Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erstattung von 25,- DM.
Er absolvierte vom 11.05. bis 01.06.1998 (22 Kalendertage) eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in einem Kursanatorium in Bad Füssing. Auf die Aufforderung des Kursanatoriums vom 16.04.1998 entrichtete der Kläger einen sogenannten Selbstkostenanteil in Höhe von 25,- DM/Tag, insgesamt 550,00 DM.
Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 02.06.1998 wandte sich der Kläger gegen die Zuzahlung für den 22. Tage der Kurmaßnahme, weil, so der Kläger, gesetzlich bestimmt sei, dass eine Kur nur 21 Tage dauern dürfe. Mit weiterem Schreiben vom 19.07.1998, bezeichnet als Widerspruch, wiederholte er seine Auffassung, dass es keine gesetzliche Grundlage für die Erhebung der Selbstbeteiligung für den 22. Tag der Kurmaßnahme gebe.
Durch Bescheid vom 17.08.1998 lehnte die Beklagte eine "Befreiung" von der Zuzahlung für den 22. Tag der stationären Rehabilitationsmaßnahme ab. Zur Begründung verwies sie auf die gesetzliche Formulierung des § 40 Abs. 2 SGB V, wonach die Zuzahlung je Kalendertag zu erbringen sei. Der Rechtsnatur nach sei die Zuzahlung eine pauschalierte Form der Selbstbeteiligung des Versicherten. Nach der Intention des Gesetzgebers sei mit der Zuzahlung ursprünglich eine Steuerung des Leistungsverhaltens des Versicherten verfolgt worden (vgl. Bundestagsdrucksache 12/3608 zu Art. 1 Nr. 18 M 011, Seite 30).
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.1998 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit gleichlautender Begründung zurück.
Der Kläger hat am 10.11.1998 Klage vor dem Sozialgericht Münster erhoben.
Zur Begründung hat er geltend gemacht, er sei zu Unrecht für den An- und Abreisetag der stationären Rehabilitationsmaßnahme zur vollen Zuzahlung in Höhe von 25,- DM herangezogen worden. An bei den Tagen sei er nur jeweils für ein paar Stunden im Kursanatorium anwesend gewesen und habe auch keine volle Verpflegung erhalten. Bekanntlich solle die Zuzahlung u. a. dazu dienen, die Ersparung eigener Aufwendungen zu berücksichtigen. Dem Sinngehalt dieser Regelung werde es nicht gerecht, wenn An- und Abreisetag jeweils als voller Tag des stationären Aufenthaltes im Rahmen der Zuzahlungsregelung gerechnet würden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.04.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.10.1998 zu verurteilen, die Zuzahlung zur Rehamaßnahme in Höhe von 25,00 DM zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich zur Begründung auf den Wortlaut des § 40 Abs. 5 SGB V bezogen.
Das Sozialgericht Münster hat die Klage durch Urteil vom 26.10.1999 abgewiesen. Zur Begründung hat sich das Sozialgericht auf den Wortlaut des § 40 Abs. 5 SGB V gestützt. Sinn und Zweck der dort normierten Zuzahlungen zwinge nicht zu einer anderen – gegen den Wortlaut – gerichteten Auslegung. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihm am 07.01.2000 zugestellte Urteil hat der Kläger die vom Sozialgericht zugelassene Berufung am 24.01.2000 eingelegt.
Zur Begründung bringt er vor: Es sei zu berücksichtigen, dass bei Kurmaßnahmen die Teilnehmer typischerweise die Kuranstalt am frühen Vormittag verließen, am Anreisetag werde dagegen gewünscht, dass die Teilnehmer nicht vor dem frühen Nachmittag erschienen. Da der Beitrag zur Entlastung der Krankenkasse beitragen solle, könne es nicht richtig sein, dass für einen Tag eine doppelte Zuzahlung beansprucht werde.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 26.10.1999 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 17.08.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.10.1998 zu verurteilen, ihm 25,00 DM zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Auf Rückfrage des Senats hat die Beklagte mit Schreiben vom 17.05.2000 mitgeteilt, dass An- und Abreisetag mit der Rehabilitationseinrichtung als ein Tag in Höhe des vollen Tagespflege satzes abgerechnet worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die kraft Zulassung statthafte (§ 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und auch im übrigen zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 17.08.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.10.1988 ist in dem hier zur Überprüfung gestellten Umfang nicht rechtswidrig; ein Anspruch auf Erstattung von 25,- DM steht dem Kläger nicht zu.
