Die Klagen werden abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versorgung der im Januar 1968 geborenen Klägerin mit Zahnersatz nach Maßgabe der Bestimmungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V).
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes verweist die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 136 Abs 2 S 1 SGG auf die Ausführungen auf Seite 2 (dort unter "Sachverhalt") des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 20. Juni 2019, mit dem diese den Widerspruch der anwaltlich vertretenen Klägerin vom 11. April 2019 gegen die sozialverwaltungsbehördliche Entscheidung der Beklagten vom 20. März 2019, mit der diese die Gewährung des doppelten Festzuschusses abgelehnt und mit Verfügung vom 26. März 2019 den Heil- und Kostenplan vom 26. Februar 2019 mit dem einfachen Festzuschuss in Höhe eines Betrages von 1.636,18 Euro genehmigt hatte, als unbegründet zurückwies. Wegen der Begründung der Beklagten verweist die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 136 Abs 2 S 1 SGG auf die Ausführungen auf Seite 2 (dort unter "Begründung") bis Seite 3 (dort bis zu dem letzten Absatz) des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 20. Juni 2019.
Mit Schriftsatz vom 02. Juli 2019 – bei dem Sozialgericht Neuruppin am gleichen Tage eingegangen – hat die anwaltlich vertretene Klägerin bei dem erkennenden Gericht Klage erhoben, mit der sie ihr auf Versorgung mit Zahnersatz unter Gewährung des doppelten Festzuschusses gerichtetes Begehren weiter verfolgt, ohne dass die Klage – trotz entsprechender gerichtlicher Aufforderung – begründet worden oder ein Antrag gestellt worden ist.
Die Beklagte hat ebenfalls keinen Antrag gestellt und sich ebenfalls inhaltlich nicht geäußert.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 21. April 2020 zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Prozessakte sowie auf die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klagen, über die die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden konnte, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, der Sachverhalt geklärt ist, die Beteiligten gemäß § 105 Abs 1 S 2 SGG zuvor mit gerichtlicher Verfügung vom 21. April 2020 zu dieser beabsichtigten Entscheidungsform ordnungsgemäß angehört worden sind, eine ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten hierzu nicht erforderlich ist und weil das Gericht – ebenso wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung – weder zur vorherigen Darstellung seiner Rechtsansicht (vgl Bundessozialgericht, Beschluss vom 03. April 2014 – B 2 U 308/13 B, RdNr 8 mwN) noch zu einem vorherigen umfassenden Rechtsgespräch verpflichtet ist (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R, RdNr 23), haben keinen Erfolg.
1. Das Begehren der Klägerin versteht die Kammer nach Maßgabe von § 123 SGG auch ohne Klagebegründung – sinnentsprechend und großzügig – als gerichtet auf die Aufhebung der mit dem Bescheid der Beklagten vom 20. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2019 verlautbarten ablehnenden Verfügung der Beklagten und auf Verurteilung der Beklagten zur Versorgung mit Zahnersatz unter Gewährung des doppelten Festzuschusses. Das so verstandene Begehren der Klägerin ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft (vgl § 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG, § 54 Abs 4 SGG sowie § 56 SGG) und auch im Übrigen zulässig.
2. Die zulässigen Klagen sind jedoch unbegründet.
a) Die mit der Leistungsklage kombinierte Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG ist unbegründet, weil die angegriffenen Verfügungen im Ergebnis rechtmäßig sind und die Klägerin durch sie nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert ist (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG). Denn die Klägerin hat im Ergebnis keinen Anspruch auf die begehrte Versorgung. Es fehlt jedenfalls schon an einem zur Begründung des konkreten Versorgungsanspruchs notwendigen Heil- und Kostenplan (dazu aa)), weil dessen Genehmigung nicht mehr wirksam ist (dazu bb)).
aa) Nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V haben Versicherte – wie die Klägerin – Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua zahnärztliche Behandlung (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB V) und Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 2a SGB V). Die zahnärztliche Behandlung ihrerseits umfasst die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden (§ 28 Abs 2 S 1 SGB V). Der Anspruch auf Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) ist in den §§ 55 ff SGB V näher geregelt. Nach der Regelung des § 55 Abs 1 S 1 SGB V haben Versicherte nach den Vorgaben in § 55 Abs 1 S 2 SGB V bis § 55 Abs 1 S 7 SGB V Anspruch auf diese Leistungen in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs 1 SGB V anerkannt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) bestimmt in Richtlinien die Befunde, für die Festzuschüsse nach § 55 SGB V gewährt werden und ordnet diesen prothetische Regelversorgungen zu (§ 56 Abs 1 SGB V). Maßgaben hierfür ergeben sich ihrerseits aus § 56 Abs 2 SGB V. Der GBA kann von den Vorgaben des dortigen § 56 Abs 2 S 5 SGB V bis § 56 Abs 2 S 8 SGB V abweichen und die Leistungsbeschreibung fortentwickeln (§ 56 Abs 2 S 12 SGB V). Der GBA hat hierzu die Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen erlassen (Zahnersatz-Richtlinie vom 08. Dezember 2004, BAnz 2005 Nr 54 S 4094, mWv 01. Januar 2005; zuletzt geändert am 18. Februar 2016, BAnz AT 03. Mai 2016 B1 mWv 04. Mai 2016; vgl zu alledem auch Bundessozialgericht, Urteil vom 27. August 2019 – B 1 KR 9/19 R, RdNr 10).
