Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17. Mai 1999 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die beklagte Krankenkasse dem Kläger die Kosten für eine immunologische Behandlung zu erstatten hat.
Bei dem 1968 geborenen Kläger zeigten sich 1993 Krankheitssymptome, die zu der Diagnose einer Encephalomyelitis disseminata (multiple Sklerose – MS -) führten. Es wurde eine Behandlung mit Cortison-Medikamenten eingeleitet, die später durch die Gabe des Immunsuppressivums Azathioprin unterstützt wurde. Nachdem es 1994 erneut zu einem schubförmigen Krankheitsverlauf gekommen war, beantragte der Kläger im April 1994 bei der Beklagten die Kosten übernahme für eine immunmodulatorische Behandlung durch Dr. H. unter Beifügung einer Kurzinformation des Dr. H. vom 08.03.1994. Darin war u.a. ausgeführt, dass nach Dr. H. Kenntnisstand über gesicherte Erfahrungen in ambulanter Diagnostik und/oder Therapie von Immunopathien wie der MS neben der eigenen nur eine weitere Gemeinschaftspraxis in Berlin verfügten. Die Beklagte holte Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen – MDK – Nordrhein ein, der eine Kostenübernahme nicht empfahl, weil es sich um eine experimentelle Therapie handele. Mit formlosem Bescheid vom 17.06.1994 lehnte die Beklagte den Antrag daraufhin ab.
Der Kläger legte am 24.06.1994 Widerspruch ein unter Vorlage wissenschaftlicher Veröffentlichungen sowie einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme des Prof. Dr. J. vom 05.07.1993 in einem sozialgerichtlichen Rechtsstreit über die Wirksamkeit von Immunglobulinen bei der MS-Behandlung. Dr. G. vertrat in einer weiteren Stellungnahme vom 17.08.1994 die Auffassung, dass nach persönlichen Mitteilungen des Dr. P. eine Immunglobulin-Behandlung bei MS-Patienten sinnvoll sein könnten, gleichwohl handele es sich nach wie vor um eine experimentelle Behandlung. Um im Fall des Klägers die Notwendigkeit einer solchen Behandlung zu erkennen, sei der Bericht eines erfahrenen Neurologen erforderlich, der die Indikation bestätigen könne und zu entsprechenden Verlaufkontrollen bereit sei. Dem widersprach der Kläger unter Vorlage eines Arztbriefs des Dr. P. an Prof. Dr. I. und Dr. H. vom 29.08.1994, in dem u.a. ausgeführt wurde, es zeichne sich immer klarer ab, dass bei Autoimmunerkrankungen die Therapie nach Namen durch eine Therapie nach individuellen klinischen und immunologischen Befunden abgelöst werden müsse.
Der Kläger, bei dem Dr. H. im Oktober 1994 eine Behandlung mit dem Immunglobulin Purimmun begonnen hatte, übersandte im Mai 1995 weitere ärztliche Unterlagen über seine bisherige Behandlung und den Krankheitsverlauf. Unter Auswertung dieser Unterlagen verneinte Dr. J. vom weiterhin eine Verordnungsfähigkeit der Therapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung, weil es sich noch um eine experimentelle Therapie handele.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.1995 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin als unbegründet zurück. Der Kläger hat am 17.08.1995 Klage vor dem Sozialgericht – SG – Düsseldorf erhoben auf Zahlung von 21.022,29 DM unter Vorlage von Arztrechnungen sowie Apotheken-Rezepten. Er hat die Ansicht vertreten, Immunglobuline seien, auch wenn sie nicht speziell für die Behandlung von MS zugelassen seien, für dieses Krankheitsbild zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig. Die Wirksamkeit der streitigen Behandlung sei auch hinreichend klinisch erprobt. Zur Stützung letzterer Ansicht hat er die Veröffentlichung eines Interviews mit Prof. Dr. H., sowie ein Gutachten des Dr. Prof. Dr. M., vom 13.01.1998 (erstattet im Rechtsstreit des SG Düsseldorf S 4 Kr 16/95; Berufungsverfahren des erkennenden Senats L 16 KR 139/98) vorgelegt.
