Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 04. Juli 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe dem Kläger Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige zusteht.
Die Ehe des am 00.00.1939 geborenen Klägers wurde 1989 geschieden. Im Zuge des durchgeführten Versorgungsausgleichs wurden von seinem Versicherungskonto auf das Versicherungskonto seiner geschiedenen Ehefrau Rentenanwartschaften in Höhe von 463,70 DM monatlich übertragen, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31.01.1989. Im Oktober 1989 schloss die geschiedene Ehefrau eine neue Ehe.
Bei Berechnung der dem Kläger ab dem 01.08.1999 gewährten Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige berücksichtigte die Beklagte aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs einen Abschlag von 12,4425 Entgeltpunkten und ermittelte einen Rentenzahlbetrag von monatlich 1.728,35 DM netto (Bescheid vom 27.05.1999). Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit der Begründung Widerspruch ein, dass ihm bis zum Eintritt der geschiedenen Ehefrau in das Rentenalter die Rente voll auszuzahlen sei. Die übertragene Rentenanwartschaft habe er erarbeitet und seine geschiedene Ehefrau werde das Rentenalter erst in einigen Jahren erreichen. Der Widerspruch wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass ein Härtefall im Sinne des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) nicht vorliege, weil die geschiedene Ehefrau noch lebt und der Kläger keinen Unterhalt zahlt (Widerspruchsbescheid vom 27.08.1999). Mit der Klage hat der Kläger darauf hingewiesen, dass seine geschiedene Ehefrau am 09.07.1945 geboren ist und frühestens mit Vollendung des 60. Lebensjahres eine Rente erhalten könne. Bis dahin behalte die Beklagte einen Betrag von 33.386,40 DM ein. Dies verletzte ihn in seinen Grundrechten aus Art. 14 und Art. 3 des Grundgesetzes (GG).
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
den Bescheid vom 27. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 27. August 1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, seine Altersrente ohne Abschlag solange ungekürzt zuzahlen, bis der Zuschlag aus dem Versorgungsausgleich bei einer Rente aus der Versicherung seiner geschiedenen Ehefrau zu berücksichtigen ist.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält VAHRG insbesondere die §§ 4 und 5 für verfassungskonform.
Mit Urteil vom 04.07.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf ungekürzte Auszahlung sei ner Altersrente. Eine Minderung der Rente des Ausgleichsverpflichteten nach Durchführung des Versorgungsausgleichs im Wege der Übertragung von Rentenanwartschaften sei ausdrücklich nur in bestimmten gesetzlich geregelten Fällen zeitweilig ausgeschlossen oder rückgängig zu machen. Keine der Ausnahmeregelungen treffe auf den vorliegenden Sachverhalt zu. Es bestehe auch keine Möglichkeit, die Ausnahmevorschriften im Wege der ergänzenden Lückenfüllung entsprechend einem Gesamtplan des Gesetzgebers oder im Wege der verfassungskonformen Auslegung auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Dass der Kläger weder aufgrund des Rentnerprivilegs (§ 101 Abs. 3 Satz 1 SGB VI) noch aufgrund des § 5 VAHRG von einer Kürzung seiner Altersrente bis zur Gewährung einer Rente an seine geschiedene Ehefrau verschont bleibe, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit dem VAHRG habe der Gesetzgeber dem vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochenen Gebot einer ergänzenden Regelung Rechnung getragen. Der Kläger sei durch die Kürzung seiner Altersrente auch nicht in seinen Grundrechten aus Art 3 Abs. 1 GG oder Art 14 Abs. 1 GG verletzt.
Gegen das Urteil hat der Kläger mit der Begründung Berufung eingelegt, das Bundesverfassungsgericht habe keine abschließende Aufzählung von Fallkonstellationen vorgenommen, die zu einer Beschränkung von Grundrechten führten. Es bestehe durchaus die Möglichkeit, dass auch in anderen Fallkonstellationen eine Grundrechtsverletzung vorliege. Es handele sich um eine Verletzung des Art.3 Abs.1 GG. Selbst wenn ein Unterhaltsanspruch von nur 10 DM bestünde, hätte er Anspruch darauf, dass die gekürzten 463,70 DM, ausgezahlt würden. Es sei nicht einzusehen, aus welchen Gründen selbst bei Bestehen einer minimalen Unterhaltsverpflichtung des Ausgleichspflichtigen die einbehaltenen Rentenanwartschaften in voller Höhe auszuzahlen seien.
