Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 18.03.1999 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG).
Der Beklagte stellte bei dem am 20.09.1943 geborenen Kläger unter Berücksichtigung einer Heilungsbewährung nach einem Herzinfarkt vom 05.02.1990 einen GdB von 50 (Bescheid vom 15.08.1990) und nach Ablauf der Heilungsbewährung einen GdB von 30 fest (Bescheid vom 28.04.1992). Einen Erhöhungsantrag vom 06.12.1993 lehnte der Beklagte zunächst mit Bescheid vom 19.04.1994 ab, stellte dann aber mit Teilabhilfebescheid vom 08.11.1994 einen GdB von 40 fest. Da bei ging er von einer Herzinfarktnarbe und einer durchgeführten Ballonerweiterung (Einzel-GdB 30) und neu aufgetretenen Durchblutungsstörungen der Beine, Stadium II (Einzel-GdB 20) aus.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 11.08.1995 hat der Kläger am 12.09.1995 Klage erhoben.
Er hat beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 19.04.1994 in Gestalt des Abhilfebescheides vom 08.11.1994 sowie des Widerspruchsbescheides vom 11.08.1995 zu verurteilen, bei dem Kläger ab Dezember 1993 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht (SG) hat zunächst einen Befundbericht von dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. G … vom 26.01.1996 und einen Bericht des Klinikums Lippe Detmold über eine stationäre Behandlung vom 20.11.1995 bis 21.11.1995 beigezogen und dann ein Gutachten durch den Internisten Dr. Z … vom 24.07.1996 erstatten lassen. Dieser Sachverständige hat eine Herzinfarktnarbe mit einem GdB von 30, arterielle Durchblutungsstörungen der Beine mit einem GdB von 20 und den Gesamt-GdB mit 40 bewertet. Im Oktober kam es zu einer Arterienastembolie des linken Auges mit teilweisem Gesichtsfeldausfall. Im Dezember 1996 erfolgte eine weitere Ballondilatation des Herzens und eine Stentimplantation. Hierüber liegen Befundberichte von Dr. G … vom 16.01.1997 bzw. des Augenarztes Dr. H … vom 21.11.1996 vor. Es wurden ferner beigezogen der Entlassungsbericht über ein Heilverfahren vom 13.05.1997 bis 03.06.1997, ein Bericht des Klinikums L … D … über eine stationäre Behandlung vom 08. bis 10.12.1997 und ein Arztbrief des Kardiologen Dr. P … vom 25.03.1998. In einem weiteren Gutachten vom 05.10.1998 bestätigte der Sachverständige Dr. Z … sei ne bisherige Beurteilung des GdB mit 40. Hierbei verblieb der Sachverständige auch in einer ergänzenden Stellungnahme vom 01.02.1999, nachdem der Kläger einen weiteren Bericht des Kardiologen Dr. P … vom 12.11.1998 vorgelegt hatte.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18.03.1999 abgewiesen. Es hat sich der Beurteilung des Sachverständigen Dr. Z … angeschlossen.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 03.05.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.06.1999 Berufung eingelegt. Er meint, sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Detmold vom 18.03.1999 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 08.11.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.1995 zu verurteilen, einen GdB von 50 ab Dezember 1993 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für richtig.
Im Berufungsverfahren hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Prof. Dr. T … vom Klinikum Lippe Detmold am 20.04.2000 ein weiteres internistisches Gutachten erstattet. Der Sachverständige hat für periphere Durchblutungsstörungen im Stadium II mit einer Gehstrecke von etwa 500 m einen GdB von 20, für eine arterielle Hypertonie, auch im Zusammenhang mit der Arterienastembolie des linken Auges, ebenfalls einen GdB von 20 und für einen Herzschaden mit deutlichem Schwitzen, Tachy- und Dyspnoe schon bei leichter körperlicher Arbeit einen GdB von 40 angenommen. Den Gesamt-GdB hat er mit 50 bewertet. Der Beklagte hat sich unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 31.05.2000 gegen diese Beurteilung gewandt. Er geht für die Herzerkrankung einschließlich Bluthochdruck von einem GdB von 40 und für die arterielle Verschlusskrankheit der Beine von einem GdB von 20 aus und bewertet den Gesamt-GdB mit 40. Der Sachverständige Dr. Z … ist in einer ergänzenden Stellungnahme vom 07.08.2000 ebenfalls zu einem Gesamt-GdB von 40 gekommen, wobei er für die Herzerkrankung einen höheren GdB als 30 nicht für vertretbar hält und bei der arteriellen Verschlusskrankheit weiterhin von einem GdB von 20 ausgeht.