Das SG hat ein Gutachten von Prof. Dr. G., eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 04.05.1998 zusammengefasst ausgeführt, bei der MS handele es sich um eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems, deren Genese noch ungeklärt sei. Übereinstimmung bestehe dahin, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handele, bei der es durch Dysregulation des Immunsystems zu einer Immunreaktion gegen körpereigenes Gewebe komme. Angesichts der beim Kläger bestehenden hohen Schubfrequenz vor der Behandlung sei eine schubprophylaktische Medikation indiziert gewesen. Aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden wissenschaftlichen Veröf fentlichungen sei der Einsatz der verwendeten Immunglobuline hinreichend erfolgversprechend gewesen. Zum Zeitpunkt der Behandlung habe für kein Medikament eine Zulassung zur prophylaktischen Behandlung der MS vom schubförmigen Verlaufstyp bestanden. Das heute zugelassene Betainterferon habe sich damals noch im Stadium klinischer Prüfungen befunden. Auch für Immunsuppressiva habe keine ausdrückliche Zulassung zur Therapie der MS vorgelegen. In Anbetracht dessen und der vergleichsweise nebenwirkungsarmen Therapie mit Immunglobulin habe es keinen Grund zum damaligen Zeitpunkt gegeben, eine andere Medikation dieser vorzuziehen. Immunglobuline würden seit vielen Jahren gelegentlich zur Behandlung der MS ein gesetzt und seien in einer Reihe von wissenschaftlichen Veröffentlichungen als wirksam beschrieben worden. Große placebo-kontrollierte Studien seien geplant und würden in verschiedenen Zentren durchgeführt. Auch wenn die Therapie mit Immunglobulinen noch nicht allgemein anerkannt sei, stelle sie doch in Anbetracht der bereits zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen eine vielversprechende Behandlungsmöglichkeit der MS dar und sollte im Rahmen der allgemein üblichen und akzeptierten Therapiefreiheit angewendet werden. Die Behandlung mit Cortison sei wissenschaft lich anerkannt, aufgrund der zu befürchtenden Nebenwirkung sei sie aber als Dauertherapie sicherlich nicht geeignet. Eine kürzlich publizierte, placebo-kontrollierte Multicenter-Studie habe die Wirksamkeit von Immunglobulinen bzgl. der Reduktion der jährlichen Schubrate bei MS vom schubförmigen Verlauf belegt.
Die Beklagte ist diesem Gutachten mit einer Stellungnahme der Dr.G. vom 31.08.1998 entgegengetreten, die weiterhin die Ansicht vertreten hat, dass auch nach dem Gutachten von Prof. Dr. G. festzuhalten sei, dass der Einsatz von Immunglobulinen bei der Behandlung von MS weiter in Studien geprüft werde und eine abschließende Bewertung daher noch nicht möglich sei. Die Beklagte hat des weiteren die Ansicht vertreten, da das verwendete Immunglobulin nicht für die Behandlung von MS arzneimittelrechtlich zugelassen sei, dürfe es schon aus diesem Grunde nicht zu ihren Lasten verordnet werden.
Mit Urteil vom 17.05.1999 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an den Kläger 21.022,29 DM zu zahlen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 24.06.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 06.07.1999 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, das Medikament Purimmun sei ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel, welches nur zur Substitution bei primären und sekundären Antikörpermangel zuständen, Prophylaxe von Viruserkrankungen bei Risikopatienten und zur Therapie von bakteriellen oder viralen Infektionen zugelassen sei. Eine Zulassung für die Behandlung der MS liege nicht vor und schon aus diesem Grunde könne es nicht zu ihren Lasten verordnet werden. Es stehe auch ein pharmakologischer Nachweis über die Wirkung von Purimmun bei MS noch aus. Die Anwendung zu ihren Lasten bedeute aber eine gesetzwidrige medizinische Forschung durch die Gesetzliche Krankenversicherung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Düsseldorf vom 17.05.1999 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen zum Beweis der Tatsache, dass bei multipler Sklerose die Therapie mit Immunglobulinen die erfolgsversprechendste Behandlungsmöglichkeit darstellt und dass einzig bei dieser Terapie es Hoffnung dahingehend gibt, dass bei multipler Sklerose eine Remyelisierung eintritt, ferner zu der Tatsache, dass die Therapie der multiplen Sklerose mit Immunglobulinen zu der streitgegenständlichen Zeit in Literatur und Praxis eine größere Resonanz und Verbreitung als die Behandlung mit Betaferon, Avonex, sowie Copaxene und die Therapie mit ACTH hatte, weiter hilfsweise, ein biomathematisches Sachverständigengutachten einzuholen zum Beweis der Tatsache, dass die Therapie der multiplen Sklerose mit Immunglobulinen zur streitgegenständlichen Zeit und auch heute statistisch besser gesichert ist als die Therapie mit Betaferon, Avonex sowie Copaxene, die Therapie mit ACTH und auch als die Therapie mit Azathiopren = Imurek, sowie die Einvernahme der Zeugen Prof. I. und Dr. H. zum Beweis der Tatsache anzuordnen, dass diese Immunglobuline bei multipler Sklerose nicht im Rahmen einer eigenständigen Therapie anwenden, sondern diese Therapie vor über 15 Jahren aus angelsächsischer Literatur übernommen haben, sowie der Tatsache, dass die Behauptung, es gebe eine immunmodulatorische Therapie nach Ordinarius a.D. Prof. I. und Dr. H, frei erfunden ist.
