Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 25.07.2000 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils wie folgt gefasst wird: Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 03.05.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.1999 verurteilt, der Klägerin über den 07.05.1999 hinaus bis zum 04.03.2000 Krankengeld unter Anrechnung der für dieselbe Zeit erhaltenen Leistungen wegen Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld.
Die 1958 geborene Klägerin ist gelernte Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin. Zuletzt hat sie als kaufmännische Angestellte/Sekretärin bei der D … gearbeitet. Während dieser Beschäftigung hat sie vor wiegend Gutachten geschrieben, Termine vergeben und war auch im Abrechnungswesen eingesetzt. Das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin endete am 31.12.1998. Nach eigener Angabe meldete sie sich im August 1999 arbeitslos und bezog anschließend im Wechsel Arbeitslosengeld und Krankengeld. Ein von der Klägerin gestellter Rentenantrag wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist abgelehnt worden; das Streitverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Wegen Hautveränderungen vor allem im Bereich der Hände war die Klägerin seit 07.09.1998 arbeitsunfähig erkrankt. Sie befand sich wegen des Handekzems ab 09.09.1998 in stationärer Behandlung im St …-Hospital, …, und anschließend ab 23.09.1998 in einer teilstationären Rehabilitationsmaßnahme in der …-Klinik …, … Nach dem Entlassungsbericht vom 02.11.1998 bestand ein dyshidrosiformes Hand- und Fußekzem mit einer erheblichen psychischen Komponente.
In der Folgezeit bescheinigte der praktische Arzt S … weiter Arbeitsunfähigkeit, die auch in einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 14.01.1999 (Dr. K …) bestätigt wurde. Nachdem zunächst in einem MDK-Gutachten von Dr. B …-H … vom 05.03.1999 die Auffassung vertreten wurde, rein dermatologisch sei die Klägerin zwar nicht weiter arbeitsunfähig, jedoch stehe die psychische Problematik im Vordergrund, wurde in einem psychiatrischen Gutachten des MDK (Frau B … vom 01.04.1999) festgestellt, die dermatologischen Beschwerden seien ausschlaggebend. Unter Verwertung eines Berichtes des behandelnden Hautarztes B … vom 14.04.1999 erstellte schließlich Dr. B … vom MDK unter dem 03.05.1999 ein Leistungsbild, nach dem die Klägerin wieder leichte Arbeiten ohne Zeitdruck im Sitzen und ohne Belastung durch Staub, Schmutz und Feuchtigkeit verrichten könne. Sie könne ab dem 08.05.1999 an das Arbeitsamt verwiesen werden.
Mit Bescheid vom 03.05.1999 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin mit, Krankengeld werde nur noch bis zum 07.05.1999 gezahlt. Nach dem vom MDK festgestellten Leistungsbild bestehe keine Arbeitsunfähigkeit mehr. Arbeitsunfähigkeit liege nur vor, wenn die ausgeübte oder eine andere zumutbare Beschäftigung nicht mehr möglich sei. Die Zumutbarkeit sei gesetzlich geregelt, sie ergebe sich aus § 121 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).
Mit ihrem Widerspruch übersandte die Klägerin eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des praktischen Arztes S … vom 20.05.1999, die der Arzt mit einer wesentlichen Verschlechterung der psychischen Situation begründete. Die Beklagte holte daraufhin ein weiteres psychiatrisches Gutachten vom MDK ein. Dr. F … stellte in einem Gutachten vom 02.07.1999 fest, aus nervenärztlicher Sicht bestehe keine Arbeitsunfähigkeit. Im Vordergrund stehe die dermatologische Erkrankung, er habe die Begutachtung durch einen Fachdermatologen veranlasst. Unter dem 07.07.1999 erstattete Dr. G … ein dermatologisches Gutachten. Bei seiner Untersuchung bestand an beiden Händen ein ausgeprägtes Ekzem mit zum Teil akuten Anteilen mit dyshidrosiformen Bläschen, überwiegend chronische Morphe mit Erosionen, Rhagaden und Schuppungen. Er meinte, die Klägerin könne noch leichte Arbeiten im Sitzen ohne Anforderungen an die Feinmotorik der Hände verrichten, so dass gegebenenfalls Baumwollhandschuhe getragen werden könnten. Eine Tätigkeit als Pförtnerin oder im Auskunftsbereich sei zumutbar, die ses Leistungsbild bestehe seit dem 08.05.1999.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In dem Bescheid vertrat sie die Auffassung, Maßstab für die Zumutbarkeit von "Verweisungstätigkeiten" seien die Arbeiten, auf die nach dem Arbeitsförderungsrecht verwiesen werden könne.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, das Gutachten von Dr. G … und seine Beurteilung ihres Leistungsvermögens sei unschlüssig. Die Tatsache, dass er das Tragen von Baumwollhandschuhen für erforderlich halte, zeige, dass sie nicht unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes arbeiten könne.