Allerdings ist das Sozialgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger die Abänderung des Bescheides vom 21.04.1998 begehrt. Dieser Verwaltungsakt trifft eine Regelung lediglich hinsichtlich der – hier nicht streitbefangenen Frage – der Zuzahlung zu den Kosten einer Krankenhausbehandlung. Eine Entscheidung im Hinblick auf die hier im Streit befindliche Zuzahlung für die Teilnahme an der Rehabilitationsmaßnahme trifft dieser Bescheid dagegen nicht. Eine derartige Regelung enthält jedoch der Bescheid vom 17.08.1998, denn hier hat die Beklagte eine Erstattung des Betrags von 25,- DM, den der Kläger für einen Tag der Kurmaßnahme entrichtet hatte, abgelehnt.
Die entsprechende Änderung des Klageantrags ist ohne weiteres zulässig, weil es sich nicht um eine Klageänderung im Sinne des § 99 Sozialgerichtsgesetz handelt, sondern um eine Berichtigung des Klageantrags (vergl. Meyer-Ladewig § 99 Rdnr. 2a).
Ferner ist die Klage auch nicht etwa deshalb unzulässig, weil der Kläger den Bescheid vom 17.08.1998 nicht (ausdrücklich) mit dem Widerspruch angegriffen hat. Das gemäß § 78 Abs. 1 SGG erforderliche Vorverfahren ist durchgeführt worden; die Beklagte hat mit dem Widerspruchsbescheid vom 30.10.1998 über den vom Kläger geltend gemachten Erstattungsanspruch entschieden. Dabei ist es für die Zulässigkeit der Klage ohne Bedeutung, dass die Beklagte ohne einen nach Erlass des Bescheides vom 17.08.1998 ausdrücklich erneut eingelegten Widerspruch den Widerspruchsbescheid vom 30.10.1998 erlassen hat. Der Kläger hat nämlich nicht allein mit Schreiben vom 19.07.1998 deutlich seinen Willen zum Ausdruck gebracht, dass er mit einer ablehnenden Entscheidung der Beklagten nicht einverstanden sein würde, sondern dies spätestens durch die Klageerhebung erneut bekräftigt.
Die Berufung ist unbegründet, denn der Kläger kann die Rückzahlung des Zuzahlungsbetrages von 25,- DM für einen Tag der stationären Rehabilitationsmaßnahme nicht verlangen.
Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs ist mangels einer speziellen gesetzlichen Grundlage der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, der auch eingreift, wenn der Verwaltungsträger zu Lasten eines Bürgers etwas erhalten hat, das ihm nicht zu steht (BSG SozR 3-2500 § 31 Nr. 2; LSG Bayern, Urteil vom 16.07.1998 – L 4 KR 121/97 -). Dieser Erstattungsanspruch ist ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger die Zuzahlung an das Kur sanatorium geleistet hat, gegenüber der Beklagten geltend zu machen, da die Krankenkasse – wie sich aus § 43b SGB V ergibt – Inhaberin des Zuzahlungsanspruches ist (vgl. BSG, a.a.O.).
Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, denn der Kläger war nach § 40 Abs. 5 Satz 1 SGB V verpflichtet, für jeden Tag der Inanspruchnahme der stationären Rehabilitationsbehandlung vom 11.05. – 01.06.1998 die Zuzahlung von 25,- DM zu leisten. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung ist eindeutig. Die Versicherten haben die Zuzahlung "je Kalendertag" an die Rehabilitationseinrichtung zuzahlen. In der Literatur wird – soweit ersichtlich – nicht die Auffassung vertreten, § 40 Abs. 5 Satz 1 SGB V sei entgegen seinem Wortlaut einschränkend dahingehend auszulegen, dass Aufnahme- und Entlassungstag zuzahlungsrechtlich als ein Tag zu zählen seien (vergl. Schmidt in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung – SGB V, § 40 Rdnr. 225, der – entgegen der zu § 39 Abs. 4 SGB V vertretenen Auffassung – ausdrücklich eine Zuzahlungspflicht je Kalendertag feststellt; Noftz in Hauck/Haines, SGB V, § 40 Rdnrn. 66 ff, KassKomm-Höfler § 40 Rdnr. 34, Krauskopf-Wagner, Soziale Krankenversicherung, § 40 Rdnr. 17, die sich zu dieser Frage nicht ausdrücklich äußern).
Für eine Beschränkung der Zuzahlungspflicht entgegen dem Gesetzes wortlaut sieht der Senat keine hinreichende Grundlage.