Er ist der Auffassung, maßgeblich für die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels sei allein, ob es überhaupt arzneimittelrechtlich zugelassen sei, nicht aber für welche Indikation. Der pharmakologische Nachweis über die Wirkung von Immunglobulinen (Purimmun) bei der Behandlung von MS stehe auch nicht aus. In einer Veröffentlichung von April 1999 habe Prof. Dr. H. erklärt, dass aufgrund von Studien die Immunglobuline die Behandlungsmöglichkeiten seien, die den größten Erfolg versprächen und deren Ergebnisse im Vergleich zu "Interferon B" überzeugend seien. Der Kläger macht des weiteren geltend, wenn die Wirksamkeit der streitigen Behandlung einer lebensbedrohenden Erkrankung wie der MS damit nachgewiesen sei, verstoße es gegen das grundsätzlich geschützte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit und gegen das Sozialstaatsprinzip, eine entsprechende Behandlungsmethode dem Versicherten vorzuenthalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, weil dem Kläger der begehrte Kostenerstattungsanspruch nicht zusteht.
Nach § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) sind dem Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und sich der Versicherte die Leistung deshalb selbst beschafft. Dieser Kostenerstattungsanspruch, der nur ausnahmsweise an die Stelle des Sachleistungsanspruchs, der für die gesetzliche Krankenversicherung prägend ist, tritt, kommt aber nur in dem Umfang in Betracht, in dem die an sich geschuldete Sachleistung aus Gründen eines Systemversagens nicht oder nicht rechtzeitig durch die Krankenkasse erbracht werden kann, begründet aber keine darüber hinausgehende Einstandspflicht letzterer (vgl. Bundessozialgericht – BSG – Sozialrecht – SozR – 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 10 f.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil die 1994/95 erfolgte Behandlung des Klägers mit dem Immunglobulin Purimmun nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zählte und daher von der Beklagten nicht geschuldet worden ist.
Der Senat kann dahinstehen lassen, ob dies schon daraus folgt, dass das verwendete Präparat nicht zur Behandlung der MS arzneimittelrechtlich zugelassen war. Ob eine indikationsbezogene Zulassung für die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels in der gesetzlichen Krankenversicherung erforderlich ist (in diese Richtung, im Ergebnis aber offengelasssen, BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 11 S. 50 ff. – Behandlung mit SKAT -) oder ob es allein darauf an kommt, dass das entsprechende Arzneimittel verschreibungs- und verkehrsfähig ist und der Einsatzbereich der Therapiefreiheit des einzelnen Arztes überlassen bleibt (so im Ergebnis BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 5 S. 9 – Behandlung mit Remedacen -), kann auf sich beruhen, weil es sich bei der Immunglobulin-Therapie zur Heilung von MS um eine neue Behandlungsmethode handelt, über deren Wirksamkeit keine hinreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Behandlung vorlagen.
Nach § 135 Abs. 1 SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Kassen nur abgerechnet werden, wenn der Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der Methode abgegeben hat. Zur medizinischen Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der hier streitigen Therapie hat sich der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bisher nicht geäußert. Ausnahmsweise kann die Leistungspflicht der Krankenkassen trotz der fehlenden Empfehlung des Bundesausschusses gleich wohl gegeben sein, wenn eine geeignete anerkannte Behandlungsmethode (noch) nicht zur Verfügung steht (BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 5 S. 10 f.). Letzteres könnte nach den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. Gehlen zum Zeitpunkt der streitigen Behandlung 1994/95 der Fall gewesen sein, weil nach seinen Ausführungen mit Ausnahme von Cortison kein Medikament für die Behandlung der MS des schubförmigen Verlauftyps zugelassen gewesen ist und die Behandlung mit Cortison wegen der möglichen Nebenwirkungen als Dauertherapie nicht geeignet gewesen sei. Selbst wenn demnach eine anerkannte Behandlungsmethode noch nicht zur Verfügung gestanden haben sollte – auch wenn der Sachverständige die Ungeeignetheit der Cortison-Behandlung des Klägers nicht ausdrücklich bestätigt hat – schuldete die Beklagte die streitige Immunglobulin-Behandlung nicht, weil sie auch in diesem Fall nur die Kosten für eine solche Behandlung zu übernehmen hat, die den Voraussetzungen entspricht, die § 2 SGB V allgemein für die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung aufstellt (BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 5 S. 11; BSG Urt. v. 05.07.1995 – 1 RK 22/94 – Umdr. S. 8).
Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen der Krankenversicherung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und die medizinischen Fortschritte zu berücksichtigen. Mit Einführung dieser Vorschrift ist ein Wandel der Rechtslage gegenüber dem unter Geltung der Reichsversicherungsordnung – RVO – bestehenden Rechtszustand eingetreten (BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 5 S. 11 f.; BSG Urt. v. 06.10.1999 – B 1 KR 13/97 R – Umdr. S. 8 zur Veröffentlichung vor gesehen). Reichte es nach der Rechtsprechung des BSG zum früheren Recht für die Leistungspflicht der Krankenkasse aus, dass, sofern anerkannte Behandlungsmöglichkeiten fehlten oder im Einzelfall ungeeignet waren, die Wirksamkeit einer vom behandelnden Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst in Betracht gezogene Behandlungsmaßnahme nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft für möglich gehalten werden mußte (vgl. die Nachweise bei BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 5 S. 11), folgt nunmehr aus der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V, dass ein nur möglicher Behandlungserfolg grundsätzlich nicht geeignet ist, die krankenversicherungsrechtliche Lei stungspflicht zu begründen (BSG wie vor S. 12; BSG Urt. v. 06.10.1999 – B 1 KR 13/97 R – Umdr. S. 9).
Ein solcher Wirksamkeitsnachweis für die Behandlung der MS mittels Immunglobulinen fehlte 1994/95. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des Ergebnisses der gesamten Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren fest. Wie der Sachverständige Prof.Dr. G. ausgeführt hat, wurde allein aufgrund von wissenschaftlichen Veröffentlichungen in Form von Einzelfallbeschreibungen sowie aufgrund nur einer nicht placebo-kontrollierten (doppelblind) Studie der Einsatz der verwendeten Immunglobuline als er folgversprechend angesehen. Auch aus dem vom Kläger ins Verfahren eingeführten, in einem Parallelstreitverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. M. vom 13.01.1998 ergibt sich, dass lediglich einige Doppelblindstudien inzwischen abgeschlossen worden sind, ohne dass die streitige Behandlung mit Immunglobulinen bei der MS eine allgemeine Akzeptanz erfahren hat (siehe dazu auch Harrisons, Innere Medizin, 14. Auflage, S. 2842). Dem entspricht es, dass Dr. P in seinem Arztbrief vom 29.08.1994 ausgeführt hat, dass es sich immer klarer abzeichne, dass bei Autoimmunerkrankungen "die Therapie nach Namen durch eine Therapie nach individuellen klinischen und immunologischen Befunden abgelöst werden müsse". Daraus folgt gerade, dass eine verlässliche, wissenschaftliche Grundlage für den Wirksamkeitsnachweis der MS-Behandlung mit Purimmun 1994/95 nicht gegeben gewesen ist. Selbst das vom Kläger im Berufungsverfahren angeführte Zitat des Prof. Dr. H. weist nur auf eine erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeit. In dem vom Kläger vorgelegten Auszug aus der Pharmazeutischen Zeitung Nr. 15 vom 15.04.1999 ist dazu ebenfalls ausgeführt, dass auch Prof. Dr. H. nicht wisse, wie die therapeutische Wirkung von Immunglobulinen bei Autoimmunkrankheiten zustande komme. Demnach kann aber der Behandlungserfolg einer Therapie mit Immunglobulin bei MS des schubförmigen Verlauftyps nur als möglich, nicht aber als hinreichend wissenschaftlich gesichert angesehen werden. Dass die Behandlung im Fall des Klägers tatsächlich Erfolg gezeigt hat, ist dabei ohne Bedeutung, weil maßgeblich der Nachweis der generellen Wirksamkeit einer Behandlungsmethode ist (BSG wie vor).