Die Beklagte hat während des Klageverfahrens nochmals ein Gutachten des MDK eingeholt. Dr. H … kam in seinem Gutachten vom 24.02.2000 zu dem Ergebnis, wegen des hartnäckigen und in wechselnder Ausprägung vorliegenden Handekzems, das vor allem die Fingergelenke und Fingerkuppen betreffe und das auch unter fehlender Arbeitsbelastung nicht vollständig ausgeheilt sei, bestehe für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Sekretärin auf Dauer Arbeitsunfähigkeit. Ständige oder überwiegende Belastungen der Finger bzw. der Feinmotorik der Hände seien nach dem Krankheitsbild nicht möglich. Für eine Sekretärin stehe aber der Umgang mit einer Tastatur im Vordergrund, so dass fortwährend Anforderungen an die Feinmotorik der Hände gestellt würden und die Fingergelenke und Finger kuppen einer ständigen Belastung ausgesetzt seien. Auch die Tätigkeit einer Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin könne die Klägerin nicht mehr verrichten, da diese ebenfalls überwiegend aus Schreib- und PC-Tätigkeiten bestehe. Möglich seien allerdings Arbeiten, bei denen nur gelegentlich oder zumindest nur kurzfristig das Bedienen einer Tastatur oder eines Telefons erforderlich sei. Zumutbar seien leichte, vorwiegend sitzende Tätigkeiten ohne ständige oder vorwiegende Anforderungen an die Feinmotorik der Hände und ohne Einwirkung durch belastende Stoffe und Umwelteinflüsse. Dieses Leistungsvermögen bestehe seit dem 08.05.1999.
Mit Urteil vom 25.07.2000 hat das Sozialgericht die Beklagte an tragsgemäß zur Gewährung von Krankengeld bis 04.03.2000 verurteilt. Es hat die Auffassung vertreten, Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit sei die zuletzt verrichtete Beschäftigung, auch wenn das Beschäftigungsverhältnis nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit geendet habe. Die zuletzt verrichtete Tätigkeit als Sekretärin könne die Klägerin jedoch nicht mehr ausüben.
Im Berufungsverfahren wiederholt die Beklagte ihre Auffassung, dass bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses die zuletzt verrichtete Beschäftigung nicht mehr der Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit sei. Sie ist der Auffassung, die bis herige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur "Verweisbarkeit" von arbeitsunfähigen Versicherten habe sich offensichtlich an der Regelung der Zumutbarkeit anderer Tätigkeiten im Arbeitsförderungsrecht orientiert. Von daher müsse jetzt die gesetzliche Neuregelung in § 121 SGB III beachtet und angewandt werden. Sie meint, dies sei schon deshalb geboten, da es sonst zu einer Besserstellung der erkrankten Versicherten gegenüber gesunden Versicherten komme, die sich nach Ende der Beschäftigung dem Arbeitsamt zur Verfügung stellten und in diesem Zusammenhang auf alle i.S.d. § 121 SGB III zumutbaren Tätigkeiten verwiesen werden könnten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 25.07.2000 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin über den 08.05.1999 hinaus Anspruch auf Krankengeld hat.
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB V besteht ein Anspruch auf Krankengeld, wenn der Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig ist. Arbeitsunfähig ist ein Versicherter, der seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit oder einer ähnlich gearteten Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, nachgehen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BSGE 19, 179, 181; 26, 288, 290; USK 90186). Diese gesetzlichen Voraussetzungen haben auch nach dem 07.05.1999 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 04.03.2000 (§ 48 Abs. 1 SGB V) vorgelegen.