Allerdings sehen trotz insoweit gleichlautenden Wortlauts des § 32 Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) für die Zuzahlung zur stationären Rehabilitation die Richtlinien der Rentenversicherungsträger in § 3 Satz 3 vor, dass Aufnahme- und Entlassungstag bei der Festsetzung der Zuzahlung als ein Tag gelten ("Richtlinien für die Befreiung von der Zuzahlung bei medizinischen und sonstigen Leistungen zur Rehabilitation", abgedruckt in der ab 01.01.2000 geltenden Fassung als Anlage 1 zu § 32 im Verbandskommentar; anderer Auffassung (Zuzahlung für jeden Tag) Hauck in: Hauck/Haines, SGB VI, § 32 Rdnr. 5). Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Die in § 40 Abs. 5 Satz 1 normierte Zuzahlungspflicht verfolgt nicht den Zweck, häusliche Ersparnisse auszugleichen (s. auch Schmidt, a.a.O. Rdnr. 221 mit dem Hinweis auf § 39 Rdnr. 406). Die Entstehungsgeschichte der Regelung gibt für eine solche Annahme nichts her. Die Zuzahlungsregelung bei stationärer Rehabilitationsbehandlung ist durch Art. 19 Nr. 6 des Haushaltsbegleitgesetzes vom 20.12.1982 (BGBl. I, 1857) in das Krankenversicherungsrecht aufgenommen worden (§ 184a Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO)). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der damalige Gesetzgeber den Grund für die Einführung der Zuzahlung in häuslichen Ersparnissen gesehen hat. In der Gesetzesbegründung heißt es lediglich, die Zuzahlung solle zur Stabilisierung der Beitragssätze beitragen (Bundestags-Drucksache (BT-Drucks.) 9/2074, S. 99). Bei der Übernahme der Zuzahlungsregelung durch das Gesundheitsreform gesetz vom 20.12.1988 (BGBl. I, 2477) ist in der Entwurfsbegrün dung lediglich ausgeführt worden, die Zuzahlung entspreche gelten dem Recht (BT-Drucks. 11/2237, S. 179). Auch den Begründungen der späteren Gesetzesänderungen, die die Höhe der Zuzahlung zum Gegenstand hatten, ist ein Hinweis auf einen derartigen Gesetzeszweck nicht zu entnehmen (vergl. dazu die bei Schmidt in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 40 Rdnrn. 17ff abgedruckte Übersicht). Tatsächlich stellt die Zuzahlung (nur) eine Form der Selbstbeteiligung der Versicherten an den Behandlungskosten dar (so auch Höfler, a.a.O., Rdnr. 51; Noftz, a.a.O., Rdnr. 67). Insbesondere die zahlreichen Erhöhungen der Zuzahlung von 10,- DM (bis 1992) auf 25,- DM ab 1997, die anschließende Verringerung ab 01.01.2000 auf 17,- DM (vergl. insoweit die Übersicht bei Noftz, a.a.O., Rdnr. 68) sprechen dagegen, dass der Gesetzgeber das Ziel der Anrechnung häuslicher Ersparnisse verfolgte. Außerdem hätte dann auch die Höhe der Zuzahlung mit der bei Krankenhausbehandlung gemäß § 39 Abs. 4 SGB V synchronisiert sein müssen, weil kaum nachvollziehbar wäre, warum der Umfang häuslicher Ersparnis bei Krankenhausbehandlung anders als bei stationärer Rehabilitationsbehandlung zu beurteilen sein sollte. Die Höhe der Zuzahlung gemäß § 39 Abs. 4 entsprach aber durchaus nicht immer der nach § 40 Abs. 5 (vergl. Schmidt, a.a.O., Rdnr. 218). Dies macht deutlich, dass es lediglich um einen Selbstbehalt der Versicherten geht (Noftz, a.a.O., Rdnr. 67a bezeichnet deshalb die Zuzahlung in Gestalt des 2. GKV-NOG zu Recht als "reines Finanzierungsinstrument"). Da also die Zuzahlung unabhängig von etwaigen Ersparnissen des Versicherten besteht, kann die Zuzahlungspflicht nicht davon abhängen, ob der Versicherte am Tag der Aufnahme in das Krankenhaus oder am Entlassungstag häusliche Aufwendungen erspart hat.
Ebenso wenig kann die Art und Weise der Abrechnung zwischen der Rehabilitationseinrichtung und der Krankenkasse Bedeutung für die Zuzahlungspflicht entwickeln. Der Gesetzgeber hat die Zuzahlungspflicht des Versicherten nicht an die der Krankenkasse je Aufenthaltstag entstehenden Kosten geknüpft, sondern fordert die Zuzahlung für jeden Tag des Aufenthalts. Damit hat er eine klare und in der Praxis einfach umsetzbare Regelung für die Selbstbeteiligung geschaffen, der jeglicher Bezug zu der die Krankenkasse gegenüber dem Träger der Rehabilitationseinrichtung treffende Zahlungspflicht fehlt.
Da somit der Kläger zu Recht für 22 Tage die Zuzahlung geleistet hat, war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen (§ 166 Abs. 2 Nr. 1 SGG) und daher die Revision zugelassen.
Erstellt am: 20.08.2006
Zuletzt verändert am: 20.08.2006