Ein entsprechend geführter Wirksamkeitsnachweis könnte nur dann entbehrlich sein, wenn sich die Methode in der medizinischen Praxis bereits durchgesetzt hat, was nur der Fall ist, wenn die Methode in der medizinischen Fachdiskussion eine breite Resonanz gefunden hat und von einer erheblichen Zahl von Ärzten angewandt wird (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 27). Davon kann 1994/95 aber nicht ausgegangen werden. Dr. Ihle hat selbst darauf hingewiesen, daß nur in seiner Praxis sowie einer weiteren Gemeinschaftspraxis in Berlin nach seinem Kenntnisstand ausreichende Kenntnisse über eine entsprechende Behandlung vorlägen. Der Sachverständige Prof. Dr. G. wie auch Prof. Dr. M. haben darauf hingewiesen, dass sich die Behandlung der MS mit Immunglobulin bisher nicht allgemein durchgesetzt habe.
Soweit das SG insoweit meint, vor Aufnahme einer Methode in die Richtlinien nach § 92 SGB V würde die Anwendung der Therapie regelmäßig gegen Null tendieren, übersieht es, dass die tatsächliche Durchsetzung einer Behandlungsmethode nur ausnahmsweise den Wirksamkeitsnachweis ersetzen kann und die fehlende Akzeptanz in der medizinischen Praxis daher nicht die Anforderungen an den Wirksamkeitsnachweis als solchen herabzusetzen vermag. Die bloße Resonanz der wissenschaftlichen Diskussion reicht aber gerade nicht aus, diesen Wirksamkeitsnachweis zu führen, da nur die praktische Anwendung einer Therapie Belege für deren Behandlungserfolge erbringen kann, da regelmäßig davon auszugehen ist, daß nur solche Therapien in großem Umfang zum Einsatz kommen, die auch entsprechende Erfolge nach sich ziehen (vgl. dazu BSG Urt. v. 16.09.1997 – 1 RK 17/95 – Umdr. S. 18 f.).
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Beschränkung des Krankenbehandlungsanspruchs des Versicherten aus der gesetzlichen Krankenversicherung wie auf solche Leistungen, die dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, vermag der Senat nicht zu erkennen, zumal ein verfassungsrechtlich garantierter Anspruch auf eine bestimmte Behandlungsmethode nicht besteht.
Der Senat hat auch keine Veranlassung gesehen, weitere Ermittlungen entsprechend den Hilfsanträgen des Klägers durchzuführen. Soweit er die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den Fragen begehrt, ob bei der Behandlung der MS die Therapie mit Immunglobulinen die erfolgversprechendste Therapie darstelle und diese allein die Hoffnung beinhalte, eine Remyelisierung herbeizuführen, war dem nicht zu entsprechen, weil es nach vorstehenden Darlegungen nicht darauf ankommt, ob eine bestimmte Behandlungsmethode, die erfolgversprechendste Therapie darstellt, sondern allein wesentlich die Frage ist, ob die generelle Wirksamkeit einer Methode nachgewiesen ist. Aus diesem Grund ist es auch ohne Bedeutung, ob die Therapie der MS mit Immunglobulinen zur streitgegenständlichen Zeit eine größere Resonanz und Verbreitung als die Behandlung mit anderen Medikamenten gefunden hatte, weil es nicht auf ein solches Verhältnis ankommt, sondern allein maßgeblich ist, ob die Methode für sich eine breite Resonanz gefunden hat und von einer erheblichen Zahl von Ärzten angewandt wird, was nach obigen Darlegungen zum Zeitpunkt der Behandlung nicht der Fall gewesen ist.
Ebenso wenig bedurfte es der Klärung, ob die (Wirksamkeit der) Therapie der MS mit Immunglobulinen im Behandlungszeitraum statistisch besser gesichert war als andere Behandlungsmethoden, denn auch insoweit ist allein bedeutsam, dass die Wirksamkeit der Therapie im Behandlungszeitraum nach dem anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft als gesichert angesehen werden kann, so dass kein Anlass für die Einholung eines biomathematischen Gutachtens bestand.
Schließlich brauchten Prof. Dr. I. und Dr. H. nicht zu der Frage gehört werden, ob sie eine eigenständige Therapie anwenden oder lediglich eine solche aus der angelsächsischen Literatur übernommen haben, da letzteres zu Gunsten des Klägers unterstellt werden kann. Auch wenn eine immunmodulatorische Therapie "nach Prof. Dr. I. und Dr. H." nicht zum Einsatz gekommen ist, ändert dies nichts daran, dass die streitige Therapie mit Immunglobulinen mangels ausreichendem Wirksamkeitsnachweis nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitpunkt der Behandlung zählte.
Auf die Berufung der Beklagten musste das Urteil des SG daher abgeändert und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Erstellt am: 20.08.2003
Zuletzt verändert am: 20.08.2003