Aufgrund des Handekzems kann die Klägerin als Sekretärin auf Dauer nicht mehr arbeiten. Dies steht aufgrund der Gutachten des MDK, insbesondere des letzten Gutachtens von Dr. H … fest. Er hat in seinem Gutachten vom 24.02.2000 ausgeführt, wegen des hartnäckigen und in wechselnder Ausprägung vorliegenden Handekzems, das vorallem die Fingerkuppen und Fingergelenke betreffe, könne die Klägerin keine längerdauernden Arbeiten an Tastaturen mehr verrichten. Das hatte auch schon Dr. G … in seinem Gutachten vom 07.07.1999 festgestellt, da er nur noch Tätigkeiten ohne Anforderungen an die Feinmotorik der Hände für zumutbar und offenbar sogar gelegentlich das Tragen von Baumwollhandschuhen für erforderlich hielt. Da jedenfalls die Gefahr einer Verschlimmerung des Ekzems bei einer Beanspruchung der Finger durch Arbeiten an Tastaturen, wie sie die Tätigkeit einer Sekretärin voraussetzt, besteht, war die Klägerin nicht mehr in der Lage, die zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit auszuüben. Aus den gleichen Gründen kann sie nach dem Gutachten von Dr. H … auch Tätigkeiten in dem erlernten Beruf als Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin nicht mehr verrichten. Dies wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.
Die Klägerin war ab 08.05.1999 nicht etwa deshalb arbeitsfähig, weil sie andere ihr zumutbare Tätigkeiten verrichten konnte. Zwar ändert sich nach dem Verlust des letzten Arbeitsplatzes nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit der Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit dahingehend, dass nicht mehr die konkreten Verhältnisse des letzten Arbeitsplatzes maßgebend sind, sondern abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Tätigkeit abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf andere Tätigkeiten verwiesen werden, die den Bedingungen des bisherigen Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnisses im wesentlichen entsprechen. Wegen der Lohnersatzfunktion des Krankengeldes ist aber der Kreis möglicher "Verweisungstätigkeiten" jedenfalls in der ersten Blockfrist sehr eng zu ziehen. Der Versicherte kann zumutbar nur auf ähnliche oder gleichgeartete Tätigkeiten verwiesen werden, die nach den erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten sowie der Entlohnung der zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeit im wesentlichen entsprechen. Hat der Versicherte zuletzt einen anerkannten Ausbildungsberuf verrichtet, ist eine Verweisung auf Tätigkeiten außerhalb dieses Berufs grundsätzlich ausgeschlossen. Selbst innerhalb des Ausbildungsberufsmüssen sich die zuletzt verrichtete und die "Verweisungstätigkeit" im wesentlichen gleichen, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht. Diese Bedingungen gelten auch bei ungelernten Arbeiten, hier ist das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten nur insoweit größer, als die Grenzen eines Ausbildungsberufs nicht gelten. Gleichwohl ist auch bei Ungelernten zu prüfen, ob die Verweisungstätigkeit in ihren wesentlichen Merkmalen und der Höhe der Entlohnung (maximal 10 % Lohnverlust) der zuletzt verrichteten Tätigkeit entspricht (grundlegend BSGE 61, 66, 71 ff; s.a. BSG USK 93103; zuletzt BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R -).
Nach diesen Grundsätzen, die der Senat für zutreffend hält, war die Klägerin auch nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses arbeitsunfähig. Sie hat während ihrer letzten Beschäftigung zwar nicht im engeren Bereich ihres Ausbildungsberufes als Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin gearbeitet. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, dass sie nur ungelernte Arbeiten verrichtet hat, kommen aber die von der Beklagten genannten "Verweisungstätigkeiten" im Auskunftsbereich oder als Pförtnerin nicht in Betracht. Es ist allgemeinkundig, dass beide Tätigkeiten einen ständigen Umgang mit anderen Menschen voraussetzen. Im Vordergrund der Tätigkeit eines Pförtners stehen Aufsicht und Kontrolle sowie die Erteilung allgemeiner Auskünfte. Auch eine reine Auskunftstätigkeit – bei der ohnehin fraglich ist, ob sie nicht eine besondere fachliche Qualifikation erfordern würde, über die die Klägerin nicht verfügt – unterscheidet sich von dem Aufgabenspektrum einer Sekretärin, der neben Schreib- auch organisatorische Arbeiten obliegen. Sowohl hinsichtlich der Art der Verrichtung wie der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten bestehen damit wesentliche Unterschiede zwischen der bisherigen Berufstätigkeit der Klägerin und den genannten "Verweisungstätigkeiten". Die Unterschiede sind so groß, dass sich die Klägerin erheblich umstellen müsste, so dass von ähnlich gearteten Tätigkeiten keine Rede mehr sein kann. Sonstige in Betracht kommende "Verweisungstätigkeiten" sind nicht ersichtlich.