Nachdem mit Ablauf des Jahres 2000 das Landesversorgungsamt (LV) für das Land NRW aufgelöst worden ist und die dem LV durch Gesetz und Rechtsverordnungen übertragenen Aufgaben der Bezirksregierung Münster übertragen worden sind (Art. 1 § 3 des 2. Modernisierungs gesetzes des Landes NRW vom 09.05.2000, GVBl NW S. 462 – 2. ModernG -), hat der Senat gegenüber den Beteiligten Bedenken geäußert, ob der Beklagte im Hinblick auf § 71 Abs. 5 SGG durch die Bezirksregierung Münster ordnungsgemäß vor dem Landessozialgericht vertreten ist. Der Beklagte und die Beigeladene haben mitgeteilt, dass sie solche Bedenken nicht teilen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Streitakte sowie auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Sache entscheiden, obwohl der Beklagte vor dem Landessozialgericht (LSG) durch die Bezirksregierung Münster und nicht – wie es der Wortlaut des § 71 Abs. 5 SGG fordert – durch das LV vertreten wird (Art. 1 § 2 des 2. ModernG).
Das dem beklagten Land NRW kraft seiner Organisationsgewalt zu stehende Recht, die Art seiner Vertretung vor Gericht selbst zu bestimmen, ist durch § 71 Abs. 5 SGG eingeschränkt. Danach wird in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung (KOV) einschließlich des übrigen sozialen Entschädigungsrecht – und in Verbindung mit der Verweisungsvorschrift des § 4 Abs. 6 Satz 2 SchwbG auch in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts – das Land durch das LV vertreten, und zwar nur durch dieses (BSG Urteile vom 10.03.1964 – 9 RV 746/63, vom 19.12.1967 – 8 RV 517/67). Eine Vertretung durch die Bezirksregierung Münster kommt daher nur in Betracht, wenn sie im Sinne von § 71 Abs. 5 SGG als LV angesehen werden kann. Dazu reicht es allerdings nicht aus, dass die Abteilung 10 der Bezirksregierung, die mit den Aufgaben der bisherigen Versorgungsverwaltung befasst ist, den Namen "Soziales und Arbeit, Landesversorgungsamt" trägt (Beschluss der Landesregierung vom 28.11.2000; Schreiben des Innenministeriums – IM – an das LSG vom 06.12.2000 – Az.: VA 3-32.10/36.10/50.20. -).
Nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung (ErrichtG) in der Fassung vom 12.03.1951 wurden die Versorgungsämter und Landesversorgungsämter von den Ländern als besondere Verwaltungsbehörden errichtet. Nach dem § 1 Abs. 2 ErrichtG durch das 2. Zuständigkeitslockerungsgesetz vom 03.05.2000 aufgehoben worden ist, braucht das LV keine besondere Verwaltungsbehörde mehr zu sein, muss jedoch den übrigen Anforderungen des ErrichtG weiterhin entsprechen. So sollen die Beamten und Angestellten der Versorgungsverwaltung für ihre Aufgaben besonders geeignet sein (§ 4 ErrichtG); das LV muss der für die KOV zuständigen obersten Landesbehörde unterstehen (§ 3 ErrichtG).
