V.m. § 311 Abs. 2 und § 266 SGB VI hätte Anwendung finden müssen; dazu verweist er auf die Entscheidung des BSG vom 31.03.1998 – 4 BA 118/95 R -. Hinsichtlich der Aufrechnung gehe das Sozialgericht zwar zu Recht davon aus, dass sich die Zulässigkeit der Aufrechnung nach § 54 Abs. 4 SGB I richte, d. h. Ansprüche auf laufende Leistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden können und dass Nachzahlungsansprüche Ansprüche auflaufende Geldleistungen darstellen. Zu Unrecht aber halte das Sozialgericht den Bescheid vom 17.02.1994 für rechtens, obwohl die Beklagte die Pfändungsschutzvorschrift des § 850c ZPO nicht geprüft und angewendet habe. Dies rechtfertige das Sozialgericht damit, dass der Zweck der Pfändungsvorschriften nicht vereitelt sei, da die Entschädigung von 32.500 DM aus der spanischen Haftpflichtversicherung ihm bereits "zugeflossen" sei. Dies sei keine rechtlich zulässige Argumentation. Eine Prüfung des § 850c ZPO müsse in jedem Fall vorgenommen werden. Es müßten also die 32.500 DM auf die Zeit vor dem Unfall, dem 22.12.1985, bis zu seinem statistischem Lebensende zugrunde gelegt werden. Der Kläger nimmt zur Frage des § 850c ZPO auch Bezug auf die Ausführungen des Vorsitzenden des 13. Senats des BSG im Protokoll der Sitzung B 13 RJ 83/99 R vom 17.08.2000.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.06.1999 zu ändern und den Bescheid vom 20.12.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.1995 unter Einbeziehung der Bescheide vom 27.09.1994, 13.10.1997, 28.08.1998 und 17.07.2000 insgesamt aufzuheben sowie den Bescheid vom 17.02.1994 in der Fassung der Widerspruchsbescheides vom 03.01.1995 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend: § 311 SGB VI stelle eine eigenständige Rechtsvorschrift für alle die Fälle dar, in denen bereits am 31.12.1991 ein Anspruch auf Rente bestanden habe und diese Rente mit einer Verletztenrente der Unfallversicherung zusammen getroffen sei. § 93 SGB VI sei in diesen Fällen nicht anzuwenden und damit seien auch nicht die in § 93 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI angegebenen Freibeträge bei der Ermittlung der anzurechnenden Verletztenrente zu berücksichtigen. Freibeträge nach § 311 Abs. 2 seien nicht einschlägig. Die Vorschrift des § 266 SGB VI finde ebenfalls keine Anwendung, da sie nur dann zu berücksichtigen sei, wenn eine vor dem 31.12.1991 festgestellte Rente nach dem 31.12.1991 nach dem SGB VI neu zu berechnen sei oder sich eine andere Rente unmittelbar an diese anschließe. Die zur Zeit gezahlte Rente werde noch nach dem Recht der RVO berechnet und weder nach dem SGB VI neu berechnet noch in eine andere Rente umgewandelt. Der Auffassung des 4. Senats des BSG, dass § 266 SGB VI eine Sonderregelung zu § 311, 312 SGB VI sei, und nicht zu § 93 SGB VI, werde nicht gefolgt.
Die Beklagte meint ferner, ihr Anspruch aus § 116 SGB X sollte unter das Aufrechnungsprivileg des § 51 Abs.2 SGB 1 fallen. Dann müsse der spanische " interprofessionelle Mindestlohn" als Pfändungsgrenze gelten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet.
Die Begründung ist nicht begründet, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Sozialgerichts zum Bescheid vom 20.12.1993 und die nach § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Anpassungsbescheide richtet.
Das Sozialgericht hat richtig entschieden, dass die Beklagte gem. § 45 SGB X (nur) mit Wirkung für die Zukunft berechtigt gewesen ist, ihren Bescheid vom 17.11.1992 teilweise zurückzunehmen und die Rente des Klägers unter Anwendung des § 1278 RVO (§ 311 SGB VI) und Berücksichtigung der spanischen Rentenleistungen neu zu berechnen. Der Senat teilt insbesondere die inzwischen mehrfach bestätigte Rechtsansicht des Sozialgerichts (vgl. LSG NRW, Urteil vom 18.12.2000 – L 3 J 129/97; Urteil vom 29.10.1999 – L 4 RJ 194/98 jeweils m.w.N.), dass die in Spanien dem Kläger aufgrund des Arbeitsunfalls gewährte Unfallrente der deutschen Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung vergleichbar ist und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Entgegen der Ansicht des Klägers war seine EU-Rente nicht unter Aussparung von Schonbeträgen gem. § 93 Abs. 2 SGB VI zu berechnen. Mit der Beklagten ist der Senat vielmehr der Auffassung, dass die genannte Vorschrift im Fall des Klägers nicht anwendbar ist. Der Anspruch des Klägers auf EU- Rente wie auf die spanische Unfallleistung bestand nämlich schon am 31.01.1991, sodass § 1278 RVO, nicht § 93 Abs. 2 SGB VI maßgeblich ist (§ 311 SGB VI).