Entgegen der Auffassung der Beklagten entfiel die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab 08.05.1999 nicht deshalb, weil sie auf alle nach dem Recht der Arbeitsförderung zumutbaren Beschäftigungen (§ 121 SGB III) verwiesen werden konnte. Davon abgesehen, dass die Beklagte schon die differenzierenden Regelungen in § 121 Abs. 3, 4 SGB III nicht beachtet und die Klägerin lediglich pauschal auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweist, können weder die Bestimmungen des Arbeitsförderungsrechts im Krankenversicherungsrecht angewandt, noch kann die (alleinige) Zuständigkeit der Bundesanstalt für Arbeit auch für erkrankte Arbeitnehmer bei Verlust ihres Arbeitsplatzes angenommen werden.
§ 121 SGB III definiert die Zumutbarkeit von Beschäftigungen für den Arbeitslosen. Die Regelung ist vor allem für die Frage bedeutsam, ob der Arbeitslose subjektiv und objektiv der Arbeitsverwaltung zur Verfügung steht und deshalb Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe beziehen kann. Ferner ist sie von Bedeutung im Rahmen des § 144 Abs. 1 SGB III, ob ein wichtiger Grund für die Ablehnung einer angebotenen Beschäftigung oder die Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses bestand hat (vgl. Steinmeyer in: Gagel, SGB III, § 121 Rdn. 1). Schon diese Zweckbestimmung der Regelung spricht gegen ihre Anwendung im Krankenversicherungsrecht.
Die Behauptung der Beklagten, die bisherige Rechtsprechung des BSG habe sich hinsichtlich der Zumutbarkeit einer Verweisung "offensichtlich" an der bis zum 31.03.1997 geltenden Zumutbarkeits-Anordnung (vom 16.03.1982, ANBA S. 523 (Zumutbarkeits-AO)) orientiert, ist nicht nachzuvollziehen. Die Rechtsprechung des BSG bietet hierfür keine Hinweise, im Gegenteil ist offenkundig, dass die oben genannten Grundsätze für die Verweisbarkeit erkrankter Arbeitnehmer anderen Maßstäben folgen. Bereits aus der Entscheidung des BSG vom 03.11.1993 (SozR 3-2500 § 48 Nr. 5) ergibt sich, dass das BSG zwischen der Arbeitsunfähigkeit im bisherigen Beruf und der Verfügbarkeit i.S.d. Arbeitsförderungsrechts (die sich nach den zumutbaren – gegebenenfalls sogar unterwertigen – Beschäftigungen bestimmt) unterschieden hat. Die in dem genannten Urteil vorgenommene Differenzierung wäre unsinnig, wenn tatsächlich der Bezugspunkt für die Bestimmung der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr die bisherige Tätigkeit, sondern die i.S.d. Arbeitsförderungsrechts zumutbaren Beschäftigungen gewesen wäre. Auch die Recht sprechung, wonach eine bestehende Arbeitsunfähigkeit nicht entfällt, wenn sich der Versicherte mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen der Arbeitsverwaltung zur Verfügung stellt, solange er nicht tatsächlich eine neue berufliche Tätigkeit aufgenommen hat (BSG SozR 2200 § 182 Nr. 34, 96; USK 8309; SozR 4100 § 158 Nr. 6; Urteil vom 08.02.2000, a.a.O.), ist nur verständlich, wenn die Arbeitsunfähigkeit für den bisherigen Beruf unabhängig von der Verfügbarkeit (und damit der Zumutbarkeit i.S.d. Arbeitsförderungsrechts) ist. Die Arbeitsunfähigkeit kann nämlich nur weiter bestehen, wenn die für die Vermittlung in Frage kommenden zumutbaren Beschäftigungen keine i.S.d. Krankenversicherungsrechts zu mutbaren "Verweisungstätigkeiten" sind.