Der Senat hat Zweifel, ob die letztgenannte Voraussetzung weiter hin vorliegt. Der Begriff "unterstehen" in § 3 ErrichtG erfasst die Zuständigkeit der für die KOV (und auch für das übrige soziale Entschädigungsrecht und für das Schwerbehindertenrecht) zuständigen obersten Landesbehörde – in NRW des Ministeriums für Arbeitund Soziales, Qualifikation und Technologie (MASQT) – sowohl für die Dienst- als auch für die Fachaufsicht (so auch die Beigeladene im Schriftsatz vom 26.01.2001 – Az.: VI a 3-64 300/1). Abweichend von dieser gesetzlichen Regelung gilt jedoch für die Bediensteten der Abteilung 10 der Bezirksregierung Münster, die gem. Art. 1 § 3 des 2. ModernG nunmehr die Aufgaben des früheren LV wahrnimmt, dass weitgehend nicht mehr das MASQT, sondern das IM oberste Landesbehörde ist. So ist zwar das MASQT weiterhin oberste Dienstbehörde für die Bediensteten, die versorgungsfachliche Aufgaben wahrnehmen und hierfür eine spezielle Ausbildung besitzen. Darüberhinaus bleibt das MASQT gem. § 2 des 2. ModernG für die Beamten des höheren allgemeinen Verwaltungsdienstes und vergleichbar Angestellte, die bisher im LV beschäftigt waren, vorerst nur noch für eine Übergangszeit von 5 Jahren nach Inkrafttreten des 2. ModernG oberste Dienstbehörde. Für die übrigen Bediensteten der allgemeinen Verwaltung in den anderen Laufbahngruppen ohne eine spezielle Ausbildung für den Versorgungsbereich ist das IM schon jetzt oberste Dienstbehörde i. S. v. § 3 Abs. 1 Landesbeamtengesetz (LBG). Gleiches gilt für Bedienstete, die Querschnittaufgaben (Organisations- Personal und Haushaltsangelegenheiten, Registratur- Schreib- und Fahrdienst) im LV innehatten und nicht dem höheren allgemeinen Verwaltungsdienst angehören (Schreiben des IM an das LSG vom 06.12.2000 aaO). Auch die Ernennung und Bestellung von Bediensteten in Leitungsfunktionen innerhalb der Abteilung 10 -Abteilungsleiter, Hauptdezernenten, Dezernenten- obliegt dem IM. Zwar ist hinsichtlich des Abteilungsleiters und der Hauptdezernenten ein Einvernehmen mit dem MASQT herzustellen (§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 6 der Geschäftsordnung für die Bezirksregierungen des Landes NRW); dadurch werden dem MASQT jedoch nur eingeschränkte Einfluss möglichkeiten auf die personelle Ausgestaltung der Abteilung 10 eingeräumt.
Ob bei dieser weitgehenden Übertragung von Befugnissen des MASQT auf das IM das "Landesversorgungsamt" noch organisationsrechtlich im Sinne von § 3 ErrichtG der für die KOV zuständigen obersten Landesbehörde – nämlich dem MASQT – untersteht, muss bezweifelt werden, kann für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits aber dahingestellt bleiben. Denn an § 71 Abs. 5 SGG sind nach Auffassung des Senats nicht die gleichen Anforderungen zu stellen wie an § 3 ErrichtG. Sinn und Zweck dieser verfahrensrechtlichen Vorschrift gebieten es vielmehr, den Begriff "Landesversorgungsamt" eine von § 3 ErrichtG abweichende Bedeutung beizumessen.
Bei Schaffung des SGG im Jahre 1953 bestand bereits seit etwa 2 Jahre eine nach Maßgabe des ErrichtG vom 12.03.1951 aufgebaute Versorgungsverwaltung. Wenn der Gesetzgeber die Vertretung der Bundesländer vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit damals ausschließlich dem LV übertragen hat, dann ersichtlich mit dem Ziel, die auf dem Gebiet der KOV fachkundigste Stelle zu betrauen. Übertragen auf die gegenwärtigen Verhältnisse bedeutet dies nach Auffassung des Senats, dass die Bezirksregierung Münster mit ihrer Abteilung 10 "Arbeit und Soziales, Landesversorgungsamt" als die auf dem Gebiet des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts fachkundigste Stelle der Verwaltung des Landes- jedenfalls in der jetzigen Ausgestaltung – zu alleinigen Vertretung des Landes berufen ist. Eine weitergehende Bedeutung hat § 71 Abs. 5 SGG nicht. Insbesondere würde es dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift widersprechen, die Vertretung des Landes unabhängig von der zukünftigen Struktur der Versorgungsverwaltung allein nach dem Aufbau der Landesbehörden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des SGG auszurichten. Das gilt nach Auffassung des Senats auch dann, wenn die Auflösung des LV und die Übertragung seiner Aufgaben auf die Bezirksregierung Münster gem. § 3 des 2. ModernG des Landes NRW – wofür manches spricht – gegen die bundesgesetzliche Regelung des § 3 ErrichtG in der Fassung von Art. 25 des 2. Zuständigkeitsverordnungsgesetzes vom 03.05.2000 verstößt.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger steht kein höherer GdB (§ 3 SchwbG) als 40 zu. In den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 28.04.1992 zugrundeliegen, ist zwar insofern eine wesentliche Änderung (§ 48 Sozialgesetzbuch 10 – SGB X -) eingetreten, als der Kläger durch eine arterielle Verschlusskrankheit der Beine zusätzlich behindert ist. Diesem Umstand hat der Beklagte aber dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass er mit Abhilfebescheid vom 08.11.1994 den Gesamt-GdB von 30 auf 40 erhöht hat. Weitere wesentliche Verschlechterungen des Gesundheitszustandes sind nicht eingetreten.