Zudem wird der Anspruch Versicherter auf Zahnersatzleistungen daneben auch durch § 87 Abs 1a SGB V näher geregelt. § 87 Abs 1a S 2 ff SGB V bestimmt, dass im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) folgende Regelungen zu treffen sind: Der Vertragszahnarzt hat vor Beginn der Behandlung einen kostenfreien Heil- und Kostenplan (HKP) zu erstellen, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächlich geplante Versorgung auch in den Fällen des § 55 Abs 4 SGB V und § 55 Abs 5 SGB V nach Art, Umfang und Kosten beinhaltet (§ 87 Abs 1 a S 2 SGB V). Im HKP sind Angaben zum Herstellungsort des Zahnersatzes zu machen (§ 87 Abs 1 a S 3 SGB V). Der HKP ist von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung zu prüfen (§ 87 Abs 1 a S 4 SGB V). Die Krankenkasse kann den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung begutachten lassen (§ 87 Abs 1 a S 5 SGB V). Bei bestehender Versorgungsnotwendigkeit bewilligt die Krankenkasse die Festzuschüsse gemäß § 55 Abs 1 SGB V oder § 55 Abs 2 SGB V entsprechend dem im HKP ausgewiesenen Befund (§ 87 Abs 1 a S 6 SGB V). Nach Abschluss der Behandlung rechnet der Vertragszahnarzt die von der Krankenkasse bewilligten Festzuschüsse mit Ausnahme der Fälle des § 55 Abs 5 SGB V mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung ab (§ 87 Abs 1 a S 7 SGB V; vgl zu alledem auch Bundessozialgericht, Urteil vom 27. August 2019 – B 1 KR 9/19 R, RdNr 11).
Wie das Bundessozialgericht bereits ausführlich und überzeugend dargelegt hat, weshalb die Kammer ihm auch insoweit folgt, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte, dem Sinn und Zweck sowie dem systematischen Zusammenhang der §§ 55, 87 Abs 1a SGB V, dass die Bewilligung des Festzuschusses vor der Behandlung zu erfolgen hat. Dies allein sichert den mit der Genehmigung des HKP verfolgten Zweck – die Einhaltung der Grundsätze der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Die Krankenkasse soll – anders als bei der ärztlichen Behandlung im Übrigen – Gelegenheit haben, die vorgesehene Versorgung mit Zahnersatz vorab zu überprüfen und gegebenenfalls begutachten zu lassen, um auf diesem Wege die Inanspruchnahme der in aller Regel mit hohen Kosten verbundenen Zahnersatzleistungen – auch im Interesse des Versicherten – steuern zu können (Bundessozialgericht, Urteil vom 27. August 2019 – B 1 KR 9/19 R, RdNr 12 mwN).
Gleiches gilt im Ergebnis unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots für die Befristung der Genehmigung des HKP. Denn dem HKP ist immanent, dass er sich auf eine unmittelbar bevorstehende, nur durch das Genehmigungsverfahren hinausgeschobene vertragszahnärztliche Behandlung bezieht. Die Befristung der Genehmigung soll insbesondere dafür Sorge tragen, dass die nach dem HKP geplante vertragszahnärztliche Behandlung nicht durch einen nach der Genehmigung sich ändernden Zahnbefund ganz oder teilweise gegenstandslos wird, aber gleichwohl durchgeführt werden kann. Denn die der Krankenkasse obliegende Aufgabe der Sicherung der wirtschaftlichen Leistungserbringung beschränkt sich nicht auf eine punktuelle Prüfung und Genehmigung. Die Befristung trägt maßgeblich dazu bei, die Effektivität der Prüfung der Krankenkasse als den Leistungserbringungsvorgang begleitende Aufgabe in ihrer zeitlichen Dimension abzusichern und zu stärken (Bundessozialgericht, Urteil vom 27. August 2019 – B 1 KR 9/19 R, RdNr 13 mwN).