Soweit der für die Rentenversicherung der Angestellten zuständige 4. Senat des BSG entschieden hat, Abs. 2 Nr. 1a sei durch § 266 der Gestalt zu ergänzen, dass die Rentenversicherungsrente in die nach Abs. 1 zu bildende Summe beider Renten nur um den Betrag vermindert einzustellen sei, mit dem sie den Grenzbetrag des Abs. 5 abzüglich des Grenzbetrages nach § 93 Abs. 2 Nr. 2a übersteige (Urteil vom 31.03.1998 – B 4 RA 108/95) folgt dem der erkennende Senat nicht. Die fragliche Auslegung verlässt den Wortlaut der Vorschrift, weicht von der Gesetzesbegründung ab und läuft dem allgemeinen Grundsatz der Rentenreform des Jahres 1992 zuwider, wonach zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Reform am 01.01.1992 laufende Renten unverändert bleiben, soweit diese Renten einerseits aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht gekürzt, andererseits aber aus finanziellen Gründen auch nicht von Verbesserung des neuen Rechts tangiert werden sollten (vgl. ausführlich dazu: Langen, DAngVers 1999, 128 ff; kritisch zum o.g. Urteil des 4. Senats des BSG auch BSG, Urteil vom 21.04.1999 – B 5 RJ 1/97 R).
Als begründet hingegen erweist sich die Berufung des Klägers soweit sie den Bescheid vom 17.2.1994 bezüglich der Aufrechnung der Beklagten betrifft, denn mit ihr hat die Beklagte die §§ 51, 54 SGB I verletzt.
Die Beklagte hat allerdings gegen den Kläger einen grundsätzlich aufrechenbaren Anspruch aus § 116 Abs. 7 i.V.m. Abs. 1 SGB X. Dieser Anspruch steht, wie das Sozialgericht, auf dessen Ausführungen insoweit Bezug genommen wird, näher begründet hat, in sachlicher und zeitlicher Konkurrenz zu dem EU-Rentenanspruch des Klägers. Die Haftpflichtversicherungsleistung war Erwerbsersatzleistung und deshalb von der Beklagten auch zu Recht auf die Zeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres aufgeteilt worden. Der Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Haftpflichtversicherung des Schädigers richtete sich zwar nach spanischem Recht, für den Anspruchsübergang gilt jedoch deutsches Recht (vgl. etwa Kassler-Kommentar-Kater SGB X, § 116 Rdnr. 115; LSG NRW Urteil vom 29.10.1994 – L 4 RJ 194/98; vgl. auch EuGH Urteil vom 21.09.1999 Rs Kordel-C 397/96).
Die Zulässigkeit der Aufrechnung der Beklagte richtet sich nach § 51 Abs. 1 SGB I, denn die Voraussetzung einer nach Abs. 2 privilegierten Aufrechnung liegen nicht vor (vgl. auch LSG NRW, Urteil vom 05.02.2001 – L 4 RJ 127/00). Die Beklagte rechnet nämlich nicht mit einem Anspruch auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen oder mit Beitragsansprüchen auf.
Die Beklagte durfte daher gem. § 51 Abs. 1 mit ihrem Anspruch aus § 116 SGB X gegen den Anspruch des Klägers auf Geldleistung (EU-Rentennachzahlung) aufrechnen, soweit Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind.
Weil auch Rentennachzahlungsansprüche, gegen die die Beklagte hier aufgerechnet hat, laufende Geldleistungen sind (ganz h.M. vgl. z.B. Kasseler-Kommentar-Seewald § 54 SGB I Rdnr. 23; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten § 54 SGB I Anm. 4) ist Abs. 4 hier maßgebend, wonach Ansprüche auf laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen pfändbar sind.