Der Kläger ist nach wie vor am stärksten behindert durch Gesundheitsstörungen des Funktionssystems Herz- Kreislauf. Die koronare Herzerkrankung des Klägers hat zwar zu dem Herzinfarkt vom 05.02.1990 geführt. Auch ist es danach zu weiteren Herzkranzgefäß verengungen gekommen. Dilatationsbehandlungen von 1990 und 1996 und die Stentimplantation vom 09.12.1996 haben jedoch jeweils zu einer solchen Besserung und Stabilisierung der Herzfunktion geführt, dass insoweit sowohl zur Zeit des letzten bindend gewordenen Bescheides vom 28.04.1992 wie auch weiterhin kein dauernder GdB von mehr als 30 vorlag bzw. vorliegt.
Die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AP) 1996 sehen auf Seite 87 einen GdB-Rahmen von 20 bis 40 bei pathologischen Messdaten bei einer Ergometerbelastung von 75 Watt vor. Der artige Daten, insbesondere Ischämiezeichen, sind aber bei sämtlichen durchgeführten Belastungs-EKGs nicht festgestellt worden, obwohl die jeweils höchste Ergometerbelastung mindestens 75 Watt, meist aber sogar wesentlich mehr betragen hat: Klinik M … B … L … April 1991, 150 Watt; Klinikum L … D … Mai 1994, 75 Watt; Klinik M … B … L … November 1994, 100 Watt; Untersuchung Dr. Z … Juli 1995, 125 Watt, R …-K … W … B … N … Mai 1997, 75 Watt; Untersuchung Kardiologe Dr. P … März 1998, 125 Watt; 2. Untersuchung Dr. Z … September 1998; 150 Watt; Untersuchung Kardiologe Dr. P … November 1996, 165 Watt; Untersuchung Prof. Dr. T … Januar 2000, 175 Watt. Diese Daten sprechen für sich sogar für einen GdB von unter 20, keinesfalls rechtfertigen sie einen GdB der den im Hinblick auf den vom Kläger vorgetragenen Beschwerden in Betracht kommenden Rahmen von 20 bis 40 voll ausfüllt.
Andere wesentliche, den GdB beeinflussende pathologische Erscheinungen im Bereich des Funktionssystems Herz-Kreislauf liegen weder bei Erlass des Bescheides vom 28.04.1992 noch während der Zeit danach vor. Das gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung eines von Dr. G … im Befundbericht vom 16.01.1997, im Entlassungsbericht der R …-K … W … vom 22.07.1997 und dem Gutachten von Prof. Dr. T … vom 20.04.2000 erwähnten Hypertonie. Denn die in diesen ärztlichen Unterlagen mitgeteilten Blutdruckwerte betragen 130/80 bzw. 140/85 bzw. 142/91; der durchschnittliche Wert aufgrund einer Langzeitmessung durch Dr. T … beträgt 124/81. Auch die Angaben anderer Ärzte beinhalten normale Blutdruckwerte: Klinikum L … D … am 30.05.1994: 130/70 und am 27.11.1995: 110/80, Dr. G … am 26.01.1996: 120/70, Dr. Z … am 24.07.1996: 120/80, Dr. G … am 16.01.1997: 130/80, R …-K … W … am 22.07.1997: 140/85, Dr. Z … am 05.10.1998: 140/80, Dr. P … am 12.11.1998: 140/90. Die AP 1996 (S. 92) sehen einen GdB von 20 und mehr für eine Hypertonie erst vor, wenn der diastolische Blutdruck mehrfach über 100 mmHg gelegen hat. Eine Bluthochdruckkrankheit kann angenommen werden, wenn sich systolische Werte von mindestens 160 oder diastolische von mindestens 95 bei mehrfacher Messung unter Ruhebedingung konstant nachweisen lassen (AP 1996, S. 268). Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor.
GdB-erhöhend sind auch nicht die Ballondilatationen zu berücksichtigen. Nach den ab 01.01.1997 geltenden AP 1996 (S. 88) ist der GdB-Grad nach operativen und anderen therapeutischen Eingriffen am Herzen – wobei die Ballondilatation als Beispiel ausdrücklich auf geführt wird – von der bleibenden Leistungsbeeinträchtigung abhängig. Diese rechtfertigt aber -wie oben dargelegt- keinen höheren GdB als 30. Die Zeit bis 31.12.1996 ist zwar zu beachten, dass nach den AP 1983 (S. 67) bei koronarchirurgischen Eingriffen – wozu auch die Stentimplantation vom 09.12.1996 zählt – der GdB nicht niedriger als mit 30 zu bewerten ist. An diese Vorgabe hat der Beklagte sich jedoch auch gehalten.