Der BMV-Z regelt die Umsetzung dieser aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot abzuleitenden Anforderungen in Nr 4 und 5 der Anlage 2 zum BMV-Z (entsprechend der Vereinbarung nach § 87 Abs 1a SGB V über die Versorgung mit Zahnersatz zwischen der KZBV und dem GKV-Spitzenverband mWv 01. Juli 2018): Danach ist der HKP der Krankenkasse vorzulegen. Sie hat den HKP vor Beginn der Behandlung insgesamt zu prüfen und kann den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung begutachten lassen (Nr 4 der Anlage 2 zum BMV-Z). Bei bestehender Versorgungsnotwendigkeit bewilligt die Krankenkasse die Festzuschüsse. Nach der Genehmigung sind Änderungen des Befundes oder der tatsächlich geplanten Versorgung der KK zur Neufestsetzung der Festzuschüsse mitzuteilen. Die Festzuschüsse werden gezahlt, wenn der Zahnersatz in der bewilligten Form innerhalb von sechs Monaten eingegliedert wird. Die Gesamtvertragspartner können Regelungen zur Vereinfachung des Bewilligungsverfahrens für Wiederherstellungen/Erweiterungen vereinbaren (Nr 5 der Anlage 2 zum BMV-Z; vgl auch Bundessozialgericht, Urteil vom 27. August 2019 – B 1 KR 9/19 R, RdNr 14).
Die genannten Vorschriften aus dem Vierten Kapitel des SGB V nebst den ergänzenden Regelungen im BMV-Z zum Erfordernis der HKP-Genehmigung und ihrer Befristung regeln im Übrigen nicht nur die Beziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern, sondern gestalten auch das Leistungsrecht der Versicherten (Bundessozialgericht, Urteil vom 27. August 2019 – B 1 KR 9/19 R, RdNr 15 mwN).
bb) Da die Klägerin weder vorgetragen hat noch sonst etwas dafür ersichtlich ist, dass sie sich nicht innerhalb von sechs Monaten nach Genehmigung des HKP durch die Beklagte die im HKP vorgesehene Versorgung ihrer Zähne mit Zahnersatz eingliedern lassen hat oder sich überhaupt mit Zahnersatz versorgen ließ, entfiel die unter Gewährung des einfachen Festzuschuss erteilte Genehmigung der Beklagten allein bereits durch den Ablauf der sechsmonatigen Frist insgesamt, weshalb es nicht darauf ankommt, ob die Genehmigung darüber hinaus sogar unter Gewährung des doppelten Festzuschusses im Sinne des § 55 Abs 2 S 1 SGB V zu erfolgen hatte (vgl zu einer ähnlichen Fallgestaltung auch Bundessozialgericht, Urteil vom 27. August 2019 – B 1 KR 9/19 R, RdNr 16).
b) Wenn nach alledem die Anfechtungsklage unbegründet ist, ist auch die mit ihr kombinierte Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs 4 SGG unbegründet, weil diese aufgrund des der Kombination immanenten Stufenverhältnisses eine zulässige und begründete Anfechtungsklage voraussetzt und weil die Klägerin – wie dargelegt – keinen Anspruch auf die begehrte Versorgung mit Zahnersatz unter Gewährung des doppelten Festzuschusses hat.
3. a) Obwohl die Kammer das Begehren der anwaltlich vertretenen Klägerin nach Maßgabe von § 123 SGG auch ohne Klagebegründung sinnentsprechend und großzügig als auf Aufhebung der mit dem Bescheid der Beklagten vom 20. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2019 verlautbarten ablehnenden Verfügung und auf Verurteilung der Beklagten zur Versorgung mit Zahnersatz unter Gewährung des doppelten Festzuschusses gerichtet angesehen hat, vermag sie aber jedenfalls – nicht zuletzt mangels inhaltlicher Äußerungen im Klageverfahren – ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren im Sinne des § 131 Abs 1 S 3 SGG (vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 27. August 2019 – B 1 KR 9/19 R, RdNr 8 und RdNr 17) nicht zu erkennen. Zwar entscheidet das Gericht nach Maßgabe der genannten Regelung des § 123 SGG über die von der Klägerin oder dem Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Indes ist bei einem von einem Rechtsanwalt oder einem anderen qualifizierten Prozessbevollmächtigten gestellten Antrag in der Regel – und auch hier – anzunehmen, dass dieser das Gewollte richtig wiedergibt (vgl Bundessozialgericht, Beschluss vom 05. Juni 2014 – B 10 ÜG 29/13 B, RdNr 12 unter Hinweis auf Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 123, RdNr 3 mwN), weshalb auch für eine noch weitergehende (anderweitige) Auslegung oder gar "Umdeutung" kein Raum verbleibt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 193 Abs 1 S 1 SGG. Es entsprach dabei der Billigkeit, dass die Beteiligten insgesamt einander keine Kosten zu erstatten haben, weil die Klägerin mit ihren Begehren im Klageverfahren vollumfänglich unterlag.
5. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben (§ 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 183 S 1 SGG).
Rechtsmittelbelehrung
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Richter am Sozialgericht
Erstellt am: 15.07.2020
Zuletzt verändert am: 23.12.2024