Die §§ 51 Abs. 1 und 54 Abs. 4 SGB I verweisen also grundsätzlich auf die Vorschriften der ZPO über die Pfändung von Arbeitseinkommen. Damit sind insbesondere § 850 c ZPO um die Tabelle zu § 850 c ZPO anwendbar. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Beklagte mit einer öffentlichen-rechtlichen Forderung aufrechnet und dass der Kläger in Spanien lebt (vgl. BSG Urteil vom 12.04.1995 – 5 RJ 12/94; LSG NRW – Urteil vom 29.10.1999 – L 4 RJ 194/98; im Grundsatz so auch LSG NRW L 3 RJ 23/00 vom 21.05.2001). Aber auch der vom Sozialgericht für die Nichtanwendung der Tabelle zu § 850 c ZPO herangezogenen Gesichtspunkte, dass dem Kläger der Betrag von umgerechnet ca. 32.000,– DM, mit dem die Beklagte aufrechnen könne, bereits zugeflossen sei und ihm zur Sicherung des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden habe, rechtfertigt es entgegen der Ansicht der Beklagten und des Sozialgerichts nicht, die Pfändungsgrenzen der §§ 850 ff ZPO ausser Acht zu lassen (so jetzt auch SG Düsseldorf Urteil vom 22.02.2002 – S 10 RJ 172/99).
Allerdings meint auch der 3. Senat des LSG NRW (Urteil vom 21.05.2001 – L 3 RJ 23/00), dass die Pfändungsgrenzen aufgrund einer teleologischen Reduktion ihres Anwendungsbereichs bei der Aufrechnung in dem hier zu entscheidenden Fall ähnlichen Fällen nicht anzuwenden sei. Wesentlicher Zweck der Pfändungsgrenzen im Rahmen der Aufrechnung sei es, zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit dem Schuldner einen Mindestbetrag zur Bestreitung des Lebensunterhalts zu belassen. Es sei deshalb zu beachten, dass die Summe, mit der die Beklagte aufrechne, dem Berechtigten (im vom 3. Senats des LSG entschiedenen Fall als Unterhaltsanspruch) bereits zugeflossen sei (Hinweis auf Urteil des LSG NRW vom 17.11.1995 – L 8 RJ 26/95). Der Zweck der Unterhaltssicherung sei damit durch die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung nicht vereitelt, die aus der Entstehungsgeschichte und dem Vergleich mit § 394 BGG abzuleitende ratio von § 51 SGB I erkennbar nicht berührt. Dem folgt der Senat nicht.
Die Nichtanwendung der Vorschriften der ZPO über die Pfändung von Arbeitseinkommen, deren Anwendung § 51 Abs. 1 i.V.m. § 54 Abs. 4 SGB I anordnet, lässt sich mit einem allgemeinen Rekurs auf Sinn und Zweck des Pfändungsschutzes nicht legitimieren. Die gesetzlichen Differenzierungen in § 51 Abs. 1 / Abs. 2 SGB I und § 54 Abs. 2 / Abs. 4 SGB I würden verwischt und entgegen dem Gesetzeswortlaut würde mehr oder weniger pauschal auf den Gesichtspunkt der "Hilfebedürftigkeit" abgestellt, der nach den Regelungen des § 51 Abs. 1 iVm § 54 Abs. 4 SGB I gerade nicht der gesetzliche Maßstab für die Aufrechnung gegen Rentennachzahlungsansprüche ist. Die in § 51 vorgenommene entscheidende Weichenstellung, nämlich die Beantwortung der hier streitig gewesenen Frage der Priviligierung der Aufrechnung der Beklagten nach § 51 Abs. 2 SGB I, kann nicht durch eine Nichtbeachtung der Pfändungsgrenzen der ZPO umgekehrt werden, worauf die Auslegung der Beklagten und des des 3. Senats des LSG NRW hinausliefe. Die Differenzierung nach der Art der zur Aufrechnung gegenüberstehenden Ansprüche hat deshalb zur Überzeugung des Senats nicht bei der Anwendung der Vorschriften der ZPO über die Pfändung von Arbeitseinkommen zu erfolgen, sondern im Rahmen des § 51 und ggf. des § 54 SGB I. Auch die Frage, ob und inwieweit dem Kläger im Pfändungszeitraum andere Leistungen zur Verfügung standen, die der Sicherung des Lebensunterhalts dienten – hier die spanische Leistung der Haftpflichtversicherung – ist nicht dahin zu beantworten, dass die Vorschriften über die Pfändungsgrenzen schlechthin nicht anzuwenden seien. Solche Leistungen sind allenfalls bei der Prüfung der Pfändungsgrenzen der ZPO zu erörtern.