Wenn Prof. Dr. T … dennoch – sogar neben einem GdB von 20 für eine arterielle Hypertonie – einen Teil-GdB von 40 für einen "Herzschaden mit deutlichem Schwitzen, Tachy- und Dyspnoe schon bei leichter körperlicher Arbeit" annimmt, so kann dies schon auf grund der von Prof. Dr. T … selbst erhobenen Befunde nicht überzeugen. In der Anamnese ist von "ab und zu Nachtschweiß" und "ca. wöchentlichen pectanginösen Beschwerden" die Rede. Ansonsten wird die beim Belastungs-EKG festgestellte gute Belastbarkeit durch die im täglichen Alltag tatsächlich erfolgende Belastung nur bestätigt: Koronarsport, Gartenarbeiten und Heben von 20-30 kg während der Arbeit. Dass bei diesen Tätigkeiten etwa Beschwerden auftreten, wird nicht vorgetragen. Zusätzlich verliert das Gutachten von Prof. Dr. T … dadurch an Überzeugungskraft, dass er den GdB von 50 unter dem Gesichtspunkt der Heilungsbewährung zugestehen möchte und dass nach Auffassung des Sachverständigen der Kläger deutlich beeinträchtigt gewesen wäre, wenn nicht durch die Interventionen eine Stabilisierung bzw. Besserung eingetreten wäre. Der GdB von 50 wird somit unzulässigerweise für eine Behinderung zugesprochen, die gerade durch eine erfolgreiche ärztliche Behandlung vermieden worden ist, die also in diesem Umfang gar nicht vorliegt.
Die arterielle Verschlusskrankheit der Beine ergibt nach allen ärztlichen Beurteilungen übereinstimmend einen GdB von 20, wovon auch die Prozessbeteiligten ausgehen und was bereits im Teilabhilfebscheid vom 08.11.1994 seine Niederschlag gefunden hat. Dieses Ergebnis entspricht dem Beurteilungsrahmen der AP 1996 (S. 90): danach ergibt eine arterielle Verschlusskrankheit an den Beinen bei einer schmerzfreien Gehstrecke in der Ebene von über 500 m einen GdB von 20. So ist auch die Leistungsbeeinträchtigung beim Kläger. Nach dem Bericht des Klinikums L … D … von Mai 1994 betrug die Gehstrecke in der Ebene 2000 m. Im November 1995 gab der Kläger in der selben Klinik an, er habe schon nach 200 m Wadenschmerzen; allerdings heißt es in dem Bericht dieser Klinik vom 27.11.1995, zwischen dem vom Patienten geäußerten Befund und dem minimalen dopplersonographischen Befund bestehe eine Divergenz.
Gegenüber Dr. Z … gab der Kläger am 23.07.1995 an, die Gehstrecke betrage ungefähr 500 m. Prof. Dr. T … geht in seinem Gutachten von 20.04.2000 gleichfalls von einer Gehstrecke von etwa 500 m aus. Bei diesem Sachverhalt ist nicht nachgewiesen, dass die schmerzfreie Gehstrecke in der Ebene 500 m oder weniger beträgt; erst bei einer schmerzfreien Gehstrecke in der Ebene von 100 m bis 500 m käme ein GdB von 30 bis 40 in Betracht (AP aaO).
Eine dauernde Behinderung ergibt sich nicht aufgrund der von dem Augenarzt Dr. H … in dem Befundbericht vom 21.11.1996 mitgeteilten Arterienastembolie des linken Auges von Oktober 1996. Eine relevante Sehschärfenminderung lag schon damals nicht vor. Wie stark sich der Gesichtsfeldausfall seinerzeit ausgewirkt hat, ist nicht bekannt. Jedenfalls lag bei der Untersuchung durch Dr. Z … am 10.09.1998 gar keine Sehstörung mehr vor. Eine über 6 Monate dauernde, den Gesamt-GdB erhöhende Behinderung ist nicht nachgewiesen.
Es bleibt somit bei dem bereits im Bescheid vom 28.04.1992 für das Funktionssystem Herz-Kreislaus festgestellten Einzel-GdB von 30, der sich unter Berücksichtigung der arteriellen Verschlusskrankheit der Beine (GdB 20) auf den mit Teilabhilfebescheid vom 08.11.1994 festgestellten Gesamt-GdB von 40 erhöht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da die Rechtssache im Hinblick auf die Auslegung des § 71 Abs. 5 SGG grundsätzliche Bedeutung hat.
Erstellt am: 17.08.2003
Zuletzt verändert am: 17.08.2003