Ebenso zeigt der inhaltliche Vergleich mit den Kriterien der Zumutbarkeits-AO die Unrichtigkeit der Behauptung der Beklagten. Die Zumutbarkeits-AO ging von Qualifikationsstufen aus, wobei sich der Arbeitslose nach längeren erfolglosen Vermittlungsbemühungen auf Beschäftigungen der nächst niedrigeren Stufe verweisen lassen musste ( §§ 9, 12 a.a.O.). Außerdem war eine Beschäftigung schon in der ersten Zeit der Arbeitslosigkeit zumutbar, wenn das Arbeitsentgelt der neuen Beschäftigung 80 % der früheren Entlohnung erreichte (§ 10 a.a.O.); in der weiteren Zeit der Arbeitslosigkeit genügt es dann sogar, wenn das Nettoentgelt die Höhe des Arbeitslosengeldes erreichte. Es liegt auf der Hand, dass die oben genannten Grundsätze zur Verweisung von erkrankten Versicherten nichts mit diesen Kriterien der Zumutbarkeitsanordnung zu tun haben. Bestätigt wird die Unterscheidung zwischen der Verfügbarkeit und der Zumutbarkeit i.S.d. Arbeitsförderungsrechts und der Zumutbarkeit einer Verweisung in Zusammenhang mit dem Krankengeldbezug durch die "Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (in der Fassung vom 03.09.1991, BArbBl. Nr. 11 vom 31.10.1991). Diese bezeichnen ausdrücklich den Tätigkeitsbereich, der für die Vermittlung des Arbeitslosen in Betracht kommt und nicht die vor der Arbeitslosigkeit ausgeübte Tätigkeit nur bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nach der Arbeitslosmeldung als Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit (Nr. 4 a.a.O.).
Es gibt auch keinen sachlichen Grund, für ihren bisherigen Berufarbeitsunfähige Versicherte wegen des Verlusts ihres Arbeitsplatzes an die Bundesanstalt für Arbeit zu verweisen. Die Beklagte meint, der kranke Versicherte müsse sich bei einem Verlust des Arbeitsplatzes ohnehin beruflich neu orientieren, so dass es der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den Sozialleistungsträgern entspreche, ihn mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen an das Arbeitsamt zu verweisen. Diese Argumentation wird schon dem möglichen Umstand nicht gerecht, dass sich der Gesundheitszutand und damit das Leistungsvermögen des Versicherten verbessern können, so dass eine Weitergewährung von Krankengeld gerade dessen Zweckbestimmung entspricht. Im übrigen muss es dem Versicherten überlassen bleiben, sich ungeachtet der weiterbestehenden Arbeitsunfähigkeit für den bisherigen Beruf arbeitslos zu melden und sich – insbesondere bei nicht besserungsfähigem Gesundheitszustand – mit dem Restleistungsvermögen zur Verfügung zu stellen. Die Arbeitsverwaltung könnte dann Vermittlungsmöglichkeiten prüfen. Ein Verlust des aus der bisherigen Beschäftigung erworbenen Krankengeldanspruchs kann damit aber nicht verbunden sein, die Arbeitsunfähigkeit entfällt vielmehr erst bei tatsächlicher Aufnahme einer neuen Tätig keit (BSG SozR 2200 §§ 182 Nr. 34, 96; USK 8309; SozR 4100 § 158 Nr. 6; Urteil vom 08.02.2000, a.a.O.). Das Argument der Beklagten, wenn man die Arbeitsunfähigkeit nach der zuletzt verrichteten Tätigkeit bestimme, werde bei Verlust des Arbeitsplatzes ein erkrankter Versicherter besser gestellt als ein gesunder Versicherter, der sich arbeitslos gemeldet habe, geht fehl. Die Beklagte übersieht, dass nach der Systematik des Systems der sozialen Sicherung bei erkrankten Arbeitnehmern allein der Krankenversicherungsträger zuständig ist, die nach den für ihn geltenden Vorschriften vorgesehenen Leistungen zu erbringen. Weshalb dieser Anspruch wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes entfallen und die Zuständigkeit eines anderen Trägers begründen soll, leuchtet nicht ein. Die Rechtsprechung trägt der Tatsache, dass eine Rückkehr des erkrankten Arbeitnehmers auf den konkreten Arbeitsplatz nicht möglich ist, hinreichend Rechnung. Wie oben dargelegt, ändert sich der Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit dahingehend, dass nunmehr auf die abstrakte Art der Beschäftigung abgestellt wird. Ferner setzt eine "Verweisung" auf eine andere Beschäftigung nicht voraus, dass ein offener Arbeitsplatz nachgewiesen wird, es genügt, wenn es eine hinreichende Zahl von Arbeitsplätzen für solche Beschäftigungen gibt (vgl. BSGE 61, 66, 74). Demgegenüber kann bei weiter bestehendem Beschäftigungsverhältnis die Arbeitsunfähigkeit nur entfallen, wenn der Arbeitgeber dem erkrankten Arbeitnehmer konkret im Rahmen seines Direktionsrechts einen anderen Arbeitsplatz anbietet (vgl. BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 9).