Es wäre hier im Übrigen bereits unrichtig, weil zu stark vereinfachend, davon zu sprechen, dass die Leistung aus der Haftpflichtversicherung dem Kläger ausgezahlt worden sei und ihm für den Lebensunterhalt zur Verfügung gestanden habe. Die Leistung ist zwar ausgezahlt worden, es handelt sich aber faktisch um eine kapitalisierte Leistung, die zum Lebensunterhalt nicht nur in der Vergangenheit, also bis zur Aufrechnungsentscheidung der Beklagten, beitragen sollte, sondern bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, also auch für die Zukunft. Die Beklagte hat bekanntlich den Betrag von 40.000,– DM der nach ihrer Auffassung auf sie übergegangen ist, auf die Jahre 1987 bis 2010 umgerechnet, sodass sich bei 23 Jahren monatlich 250,– DM als Haftpflichtleistung ergeben haben (s. die Berechnung der Beklagten Bl. 261 der Verwaltungsakten).
Der Kläger verlangt daher zu Recht, dass in jedem Fall die Pfändungsgrenzen der ZPO beachtet werden.
Die Beklagte hat diese Pfändungsgrenzen ausdrücklich nicht angewandt. Das führt zur Rechtswidrigkeit ihrer Aufrechnungsentscheidung.
Die Beklagte hat im Nachzahlungszeitraum der EU-Rente monatlich in Höhe von 500,– DM aufgerechnet. Damit hat sie mehr aufgerechnet, als unter Beachtung der Tabelle zu § 850 c ZPO pfändbar war.
Der Kläger hatte nach Aktenlage im streitigen Zeitraum ab 01.03.1987 kein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit. An die Stelle des maßgeblichen "Arbeitseinkommens" im Sinne der Vorschriften der ZPO traten bei ihm Leistungen, die das Arbeitseinkommen ersetzen sollten, nämlich die spanische Unfallrente, die deutsche EU-Rente (die nach dem ursprünglichen Bescheid, der vom Sozialgericht wieder hergestellt worden ist, ohne Beachtung der Ruhensvorschriften berechnet war) sowie der monatliche Anteil aus der kapitalisierten Haftpflichtversicherungsleistung (250,– DM je Monat bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, vgl. oben und die erwähnte Berechnung der Beklagten).
Ausweislich des Gutachtens vom 27.03.1991 hatte der Kläger damals für eine Ehefrau, die den Haushalt versorgte, einen 18-jährigen und einen 14-jährigen Sohn zu sorgen, sodass nach Aktenlage jedenfalls für den überwiegenden maßgeblichen Zeitraum Unterhaltspflicht für 3 Personen bestanden hat. Die sich aus den o.g. Elementen des Erwerbsersatzeinkommens und den persönlichen Verhältnissen des Klägers ergebenen Grenzen des pfändbaren "Arbeitseinkommens" bzw. der Sorogate) sind durch die Aufrechnung der Beklagten nicht gewahrt. So hatte der Kläger etwa im März 1987 ein "Arbeitseinkommen" aus deutscher Rente, spanischer Rente und 250,– DM Anteil aus kapitalisierter Haftpflichtleistung in Höhe von insgesamt 2.065,59 DM, so dass pfändbar nach der Tabelle zu § 850c ZPO lediglich 150,– DM waren. Im Monat Juli 1989 z.B. hatte der Kläger ein so berechnetes "Arbeitseinkommen" in Höhe von 2.583,05 DM, so dass 306,– DM pfändbar waren. Im Juli 1991 betrug das "Arbeitseinkommen" des Klägers 2.837,60 DM, so dass pfändbar 378,– DM waren. Bezogen auf die einzelnen Kalendermonate des Aufrechnungszeitraums hat die Beklagte jedoch in Höhe von 500,– DM aufgerechnet.Weil die Beklagte damit die Pfändungsgrenzen verletzt hat, ist ihre Aufrechnungsentscheidung rechtswidrig.
Zwar steht die Einhaltung der Pfändungsgrenzen nicht im Ermessen der Beklagten, jedoch ist ihre Entscheidung über die Aufrechnung – innerhalb der Grenzen zulässiger Pfändung – gem. § 51 SGB I eine Ermessensentscheidung. Die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens hat die Beklagte, weil sie zu Unrecht die Pfändungsgrenzen der ZPO für unanwendbar gehalten hat, verletzt. Ihre Entscheidung war mithin aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Erstellt am: 14.10.2003
Zuletzt verändert am: 14.10.2003