Der Kläger beantragt,
seinem schriftsätzlichen Vortrag entsprechend,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 04.07.2000 zu ändern und den Bescheid vom 27.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 27.08.1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, seine Altersrente ohne Abschlag ungekürzt zu zahlen, bis der Zuschlag aus dem Versorgungsausgleich bei einer Rente aus der Versicherung seiner geschiedenen Ehefrau zu berücksichtigen ist.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Der weiteren Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Streitakten und den der Verwaltungsakten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten übereinstimmend damit einverstanden erklärt haben. (§ 124 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG))
Die Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 27.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.1999 nicht im Sinne des § 54 Abs.2 SGG beschwert. Er hat keinen Anspruch auf ungekürzte Auszahlung seiner Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige.
Gemäß § 76 Abs. 1, 3 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) führt der zu Lasten des Klägers durchgeführte Versorgungsausgleich zu einem Abschlag an Entgeltpunkten und damit im Ergebnis zu einer gekürzten Rente. Das Sozialgericht hat weiterhin zutreffend festgestellt, dass die Voraussetzungen des VAHRG, insbesondere des § 5 VAHRG, unter denen eine Kürzung der Rente ausgeschlossen ist, nicht vorliegen.
Die Regelungen des VAHRG sind verfassungskonform.
Bei der Kürzung von Renten und Anwartschaften im Zusammenhang mit dem Versorgungsausgleich handelt es sich um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art.14 Abs.1 Satz 2 Grundgesetz (GG), zu der der Gesetzgeber durch Art. 6 Abs.1 und Art. 3 Abs.2 GG legitimiert ist (Bundesverfassungsgericht – BVerfG – Urteil vom 28.02.1980 – SozR 7610 § 1587 BGB Nr.1). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen lediglich dann, wenn Härtefälle unberücksichtigt bleiben, die dadurch entstehen, dass die Rentenanwartschaften des Ausgleichsberechtigten später nicht zu angemessenen Leistungen führen. Dies kann der Fall sein, wenn die abgesplitteten Werteinheiten beim Berechtigten keine Rentenleistung auslösen, den Verpflichteten jedoch spürbar belasten, die Rentenleistungen an den ausgleichsberechtigten Ehegatten nur kurz geleistet werden und – unter Würdigung der Lage des überlebenden Ausgleichspflichtigen – nicht im Verhältnis zur Höhe der übertragenen Werteinheiten stehen oder beim Ausgleichspflichtigen vor dem Ausgleichsberechtigten ein Versicherungsfall eintritt und der ausgleichsberechtigte Teil, dem die übertragenen Werteinheiten mangels Vorliegens eines Versicherungsfalles noch nicht zugute kommen, auf Unterhaltsleistungen des Ausgleichsberechtigten angewiesen ist (BVerfG a.a.0). Den in diesen Fällen bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken hat der Gesetzgeber mit dem VAHRG in ausreichendem Umfang Rechnung getragen. Es besteht vor allem kein Anlass, die Ausnahmevorschriften des § 5 VAHRG im Wege der ergänzenden Lückenfüllung oder im Wege der verfassungskonformen Auslegung generell auch in den Fällen anzuwenden, in denen der Ausgleichsberechtigte noch keine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält (BSG Urteil vom 08.12.1988 – 1 RA 35/86, SozR 2200 § 1304a RVO Nr.15). Denn hätte das Bundesverfassungsgericht bei jedem Versorgungsausgleich schlechthin die Kürzung der Versorgung des Ausgleichspflichtigen solange aufgeschoben wissen wollen, als der Ausgleichsberechtigte aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Rente erhalten kann, so hätte es im Urteil vom 28.02.1980 nicht der Einschränkung der Grundgesetzwidrigkeit auf den Fall bedurft, dass der Ausgleichsverpflichtete noch zusätzlich Unterhalt an den Berechtigten leisten muss. Der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Katalog von Fällen, die zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Zustandes einer ergänzenden Regelung bedurften, ist vielmehr als abschließend anzusehen (BSG Urteil vom 14.01.1986 – 5a RKn 24/84 – SozR 5795, § 5 Nr.1 = FamRZ 1987, 380).