Es besteht auch kein Bedürfnis, den Krankengeldanspruch durch Ausweitung des Kreises der zumutbaren anderen Tätigkeiten zu beschränken. Das Risiko der Beklagten ist im Rahmen des SGB V durch die Neuregelung der Wiedergewährung von Krankengeld in der zweiten und einer weiteren Blockfrist begrenzt worden. Anders als nach dem früher geltenden Recht hat das Krankengeld bei Dauererkrankungen keinen rentenähnlichen Charakter mehr. In der zweiten Blockfrist kann wegen derselben Krankheit Krankengeld nur erneut beansprucht werden, wenn eine Versicherung mit Krankengeldanspruch besteht und in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate nicht wegen dieser Krankheit Arbeitsunfähigkeit bestand und der Versicherte entweder erwerbstätig war oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand (§ 48 Abs. 2 SGB V). Ein für die bisherige Beschäftigung auf Dauer arbeitsunfähiger Versicherter, der sich mit seinem Restleistungsvermögen der Arbeitsverwaltung zur Verfügung stellt und dadurch einen neuen Anspruch auf Krankengeld in der zweiten Blockfrist wegen derselben Krankheit erwirbt, erhält zudem Krankengeld nur noch nach dem zuvor bezogenen Arbeitslosengeld und nicht mehr nach dem Regelentgelt, das er vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in der ersten Blockfrist hatte (BSGE 73, 121, 123 f unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung zum Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO), vgl. insoweit BSG SozR 4100 § 158 Nr. 6; USK 8415).
Dem Anspruch auf Krankengeld steht nicht entgegen, dass die Klägerin sich nach ihrer Angabe in der mündlichen Verhandlung im August 1999 arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld bzw. wegen Arbeitsunfähigkeit auch für eine andere, trotz der fortbestehenden Krankheit mögliche Erwerbstätigkeit Krankengeld in Höhe des zuvor bezogenen Arbeitslosengeldes bezogen hat. Zwar sieht § 49 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V in der Fassung des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes (UVEG) vom 07.08.1996 (BGBl. I, 1254) seit dem 01.01.1997 (wieder) das Ruhen des Krankengeldanspruches vor, "solange" Arbeitslosengeld bezogen wird. Der Anwendungsbereich dieser Ruhensregelung ist aber entgegen ihrem Wortlaut eingeschränkt.
Bereits § 183 Abs. 6 RVO in der seit 01.01.1982 geltenden Fassung des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes vom 22.12.1981 (BGBl. I, 1497) und § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V in der Fassung des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl. I, 2477) enthielten eine gleichlautende Regelung, die zum 01.01.1990 nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.11.1988 (BVerfGE 79, 87) durch das Rentenreformgesetz 1992 vom 18.12.1989 (BGBl. I, 2261) durch Voranstellung des Wortes "soweit und" geändert wurde. § 183 Abs. 6 RVO hatte das BSG dahingehend ausgelegt, dass der Anspruch auf Krankengeld nur insoweit ruhte, als der Arbeitslose während des Bezugs von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe arbeitsunfähig wird und deshalb nach § 134 Abs. 4 i.V.m. § 105 b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) a.F. Anspruch auf Leistungsfortzahlung hat (BSGE 61, 193, 196; ebenso LSG Niedersachsen, Urteil vom 07.09.1988 – L 4 KR 90/86 -). Das BSG hat dies im Einzelnen mit der Gesetzesentwicklung im Zusammenhang mit der Ruhensregelung begründet. Es hat ferner darauf hingewiesen, eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung sei nicht möglich, da das Arbeitsförderungsrecht das Ruhen von Leistungen bei Gewährung von Krankengeld vorsehe (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 AFG) und eine Regelung fehle, welcher Leistung, Krankengeld oder Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld der Vorrang zukommen solle. Sobald die Voraussetzungen für Krankengeld und die genannten Leistungen nach dem Arbeitsförderungsrecht etwa gleichzeitig entstünden, würde § 183 Abs. 6 RVO i.V.m. § 118 Abs. 1 Nr. 2 AFG eine zögerliche Bewilligung der Leistung prämieren; derjenige Leistungsträger, der die Bewilligung und Gewährung durch den anderen Träger abwarte, könnte sich dann auf die Ruhensregelung berufen und brauchte selbst nicht zu zahlen. Diese einschränkende Auslegung der Ruhensregelung galt nach dem Urteil des BSG vom 15.12.1993 (USK 93103) auch für § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V in der Fassung des GRG, weil der Gesetzgeber die bisherige Regelung des § 183 Abs. 6 RVO vollinhaltlich in das SGB V übernommen habe.