Entgegen der Auffassung des Klägers kommen die im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragenen Anwartschaften auch nicht allein dem Rentenversicherungsträger zugute. Denn der Umstand, dass der geschiedenen Ehefrau aus diesen Rentenanwartschaften voraussichtlich erst mit Vollendung des 65.Lebensjahres eine Rente gewährt wird, steht der Annahme einer "angemessenen" (vgl. dazu die zitierte Entscheidung des BVerfG) Auswirkung des Erwerbs eines selbständigen Versicherungsschutzes nicht entgegen. Eine "Angemessenheit" im Verhältnis zur Kürzung des Rentenanspruchs des Ausgleichspflichtigen kann nicht allein danach beurteilt werden, für welchen Zeitraum vor dem Beginn der Rente des Ausgleichsberechtigten diese Kürzung voraussichtlich durchgeführt werden kann. Zu berücksichtigen ist u.a. auch die voraussichtliche Dauer des Rentenbezuges des Ausgleichsberechtigten auf der Grundlage der dafür statistisch ermittelten Werte (BSG Urteil vom 08.12.1988 – 1 RA 35/86, SozR 2200 § 1304a RVO Nr.15). Im übrigen ist grundsätzlich nicht auszuschließen, dass der geschiedenen Ehefrau bereits vor der Vollendung des 65. Lebensjahres weitere Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, z.B. Rehabilitationsmaßnahmen oder eine Rente wegen Erwerbsminderung zustehen.
Die Vorschrift des § 5 VAHRG verstößt ferner nicht gegen Art. 3 Abs.1 GG. Eine "Bevorzugung" derjenigen Versicherten, bei denen der potentielle Kürzungsbetrag der Rente wesentlich über demjenigen der eigentlichen Unterhaltszahlung liegt, hat der Gesetzgeber bewusst aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität hingenommen. Nach Auffassung des Gesetzgebers sollte im Rahmen des § 5 VAHRG die Kürzung der Versorgung unabhängig von der Höhe des geleisteten Unterhalts rückgängig gemacht werden, auch wenn die durch den Versorgungsausgleich an sich bewirkte Kürzung die Unterhaltshöhe wesentlich übersteigt. Denn es würde zu einem unvertretbaren Verwaltungsaufwand führen, wenn die Höhe der jeweils erbrachten Unterhaltsleistungen vom Rentenversicherungsträger laufend überprüft werden müsste. Weiter sollte der Leistungsträger in den Fällen, in denen eine Nachzahlung in Betracht komme, über die vergangene Zeit hinweg, nicht die Höhe des tatsächlich gezahlten Unterhalts feststellen müssen (Deutscher Bundestag – 9.Wahlperiode Drucksache – BT-Drucks. – 9/34 S.9 für die ursprünglich vorgesehene Vorschrift des § 1587s BGB; BT-Drucks 9/2296, S. 15). Diese Motive sind sachgemäß und ausreichend, um einen Verstoß gegen das in Art.3 Abs.1 GG enthaltene Willkürverbot verneinen zu können. Denn dem Gesetzgeber wird dort, wo er anders Sachverhalten nur schwer Herr werden kann, die Befugnis eingeräumt, typisierende Regelungen zur Ordnung von Massenerscheinungen zu schaffen (vgl. BVerfGE 17, 1, 24 f; 80, 109, 118; 82, 60, 101f; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Auflage 1995, Art.3 Rdn.21). Dabei ist die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zudem in Fällen bei bevorzugen der Typisierung, wie im Falle des § 5 VAHRG, weitergespannt als bei benachteiligender Typisierung (BVerfGE 17, 1, 24 f).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die dafür nach § 160 Abs.2 Nr.1 bzw. Nr.2 SGG erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
Erstellt am: 18.02.2010
Zuletzt verändert am: 18.02.2010