Wenn nunmehr seit dem 01.01.1997 wieder die Gesetzesfassung gilt, die bis zum 31.12.1989 bestanden hat, spricht alles dafür, dass sie wiederum einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass das Ruhen des Krankengeldanspruchs nur in Fällen des Leistungsfortbezugs (jetzt § 126 SGB III) eingreift (ebenso Noftz in: Hauck/ Haines, SGB V, § 49 Rdn. 12, 39; KassKomm-Höfler, § 49 SGB V Rdn. 9). Die Gesetzesbegründung des UVEG gibt keinen Hinweis darauf, dass eine Änderung der früheren Rechtslage beabsichtigt war. Die Neuregelung ist lediglich damit begründet worden, dass beim Bezug von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe nicht gleichzeitig Krankengeld gezahlt werden dürfe und mit der Neuregelung Mißverständnisse vermieden werden sollten, dass ein Spitzbetrag gezahlt werden könne (Bundestags-Drucksache 13/2204, S. 124 f.). Umgekehrt sieht das Arbeitsförderungsrecht unverändert eine Ruhensregelung für das Arbeitslosengeld bei Bezug von Krankengeld vor (§ 142 Abs. 1 Nr. 2 SGB III), so dass wie früher die Konkurrenz beider Ruhenstatbestände gelöst werden muss. Von daher trifft immer noch der Hinweis des BSG zu, dass bei wörtlicher Anwendung der Ruhensregelungen der §§ 49 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V, 142 Abs. 1 Nr. 2 SGB III die zögerliche Leistungsbewilligung eines Trägers prämiert und sogar das rechtswidrige Verhalten des Krankenversicherungsträgers honoriert würde, der – wie hier – zu Unrecht Krankengeld verweigert und dadurch erst das Entstehen des Arbeitslosengeldanspruchs ermöglicht. Da somit der Anwendungsbereich des § 49 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V auf die Fälle der Leistungsfortzahlung nach § 126 SGB III beschränkt ist, greift die Ruhensregelung nicht ein, wenn sich ein Versicherter bei bestehender Krankengeldberechtigung arbeitslos meldet und Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe erhält.
Soweit die Klägerin nach ihrer Arbeitslosmeldung Leistungen vom Arbeitsamt erhalten hat, gilt ihr Anspruch gegen die Beklagte als erfüllt (§ 107 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]), weil insoweit ein Erstattungsanspruch der Arbeitsverwaltung besteht (wobei dahinstehen kann, ob sich dieser aus § 103 Abs. 1 SGB X – so BSG USK 93103 – oder § 105 SGB X – so LSG für das Saarland, Urteil vom 19.10.1999 – L 2 KR 7/99 – ergibt). Soweit die Beklagte während der Arbeitslosigkeit Krankengeld auf der Grundlage des zuvor gewährten Arbeitslosengeldes gezahlt hat, kann die Klägerin den Differenzbetrag zu dem nach dem Regelentgelt der letzten Beschäftigung bemessenen Krankengeld verlangen. Der Senat hat daher zur Klarstellung den Tenor neu gefasst, dass die Klägerin im zuerkannten Zeitraum das Krankengeld nur unter Anrechnung der bezogenen Leistungen beanspruchen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat sowohl hinsichtlich der Auslegung des § 49 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V als auch im Hinblick darauf, dass wohl erst eine höchstrichterliche Entscheidung die Zweifel der Krankenversicherungsträger an der Fortgeltung der Grundsätze zur "Verweisung" erkrankter "arbeitsloser" Arbeitnehmer beseitigen wird, dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 18.08.2003
Zuletzt verändert am: 18.08.2003